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Made in Germany gefragt wie nie - gute Stimmung will dennoch nicht aufkommen

VOLKSWIRTSCHAFT | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 09 vom 24.09.2014


Neue Rekordmarken

Deutschlands Wirtschaft hat im Juli dieses Jahres Waren im Wert von 101 Milliarden Euro exportiert und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Das Plus bei der Handelsbilanz erreichte mit 23,4 Milliarden Euro ebenfalls einen neuen Höchstwert.

In eigentümlichem Widerspruch zur tatsächlichen Lage steht jedoch die vorherrschende Stimmung. So sind derzeit die Befürchtungen groß, dass die Russland- und Ukrainekrise inklusive der verhängten Sanktionen die europäische Konjunktur noch deutlich nach unten ziehen könnten. Diese schwächelt schon jetzt, wenn man das Beispiel Deutschland herausnimmt. Nach Angaben des Europäischen Statistikamts Eurostat haben die 18 Euro-Länder im zweiten Quartal insgesamt kein Wirtschaftswachstum erreicht. Die 28 Mitgliedsstaaten der gesamten Europäischen Union kamen auf einen BIP-Zuwachs von gerade einmal 1,2 Prozent. (1)


Europa sieht Risiken

Im Widerspruch zur guten deutschen Konjunktur stehen auch einige Indizes. So hat der Ifo-Index, der die Stimmung in den Unternehmen misst, im August zum vierten Mal in Folge nachgegeben. Mit 106,3 Punkten erreichte er den niedrigsten Stand seit Juli 2013. Hinter den Erwartungen blieb auch die deutsche BIP-Entwicklung im zweiten Quartal zurück.

In Europa geht nun die Angst um, dass auch der Wirtschaftslokomotive Deutschland die Puste ausgehen könnte. Die europäische Kommission mahnt Deutschland bereits an, mehr zu investieren. Insbesondere für Infrastruktur, Bildung und Forschung müsse Deutschland mehr Geld ausgeben, um seine Rolle als europäische Zugmaschine zu behalten. Auch die früheren italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi und Mario Monti kritisieren, dass Deutschland zu sehr spare. Das ebenfalls darbende Frankreich ist schon lange der Meinung, dass das deutsche Spardiktat für Europa der eigentliche Grund für die konjunkturellen Probleme darstelle. EU-Präsident Jean-Claude Juncker bläst ins gleiche Horn und hat bereits vor der Sommerpause von den nationalen Regierungen ein 300 Millionen Euro schweres Investitionsprogramm verlangt.

Deutsche Konjunkturexperten setzen ihre Hoffnungen insbesondere auf die Binnennachfrage. Diese ist nach wie vor hoch, wie auch der GfK-Konsumklimaindex zeigt. Dieser ist noch einmal leicht angestiegen und notiert derzeit fast auf einem Achtjahreshoch. Vom niedrigen Geschäftsklimaindex lässt sich ein Teil der Fachleute ebenfalls nicht verunsichern und verweist auf dessen hohe Volatilität und damit eingeschränkte Aussagekraft. (1), (2)


Russlandkrise sorgt für Verunsicherung

Noch nicht ganz klar sind jedoch die Folgen der Russland-Sanktionen für die deutsche und die europäische Wirtschaft. Zwar machen die Exporte in Putins Reich nur drei Prozent des gesamten deutschen Ausfuhrvolumens aus. Weil jedoch auch die deutschen Handelspartner in Westeuropa, wie Frankreich, Großbritannien und Italien, weniger Güter nach Russland liefern, könnten sich deren Einbußen ebenfalls negativ auf die deutsche Konjunktur auswirken. Einen Dämpfer für die deutsche Exportwirtschaft bedeuten die Sanktionen freilich schon jetzt. Um satte 18 Prozent lagen die Ausfuhren nach Russland im zweiten Quartal unter dem Vorjahreszeitraum, im ersten Vierteljahr betrug der Rückgang 13 Prozent. (2)


Pessimisten trauen dem Frieden nicht

Die Rekorde im Exportgeschäft reichen damit aktuell nicht mehr aus, um alle Volkswirte von ihren Befürchtungen abzubringen. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn attestiert der Wirtschaft, immer mehr an Kraft zu verlieren. Größter Hemmschuh für die Konjunktur ist demnach jedoch nicht die Russlandkrise, sondern die schleppende Wirtschaftsentwicklung in Europa. Einig ist man sich darin, dass die für dieses Jahr prognostizierten 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum wohl nicht erreicht werden können. (3)


Von Rezession ist nichts zu sehen

Den aktuellen Pessimismus teilen jedoch nicht alle Wirtschaftsweisen. Sie verweisen auf die nach wie vor sehr gute Lage der deutschen Unternehmen. So sind die Finanzierungskosten derzeit wegen der niedrigen Zinsen überaus günstig, der Arbeitsmarkt zeigt sich stabil, und die Bilanzen weisen gute Gewinne aus. Das schwächere zweite Quartal sehen die Optimisten eher als einen Reflex auf das überaus stark verlaufene erste Vierteljahr. Auch der sinkende Geschäftsklimaindex verliert in dieser Sicht seinen Schrecken, denn im langjährigen Vergleich liegt das Stimmungsbarometer auch jetzt auf hohem Niveau. (4)



