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Strafzölle auf Solarmodule - China droht mit Vergeltung

VOLKSWIRTSCHAFT | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 06 vom 14.06.2013


Strafzölle auf chinesische Solarmodule

Die EU-Kommission hat Solarmodule aus China mit Strafzöllen belegt. Hiermit reagiert die EU auf die niedrigen Preise der chinesischen Hersteller, die nach Ansicht der Behörde nur zustande kommen, weil die Teile unter dem Selbstkostenpreis angeboten werden. Die starke Konkurrenz aus China hat auch in Deutschland bereits einige Hersteller die Existenz gekostet. Unternehmen wie Solar Millennium, Solon, Solarhybrid und Q-Cells mussten Insolvenz beantragen. Innerhalb Europas sollen es rund 40 Unternehmen sein, die den chinesischen Dumpingpreisen zum Opfer gefallen sind. (1), (7)


Marktbeherrschende Position durch staatliche Unterstützung

Die Billigheimer-Strategie der Chinesen ist möglich, weil sie vom Staat mit Beihilfen und günstigen Krediten versorgt werden. Obendrauf kommen auch noch Exportsubventionen, die die chinesischen Produkte so konkurrenzlos billig machen. Auf dem europäischen Binnenmarkt hat diese Strategie dazu geführt, dass chinesische Hersteller bereits drei Viertel des Marktes unter sich aufteilen. Die EU-Kommission will mit ihren Strafzöllen gegensteuern. Sie befürchtet, dass die chinesischen Hersteller in dem Moment, da sie alle Wettbewerber verdrängt haben, die Preise deutlich anziehen könnten. Die Strafzölle sollen zunächst bei 11,8 Prozent liegen und nach zwei Monaten auf 47 Prozent ansteigen. Initiiert wurde das Strafverfahren vom Bonner Solarkonzern Solarworld. (1), (7)


Die nationalen Regierungen sind dagegen

Die Maßnahmen der Europäischen Kommission haben nicht die Unterstützung der nationalen Regierungen. Auch Deutschland hatte sich gegen Strafzölle ausgesprochen, da es als besonders exportabhängiges Land für freie Marktzugänge plädiert. Zudem wurde befürchtet, dass China dies als eine Kriegserklärung aufnimmt und seinerseits mit Importbeschränkungen antwortet. Dass bisher ein Drittel der Solarmodulproduktion in der Europäischen Union aus Deutschland kommt, trat angesichts eines drohenden Handelskriegs augenscheinlich in den Hintergrund.

Die EU-Kommission hat damit gegen den Willen der europäischen Einzelstaaten gehandelt. Sie argumentiert damit, dass China nur durch solche Strafmaßnahmen an den Verhandlungstisch gezwungen werden könnte. Zudem stünden weitere 25 000 Arbeitsplätze in Europa auf dem Spiel, wenn die chinesische Preisinvasion nicht gestoppt würde. (1), (7)


Chinesische Hersteller geben Auskunft

Der Dumpingvorwurf der Europäischen Kommission gründet sich nicht auf Mutmaßungen. Die europäische Behörde hatte chinesische Hersteller um Auskünfte gebeten. Dem Aufruf kamen rund 100 Firmen nach. Damit stützt sich die Entscheidung für Strafzölle auf die Angaben von etwa zwei Drittel aller chinesischen Solarmodul-Hersteller. Mit diesen Angaben rechnete die Kommission weiter und kam zu dem Ergebnis, dass die Firmen ihre Produkte um durchschnittlich 88 Prozent teurer anbieten müssten, um kostendeckende Erträge zu erzielen.

Die chinesische Dumpingstrategie ist auch eine Folge einer verfehlten Industriepolitik. Alleine in China werden 50 Prozent mehr Solarmodule hergestellt, als auf dem gesamten Weltmarkt gebraucht werden. Noch 2009 verfügte das Reich der Mitte über eine jährliche Produktionskapazität von lediglich 6,5 Gigawatt - heute sind es 55 Gigawatt. (1), (7)


Kritik an der EU-Kommission

Neben dem möglichen Schaden für die deutschen Ausfuhren nach China ist auch die europäische Solarproduktion an sich in die Kritik geraten. Industrieexperten zweifeln daran, ob der Hochlohnkontinent Europa überhaupt der richtige Standort für die Herstellung von Solarmodulen ist. Diese gehören nämlich gar nicht zur Hochtechnologie, sondern stellen ein eher einfaches und darum leicht kopierbares Produkt dar. Auch der EU-Energiekommissar Günther Oettinger glaubt nicht daran, dass die Europäer langfristig bei Solarmodulen konkurrenzfähig sein können. (2), (3)



Trends


Deutsche Hersteller sollen innovativer werden

Die Schutzzölle auf chinesische Produkte werden vermutlich auch nicht ausreichen, um der deutschen Solarbranche wieder auf die Beine zu helfen. Die Branche muss effizienter werden und sich zudem darauf einstellen, dass die auch in Deutschland gewährte Förderung nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gezahlt wird. Auch hierzulande gilt der Markt als künstlich aufgebläht, mancher Hersteller verkauft seine Produkte - wie die Chinesen - deutlich unter Preis. Die Unternehmen sind damit gefordert, sich von den Wettbewerbern insbesondere durch innovative Produkte abzusetzen. Das technische Zauberwort heißt dabei Dünnschichtmodul, an dem auch solche Unternehmen weiter forschen, die sich aus der Solarmodulproduktion bereits zurückgezogen haben - wie etwa der Technologiekonzern Bosch. (4)



