Inhaltsverzeichnis vom 19.05.2022

Amine Diare Conde ärgert sich: "Diese Plastiksäcke sind nicht gut für die Umwelt! Und sie kosten! Sag den Leuten, sie sollen das nächste Mal ihre eigene Tasche mitbringen." Dann tritt er hinter seinem Tisch im improvisierten Büro hervor, zupft einen gelben Plastiksack vom Stapel und reicht ihn einer der Helferinnen mit gelben Leuchtwesten. Kurz darauf füllt ihn eine ukrainische Frau mit dem, was heute bei "Essen für Alle" im Angebot steht: zu groß gewachsene und für die Großverteiler unbrauchbare Bio-Karotten, übrig gebliebene Schokoladen-Osterhasen, vom Ablaufdatum bedrohter veganer Käse. Eier, Reis, Kaffee und frische Tomaten.

Am Stadtrand von Zürich geben ...

Da hilft nur noch Klebeband." Es ist Sommer 2002, langsam schippert die umgebaute Kiesbarke in den Bielersee hinaus. Kurs auf die Petersinsel. An Bord ein paar Dutzend Verkopfte und ihre aufmerksamen Zuhörer, die nicht weniger wollen, als eine Alternative zur herrschenden Regierungsform zu erdenken: auf einem "Kongress gegen die Demokratie". Irgendwann, es war schon Nachmittag, kam die Frage auf: Was ist eigentlich, wenn ich mein Stimm- und Wahlrecht nicht annehmen will? Er habe bei der Stadtverwaltung Zürich nachgefragt, erzählte einer der antidemokratischen Kreuzfahrer: "Kleben Sie den Briefkastenschlitz an dem Tag zu, an dem die Wahlunterlagen verschickt werden."

Der Sommer ...

Wer ein potenziell tödliches Duell überlebt hat, möchte naturgemäß anschließend breitbeinig in den Saloon treten und Freibier für alle bestellen. Die Union tut aber gut daran, sich diesen Impuls nach den beiden Triumphen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu verkneifen. Denn erstens hat die CDU in absoluten Zahlen in NRW eine Viertelmillion ihrer Wähler verloren. Und zweitens ist das Problem, dass so viele Menschen nicht mehr so recht wissen, wozu man die Union überhaupt noch braucht, lange nicht gelöst. Die CDU ist wieder da - aber warum eigentlich?

Zynisch gesprochen, war der Krieg in der Ukraine für die ...

Sonnenblumenöl: 36,7 Prozent. Butter: 31 Prozent. Rinderhackfleisch: 31,7 Prozent. Nudeln: 24 Prozent. Das ist eine Auswahl der jüngsten Preissteigerungsraten im Einzelhandel. Da kann beim Einkauf schnell ein Plus von 20 Prozent oder mehr zusammenkommen, und die Tankrechnung oder das Gas für die Heizung sind dann noch nicht mal bezahlt.

Nun verhält es sich mit Preisen fol gen der maßen: Sie steigen manchmal, dafür fallen sie normalerweise irgendwann auch wieder. Das nennt man Marktwirtschaft. Doch diesmal könnte es anders kommen. Denn der Anstieg der Inflation ist Ausdruck eines Wohlstandsverlusts, den der Krieg in der Ukraine und seine langfristigen geopolitischen Weiterungen mit sich bringen. D ...

Wie sein neues Leben aussieht? "Kann ich Ihnen zeigen", hat Uwe Wurlitzer gesagt. Einige Tage später kniet er in einer sehr kleinen und chaotischen Wohnung. Um ihn herum liegen haufenweise Klamotten, dazwischen CDs und eine halb volle Chipstüte. Die Jalousien lassen kaum Licht durch. Von der Decke baumelt einer dieser klebrigen Fliegenfänger, an denen die Tiere oft noch zappeln, ehe sie sterben. Hier arbeitet Uwe Wurlitzer.

Früher war er einmal ein wichtiger Mann in der AfD. Das ist jetzt fünf Jahre her. Heute ist er 46 Jahre alt und sieht aus wie damals: eine mächtige Erscheinung, ein beinahe viereckiges Gesicht. E ...

Nachdem Angela Merkel 2005 aus dem Büro der Vorsitzenden der Unions frak tion ins Kanzleramt umgezogen war, erforschte sie über Monate - wie sich ein Wegbegleiter erinnert - "mit aufgestellten Antennen" das steile, steinige Terrain einer neuen Regierungschefin, stets orien tiert an der Leitfrage: Was muss ich noch lernen? Ihr Nachfolger Olaf Scholz erweckt seit seinem Umzug vom Finanzministerium ins Kanzleramt hingegen den Eindruck, als orien tie re er sich an einer anderen Frage: Was müssen die anderen noch lernen?

Dass Scholz seinen neuen Job im Geiste eines Werbeslogans für kalorienreduzierte Lebensmittel - "Ich will so bleiben, wie ich bin" - angegangen ist, verhindert zweierlei: d ...

Anfang der Woche haben ukrainische Einheiten nach eigenen Angaben mindestens an einem Punkt die russische Grenze erreicht. Das Video der Soldaten, die sich um einen blau-gelb gestreiften Grenzpfahl unweit von Charkiw, der zweitgrößten ukrainischen Stadt, aufbauten und ihrem Präsidenten Selenskyj den Erfolg meldeten, ging um die Welt. Das Video ließ sich zwar nicht unabhängig verifizieren, die symbolische Botschaft aber war eindeutig: Nichts ist unmöglich, wir werden die russischen Truppen aus der Ukraine vertreiben und unser Land befreien.

Natürlich ist ein einziger eroberter Grenzpfosten noch kein Sieg. Im Osten und im Süden kommen die russischen Truppen durchaus voran, wenn auch unter ...

DIE ZEIT: Herr Hodges, Sie leben in Frankfurt, sind mit einer Deutschen verheiratet, Sie kennen dieses Land gut. Bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sind die Deutschen gespalten. Viele fürchten, Putin könnte Atomwaffen einsetzen, wenn die russische Armee in Bedrängnis gerät. Verstehen Sie das?

