Inhaltsverzeichnis vom 28.04.2022

Biene ist nicht gleich Biene. In der Schweiz gibt es neben der vom Menschen gehaltenen Honigbiene über 600 wild lebende Arten. Sie alle fliegen auf Futtersuche von Blüte zu Blüte und bestäuben so Kirschbäume, Rapsfelder und Blumenwiesen. Jedes dritte in Europa produzierte Lebensmittel profitiert von der Bestäubung durch Bienen. Dabei hat jede Biene ihre Lieblingsblüte: Die Honigbiene mag Raps. Die Gehörnte Mauerbiene mag Kirsche. Die Goldene Schneckenhausbiene mag Hornklee. Aber fast jede zweite Wildbienenart ist gefährdet. Und Bienenkenner sind sich einig: Verschwindet eine Art, verschwindet auch die Pflanze, die sie befruchtet - und um gekehrt.

Damit ist aber Schluss mit der ...

Eine der besten Nachrichten, die es in den letzten Jahren für die Wildbienen, Feldlerchen und Schmetterlinge gab, erreicht die Öffentlichkeit ohne viel Gedöns. Dabei ist es mehr als bemerkenswert, was der Bundesrat in die Direktzahlungsverordnung 910.13 geschrieben hat: Ab 2024 muss jeder Bauernbetrieb, der mehr als drei Hektar Ackerfläche bestellt, mindestens 3,5 Prozent davon als Biodiversitätsförderfläche (BFF) bewirtschaften. Heute sind es 1,3 Prozent. Es ist ihm überlassen, ob er seine Raps-, Weizen- und Kartoffelfelder mit einem Blühstreifen ökologisch aufwertet, der Insekten Nahrung und Lebensraum bietet, oder die bundesrätliche Vorgabe umsetzt, indem er das Prinzip "Getreide in weiter ...

Mit der Schneeschmelze sind in Graubünden nicht nur die Schneeglöckchen aus dem Boden geschossen, sondern auch die Wahlplakate. Überall stehen sie am Straßenrand. Neben den immer gleichen Regierungsratskandidaten lachen einen an fast jedem Dorfeingang die unterschiedlichsten Männer und Frauen an, die am 15. Mai ins Bündner Parlament - den Großen Rat - gewählt werden wollen. Diese Vielfalt ist neu.

Vor vier Jahren hatten sich noch 170 Personen für die 120 Sitze beworben, nun sind es fast 500. In fast allen Wahlkreisen ist Wahlkampf angesagt; auch dort, wo es früher mangels Kandidaten stille Wahlen gab. Selbst in den Gemeinden und kleinen ...

Wie soll das zusammengehen, fragt sich die Schweizer Autorin Julia Weber, als sie an ihrem zweiten Roman arbeitet und merkt, dass sie schwanger ist. Wird der Raum für das Schreiben kleiner werden, wird sie als Künstlerin schrumpfen, weil ein Kind in ihrem Bauch wächst?

Die Frage wird zur existenziellen Bedrohung - aber nicht nur. Denn Julia Weber, die mit ihrem Debütroman Immer ist alles schön 2017 für den Schweizer Buchpreis nominiert war, findet eine poetische Antwort. In ihrem zweiten, kürzlich erschienenen Buch Die Vermengung entwickelt sie eine neue Art des Schreibens: Sie wendet sich schriftlich an ihre Romanfiguren, schreibt Briefe ...

Dreimal in der Geschichte der Bundesrepublik hat die geschichtsträchtigste aller deutschen Parteien vor dem heute amtierenden Olaf Scholz den Kanzler gestellt. Zwei sind schon tot, Helmut Schmidt und Willy Brandt. Beide wurden immer größer, immer kanzleriger, je länger sie nicht im Amt waren. Denn ob einer nur ein Amtsinhaber war oder wirklich ein Kanzler, das erweist sich so richtig erst: danach.

Deshalb ist das Drama um Gerhard Schröder mit dem technischen Wort "Parteiordnungsverfahren" nur unzureichend beschrieben. Und deshalb wirkt es so hilflos und unproportional, seine Verdienste nun mit seinen Altersansprüchen zu verrechnen oder in einer Art politischem Scha dens bericht das Kosten-Nutzen-Verhältnis ...

Was für ein Triumph: Elon Musk ist jetzt nicht mehr nur der reichste Mann der Welt, Chef des E-Auto- Herstellers Tesla, einer Weltraumfirma, eines Tun nel bauers und eines Start-ups für Neurotechnologie. Er hat nun auch die Alleinherrschaft über Twitter, eines der mächtigsten sozialen Netzwerke unserer Zeit. Am Montag stimmte der Aufsichtsrat zu: Musk darf Twitter für 44 Mil liar den Dollar kaufen. Er wird die Plattform nun wohl bald von der Börse nehmen und ist dann niemandem mehr Rechenschaft schuldig.

Der Unternehmer steht stellvertretend für eine Klasse von Technologie-Milliardären, denen der alte Leitsatz von Milton Friedman, "The business of business is business", nicht mehr ...

Wenn Suy Lan Hopmann sich mit ihrer neuen Berufsbezeichnung vorstellt, müssen die Leute manchmal lachen, erzählt sie. Hopmann ist, so steht es auf ihrer Visitenkarte unter dem offiziellen Logo der Stadt, "Projektreferentin für die Dekolonisierung Hamburgs". Das klingt nach einer unmöglich großen Aufgabe.

Hamburg und der Kolonialismus - es ist eine lange Geschichte. Noch ehe sich das Deutsche Reich im späten 19. Jahrhundert "Schutzgebiete" in Afrika, in China und im Pazifik zulegte, haben hiesige Kaufleute Menschen als Sklaven verkauft und fremden Ländern Verträge aufgezwungen. Später wurden im Tropenkrankenhaus Ärzte und auf dem heutigen Uni-Campus Beamte für den Einsatz in Kolonien ...