Fallbeispiele


Der Handelsstreit eskaliert

China scheint derzeit - wie befürchtet - darüber nachzudenken, mit welchen Gegenmaßnahmen es auf die EU-Strafzölle reagieren soll. Durchgesickert ist, dass Peking zusätzliche Zölle auf den Import von Autos aus Europa erheben wolle. Damit würde ausgerechnet die deutsche Industrie an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen, denn von den europäischen Herstellern sind nur die deutschen in großem Umfang in China aktiv. Zudem sollen Oberklasseautos besonders im Visier Pekings stehen - also das Segment, das von deutschen Herstellern dominiert wird. Es wird allerdings darüber spekuliert, ob Peking diese Information erst einmal nur streut, um Druck auf die europäischen Regierungen auszuüben. Der deutsche Automobilverband hat die Drohungen aus Peking schon aufgenommen und fordert die Bundesregierung und die EU dazu auf, mit China zu einer Verhandlungslösung zu kommen.

Derzeit zählt jedes fünfte Auto, das in China neu verkauft wird, zu einer deutschen Konzernmarke. 2011 exportierten die deutschen Hersteller 545 000 Pkw im Wert von mehr als 17 Milliarden Euro nach China. Allerdings fällt der Import aus Deutschland - an dem die chinesische Regierung offenkundig den Schraubenzieher ansetzen will - vergleichsweise gering aus, denn VW, Audi, BMW und Daimler produzieren schon längst in China selbst.

Auch für die Bestrafung Frankreichs hat sich die Pekinger Regierung ein besonders sensibles Produkt ausgesucht. Geprüft werden derzeit Strafzölle auf europäischen Wein, wofür das Handelsministerium ein Antidumping- und Antisubventionsverfahren eröffnet haben soll. (5), (6)


Deutschland verliert Exportanteile

Chinas Exportwirtschaft läuft den deutschen Konkurrenten auf den Märkten der Schwellenländer immer mehr den Rang ab. In Brasilien und Indien fallen die deutschen Anbieter bereits hinter die Chinesen zurück. Doch damit nicht genug. Auch in Japan und in den USA holen die chinesischen Unternehmen stark auf. Laut einer Untersuchung liegt dies insbesondere an der hohen Komplexität deutscher Produkte und an den dafür zu zahlenden Preisen. (8)



[NL]Zahlen & Fakten



Bilanz 2012 - Rekordwerte bestätigt

Die deutschen Maschinenhersteller ziehen für 2012 eine positive Bilanz. Mit einem geschätzten Zuwachs von real zwei Prozent und einem Produktionswert von 196 Milliarden Euro hat die Branche das Rekordniveau von 2008 - wie es sich bereits im November angekündigt hatte - wieder erreicht. Der Umsatz liegt mit rund 209 Milliarden Euro nun definitiv eine Milliarde Euro über dem bisherigen Rekordwert von 2008.

Nicht mehr verbessert hat sich im Dezember die das Gesamtjahr kennzeichnende Abschwächung der Nachfrage aus China. Der für die deutschen Hersteller wichtigste Exportmarkt orderte in diesem Jahr 8,6 Prozent weniger Maschinen als 2011. Nachdem die Ausfuhren nach China in den letzten Jahren regelmäßig zweistellig zulegten, ist dies für die deutschen Unternehmen eine neue Erfahrung. Dass das Gesamtergebnis dennoch sehr gut ausfiel, liegt an den gestiegenen Ausfuhren in andere Länder. So orderten die USA gut 20 Prozent mehr deutsche Maschinen als im Vorjahr. Noch ein bisschen höher fiel der Anstieg der Lieferungen nach Südostasien aus. Für 2013 belässt es der Dachverband VDMA bei dem bereits prognostizierten Produktionsplus von zwei Prozent - womit wieder ein Rekordwert erreicht werden würde. (6)

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Abbildung 1: Hohe Abbrecherquoten an den Universitäten[NL]
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Quelle: VDMA[NL]Entnommen aus: Handelsblatt, 22.11.2012, Nr. 227, S. 14 (8)[NL]
Abbildung 2: An den Fachhochschulen sieht es nicht viel besser aus[NL]
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Quelle: VDMA[NL]Entnommen aus: Handelsblatt, 22.11.2012, Nr. 227, S. 14 (8)[NL]

Weiterführende Literatur:

(1.) EU-Zölle für chinesische Solarindustrie
aus www.powernews.org Meldung vom 05.06.2013 - 09:37

(2.) Ist Solarworld einen Handelskrieg mit China wert?
aus manager-magazin.de vom 17.05.2013

(3.) Deutschland lenkt bei Strafzöllen gegen China ein
aus "Börsen-Kurier" Nr. 23/2013 vom 06.06.2013 Seite 4

(4.) Die Solarindustrie steht vor einer neuen Ära
aus Finanz und Wirtschaft vom 01.06.2013, Seite 14

(5.) China droht mit Strafzollvergeltung auf EU-Wein
aus manager-magazin.de vom 05.06.2013

(6.) China droht deutschen Autobauern mit Zöllen
aus DIE WELT, 08.06.2013, Nr. 131, S. 9

(7.) Worum es im Handelsstreit der EU mit China geht
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.06.2013, Nr. 127, S. 10

(8.) Deutschland verliert Exportanteile an China
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.06.2013, Nr. 128, S. 10

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 06 vom 14.06.2013
Dokument-ID: c_vwl_20130614

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