Ben Hodges: Natürlich habe ich Respekt vor dieser Haltung. Ich höre immer wieder von meinen deutschen Freunden, ich würde die besondere Geschichte ihres Landes nicht verstehen. Aber ich denke, ich verstehe sie schon. Nur glaube ich nicht, dass Pazifismus der Weg zu einem dauerhaften Frieden ist. Die Deutschen stehen doch zu ihren demokratischen Werten, i ...

Satoka/Odessa

Einmal am Tag besteigt Juri K., von Beruf Wachmann, sein Motorrad und dreht eine Runde durch die menschenleeren Straßen von Satoka. Fährt Bögen um herrenlose Hunde und hungrige Katzen, sieht, wie schnell der Knöterich über Mauern, Zäune und Dächer wächst, und fragt sich, wie viele Kriegsjahre es wohl dauern mag, bis die Natur den Ort verschlungen hat.

Abends geht K. zwischen den vernagelten Bretterbuden hindurch zum Strand, um auf das Meer zu schauen. Früher, sagt er, habe ihn das beruhigt, jetzt schaudere es ihn. Denn vom Meer kommt der Tod. Irgendwo weit da draußen, unsichtbar hinter dem Horizont, liegen ...

Araber kennen Palästina gar nicht. Ägypter, Libanesen und Saudi-Araber dürfen nicht ins Land reisen. Araber wissen um Palästina als ihre Aus ein an der set zung, das Leben dort kennen sie nur aus dem Fernsehen. Auch Palästinenser kennen Palästina immer weniger gut. Neue Grenzen haben das Land zerklüftet. Palästinenser aus dem Westjordanland dürfen ohne Sondergenehmigung nicht nach Jerusalem, jene mit israelischem Pass nicht nach Gaza und die aus Gaza nicht raus. Palästina, das ist die gemeinsame Geschichte, den Alltag der jeweils anderen aber kennen auch Palästinenser nur aus dem Fernsehen.

Sie alle kennen Palästina aus den Berichten von Shireen Abu Akleh.

Die Fernsehreporterin wurde 51 ...

Als hätte Europa sonst keine Sorgen, ist der Brexit-Streit zurück: Das Vereinigte Königreich droht mit der teilweisen Aufkündigung des "Nordirland-Protokolls", die Europäische Union sieht dadurch das Handelsabkommen mit Großbritannien und überhaupt das britisch-europäische Verhältnis gefährdet. "Sollte die britische Regierung ihre Ankündigung wahr machen, dann werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen antworten müssen", erklärte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Sefèoviè, am Dienstag.

Was ist das Problem mit Nordirland?

Die Nordirland-Frage ist die unverheilte Wunde des Brexits. Genauer gesagt geht es um die Grenze zwischen der Republik Irland (die zur Europäischen Union gehört) und der britischen Provinz Nordirland ...

Sylt ist nicht nur eine Insel, es ist eine Idee. Sie steht für das Versprechen des kapitalistischen Systems: Wenn du hart arbeitest, kannst du hier Urlaub machen. Du kannst dir für viel Geld ein Haus kaufen, das die Hälfte des Jahres leer steht. Du kannst dich hier vom Rest der durchschnittsverdienenden Gesellschaft abschotten. Sylt ist die Idee des perfekten Urlaubs für Wohlhabende.

Manche Menschen auf Sylt sehen diese Idee jetzt bedroht, weil im Sommer ein neues Bahnticket eingeführt werden soll: Für neun Euro monatlich wird man im Regionalverkehr durch Deutschland reisen können, auch nach Sylt. Wegen des "zu erwartenden Ansturms" ...

Politik

AfD Die Partei schrumpft. Ehemalige Abgeordnete haben Schwierigkeiten, ins Berufsleben zurückzufinden

von Anne Hähnig 2

Koalition Wie die NRW-Wahl die Ampel durcheinanderwirbelt

von Peter Dausend, Paul Middelhoff und Robert Pausch 3

Ukraine Was sind die Kriegsziele des Westens? 4

Warum ist Putins Armee so schwach - und wie wahrscheinlich ist ein russischer Atomschlag? Interview mit dem US-General Ben Hodges 5

Odessa Eine Reise in die Hafenstadt, wo der Krieg entschieden werden könnte von Andrea Jeska 6

Nato Verhindert die Türkei den Beitritt von Schweden und Finnland? von Michael Thumann 7

Nahost Der gewaltsame Tod der Journalistin Shireen Abu Akleh verschärft den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern von Lea ...

Am Tag nach dem 19. Februar 2020, an dem ein rassistischer Attentäter in Hanau innerhalb von sechs Minuten neun Menschen erschossen hatte, versammelten sich Tausende Menschen auf dem Marktplatz, wo das Denkmal der berühmtesten Bürger der Stadt steht, deren Namen in Deutschland jeder kennt: Jacob und Wilhelm Grimm. Die Märchenbrüder.

Es waren Angehörige, Freunde und Fremde, die da kamen und am Sockel der Bronzestatue Kerzen aufstellten, Kränze und Briefe ablegten, Fotos und Plakate anbrachten für die Getöteten. Neun Menschen, deren Namen in Deutschland bis dahin kaum jemand kannte.

Kaloyan Velkov, 33 Jahre alt, hatte einen achtjährigen Sohn.

Fatih Saraçoglu, 34, K ...

Ich bin sehr irritiert, dass ein derart unausgewogener Artikel in der ZEIT veröffentlicht wird. Darin wird aufgelistet, dass Frauen zu wenig zum Familieneinkommen beitragen - im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Dass sie sich abhängig machen, sobald ein Kind da ist. Dass sie zehn Jahre nach der Geburt im Mittel 61 Prozent weniger verdienen als vor der Geburt.

Das alles klingt sehr vorwurfsvoll - und dabei wird nicht ernsthaft nach den Gründen für diese in der Tat unerträglichen Zustände (Altersarmut!) gefragt. Stattdessen wird die Bequemlichkeit der Mütter ins Feld geführt. Unglaublich.

In den von Ihnen angesprochenen anderen europäischen Ländern ...