Von oben gesehen, ist Hamburg grün, Flugreisende kennen den Anblick. Noch ehe Details der Stadt erkennbar werden, zeigt sich schon ein Farbton, jedenfalls im Sommer: die Farbe von Baumkronen und Rasenflächen, die ihre Blätter und Halme dem Licht zuwenden.

Am Boden entsteht ein anderer Eindruck. Wo Menschen sich gewöhnlich aufhalten und fortbewegen, auf den Siedlungs- und Verkehrsflächen, wie es in der Sprache der Statistiker heißt, bestimmen matt getönte Wände und grauer Asphalt das Bild - dies umso mehr, als die bewachsenen Flächen der Gärten und Höfe vor den Augen der Passanten meist verborgen sind, hinter Häusern, im Innern von Wohnblocks.
...

Hinten donnert der Verkehr über den Veddeler Damm, vorn beugt sich eine Gestalt über die Gehweg platten vor dem Hafen museum. "Rote Schuppen miere!", ruft sie. "Sandhornkraut!" Dann, nun vollends euphorisch: "Ach, und da neben dem Ampfer ist auch noch Hirtentäschel!"

Die Stimme, die angesichts von Blattrosetten in Plattenfugen so in Begeisterung gerät, gehört Andromeda Prondzinski, im Botanischen Verein zu Hamburg für sogenannte Kartierexkursionen zuständig. Das sind Ausflüge, bei denen Pflanzenfreunde erfassen, was genau wo in Hamburg wächst. An diesem Frühlingstag nehmen Prondzinski und zwei weitere Vereinsbotaniker zwischen Industrieanlagen und Wasserbecken im Hafen Kronblätter und Blütenstände in Augenschein, notieren sich etliches ...

Nummer 247-4-1 funktioniert hier ganz gut, sagt Torsten Melzer. Kein Frost- oder Trockenschaden, kein Schädling, nichts. Nummer 247-4-1 ist einer von acht Amberbäumen im Fritz-Neubers-Weg in Barm bek, vertrocknete stachelige Früchte hängen in seinen Zweigen, seine gezackten Blätter werden sich im Herbst knallig rot-violett verfärben. Amberbäume stammen aus dem Nordosten Amerikas, sie geben dort dem Indian Summer die Farbe. Melzer mustert Krone, Wuchsform und Länge der Triebe. "Der Baum hat sich solide entwickelt", sagt er. Vor gut elf Jahren ließ die Stadt die Bäume einpflanzen, die Straße ist ein Testfeld. Zuvor standen hier thüringische Säulen-Ebereschen, doch die kapitulierten in der engen ...

Ein schöner Garten wischt den Staub des Alltags von der Seele. Wer einen Garten anlegt, der glaubt an die Zukunft. Ein Garten ersetzt jedes Fitnessstudio und jeden Urlaub. Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten. Postkarten sprüche über das Gärtnern gibt es wie Blütenblätter am Kriechenden Günsel. Sie sagen alle mehr oder weniger das Gleiche: Pflanzen zu pflanzen ist zwar viel Arbeit, macht aber hammer glücklich.

Für viele Hamburgerinnen und Hamburger mag das fies klingen, für jene nämlich, die nicht mal einen Balkon besitzen, geschweige denn eine grüne Wiese hinter dem Haus. Tatsächlich haben sich aber schon etliche Bewohnerinnen und ...

Zuletzt forderte Christoph Ploß die Schließung von Gerhard Schröders Bundestagsbüro, einen Inflationsgipfel, eine allgemeine Dienstpflicht, mehr Zuschauer in Fußballstadien, längere Laufzeiten von Atomkraftwerken, eine Spritpreisbremse, Flüchtlingsunterkünfte auf russischen Jachten, den Bau von LNG-Terminals und die Rücktritte von Innenministerin Nancy Faeser und Familienministerin Anne Spiegel. 55-mal erwähnte ihn das Hamburger Abendblatt, 18-mal der Spiegel, 22-mal die Bild, davon 7-mal in Seite-eins-Geschichten der Bundesausgabe. Das ist die Bilanz des bisherigen Jahres.

Der 36-jährige Ploß ist Landesvorsitzender der Hamburger CDU und Abgeordneter im Bundestag. Er sagt schnell zu, als man ihn für dieses Porträt anfragt, und lädt zu zwei Gesprächen in die Landesgeschäftsstelle ...

Die Slawistin Nataliya Kostyak und der Softwareentwickler Martin Dietze gründeten 2015 den Deutsch-Ukrainischen Kulturverein in Hamburg. Das Ehepaar engagiert sich auch im Hilfsstab, der Hilfsangebote für ukrainische Schutzsuchende in Norddeutschland koordiniert. Kostyak, geboren in der Ukraine, kam nach Studienaufenthalten in mehreren Ländern im Jahr 2010 nach Hamburg. Dietze hat zunächst im Selbststudium begonnen, Ukrainisch zu lernen, und das später an der katholischen Universität in Lwiw vertieft.

DIE ZEIT: Frau Kostyak, wenn Ihre Landsleute jetzt fragen: "Wie sind die Deutschen so?" - was sagen Sie dann?

Nataliya Kostyak: Erst mal würde ich sagen, dass nicht alle Deutschen gleich sind. Dass ...

Khaled Almaani ist in Erklärungsnot, wieder einmal. Der Sozialarbeiter hilft jungen Menschen beim Start in ein selbstständiges Leben, darunter vielen mit Flucht geschichte. Einer dieser Menschen ist ein 21-jähriger Somalier, der 2015 in Hamburg ankam und immer noch im Asylverfahren steckt. Somalia gilt eigentlich als Herkunftsland mit guter Bleibe perspektive, dennoch wurde der Asylantrag des 21-Jährigen abgelehnt. Er klagte gegen den Bescheid, bis heute laufe das Verfahren.

Ein extremer Fall, heißt es bei der kirchlichen Hilfsstelle Fluchtpunkt, die Geflüchtete rechtlich betreut. Aber dass Schutzsuchende drei Jahre und länger auf eine Bleibeperspektive warten, komme häufiger vor. Der Somalier sei "definitiv kein Einzelfall", sagt ...