Trends


Rekordüberschuss in Aussicht

Der Handelsbilanzüberschuss im August hat bereits angezeigt, dass sich die deutsche Wirtschaft 2014 auf dem Weg zu einem Rekord-Jahresüberschuss befindet. Gerechnet wird mit einem satten Plus von 280 Milliarden Euro. Der erwartete Überschuss wäre nicht nur für Deutschland ein Rekordergebnis, denn kein anderes Land reicht mit seiner Bilanz an dieses Plus heran. China wird in diesem Jahr ein Handelsbilanzüberschuss von 230 Milliarden Euro vorausgesagt, auf dem dritten Platz rangiert der Erdöl-Exporteur Saudi-Arabien. Alleine zwischen Januar und Juli dieses Jahres hat Deutschland für 133 Milliarden Euro mehr Güter exportiert als eingeführt. 2013 betrug der Überschuss 192 Milliarden Euro, 2012 waren es 196 Milliarden Euro. (5)



Fallbeispiele


Bundesregierung fördert Hightech

Die Bundesregierung hat eine neue Hightech-Strategie (HTS) verabschiedet, mit der der Standort Deutschland seine führende Rolle auf vielen technischen Gebieten verteidigen will. Alleine in diesem Jahr sollen elf Milliarden Euro investiert werden, weitere drei Milliarden Euro sind geplant. Das Programm ist auf solche Bereiche konzentriert, die für die Zukunft der deutschen Wirtschaft besonders wichtig sind. Die bisherige Hightech-Strategie hat seit 2006 dazu beigetragen, dass die Investitionen in Forschung und Entwicklung so hoch liegen wie nie zuvor. Hiervon profitiert auch der Export: Kein anderes Land exportiert so viele Hightech-Güter wie Deutschland, zudem sind fünf der zehn forschungsstärksten Unternehmen Europas hierzulande angesiedelt. (6)


Erneuerbare Energien feiern Exporterfolge

Trotz der schwierigen Lage im Inland entwickeln sich erneuerbare Energien immer mehr zu einem deutschen Exportschlager. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat in einer Studie ermittelt, dass in Deutschland mittlerweile 100 000 Arbeitsplätze dem Exportbereich grüner Energiegewinnung zuzuordnen sind. Damit hängen rund 44 Prozent der Arbeitsplätze am Export.

Made in Germany hat nun auch auf dem immer noch jungen Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien einen guten Klang. Experten sehen den Erfolg insbesondere in der hohen technischen Qualität der deutschen Produkte begründet. Bei Windkraftanlagen werden bereits 67 Prozent der in Deutschland gefertigten Komponenten exportiert. (7)



[NL]Zahlen & Fakten



Bilanz 2012 - Rekordwerte bestätigt

Die deutschen Maschinenhersteller ziehen für 2012 eine positive Bilanz. Mit einem geschätzten Zuwachs von real zwei Prozent und einem Produktionswert von 196 Milliarden Euro hat die Branche das Rekordniveau von 2008 - wie es sich bereits im November angekündigt hatte - wieder erreicht. Der Umsatz liegt mit rund 209 Milliarden Euro nun definitiv eine Milliarde Euro über dem bisherigen Rekordwert von 2008.

Nicht mehr verbessert hat sich im Dezember die das Gesamtjahr kennzeichnende Abschwächung der Nachfrage aus China. Der für die deutschen Hersteller wichtigste Exportmarkt orderte in diesem Jahr 8,6 Prozent weniger Maschinen als 2011. Nachdem die Ausfuhren nach China in den letzten Jahren regelmäßig zweistellig zulegten, ist dies für die deutschen Unternehmen eine neue Erfahrung. Dass das Gesamtergebnis dennoch sehr gut ausfiel, liegt an den gestiegenen Ausfuhren in andere Länder. So orderten die USA gut 20 Prozent mehr deutsche Maschinen als im Vorjahr. Noch ein bisschen höher fiel der Anstieg der Lieferungen nach Südostasien aus. Für 2013 belässt es der Dachverband VDMA bei dem bereits prognostizierten Produktionsplus von zwei Prozent - womit wieder ein Rekordwert erreicht werden würde. (6)

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Abbildung 1: Hohe Abbrecherquoten an den Universitäten[NL]
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Quelle: VDMA[NL]Entnommen aus: Handelsblatt, 22.11.2012, Nr. 227, S. 14 (8)[NL]
Abbildung 2: An den Fachhochschulen sieht es nicht viel besser aus[NL]
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Quelle: VDMA[NL]Entnommen aus: Handelsblatt, 22.11.2012, Nr. 227, S. 14 (8)[NL]

Weiterführende Literatur:

(1.) Konjunktur - Export feiert Rekord. Drei Schwalben machen noch keinen Sommer
aus Handelsblatt online vom 08.09.2014

(2.) Die sieben großen Risiken
aus Handelsblatt Nr. 163 vom 26.08.2014 Seite 004

(3.) Das Geschäftsklima kühlt überraschend stark ab
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2014, Nr. 197, S. 17

(4.) Globale Krisen und deutsche Wirtschaft. Von wegen Rezession
aus sueddeutsche.de, 01.09.2014

(5.) Deutschland auf dem Weg zum Rekordüberschuss
aus DIE WELT, 12.09.2014, Nr. 213, S. 9

(6.) Hightech-Strategie der Bundesregierung. Deutschland soll Innovations-Weltmeister werden
aus www.process.de vom 04.09.2014

(7.) Erneuerbare Energien sind Exportschlager
aus Industrieanzeiger, Heft 20, 2014, S. 25

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 09 vom 24.09.2014
Dokument-ID: c_vwl_20140924

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