Giovanni di Lorenzo, der Chefredakteur der ZEIT, regt auf der ersten Seite die Diskussion über die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine an. In der gleichen Ausgabe veröffentlicht die ZEIT den offenen Brief, in dem Ralf Fücks und andere Unterzeichner dem Bundeskanzler für die Entscheidung, solche Waffen zu liefern, Beifall zollen. Damit bezieht die Redak tion nun klar Position für eine Lieferung. Das bedeutet, dass die ZEIT das hohe Risiko eines - möglicherweise atomaren - Gegenschlags durch das Putin-Regime und damit eines potenziellen Dritten Weltkriegs zumindest in Kauf nimmt. Das ist für mich als langjähriger Leser nur schwer erträglich. JÜRGEN ...

Die Finnen wollten sich dem Diktat Moskaus nicht beugen. Sie konnten erahnen, was dann mit ihrem Land geschehen würde. Ihre baltischen Nachbarn erlebten es bereits: Auch sie waren im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939, dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, Moskaus Interessenbereich zugeschlagen worden. Kaum waren Wehrmacht und Rote Armee im September in Polen einmarschiert, kaum hatten sie das Land unter sich aufgeteilt (wodurch mehr als 13 Millionen Menschen in Ost polen unter sowjetische Herrschaft kamen), begann der Kreml auch schon, sich die ehemaligen Provinzen des zaristischen Russlands im Baltikum wieder einzuverleiben. Am 28. September zwang die Sow jet union Estland einen "gegenseitigen ...

Im Dezember 2020 erscheint in einer mittelfränkischen Regionalzeitung eine Annonce. Geschaltet hat sie eine renommierte Arztpraxis. Die Annonce ist mit einem berühmten Zitat von John Lennon überschrieben: "Das Leben ist das, was passiert, während wir andere Pläne machen." Ein Orthopäde möchte sich über die Anzeige von seinen Patienten verabschieden. Er bedankt sich für ihre jahrelange Treue und bittet sie, seinem "geschätzten Kollegen", seinem Nachfolger, "das gleiche Vertrauen zu schenken". Drei Monate zuvor hatte der neue, damals 54-jährige Kollege in der Praxisklinik angefangen.

Nur sieben Monate später ist alles wieder vorbei. Denn am 17. Mai 2021 erschien die Kriminal polizei in ...

Am 24. Februar, als die ersten russischen Panzer über die ukrainische Grenze rollten, begann der Krieg. Und noch etwas passierte an diesem Tag: An der Börse begannen die Aktienkurse von Rüstungsunternehmen in einem bis dahin fast unvorstellbaren Ausmaß zu steigen. Die Papiere von Lockheed Martin etwa, einem Hersteller von Kampfjets und Hubschraubern aus den Vereinigten Staaten, verteuerten sich seit Kriegsbeginn um zehn Prozent. Ak tien der bayerischen Firma Hensoldt, die Radarsysteme für Marine und Luftwaffe entwickelt, stiegen um über 80 Prozent. Und der Börsenkurs des Panzerbauers Rheinmetall aus Düsseldorf hatte sich zwischenzeitlich sogar mehr als verdoppelt (siehe Grafik).

So rasant ging ...

Es war ein Montag Ende Februar, als Ellen André beobachtete, wie mehrere Männer Koffer aus der Villa ihres Nachbarn schleppten. Weiße Limousinen mit Münchner Kennzeichen parkten vor dem Anwesen, André kannte sie von früheren Besuchen. Immer wenn der Mann aus Russland da war, waren auch diese Autos am Tegernsee. Sie erinnert sich, dass es hektisch aussah. Dann war er weg: der Mann, der Alischer Burchanowitsch Usmanow gewesen sein soll. Ein Oligarch, ein Vertrauter Putins, einer, der auf der Sanktionsliste der Europäischen Union steht.

Das Gespräch im Haus von Ellen André ist einem Zufall zu vedanken, einem Türklingeln auf gut Glück ...

Es ist eine Zahl, die kaum zu ertragen ist. 85 Millionen Fotos und Videos, die sexuelle Gewalt an Kindern zeigen, wurden nach Angaben der EU-Kommission im vergangenen Jahr weltweit aufgespürt. Hinter jedem Bild steckt ein junges Leben, das vielleicht für immer zerstört wird. Keine Frage: Der Kampf gegen "Kinderpornografie" und gegen das Teilen dieser abscheulichen Gewalttaten auf digitalen Kanälen hat viel zu lange zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Die EU-Kommission will das nun ändern. Vergangene Woche präsentierte die federführende Innenkommissarin Ylva Johansson den Entwurf für ein Gesetz, das die Betreiber von Online-Platt formen und Messengerdiensten zwingen soll, Gewaltdarstellungen an Kindern ausfindig zu ...

Wer in Kryptowährungen investiert, ist Kursausschläge gewohnt. Doch der Absturz, den die digitalen Finanzinstrumente zuletzt erlebten, schockierte auch überzeugte Anhänger. Bitcoin etwa, die bekannteste Kryptowährung, sackte auf 30.000 Dollar ab und hat damit über die Hälfte an Wert verloren seit dem Allzeithoch im vergangenen November. Mehr als 300 Mil liar den Dollar an Anlegergeld wurden bei dem Crash vernichtet.

Die Kettenreaktion, die viele Kryptowährungen ereilte, wurde ausgerechnet durch sogenannte Stable coins verschärft. Deren Herausgeber versprechen, die Coins jederzeit eins zu eins in Dollar einzutauschen. Damit sollen die Stable coins eigentlich Sicherheit im oft stür mischen Kryptomarkt bilden. Anleger tauschen etwa Bitcoins gegen Stable coins, deren ...

DIE ZEIT: Herr Feld, Christian Lindner fordert in einem vergangene Woche vorgestellten Strategie papier eine neue "Angebotspolitik" für Deutschland. Sie beraten ihn. War das Ihre Idee?

Lars Feld: Ich habe an dem Papier mitgearbeitet, es wurde aber vom Bundesfinanzministerium verfasst. Es geht darum, das Wachstum zu erhöhen, ohne die Inflation anzuheizen.