Man könnte glauben, es habe eines Kriegs bedurft, um die Hamburger vom Umweltschutz zu überzeugen. Geld spiele kaum noch eine Rolle, berichtet der Öko-Manager Matthias Ederhof, er werde mit An fragen und Zusagen überhäuft, die Interessenten akzeptierten lange Wartezeiten. Ederhof hat, was neuerdings alle wollen: Sonnenenergie, die jeder nutzen kann - nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Mieter.

Ederhofs Unternehmen nennt sich Energienetz Hamburg, es ist eine Bürgerenergiegenossenschaft, und er ihr Geschäftsführer, ein notorisch gut gelaunter Umweltaktivist, bald 60 Jahre alt, mit kahlem Kopf und unorthodoxen politischen Neigungen, jedenfalls in diesem Milieu: Vor zwei Jahren hat er auf einem aussichtslosen Listenplatz der ...

Verbraucherschützer sind ja auch nur Verbraucher, darum erklärt der Rechts anwalt Jan Bornemann die Folgen der steigenden Gaskosten einfach an seinem eigenen Haushalt. Die Bornemanns leben zu viert in einem Reihenhaus, einem dieser älteren Bauten mit zugigen Fenstern. Ein Haus, in dem die Gastherme hektisch zu klicken beginnt, wenn der Warmwasserhahn aufgedreht wird und das Gas mit einem Wumms zündet. Für Bornemann und für viele andere Hamburger muss sich der Wumms in ihrer Therme wie der Startschuss zu einem Wettlauf gegen die Kosten anhören, ein Rennen, das auch unter der Dusche entschieden wird. "600 Euro mehr" werde er dieses Jahr für ...

Schon verblüffend, wie flugs sich gerade alte Gewissheiten auflösen. Bislang galt auf minus 162 Grad heruntergekühltes und somit verflüssigtes Erdgas (kurz LNG) im Hamburger Hafen vor allem als Störfallrisiko, das man sich möglichst weit vom Leib halten wollte. Deshalb ging hier lange gar nichts voran: Ein Importterminal für LNG? Das sollten lieber die kühnen Hafenbetreiber in Brunsbüttel bauen. Eine Betankung der modernen Aida-Kreuzfahrtschiffe mit dem relativ emissionsarm verbrennenden Flüssiggas? War in Hamburg lange nicht möglich, jetzt bunkern die Schiffe das LNG eben in Rotterdam. Und ein innovatives schwimmendes Kleinkraftwerk, das aus dem Flüssiggas Strom erzeugte und die Schiffe an den ...

Sonst redet Phil Nabaoui nicht mehr als nötig, und wenn, dann leise und gemächlich. Doch wenn der Trainer vor seiner Mannschaft steht, ist er wie ausgewechselt. In wenigen Minuten wird sein Team in Eimsbüttel gegen den Halleschen FC auflaufen und gegen den Abstieg kämpfen. Nabaoui, 30, steht in der Mitte der Kabine und schwört die Spieler so laut ein, dass aus den Duschen nebenan ein Echo widerhallt: "Jungs! (Jungs!) Jetzt sind wir im Matchmodus! (Matchmodus!) Wir geben unser Maximum! (Maximum!) Wir bringen unsere Gegner aus dem Konzept! (dem Konzept!) Die sollen nachher nach Hause fahren und ...

Ihre Vibratoren bewahrt Nadine Beck im Wohnzimmer auf, nicht weit entfernt von dem kleinen Tisch am Fenster, an dem sie Gäste zum Kaffee empfängt. Es sind sechs Regale voll. "Aber das ist nicht alles", sagt Beck. "Ich habe noch ein paar in Kisten." Wir befinden uns in einem Mehrfami lienhaus in Ottensen, Altbau, ruhige Lage, hier leben Menschen, die ihre Fahrrad anhänger im geräumigen Hausflur parken und sich Gemüse per Biokiste liefern lassen. In der dritten Etage wohnt die Historikerin Nadine Beck, Jahrgang 1976, die nun ihre Sammlung präsentiert: Rechts recken sich phallische Massagestäbe und fleischfarbene Dildos, links lagern historische Apparaturen, d ...

DIE ZEIT: Warum haben Sie über fünf Jahre rumänische Roma gefilmt, die zum Betteln nach Hamburg fahren und unter Brücken schlafen - wollten Sie die Armut dieser Menschen zeigen?

Andrei Schwartz: Armut kann man im Film innerhalb von zwei Minuten darstellen, darum geht es mir nicht.

ZEIT: Worum dann?

Schwartz: Mich interessiert, wie Menschen trotz größter Armut mit dem Leben zurechtkommen. Deshalb habe ich schon vor 25 Jahren einen Film über eine Roma-Siedlung auf einer rumänischen Müllkippe gedreht. In Hamburg wollte ich wissen, wie diese Bettler - praktisch die Nachfolger der Roma von der Müllkippe - heute leben.

ZEIT: Eine ...

Als im Herbst 2004 Fleisch ist mein Gemüse erschien, hatte ich nicht die geringste Lust, das Buch zu lesen. Damals war ich dreißig und versuchte als Autor zu Ruhm zu kommen, oder zumindest zu einem Lebensunterhalt. Ich trat bei Poetry-Slams und Lesebühnen auf, hielt mich für witzig und äußerst begabt. Mir wollte nicht in den Kopf, warum meinen Roman kein Verlag drucken wollte, während ein künstlich auf literarisch getrimmter Schnarchschmöker wie Herr Lehmann von Sven Regener ein Riesenerfolg war. Und jetzt kam gleich der nächste Bestseller von einem, der eigentlich Musiker war und sich für komisch hielt. Es machte mich ...

Der 19. Mai 1972, ein Freitag. Um 15.41 Uhr ist im Axel-Springer-Verlagshaus in der Kaiser-Wilhelm-Straße ein dumpfer Knall zu vernehmen. Er hat seinen Ursprung in der dritten Etage. Eine Zwischenwand zum Korrekturraum stürzt ein. Glassplitter und Trümmer schießen umher. Zehn Menschen werden verletzt, Panik bricht aus.

