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Mehr Geld im Portemonnaie - in Deutschland steigen Reallöhne und Konsumlust

VOLKSWIRTSCHAFT | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 07 vom 15.07.2014


Höchster Anstieg seit drei Jahren

Erstmals wieder nach längerer Pause haben die Einkommen in Deutschland einen Sprung nach oben gemacht. So stiegen die Reallöhne im ersten Quartal so stark wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Das zwischen Januar und März 2014 gegenüber dem Vorjahreszeitraum erreichte Plus lag bei 1,3 Prozent, die Nominallöhne kletterten sogar um 2,6 Prozent. Insgesamt könnte das Jahr 2014, was die Reallöhne betrifft, mit einem Zuwachs von 1,5 Prozent schließen, schätzen Experten.

Noch im Vorjahr hatte die Reallohnentwicklung bestenfalls stagniert; dies war jedoch nur im zweiten Quartal 2013 der Fall. In den drei übrigen Quartalen gingen die Reallöhne verglichen mit den jeweiligen Vorjahreszeiträumen zurück: im ersten und im vierten Quartal 2013 um 0,1 Prozent, im dritten Quartal sogar um 0,3 Prozent. Auch insgesamt waren die Reallöhne im vergangenen Jahr gegenüber 2012 zurückgegangen, nämlich um 0,1 Prozent. Die letzte nennenswerte Steigerung datiert damit aus dem Jahr 2010, als die Reallöhne um 1,5 Prozent zulegten.

Die Zuwächse im ersten Quartal 2014 waren jedoch nicht gleichmäßig verteilt. Am stärksten profitierten Arbeitnehmer in leitender Stellung. Bei ihnen betrug das Plus 4,1 Prozent. Fachkräfte freuten sich über einen Zuwachs von 2,3 Prozent, Ungelernte über 1,3 Prozent. (1)


Unterschiede zwischen Ost und West

Auch im Jahr 2014 besteht zwischen den Löhnen in den alten und neuen Bundesländern nach wie vor ein deutliches Gefälle. Während der durchschnittlich gezahlte Bruttostundenlohn im Westen derzeit bei 20,42 Euro liegt, sind es in den neuen Bundesländern nur 15,30 Euro. Die höchsten Stundenlöhne werden in Hamburg bezahlt, in der Hansestadt liegt der Durchschnitt bei 22,12 Euro. In Hessen (21,65 Euro) und Baden-Württemberg (21,23 Euro) liegt der Verdienst ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt. Der niedrigste Stundenlohn im Westen wird mit 18,17 Euro in Schleswig-Holstein gezahlt. Schlusslichter sind die beiden ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Hier werden je Arbeitsstunde nur knapp über 15 Euro bezahlt.

Der Grund für das Gefälle ist die in Ostdeutschland nach wie vor niedrigere Produktivität. Am Fehlen großer Konzernzentralen hat sich auch nichts geändert. Hochtechnologie und hochwertige Dienstleistungen sind damit im Osten weiterhin weit geringer zu finden als in der alten Bundesrepublik. (2)


Die Konsumlust steigt weiter

Noch im April hatte es danach ausgesehen, dass den Deutschen langsam die Lust am Konsum vergeht. Wenn auch auf hohem Niveau, so stagnierte doch erstmals seit Monaten die Verbraucherstimmung in der Bevölkerung. Ein Trend ist aus der Atempause jedoch nicht geworden. Schon im Juni nahm die Spendierlust der Menschen wieder deutlich zu; der Konsumklimaindex kletterte von 8,6 Punkten auf 8,9 Punkte und erreichte damit den höchsten Stand seit 2006. Die Experten vermuten, dass hierfür die noch einmal von der Europäischen Zentralbank gesenkten Leitzinsen den wichtigsten Anstoß gaben. Da die Menschen für ihre Einlagen kaum noch Zinsen erhalten, geben sie das Geld lieber aus. Zum anderen spricht das Konsumverhalten der Bevölkerung für eine optimistische Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Situation. Insbesondere dürfte es die hervorragende Beschäftigungslage sein, die die Menschen weniger an die Vorsorge denken und stattdessen mehr einkaufen lässt. Auch die im ersten Quartal verzeichnete Reallohnsteigerung kommt im derzeit sehr guten Konsumklima zum Tragen. (3), (4)



Trends


Prognosen erhärten sich

Die zum Jahresanfang optimistischen Einschätzungen für die deutsche Wirtschaftsentwicklung bestehen fort. Derzeit gehen die Experten von einem BIP-Wachstum 2014 von fast zwei Prozent aus. Da die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,5 Prozent, 2015 sogar um 3,9 Prozent wachsen soll, sind die Perspektiven für die deutsche Exportwirtschaft besonders erfreulich. Volkswirte sagen voraus, dass die Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland und die Exporte weiterhin zunehmen werden. Dies schlägt sich auf die ohnehin niedrige Arbeitslosigkeit nieder, die die Experten in den nächsten Jahren bei deutlich unter sieben Prozent erwarten. (5)



Fallbeispiele


Verbraucherparadies Deutschland

Deutschland hat im Vergleich mit anderen europäischen Ländern paradiesisch niedrige Verbraucherpreise. So bezahlt der deutsche Konsument nur 1,5 Prozent mehr als der europäische Durchschnittsverbraucher, und dies obwohl Niedrigstpreisländer wie Rumänien, Bulgarien und Kroatien mit im Korb sind. Noch 2003 hatten die Preise in Deutschland um 6,4 Prozent über dem Durchschnitt der Europäischen Union gelegen. In den Nachbarländern sind die Preise hingegen deutlich gestiegen. Die höchsten Aufschläge müssen die Verbraucher in Luxemburg (plus 19 Prozent) und in Tschechien (plus 29 Prozent) verkraften. Auch in Belgien, den Niederlanden und in Österreich stiegen die Preise beträchtlich. Teuerstes Land ist die nicht zur EU gehörende Schweiz, in der das Preisniveau um satte 56 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt.