ZEIT: Warum ist das so wichtig?

Feld: Weil wir uns in einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Lage befinden. In einer normalen Rezession geht die Inflation zurück, jetzt aber droht eine Stagflation: Die Konjunktur schwächt sich ab, doch die Preise steigen weiter.

ZEIT: Warum ist das so?

Feld: Weil die Leute mehr Dinge ...

Die Verpackung von Rossmanns Öko-Windeln "Babydream" strotzt vor grünen Botschaften. Auf die recycelbare Verpackung hat die Drogeriekette kleine Bäume gedruckt, "wir lieben Umweltschutz" steht da, und: "Frische Luft ist toll". Ein Schriftzug preist das Windelpaket als "CO2-neutrales Produkt" an. Gleich daneben prangt ein "klimaneutral"-Label.

Bestenfalls windelweich seien derartige Werbeversprechen, meint die Deutsche Umwelthilfe - und geht nun juristisch dagegen vor. Anfang Mai schickte sie Rossmann eine Abmahnung: Die Drogeriekette solle die Windeln, ebenso wie ein Buntwaschmittel und feuchtes Toilettenpapier, nicht länger als "klimaneutral" bewerben, wenn sie nicht im Detail erkläre, was damit gemeint sei.

Rossmann ist nicht das einzige Unternehmen, d ...

Es sind vier ziemlich alltägliche Wörter, mit denen Alina Semenko an diesem Apriltag ein neues Kapitel in ihrem Leben aufschlagen möchte. "Hallo, ich heiße Alina", sagt die 38-Jährige so vorsichtig und leise, dass man merkt, wie fremd ihr die deutsche Sprache noch ist - und wie eigentlich unvorstellbar die Situation: Vor ein paar Tagen lebte sie noch in Charkiw im Osten der Ukraine, wo sie als Bauingenieurin gearbeitet hat. Doch dann griffen die Russen die Millionenstadt an und legten große Teile in Trümmer.

Und deswegen sitzt Semenko nun, nach einer chaotischen Flucht über Polen mit ihrer 15-jährigen Tochter, ihrer Mutter, i ...

Harald Grethe lehrt internationalen Agrarhandel und Entwicklung an der Berliner Humboldt-Universität. In dieser Woche startet er gemeinsam mit der Agrarexpertin Christine Chemnitz den neuen Thinktank Agora Agrar. Der bildet zusammen mit Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Agora Industrie eine Gruppe von Denkfabriken, die unter anderem dazu beitragen will, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht.



DIE ZEIT: Herr Grethe, Russland vermint ukrainische Felder und exportiert Getreide nach geostrategischen Kriterien. Hätten Sie je damit gerechnet, dass Weizen wieder zur Waffe wird?

Harald Grethe: Nahrungsmittel werden immer wieder als Waffe genutzt - in Kriegen, die sehr weit entfernt von uns stattfinden. Aber in ...

Liebe Leserin, lieber Leser,

als sie vor 13 Jahren eingeführt wurde, die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, waren wir ehrlichen Geldanleger erleichtert. Sie schien alles einfacher zu machen. Vorbei der Papierkram um Zinsen und Dividenden - den erledigt seit 2009 die Bank für uns. Sie zieht von Kapitalerträgen 25 Prozent ab, fügt den Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer hinzu und überweist das Ganze an das Finanzamt.

Aber so einfach, wie es anfangs schien, ist dieses System nicht. Es fängt damit an, dass Kapitalerträge nur dann versteuert werden müssen, wenn sie bei Ledigen mehr als 801 Euro und bei Verheirateten mehr als 1602 ...

Bernd Neuendorf empfängt auf einer Baustelle - im doppelten Wortsinn. Er muss den weltgrößten Sportverband nach Jahren der Querelen reno vieren. Und in der neuen Zentrale des Verbands in Frankfurt arbeiten Dutzende Handwerker, die den DFB-Campus bis zur offiziellen Eröffnung Anfang Juli fertigstellen. Der Weg zum Büro des neuen Präsidenten führt an einer riesigen Halle mit einem Kunstrasenplatz im Fifa-Maß 105 mal 68 Meter und vielen unausgepackten Büromöbeln vorbei. Während des Interviews blättert der 60-Jährige immer wieder in den Notizen, die er sich eigens für das Gespräch gemacht hat.

DIE ZEIT: Herr Neuendorf, als DFB-Präsident stehen Sie seit zwei Monaten dem ...

Matze hatte schon drei Firmen und noch nie eine Freundin. Vivian hat alles im Griff und ein verdrängtes Trauma. Steffen hat 18-Stunden-Arbeitstage und sich selbst verloren. Sabine hat erwachsene Kinder, einen un treuen Ehemann und lebt mit angezogener Handbremse. So empfindet sie das zumindest. Und auf die Empfindung kommt es an, denn sie prägt unser Leben. Das jedenfalls sagt Karin Behrend. Wie wir etwas empfinden, wie wir es wahrnehmen, das habe mit Erwartung zu tun: mit unserem Fokus. "Das ist", sagt Behrend, "wie eine Taschenlampe in einem dunklen Zimmer." Behrend ist Diplom-Psychologin und will in den folgenden zwei Tagen Matzes, V ...

Wenn Rogelio Vera hinausfährt auf den Ozean, dann beschützt ihn nur einer, und das ist Gott. Vor jeder Tour betet er zehnmal das Vaterunser und das Ave- Maria. Nur scheint gegen die Piraten selbst Gott machtlos zu sein.

Ihretwegen ist Rogelio Vera, 42 Jahre alt, Oberkörper wie ein Schiffsrumpf, binnen weniger Jahre von einem Besitzer einer kleinen Flotte zu einem Mann geworden, dem nur noch ein einziges Boot geblieben ist. Statt 15 Männer zu beschäftigen, fährt er nun selbst hinaus auf den Pazifik, der hier vor der Küste Ecuadors so weit erscheint, dass man meinen könnte, die Welt höre dahinter auf.
...