Etwa eine Minute später geht ein Anruf in der Telefonzentrale des Verlags ein. Der anonyme Anrufer erklärt, gleich werde es noch einmal knallen. In der Tat explodiert drei Minuten später ein Sprengsatz in der sechsten Etage und reißt ein drei mal drei Meter großes Loch in die Außenwand.

Ermittler rekonstruieren später die Vorbereitungen ...

Der unwirtlichste Spielplatz Hamburgs liegt im sogenannten Brauquartier auf St. Pauli. Das jedenfalls steht zu vermuten, denn es ist unklar, ob es sich bei den Stangen, die aus dem gepflasterten Platz vis-à-vis dem Astra-Hochhaus ragen, wirklich um Spielgeräte handelt. Vielleicht ist es auch Kunst im öffentlichen Raum? Jan, 40 Jahre, Anwohner und Vater von zwei Kleinkindern, hat gehört, die Stangen seien Klettergeräte - auf diese Weise hätten die Vermieter die notwendige Quote an Spielflächen im Viertel erfüllt.

Jan lebt seit zwei Jahren hier. "Es ist hier schon sehr verdichtet und eng", sagt er. "Aber ich will mich nicht beschweren. Wenn ...

Anlauf nehmen in Barmbek

Ich habe ein Problem mit schönen Laufstrecken: Sie beginnen nie da, wo ich wohne. Fast immer müssen ein paar schwierige Kilometer überbrückt werden. An deren Attraktivität aber liegt es, wie oft - und ob überhaupt - ich mich zum Laufen motivieren kann. Gut klappte das, als ich in Barmbek wohnte, ein paar Ecken vom Museum für Arbeit entfernt. Von dort aus sind es drei Kilometer bis zur Alster: entlang dem Osterbekkanal durchs südliche Winterhude, immer geradeaus in westliche Richtung. Mal eine Strecke unter Bäumen, dann ein Stück Bürgersteig, dann folgt wieder Grün. Ein paar Straßenquerungen sind nötig, a ...

Dreimal in der Geschichte der Bundesrepublik hat die geschichtsträchtigste aller deutschen Parteien vor dem heute amtierenden Olaf Scholz den Kanzler gestellt. Zwei sind schon tot, Helmut Schmidt und Willy Brandt. Beide wurden immer größer, immer kanzleriger, je länger sie nicht im Amt waren. Denn ob einer nur ein Amtsinhaber war oder wirklich ein Kanzler, das erweist sich so richtig erst: danach.

Deshalb ist das Drama um Gerhard Schröder mit dem technischen Wort "Parteiordnungsverfahren" nur unzureichend beschrieben. Und deshalb wirkt es so hilflos und unproportional, seine Verdienste nun mit seinen Altersansprüchen zu verrechnen oder in einer Art politischem Scha dens bericht das Kosten-Nutzen-Verhältnis ...

Was für ein Triumph: Elon Musk ist jetzt nicht mehr nur der reichste Mann der Welt, Chef des E-Auto- Herstellers Tesla, einer Weltraumfirma, eines Tun nel bauers und eines Start-ups für Neurotechnologie. Er hat nun auch die Alleinherrschaft über Twitter, eines der mächtigsten sozialen Netzwerke unserer Zeit. Am Montag stimmte der Aufsichtsrat zu: Musk darf Twitter für 44 Mil liar den Dollar kaufen. Er wird die Plattform nun wohl bald von der Börse nehmen und ist dann niemandem mehr Rechenschaft schuldig.

Der Unternehmer steht stellvertretend für eine Klasse von Technologie-Milliardären, denen der alte Leitsatz von Milton Friedman, "The business of business is business", nicht mehr ...

KIEW

Die Soldaten haben eine Shoppingmall als Treffpunkt angegeben. Ihr Bataillon will keine Journalisten auf seinem Stützpunkt empfangen, keine Hinweise auf dessen Ort sollen nach außen dringen. "Zu riskant", sagt Sergij Bespalow.

Also treffen wir sie am Stadtrand von Kiew, zwei junge Männer in Uniform, das Schnellfeuergewehr über den Schultern, die Zigarette zwischen den Fingern. Um uns herum graue Plattenbauten, Graffiti, ein Werbeschild für Domino′s Pizza und Passanten, die für das orthodoxe Osterfest einkaufen. Es ist Tag 59 dieses Krieges, trotz täglichen Fliegeralarms sind die Geschäfte in der ukrainischen Hauptstadt wieder geöffnet.

Die beiden führen uns abseits auf eine Grünfläche. Hier ...

Jeder deutsche Bundeskanzler muss einmal diesen Satz sagen: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden (...) werde". Auch Olaf Scholz hat den Amtseid abgelegt, wie seine Vorgängerin und deren Vorgänger. Doch hatte kein Kanzler vor Scholz so viel Anlass, darüber nachzudenken, was diese Worte bedeuten, wozu sie eigentlich genau verpflichten. Die Fragen, die Scholz beantworten muss, führen ins Zentrum der wichtigsten politischen Debatte dieser Tage: Wie wendet man Schaden vom "deutschen Volke" ab? Durch Handeln? Oder durch Unterlassen? Ist es im Interesse des Landes, der Ukraine ...

Chiinãu

Vielleicht ist es so, dass man jedes Problem der Republik Moldau im Straßenbild der Hauptstadt Chiinãu finden kann. Die brutalistischen Regierungsbauten ste hen dann für die sowjetische Vergangenheit, die das Land bis heute nicht loslässt. Die vor Hotels geparkten Autos mit ukrainischen Kennzeichen stehen für den bedrohlich nahen Krieg im Nachbarland. Und die leeren Hochhäuser, die zerbrochenen Gehwegplatten, die bröckelnden Treppenstufen stehen für den ausbleibenden Fortschritt, den das Land so dringend bräuchte.

Das Schöne verbirgt sich in Chiinãu hinter Fassaden. Oder im Innenhof, hinter Koniferen, wie die Villa im Botschaftsviertel, in der Ludmila Nofit ihr Büro hat. Sie leitet die Gesellschaft ...