Hauptgrund für die Entwicklung in Deutschland ist die schleppende Entwicklung der Reallöhne. So haben 60 Prozent der Deutschen heute - trotz des Anstiegs im ersten Quartal 2014 - geringere Einkommen als noch vor 14 Jahren. (8)


Eckpfeiler der Makroökonomie

Die Lohnentwicklung in Deutschland kann als Bestätigung für eines der berühmtesten Theoreme der Volkswirtschaftslehre angesehen werden. Die so genannte Phillips-Kurve stellt einen Zusammenhang her zwischen der Arbeitslosenquote und der Entwicklung der Nominallöhne. Der britische Ökonom Alban William Housego Phillips wies mit seiner auf statistischen Daten beruhenden Kurve nach, dass die Löhne bei hoher Arbeitslosigkeit langsamer steigen oder sogar sinken, bei einer hohen Beschäftigungsrate hingegen schnell ansteigen. Was eigentlich simpel klingt, wurde dennoch schnell zu einem Eckpfeiler der Makroökonomie. (6)


Höhere Steuereinnahmen

Der Arbeitskreis Steuerschätzungen der Bundesregierung rechnet für die Jahre 2015 bis 2018 mit steigenden Steuereinnahmen. Bisherige Prognosen mussten korrigiert werden. Begründet werden die verbesserten Aussichten mit der guten Konjunktur und der anziehenden Lohnentwicklung. Die steigenden Nominallöhne werden zu beträchtlichen Mehreinnahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer führen. (7)



[NL]Zahlen & Fakten



Bilanz 2012 - Rekordwerte bestätigt

Die deutschen Maschinenhersteller ziehen für 2012 eine positive Bilanz. Mit einem geschätzten Zuwachs von real zwei Prozent und einem Produktionswert von 196 Milliarden Euro hat die Branche das Rekordniveau von 2008 - wie es sich bereits im November angekündigt hatte - wieder erreicht. Der Umsatz liegt mit rund 209 Milliarden Euro nun definitiv eine Milliarde Euro über dem bisherigen Rekordwert von 2008.

Nicht mehr verbessert hat sich im Dezember die das Gesamtjahr kennzeichnende Abschwächung der Nachfrage aus China. Der für die deutschen Hersteller wichtigste Exportmarkt orderte in diesem Jahr 8,6 Prozent weniger Maschinen als 2011. Nachdem die Ausfuhren nach China in den letzten Jahren regelmäßig zweistellig zulegten, ist dies für die deutschen Unternehmen eine neue Erfahrung. Dass das Gesamtergebnis dennoch sehr gut ausfiel, liegt an den gestiegenen Ausfuhren in andere Länder. So orderten die USA gut 20 Prozent mehr deutsche Maschinen als im Vorjahr. Noch ein bisschen höher fiel der Anstieg der Lieferungen nach Südostasien aus. Für 2013 belässt es der Dachverband VDMA bei dem bereits prognostizierten Produktionsplus von zwei Prozent - womit wieder ein Rekordwert erreicht werden würde. (6)

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Abbildung 1: Hohe Abbrecherquoten an den Universitäten[NL]
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Quelle: VDMA[NL]Entnommen aus: Handelsblatt, 22.11.2012, Nr. 227, S. 14 (8)[NL]
Abbildung 2: An den Fachhochschulen sieht es nicht viel besser aus[NL]
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Quelle: VDMA[NL]Entnommen aus: Handelsblatt, 22.11.2012, Nr. 227, S. 14 (8)[NL]

Weiterführende Literatur:

(1.) Deutsche haben wieder mehr Geld übrig
aus manager-magazin.de vom 24.06.2014

(2.) Reallöhne in Deutschland legen wieder stark zu
aus DIE WELT, 25.06.2014, Nr. 145, S. 9

(3.) Konsumklima. Die Deutschen sparen wieder
aus Die SparkassenZeitung, 11.04.2014, Nr. 15, S. 8

(4.) Deutsches Konsumklima ist im Aufwärtstrend
aus Welt kompakt Nr. 121 vom 26.06.2014 Seite 20

(5.) Sommergrundlinien 2014
aus DIW Wochenbericht 25/2014, S. 567 - 594

(6.) Die Phillips-Kurve. Wie sich eine statistische Beobachtung zur Relation von Arbeitslosigkeit und Nominallöhnen zu einer Handlungsanleitung für die Wirtschaftspolitik entwickelte
aus Finanz und Wirtschaft vom 21.06.2014, Seite 16

(7.) Steuermehreinnahmen, Mindestlohn und kalte Progression
aus ifo Schnelldienst, Heft 11/2014, S. 38-42

(8.) Deutschland ist ein Paradies für Verbraucher
aus DIE WELT, 21.06.2014, Nr. 142, S. 9

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 07 vom 15.07.2014
Dokument-ID: c_vwl_20140715

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