Oft reagieren wir heftig auf Meinungen, die unserer eigenen widersprechen, wir fühlen uns geradezu persönlich angegriffen. Und nicht selten greifen wir dann selbst den anderen an und werten ihn ab, das kann ziemlich feurig werden. Oder wir ziehen uns zurück, aus Angst vor einer Konfrontation. Beides ist ungünstig, weil es einen Austausch verhindert und ungute Gefühle hinterlässt.

Aus der Corona-Zeit kennen das sicher viele, aber natürlich kann es bei jedem Familienfest zu einem Zusammenstoß der Meinungen kommen. Da verbreitet vielleicht der Onkel seine sehr konservative politische Einstellung. Oder die Mutter findet, die Tochter isst zu viel. Auch das ist eine ...

Selbst mit Wintermantel und Handschuhen würde man es in diesen Ungetümen nur 20 Minuten aushalten. Minus 30 Grad herrschen in den 15 begehbaren Tiefkühlschränken des US-Verteidigungsministeriums. Sie sind neun Meter breit und lang, zehn Meter hoch und beherbergen mehr als 72 Millionen Röhrchen mit tiefgekühltem Blutserum von US-Militärangehörigen, alle seit vielen Jahren penibel codiert. Hier auf dem Gelände eines Gewerbegebiets an der Tech Road in dem Städtchen Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland können Wissenschaftler Antworten auf medizinische Fragen finden, die nur das Blut bereithält. Das Serumarchiv des Verteidigungsministeriums sei ein weithin "unerschlossener Reichtum", schrieb Nature im März.

Einer dieser vermuteten ...

DIE ZEIT: Frau Nuru, Sie arbeiten als Model für internationale Modelabels, als Unternehmerin vertreiben Sie fair gehandelten Kaffee aus Äthiopien. Das sind ziemlich unterschiedliche Rollen, wie kriegen Sie die zusammen?

Sara Nuru: Natürlich sind die Welten, in denen ich mich bewege, oft gegensätzlich. Doch der Erfolg in der Modebranche hat mich überhaupt erst dazu gebracht, mich stärker mit meinen äthiopischen Wurzeln zu beschäftigen. Und dass man einem Model nicht zutraut, auch eine gute Geschäftsfrau zu sein ... von solchen Klischees versuche ich mich gerade zu befreien.

ZEIT: Werden Sie unterschätzt?

Nuru: Anfangs war das sicherlich so, als ich mit meiner ...

Wie gut Schulen durch die Zeit der Schulschließungen gekommen sind, lag nicht zuletzt daran, wie viel En gage ment einzelne Lehrerinnen und Lehrer an den Tag gelegt haben. Während einige Schulen den digitalen Fernunterricht genutzt haben, um ihren Unterricht grundlegend zu ändern, ging es bei anderen nicht voran. Das lag an der fehlenden Ausstattung. An der fehlenden Unterstützung. An den fehlenden Konzepten. Aber es lag eben auch an unwilligen Lehr kräften.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Sie sind auch begründet in einem Beamtensystem, in dem professionelle Weiterentwicklung kein notwendiger Bestandteil ist. Man kann nur mutmaßen, dass dies wiederum den Beruf attraktiv für Menschen ...

Anissas Fahrrad ist klein, pink und mit Bildern von Prinzessin Lillifee bedruckt. "Und in der Lenkertasche kann ich sogar Sachen transportieren", erzählt sie. Anissa liebt es, mit ihrem Rad herumzudüsen: "Ich hab vor zwei Jahren Radfahren gelernt, und es macht einfach Riesenspaß." Anissa hat Glück: Weil sie fünf Jahre alt ist und noch nicht in die Schule geht, darf sie jederzeit radeln. Für viele andere Kinder ist jetzt erst mal Schluss mit dem Spaß. Bis Oktober dürfen sie ihre Fahrräder kaum noch benutzen.

Anissa lebt auf der Nordseeinsel Helgoland. Im Sommer kommen viele Touristen her, dann wird es voll ...

Es ist ein Kennzeichen von Epochenbrüchen, dass Hoffnungen und Lebensgefühl der alten Zeit schlagartig unverständlich werden. Wie konnte man nur - nämlich dies oder jenes glauben, auf dies oder jenes setzen? Die Menschen werden sich über Nacht selbst zum Rätsel, und zum größten Rätsel unserer Tage ist ihnen das geworden, was ehemals als Globalisierung gefeiert wurde, die weltweite ökonomische Vernetzung über alle kulturellen und politischen Grenzen hinweg.

Gewiss hat man schon früher auch Schattenseiten gesehen. Aber zu ihnen rechnete man eher die Verlagerung der Arbeitsplätze: den Wegfall gut bezahlter und sozial abgesicherter Stellen in den westlichen Staaten und ihre Ersetzung ...

Das Unrecht tritt dieser Tage auch als Schauspiel auf. Je länger der Ukraine-Krieg andauert, desto deutlicher zeigt sich die russische Propagandastrategie im Kampf um mediale Deutungs hoheiten: Es wird eine Ästhetisierung der Politik betrieben. Die vermeintlichen Interessen der russischen Bevölkerung würden wahrgenommen und verteidigt, so suggeriert es die Selbstinszenierung Putins als landesväterlicher Heilsbringer. Herrschaftliche Kulissen statt zerbombter Ruinen, Propaganda anstelle nüchterner Berichterstattung - der Krieg als nationales Reality-TV. In eben diesem ideologischen Prinzip, welches die Anliegen einer Bevölkerung ästhetisch zum Ausdruck bringt, aber nicht realpolitisch erfüllt, erkannte Walter Benjamin einst die zentrale Funktionsweise des Faschismus. Wie kann man sich dagegen wehren? Für ...

Robert Pfaller, der österreichische Kulturphilosoph, holt mich an meinem Hotel in Wien ab. Und weil der Stephansdom ums Eck liegt, schlage ich vor, ob wir ihn uns nicht zusammen anschauen wollen. Die Idee war mir gekommen, weil in Pfallers Denken Formen und Rituale eine große Rolle spielen; sein ganzes Denken könnte man als eine originelle Verteidigung des äußeren Augenscheins bezeichnen. Und weil, wo es um Rituale geht, die katholische Kirche mit ihrer unschlagbaren Messliturgie weiterhin zu den Weltmarktführern zählt. Doch Pfaller schüttelt den Kopf wie ein Vampir, den man auf eine Knoblauchsuppe einladen möchte.