Das Ringen der Koalitionäre in Sachen Ukraine hat Friedrich Merz einen Triumph beschert - um ihn zu erkennen, muss man allerdings mit einer CDU-Lupe ausgestattet sein. Er werde, so Merz am Telefon, derzeit immer wieder auf einen Urknall der deutschen Nachkriegsgeschichte angesprochen: das gescheiterte Misstrauensvotum gegen den SPD-Bundeskanzler Willy Brandt durch Oppositionsführer Rainer Barzel, CDU. Der Urknall jährt sich nun zum 50. Mal, genau in der Woche, in der das Sondervermögen für die Bundeswehr - also das Herzstück der von Kanzler Olaf Scholz verkündeten "Zeitenwende" - zur ersten Lesung im Bundestag ansteht.

Von einem Misstrauensvotum sei man zwar "vermutlich noch ...

Pflanzen verändern sich, um in ihrer Umwelt überleben zu können. Sie passen ihre Wurzeln an und ihre Blätter, in der Botanik nennt man das Metamorphose. J. D. Vance ist keine Pflanze, er ist ein Bestsellerautor. Aber auch er hat eine Metamorphose durchlebt, eine politische Metamorphose. Er, der Trump-Verachter, ist zu einem Trump-Verehrer geworden.

Am vergangenen Samstagabend steht er neben Donald Trump auf einer Bühne im Bundesstaat Ohio, es ist der Höhepunkt seiner Karriere und der Höhepunkt seiner Radikalisierung. James David Vance, 37 Jahre alt, spricht zu Tausenden Anhängern. Vance lobt Trump. Dann übernimmt Trump das Mikrofon und lobt sich selbst. M ...

KABUL

6.15 Uhr Auf der Leine im Hof hängt die Wäsche von neun Kindern, an der Wohnzimmerwand hängt ein Sturmgewehr, zur Zierde. Die älteste Tochter bringt grünen Tee und Fladenbrot zum Frühstück, das Doktor Atifi im Nebenraum einnimmt - so bleiben die Frauen unter sich. Dann zieht er eine frische OP- Maske über den Vollbart: "Zeit, zu gehen." Der Arzt tritt aus der schmalen Hoftür in die Gasse aus Lehm, an der Hauptstraße winkt er ein Sammeltaxi heran. Atifi, auf dem Beifahrersitz, treibt nun mit dem Strom, der sich allmorgendlich aus den armen Vororten ins Zentrum Kabuls ergießt, mit den ...

DIE ZEIT: Frau Gaub, Sie haben mit einer Äußerung in der ZDF-Talkshow Markus Lanz vergangene Woche heftige Reaktionen ausgelöst. Sie sagten unter anderem: "Auch wenn Russen europäisch aussehen, sie sind keine Europäer", sie hätten zum Beispiel einen anderen Bezug zu Gewalt. Die Anklage in den sozialen Medien lautete daraufhin, unter anderem von Herrn Siegert, Ihrem Gesprächspartner hier: Das sei schlicht rassistisch. Haben Ihre Kritiker recht?

Florence Gaub: Nein. Rassismus bedeutet, Menschen nach biologischen Unterschieden zu hierarchisieren. Und mein Satz endete ja dort nicht. Ich habe ergänzt, dass es Unterschiede in einem kulturellen Sinne gibt, nämlich dann, wenn es um die ...

Mehr als zwei Jahre lang hat Deutschland über den Umgang mit dem Coronavirus gestritten. Aber aufeinander zubewegt haben sich die Positionen nicht, im Gegenteil. Untersuchungen wie die Cosmo-Studie der Uni Erfurt festigen den Eindruck: Wer jetzt noch nicht geimpft ist, ist aus Überzeugung nicht geimpft und bleibt es deshalb wohl auch. Auch eine Impfpflicht hätte daran nichts Wesent liches geändert - sondern lediglich die Staatsverdrossenheit bei denen weiter verstärkt, die das Impfen nicht für die Lösung, sondern vielleicht sogar für ein Problem halten. Aber wie soll es denn stattdessen weitergehen, wenn womöglich im Herbst die nächste Welle kommt?

Wenn die Spaltung ...

POLITIK

Ukraine Auch belarussische Oppositionelle kämpfen jetzt unter der blau-gelben Flagge und halten damit ihre eigene Bewegung am Leben VON ANDREA BÖHM 2

Waffen Was steckt hinter der deutschen Lieferhemmung? ROBERT PAUSCH, MARK SCHIERITZ UND SAMIHA SHAFY 3

Osteuropa Moldau wird von einer weiblichen Doppelspitze regiert - und könnte das nächste Ziel von Wladimir Putin sein VON SIMON LANGEMANN 4

Heimat Ukrainische Geflüchtete zeigen Handybilder ihres bis vor Kurzem friedlichen Alltags VON ANNA MAYR UND JULIA SALZMANN 5

CDU Friedrich Merz steht vor einem Dilemma: Wie kann man gleichzeitig für und gegen den Kurs der Regierung sein? VON MARIAM LAU 6

USA Der Bestsellerautor J. D. V ...

Den Anfang vom Ende Mariupols markieren Dutzende Kreuze. Unbekannte haben sie auf den Asphalt gesprüht, manche sind neongrün, andere leuchtend rot, Zeichen, die aus der Luft sichtbar sind. Die Kreuze tauchen in den Tagen vor Kriegsbeginn vor Polizeistationen auf, an einem Garagenkomplex und neben einem der Hochhäuser auf der Allee der Metallurgie, der Straße im Zentrum von Mariupol, in der Elena Kalaitan wohnt. Saboteure, denkt Kalaitan, Schläfer der Russen, die sich in die Stadt geschlichen haben und Markierungen für den Angriff anbringen. Es sind Ankündigungen dessen, was kurz danach beginnen wird.

Elena Kalaitan, 48, leitet eine der Lokalzeitungen in Mariupol, e ...

Der Raketenkreuzer Moskwa, heißt es, sei im Sturm gesunken. Bilder zeigen, wie das Schiff in Flammen steht, bei stiller See. Die Gräueltaten von Bu tscha, heißt es, seien nicht von russischen Soldaten begangen worden. Drohnen- und Satellitenaufnahmen beweisen das Gegenteil. Der Krieg ist eine Spezialoperation, in Kiew regiert eine faschistische Junta: Die russischen Propagandalügen - Erfindungen, Falschbehauptungen, manipulierte Fotos und Filme - folgen ein an der in schnellem Takt. Zuletzt verkündete Putins Staats-TV, die Ukrainer selbst würden die Hafenstadt Mariupol in Schutt und Asche legen, um die Zerstörungen später Russland anzulasten, so wie die Nationalsozialisten 1943. Keine Behauptung scheint zu infam oder aberwitzig, u ...

Erinnerungslücken? Lachhaft! Fakt ist: Anne Spiegel hat gelogen bei ihrer Aussage zu angeb lichen Teilnahmen an Kabinettssitzungen, nicht mehr und nicht weniger.

Das Schwächste in der Rücktrittserklärung von Spiegel ist die Rechtfertigung, sie habe ihr Amt aufgrund politischen Drucks aufgegeben. Mit einem ehrlichen Bekenntnis hätte Spiegel einen Rest von Würde bewahren können. Aber selbst diese Chance hat sie verspielt HARALD WIMMER, PER E-MAIL

In der Jagd ist es üblich, das Niederwild nach einem Kesseltreiben zu erlegen.

Die vergangene Woche hat uns gezeigt, dass die Jagd auf einen Menschen noch grausamer sein kann: Man lässt ihn erst vor das Mikro treten, um sich ...

Die Ostermarschierer als "fünfte Kolonne Putins" zu beschimpfen, wie Alexander Graf Lambsdorff es tut, kann man nur als bösartig bezeichnen. Und dann will Lambsdorff ihnen auch noch eine Mitschuld an den Morden und Vergewaltigungen in der Ukraine in die Schuhe schieben. Das ist infam.

Möglicherweise müssen wir künftig zweigleisig denken: Militärische Wehrhaftigkeit auf der einen Seite, Formen zivilen Widerstands auf der anderen - von Massenaufständen über Nicht-Kooperation und Verwirrungstaktik bis hin zu Nadelstichen und Sabotageakten gegenüber Angreifern und Besatzern.

Auf jeden Fall darf es nicht zu einem Rückfall in eine alternativlose militärische Kriegslogik kommen. Der Graf scheint mir da noch ...

Herbert Reul hat nichts Ungewöhnliches vor, er möchte bloß aus seiner gepanzerten Limousine steigen. Aber als er draußen ist, wird er sofort von durchtrainierten Männern umringt, die ihn beschützen sollen. Es ist eine Samstagnacht im April, Punkt 22 Uhr, als der nordrhein-westfälische Innenminister vor einer Polizeiwache am Rande der Essener Innenstadt eintrifft. Essen, Ruhrgebiet. Glaubt man Herbert Reuls Lagebildern, dann ist diese Gegend das nordrhein-westfälische Zentrum der Clan-Kriminalität.

Zu einem Spaziergang will Reul gleich aufbrechen, um der ZEIT jene Orte zu zeigen, an denen er aufräumen ließ. Doch ohne seine Aufpasser macht der Minister hier keinen Schritt. Zivilfahnder werden ihn ...

Man muss sich die Mehrwertsteuer als eine Art politischen Blutdrucksenker vorstellen. Als ein Medikament, das verabreicht wird, wenn so viel Druck in einer Debatte ist, dass er sich auf ungesunde Weise zu ent laden droht - etwa in Wahlniederlagen, Lobbyaufständen oder Volkszorn. In der Regel sinkt der Blutdruck der Begünstigten parallel zum Mehrwertsteuersatz.

Ein paar Beispiele gefällig?

Feministinnen haben so lange lobbyiert, bis der Mehrwertsteuersatz für Tampons und Hygieneprodukte 2020 von 19 auf sieben Prozent reduziert wurde.

Die Gastronomen nutzten die Pandemie zur politischen Durchsetzung ihrer alten Forderung, Speisen im Restaurant steuerlich zu begünstigen.

Und Hoteliers hatten bereits 2009 den als ...

Der vergangene Montag in Kopenhagen. Margrethe Vestager, 54, empfängt in der dänischen Vertretung der EU-Kommission. Hier, im Dachgeschoss, hat sie ein auffällig kleines Büro. Sie habe intensive Tage hinter sich, erzählt sie. In der Nacht von Freitag auf Samstag habe sie bis drei Uhr morgens über die letzten Details des zweiten neuen EU-Digitalgesetzes verhandelt. Es ist ihr bisher wichtigstes Projekt.

DIE ZEIT: Frau Vestager, was dachten Sie, als Sie hörten, dass Elon Musk Twitter kaufen will?

Margrethe Vestager: Ich war überrascht. Seine Herangehensweise war ein bisschen unorthodox. Er hat seine Follower schon über neue Twitter-Funktionen abstimmen lassen, bevor ihm die ...

Man würde den Mercedes-Chef gerne schüchtern fragen, ob er eigentlich mitbekommen hat, dass gerade russische Panzer durch die Ukraine rollen und sich deshalb ein paar Fragen neu stellen. Vor wenigen Tagen nannte Ola Källenius die Debatte um ein Tempolimit zur Reduzierung des Energieverbrauchs "emotional".

Emotional? Die Befürworter eines Tempolimits?

Aber dann fällt einem ein: Stimmt ja, die Panzer rollen durch die Ukraine. Und das passt auch ganz gut zum Stand der Debatte in Deutschland: Es ist möglich, dass Russland bald kein Gas mehr liefert oder der Westen ein Embargo verhängt. Die wirklich beste und kostengünstigste, vor allem aber: rationalste aller ...