"Wissen Sie", sagt er, "ich habe ...

Insgeheim denkt wohl fast jeder, dass vergessene Autoren selbst schuld seien, weil sie eben doch nicht ganz so gut waren. Literaturgeschichtlich stimmt das nachweislich nicht. Fitzgerald war eine Zeit lang fast vergessen, ebenso Faulkner; Kafka kam bekanntlich zu Lebzeiten überhaupt nicht durch und steht erst post mortem als Fixstern am Firmament. Und bei den Frauen ist es noch viel schlimmer, eine einzige Missachtungskatastrophe. Im Grunde müssten wir die meisten großen Autorinnen, von Virginia Woolf und Ingeborg Bachmann abgesehen, quasi zum ersten Mal entdecken, weil sie nie richtig gewürdigt wurden.

So auch Mechtilde Lichnowsky: eine Stilistin hohen Ranges, und das ist ...

Gründungsverleger:Gerd Bucerius (1906-1995)

Herausgeberrat:Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger- Kammüller, Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef JoffeEhemalige Herausgeber:Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002)Helmut Schmidt (1918-2015)

Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur: Giovanni di LorenzoStellvertretende Chefredakteure: Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd UlrichMitglieder der Chefredaktion:Malin Schulz, Tanja Stelzer, Jochen Wegner Chef/in vom Dienst: Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle

Chefreporter: Dr. Stefan Willeke

Textchef: Dr. Christof Siemes

Geschäftsführende Redakteure: Patrik Schwarz, Andreas Sentker

Chefkorrespondentin: Tina Hildebrandt

Internationaler Korrespondent: Matthias Naß

Leitender Redakteur: Hanns-Bruno Kammertöns

Redaktionsleiter Digitale Ausgaben: Götz Hamann

Parlamentarischer Korrespondent: Matthias Geis

Politik Hamburg/Berlin: Marc Brost/Elisabeth Raether/Dr. Heinrich Wefing (verantwortlich), Andrea Böhm, Alice Bota, Peter ...

Es kam nicht oft vor, dass Frau Holz, die robustere Seele in meiner Brust, an ihrem Schreibtisch saß und Briefe schrieb. Hastig flog ihre Hand übers Papier, und wer sie beobachtete, hätte meinen können, ihre spitze Nase würde mit jeder neuen Zeile noch etwas spitzer werden. Frau Holz benutzte violette Tinte, nach einem Besuch bei den Bayreuther Festspielen war sie von königsblauen Pelikanpatronen auf violette umgestiegen. Schließlich hatte auch Richard Wagner seine Parsifal-Partitur mit violetter Tinte geschrieben. Im Parsifal, seiner letzten Oper, fallen Schwäne tot vom Himmel, und dauernd ist Karfreitag. Die Farbe Violett, das wiederum hatte Frau Holz bei ...

Vielleicht hat das alles mit einer Drehbuch- oder Regie-Entscheidung begonnen, die, handwerklich durchaus nachvollziehbar, die politische Moral der DDR-Erinnerung nachhaltig veränderte. Bei der Verfilmung von Thomas Brussigs autofiktionalem Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee, einer lockeren An ein an der rei hung von Episoden einer mehr oder weniger rebellischen Jugend in der späten DDR, sollte ursprüng ich am Ende eine Szene vom Tod an der deutsch-deutschen Grenze stehen. Das hätte freilich den leichten Ton zwischen Groteske und ironischer Romantik schockhaft zerstört, der den Film Sonnenallee 1999 zu einem großen Publikumserfolg im einigermaßen wiedervereinigten Deutschland machte - und zum Modell für eine trotzig-unlarmoyante Spielart der gescholtenen "Ostalgie". K ...

Wäre natürlich leichter gewesen, wenn man es einfach "Neptun" getauft hätte oder "Poseidon" oder "Dorsch", schon allein für den täglichen Funkverkehr. Stattdessen dieser lange Name ungewisser Aussprache: "Elisabeth Mann Borgese". So steht es in leuchtend weißer Schrift auf dem blauen Rumpf des Forschungsschiffes, das im Rostocker Fischerei hafen liegt. Geboren wurde es 1987 als Schwe den eck und diente der Marine. Seit 2011 dient es der zivilen Forschung, dem Sammeln von Wissen über das Meer. Dem Erhalt der Meere. Einen besseren Namen hätte man für das zweite Leben dieses stolzen Schiffes nicht wählen können.

Ich gehe an Bord des Namens wegen. In wenigen ...

Deniz Yücel ist als PEN-Präsident gescheitert. Der wahrscheinlich größte Fehler seiner nur sieben Monate dauernden Amtszeit war, dass er und seine Mitstreiter am vergangenen Wochenende beim PEN-Kongress in Gotha verloren haben. Sie mussten sich nicht inhaltlich, sondern strategisch geschlagen geben. Sie hatten nämlich die Ausmaße der Selbstverzwergung des Vereins mit dem einstmals großen Namen ganz einfach unterschätzt. Yücel selbst nannte den PEN in seiner eruptiven Rücktrittsrede eine "Bratwurstbude", deren Präsident er nicht länger sein möchte. Damit warf er sein Amt mit großer Geste nur Minuten nach seiner knappen Wiederwahl den erstaunten Anwesenden vor die Füße, und die Versammlung löste sich ...

Auf dem Cover seines neuen Albums zeigt sich der Rapper Kendrick Lamar mit einer Dornenkrone auf dem Kopf. Er befindet sich in einem ärmlichen Raum mit seiner Familie, mit seiner Verlobten und seinen zwei kleinen Kindern. An der Wand, deren brauner Putz abblättert, sieht man vier Einschusslöcher, in seinem Hosenbund steckt etwas, das eine Schusswaffe sein könnte.