Wer Hans-Joachim Watzke besucht, kommt nicht umhin, sich an bessere Zeiten im deutschen Fußball zu erinnern. Die Flure vor dem Büro des Geschäftsführers von Borussia Dortmund säumen Bilder jubelnder Männer, Robert Lewandowski, Mario Götze, Jürgen Klopp. Bilder, die zeigen, dass die Lage nicht immer so trist war wie heute. Aus Watzkes Bürofenster blickt man auf das Stadion, in dem die Fotos geschossen wurden, wie zum Beweis, dass die Szenen darauf wirklich passiert sind.

Es war Samstag, der 21. April 2012, als Borussia Dortmund den FC Bayern zu Hause 1 : 0 schlug und die Deutsche Meisterschaft verteidigte. Damals war die ...

Vorsicht, bitte. Ich möchte kurz durch", sagt Bella freundlich, als man sich ihr in den Weg stellt. Kurz darauf klingt sie bestimmter: "Die Gäste warten schon!" Als man endlich zur Seite tritt, gleitet Bella lautlos vorbei. Elegant umkurvt sie Tische und Stühle und steuert zielsicher in die hintere Ecke des Raums, wo zwei ältere Damen auf ihr Essen warten: Ente mit Bratnudeln und Gong-Bao-Huhn mit Reis.

Die Mitarbeiterin Bella ist der Traum jedes Gastronomen: Sie ist nie krank und macht nie Urlaub. Sie verwechselt keine Bestellungen, verlangt keinen Lohn und ist auch nach einer Zwölf-Stunden-Schicht noch zuvorkommend. Bella spricht ...

Die E-Mails waren so verfasst, dass sie die Neugierde von Matthew Earl wecken mussten. Der Finanzinvestor aus London war einer der schärfsten Kritiker von Wire card und einer derjenigen, die der Zorn des Konzerns am heftigsten traf. Ab 2016 wurde sein Postfach mit Phishing-Mails regelrecht geflutet - Nachrichten, die ihn dazu bringen sollten, auf darin eingebaute Links zu klicken.

Dabei waren die Angreifer durchaus kreativ: Einmal versprach man ihm brisante Details zu seinem Hauskredit. Dann empfahl man ihm einen Artikel über ihn selbst. Ein anderes Mal kam vom Account seiner Schwester ein Link zu Familienbildern. Allerdings: Im Absender stand der Mädchenname ...

Kurz nachdem am 24. Februar die ersten Raketen in Kiew einschlugen, organisierte der deutsche Landmaschinenhersteller Claas eine Skype-Besprechung. Um zehn Uhr schaltete sich einer nach der anderen zu, Alexander, Ruslan, Tatjana, Oxana, Anna, Gregori. Insgesamt 44 Mitarbeiter des ukrainischen Vertriebsteams.

"Wir fühlten uns wie in einem Albtraum", erinnert sich der Organisator der Runde, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Manche Mitarbeiter waren damals, 24. Februar, zehn Uhr, schon dabei, das Notwendigste für ihre Flucht zu packen. Andere waren auf dem Weg zum Musterungsamt, um sich fürs Militär zu melden. Nie hätten die Beschäftigten mit dieser Eskalation gerechnet. " ...

Wie sehr kriselt es bei Netflix?

Vergangene Woche hat die Streamingplattform ihre neuesten Geschäftszahlen präsentiert. Und die, so räumte Netflix-Chef Reed Hastings ein, waren enttäuschend. Zwar wuchs der Umsatz des Unternehmens im ersten Quartal 2022 leicht, aber die Zahl der Abonnenten - der wichtigste Erfolgsparameter - schrumpfte um insgesamt 200.000. Sie liegt jetzt bei 222 Millionen weltweit. Besonders stark war der Rückgang in Netflix′ Vorzeigemärkten, den USA und Europa. Weil sich die Plattform wegen des Kriegs in der Ukraine aus Russland zurückgezogen hat, gingen ihr dort über Nacht 700.000 Abonnenten verloren. Einzig in Asien gewann Netflix Abonnenten hinzu.
...

Lieber Herr Uhlmann,

seit mehr als drei Monaten läuft diese Kolumne nun schon, in der mein Kollege Rüdiger Jungbluth und ich Finanzfragen beantworten. Und unter all den Fragen, die uns bislang erreicht haben, ist Ihre wahrlich einzigartig. Sie wollen nicht wissen, ob sich die Riester-Rente lohnt oder welches Festgeldkonto die höchsten Zinsen bringt - sondern ob Sie überhaupt einen Ge danken an Ihre Finanzen verschwenden müssen. Da Geld Ihnen "gar nicht so wichtig" ist.

Andere Dinge haben also Vorrang für Sie, und das glaube ich Ihnen gern: Was ist schon ein reich gefülltes Konto oder ein nagelneuer Porsche im Vergleich zu ...

Den Dreck der anderen wegzuräumen.

Maya Zollenkopf, 16, Schülerin

Die Angst davor, den eigenen Liebsten keinen Schutz vor Krieg und Klimakatastrophe bieten zu können.

Joybrato Mukherjee, 48, anglist

Rückzugsraum mit uneingeschränktem Rückhalt, aber auch bester Realitäts-Check und ehrlichstes Feedback.

Karin Prien, 56, CDU-Politikerin

Ein Anker, der sogar dann noch Halt gibt, wenn Freunde weichen.

Wolf Warncke, 58, Autohändler

Liebe und Verlust.

Axel Gerschlauer, 51, Kinder- und Jugendarzt

Sich ewig als Kind zu fühlen, obwohl man schon längst erwachsen ist.

Julia Jakob, 28, Kulturmanagerin

Mit meinem Mann nach Südafrika reisen und nach zwei Monaten zu dritt zurückkehren - mit unserem Adoptivsohn.

Sascha Meißner, 40, Manager in Elternzeit

Ein ...

DIE ZEIT: Vielen Menschen fällt es schwer, Hilfe anzunehmen. Wieso eigentlich?

Gernot Jochum-Müller: Weil es bedeutet, die eigenen Grenzen zu akzeptieren. Man muss sich eingestehen: Etwas, das ich bisher selbst tun konnte, kann ich nicht mehr - oder kann es zumindest im Moment nicht. Ich brauche Unterstützung.