Die Heilige Familie ist eine Familie aus Toten, und der Mann mit der Dornenkrone könnte ein Mörder sein. Aber ebenso gut könnten wir hier auch der Szene einer Reinkarnation beiwohnen. Mr. Morale & the Big Steppers heißt das Album, es handelt von Tod, S ...

Ach ja, diesmal gibt es das alles nicht. Keinen Tom Cruise, der in blütenweißer Unterhose vor dem Spiegel steht, den Nassrasierer in der Hand hält und dann von seinem Navy-Vor gesetzten zärtlich an der Schulter berührt wird. Kein Auf ein an der pral len muskulöser Bomberpiloten in der Umkleidekabine, kein erotisch dampfender Duschraum, keine schmachtenden Blickkontakte junger Männer mit Schweißperlen auf der Stirn. Es war Quentin Tarantino, der den Militärfilm Top Gun in einem legendären Cameo-Auftritt (in der Comedy-Romanze Sleep With Me) als Kampf eines Mannes um seine Homosexualität beschrieb - und das Drehbuch als kryptoschwules Meisterwerk.

1986 spielte Tom Cruise den Piloten Pete "Mave rick" Mitchell, d ...

Wenige Tage nach der Premiere ist der Schriftsteller Viktor Martinowitsch, 44, aus Deutschland zurückgefahren in die Heimat, nach Weißrussland. Dort werden seine Bücher zwar nicht mehr verlegt, und auch die Zeitungen, die über sie einst berichtet haben, sind inzwischen verboten. Sodass Martinowitsch sich auch dieses Mal - wie vor jeder Heimreise - überlegt hat, ob es richtig sei, zurückzukehren. Dennoch fuhr er jetzt wieder los, erst mit dem Flugzeug nach Vilnius, dann von Vilnius im Reisebus nach Minsk. Der Bus werde leer sein, sagte er uns vor der Abreise; denn wer wolle - außer ihm - schon nach Minsk? Aber ...

Grenzenpäpstlicher Geduld

In der Nacht zum Dienstag, als die gute Nachricht aus Mariupol kam, 264 ukrainische Kämpfer seien aus dem Asow-Stahlwerk evakuiert worden, da fragten in Rom die Vatikan-Insider sofort: Hat der Papst es also doch geschafft? Haben seine Vatikan-Diplomaten die Überlebenden aus den Katakomben gerettet?

Denn das war der Plan von Papst Franziskus, seine wichtigste Friedensmission in den vergangenen Kriegswochen: mithilfe kirchlicher Kontakte zu erhandeln, dass möglichst viele Eingeschlossene aus der Hölle von Mariupol gerettet würden. Schon Ende April wäre es fast gelungen. Da hatte der aus Rom in die Ukraine entsandte päpstliche "Almosenmeister", der polnische Kardinal Konrad Krajewski, Busse ...

Soll der deutsche Johannes einfach aufhören, Tacos zu machen?

Dies ist eine Geschichte über Stefan aus Oldenburg. Stefan, ich weiß nicht genau, was ich von dir halten soll. Du warst in Thailand, habe ich gehört, bist auf einem Elefanten durch ein Dorf geritten, hast auch einen Kochkurs gemacht. Jetzt denkst du, du weißt Bescheid. Also machst du zurück daheim prompt ein Restaurant auf. Bei dir, sagst du, kann man erleben, wie Thai-Küche wirklich schmeckt.

Ich verstehe das gut. Meine erste Garnelensuppe, die berühmte Tom Yam Gung, vor beinahe dreißig Jahren schmecke ich heute noch - dieses prickelnde Übermaß an Frische ...

Jeder Mensch hat ja diese liebenswerten schlechten Angewohnheiten. Das Problem ist: Sobald man beginnt, seine eigenen schlechten Angewohnheiten selbst liebenswert zu finden, sind sie es nicht mehr so richtig. Meine persönliche schlechte Angewohnheit ist, dass ich immer sehr genau darauf achte, wo mein Platz ist. Im Zug oder Flugzeug will ich zum Beispiel am Fenster sitzen. Das ist ein Recht, das ich mir so rausnehme, und wenn ich es nicht bekomme, dann bin ich die gesamte Reise ein bisschen unzufrieden.

Im Hotel, in Ferienwohnungen, überhaupt an Orten, an denen man schläft, will ich möglichst weit weg von der Zimmer tür liegen. B ...

Eine Videokonferenz am frühen Nachmittag, drei ehemalige Diplomaten sitzen in ihren Arbeitszimmern: Ernst-Jörg von Studnitz, bis 2002 Botschafter Deutschlands in Moskau, in seinem Haus in Königswinter, Volker Stanzel, ehemaliger deutscher Botschafter in China und Japan, sowie Shimon Stein, bis 2007 Botschafter Israels in Deutschland, an ihren Berliner Schreibtischen. Irgendwo läuft ein Radio. Deutschlandfunk. Die drei Männer siezen ein an der und sprechen sich mit "Herr Botschafter" an, obwohl sie sich lange kennen. Um protokollarische Feinheiten kommt man nicht herum, wenn es um die Frage geht: Was ist Diplomatie? Und was machen Diplomaten eigentlich den ganzen Tag? Vor allem aber: Kann die Diplomatie ...

Nach dem Essen drehen die Neffen und Nichten meines Freundes Itay durch. Vier Kinder rennen schreiend durch die Wohnung, springen auf die Sofas und auf ihre Eltern, die erschöpft in den Polstern liegen, als wäre ihr Lebenswille erloschen. "So einen balagan machen deutsche Kinder nicht, oder?", ruft Itays Vater. Ich winke ab, sage, dass das auch in Deutschland vorkommt. Ich sage nicht, dass deutsche Eltern ihre Kinder meist irgendwann zur Ruhe rufen. Ich muss an meine Eltern denken, die in Frankfurt leben. Bei gemeinsamen Essen führen wir meist Gespräche in normaler Lautstärke. Dagegen ist das hier Chaos, balagan.

Noch ...

Ende vergangenen Sommers, es war kurz nach den Ferien, saß ich mit einem Freund auf meiner Berliner Loggia und konnte mit ansehen, wie es in ihm arbeitete. "Das ist also der Balkon der Gartenkolumnistin", sagte er mit Blick auf das verdorrte Gestrüpp in den Töpfen und Kästen. Na ja, antwortete ich, durchaus peinlich berührt, Garten oder Balkon, man müsse sich halt entscheiden. Muss man natürlich nicht. Man muss sich nur eingestehen, dass das zwei sehr unterschiedliche Arten sind, etwas mit Pflanzen zu machen. Es ist ein bisschen wie mit Auto und Fahrrad. Man kann beides haben, aber nicht gleichzeitig benutzen, u ...

Im Zug, auf dem Weg zur Uni. Ich brüte über meinem Laptop, grübele, lasse den Blick aus dem Fenster schweifen. Unser Zug fährt an einem Trupp Bahnarbeiter vorbei. Und während sie darauf warten, an den Gleisen weiterarbeiten zu können, stehen sie in der Sonne und spielen auf ihren Schaufeln Luftgitarre. Das Leben kann so schön sein.

Hauke Ball, Hannover

Ich kaufe die ersten deutschen Erdbeeren. Da drückt mir der Verkäufer am Erdbeerstand noch ein extra großes und besonders rotes Exemplar in die Hand: Und eine für den Weg, sagt er.

Christina Gerth, Hamburg

Wenn sich beim Spazierengehen die Hand meines kleinen ...

Als Privatermittlerin habe ich meine bewähr ten Tricks. Einen nenne ich Honey trap. Mit dieser Masche locke ich Männer mit meinen weiblichen Reizen, bis sie sich selbst entlarven und ich sie überführen kann. Männer fallen darauf oft rein. So schnell wie dieses Mal ist es mir aber noch nie gelungen.

Als der Landwirtschaftsdienstleister Osters & Voß feststellte, dass mit firmeneigenen Tank karten enorm viel Sprit gestohlen wurde - nämlich 100.000 Liter Diesel in vier Monaten -, rief die Firma meinen Kollegen und mich zu Hilfe. Wir arbeiten in einer Detektei, die sich auf organisierte Kriminalität spezialisiert hat. Die Firma verdächtigte einen ehemaligen ...

Einen großen Teil meines Lebens verbringe ich zurzeit in Zügen. Meistens sitze ich im Speisewagen und trinke zu viel Kaffee. Zwei auffällig hübsche Kinder setzten sich an den Nebentisch, der Junge sechs, das Mädchen sieben, wie ich später erfuhr. Begleitet wurden sie von einer 14-Jährigen und einer Frau, die ich auf Anfang 20 schätzte. Nur die 14-Jährige sprach ein wenig Englisch, sie fragte, ob this the train to Braunschweig sei. Dort würde sie jemand am Bahnhof abholen, a man from our village. Die Frau, die im Speisewagen bediente, sagte: "From the Ukraine you do not have to pay", sie brachte ...

VON CHRISTINA RIETZ

Hans Zimmer lebt nicht nur in seiner eigenen Welt, er lebt auch in seiner eigenen Zeit. Nachts, wenn Hollywood schläft, arbeitet er. Nicht aus Zwang, sondern weil ihm die Dunkelheit gefällt. Er sitzt vor den 88 Tasten seines elektronischen Klaviers und vor seinen Computerbildschirmen. Wie etwas finden, das noch niemand zuvor gefunden hat, etwas, das noch gar nicht gedacht wurde? Eine Melodie vielleicht, einen Klang auf dem Synthesizer - etwas, das in Millionen Hörern und Hörerinnen ein Gefühl erweckt. Für die Dauer eines Films will Hans Zimmer seinem Publikum das ermöglichen: etwas zu fühlen.

Auf der Online-Plattform MasterClass ...

Waagerecht: 7 Klappt wie am Schnürchen, sind zwei zum Kontakt bereit 11 Was büßt man am schwersten? Seine ... zu spät erkannt zu haben (J. Bosshart) 15 Nicht nur im Schweizer Währungsraum: z. B. bei der Urlaubskarte sehr erbeten 17 Klassischerweise bei spärlichem Licht und wenig Gesellschaft genossen 19 Kann aber doch in hohem Maße die Ohren erfreuen 20 Fällt alsogleich prompt auf, indem additive Mehrwörter keine zusätzliche Sinnmehrung bringen 21 Sprichwörtliche Warnung: Prozesse verzehren Zeit, Geld, ... und Freunde 22 Wochenteile unter Strom? Einheit aus der Raumschichtung 24 Angebliches Projekt um Jahrtausende verspäteter Neu-Erfinder 26 Auch gewendet noch ...

Wenn Juli fernsehen will, werde ich pädagogisch tätig. Würde ich Juli einfach gucken lassen, was sie will, dann wären das Sendungen, bei denen sich Mädchen in Marienkäfer verwandeln und anschließend böse Motten bekämpfen. Oder Superhelden aus explodierenden Torten steigen. Oder Meerjungfrauen auf Badezimmerböden herumliegen. Hört sich irre an, aber das sind tatsächlich Sendungen, die es gibt.

Dabei sind es ja nicht einmal Sendungen, es sind Dateien, die aus Mediatheken abgerufen werden können. Ich kann mich nicht er innern, dass Kinderfernsehen zu meiner Zeit ein solcher Schrott gewesen wäre. Wir habe damals viel Sesamstraße und Die Sendung mit der Maus geguckt. Die ...

DAS GESPRÄCH FÜHRTE FRIEDERIKE MILBRADT

Herr Schmidbauer, ich kenne ein Paar, das sagt: Hätten wir keine Kinder, wären wir nicht mehr zusammen. Die beiden streiten oft, auch vor den Kindern, finden aber, eine Trennung können sie ihnen nicht zumuten. Kennen Sie solche Fälle aus Ihrer Praxis?

Ja, aber es ist immer schwer, solchen Paaren einen Rat zu geben. Paare werden durch sehr viele unbewusste Bindungen zusammengehalten, und es ist leicht zu sagen: Wir wären getrennt, wenn wir keine Kinder hätten. Oder keine gemeinsame Firma, was auch immer. Mit diesem Argument schieben die Partner die Verantwortung für die Beziehung von sich weg. E ...