ZEIT: Eine Erfahrung, die eigentlich jeder immer mal wieder macht, in jeder Phase des Lebens.

Jochum-Müller: Trotzdem sind wir nicht gut darauf eingerichtet. Als Menschen haben wir im Wesentlichen zwei Austauschformen gelernt. Entweder wir bezahlen für eine Leistung - dann bleibt auf der moralischen und auf der Beziehungsebene nichts zurück. Oder wir ...

Niemand soll übersehen, dass es in diesem Haus um Fortschritt geht, darum, Familienmodelle neu zu denken, die Gleichstellung von Mann und Frau voranzutreiben, Kinderarmut abzuschaffen. Vieles davon steht darum sogar an der Fassade. Was fehlt, ist der Hinweis, dass es im Bundesfamilienministerium akute Probleme mit dem Fachpersonal gibt, vor allem in der Führungsetage. Anne Spiegel, erste Grüne in der Geschichte des Ministeriums, ist zurückgetreten, Lisa Paus, die ihr folgen wird, gerade erst vereidigt worden. Im vergangenen Jahr gab es über Monate hinweg gar keine richtige Familienministerin. Christine Lambrecht führte das Haus nebenbei, vom Justizministerium aus. Davor hieß die Ministerin Franziska ...

Als in das Kinderheim in Tschernihiw im Norden der Ukraine eine Bombe einschlägt, versteckt sich die Erzieherin Nataliya Pesotska im Kartoffelkeller, zusammen mit 31 Kindern und ihren Kolleginnen. Weil das Gebäude des staatlichen Heims über keinen Luftschutzbunker verfügt, hocken sie dort, wo sonst Rote Bete, Kartoffeln und Karotten lagern. Eine Woche haben sie schon ausgeharrt, bei jedem Alarm gezittert - und dann erneuter Beschuss: "Die Wände wackelten, der Putz bröckelte", sagt Pesotska am Telefon. "Wir hatten Angst, dass uns die Abwasserrohre an der Decke erschlagen könnten." Die Gruppe blieb unverletzt, es wurde nur die eine Seite des Gebäudes getroffen.
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Eigentlich wollte Lucy Chebout nicht mal Anwältin werden, und nun hat sie im dritten Berufsjahr bereits vier Verfahren vors Bundesverfassungsgericht gebracht. Sie gilt als Expertin in Sachen Abstammungsrecht, wird im Grüneberg zitiert, dem Standard kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Familienrechtler kennen ihren Namen, sie wird zu Vorträgen und Festreden eingeladen. Und trotzdem, sagt sie, sei die Situation für sie gerade sehr unbefriedigend.

Kalte Märzluft dringt durch die coronakonform gekippten Fenster des Besprechungsraums im Kollhoff-Tower, dem höchsten Haus am Potsdamer Platz in Berlin. Seit drei Jahren arbeitet Chebout, 38 Jahre alt, in der internationalen Wirtschaftskanzlei Raue. Den Räumen ist anzusehen, dass der Namensgeber ...

Anderthalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt fliegt ein Teleskop durchs All - und tut nichts. Das Röntgenteleskop heißt eRosita und wurde in Deutschland entwickelt. Es sitzt an Bord des Satelliten Spektr, und der ist russisch. Deswegen haben die beteiligten Forscher eRosita in einen Tiefschlaf geschickt, wenige Tage nach Kriegsbeginn, wie einen Computer in Stand-by.

Andrea Merloni leitet am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching die Forschungsgruppe für eRosita. Es einfach abzuschalten hätte in der Kälte des Alls binnen Stunden die sichere Zerstörung bedeutet und damit den Verlust eines einmaligen Werkzeugs. "So eine Mission vorzubereiten erfordert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte", s ...

Gar nicht so einfach, Lea Jacobshagen, Lucie Schröder und Eric Siemoneit zusammen in die Räume der ZEIT zu bringen: Lea studiert in Hamburg Psychologie und steckt im Klausurenstress, Lucie macht ein Praktikum und engagiert sich nebenher als ehrenamtliche Helferin für Geflüchtete am Berliner Hauptbahnhof, Eric arbeitet in einem Tierpark in Sachsen- Anhalt im Schichtdienst. Trotzdem wollten sie sich unbedingt Zeit für das Treffen nehmen, denn die Vielfalt der Freiwilligendienste sei immer noch viel zu wenig bekannt, finden sie.

DIE ZEIT: Lea, du hast deinen Freiwilligendienst in der Psychiatrie gemacht. Hast du geahnt, was dich erwartet?

Lea Jacobshagen: Ich habe ein Jahr ...

... dann lesen Sie Kollaps - Warum Gesell schaften überleben oder untergehen von Jared Diamond. Denn dieses 700 Seiten dicke Werk zu den grundlegenden Krisen, in die sich unterschiedliche Kulturen über die Jahrtausende hineinmanöv riert haben, kann seine Aktualität gar nicht verlieren - sofern man bereit ist, aus der Vergangenheit zu lernen.

Die Geschichte ist voller Miseren unterschiedlichster Art; und sie wird es bleiben. Die Ukraine ist nicht das letzte Land, das um seine Existenz kämpfen muss - so hart das klingen mag. Man kann sogar sagen: Es gibt kaum eine Gesellschaft, die sich nicht mit existenziellen Gefahren herumschlagen muss.

Aggressive ...

DIE ZEIT: Herr Leendertz, in dieser Woche nimmt das neue Helmholtz-Institut für One Health in Greifswald seine Arbeit auf. Sie sind dort der Gründungsdirektor. Was soll das bedeuten: One Health?

Fabian Leendertz: Man kann die Gesundheit des Menschen nicht isoliert betrachten, sie ist ganz eng mit der Tierwelt, der Umwelt und auch mit dem Klima verbunden. Wir brauchen also einen ganzheitlichen und sehr interdisziplinären Ansatz, um die Zusammenhänge zu verstehen. Und den liefert One Health.

ZEIT: Den Zusammenhang zwischen Tier und Mensch hat auch die Corona-Pandemie gezeigt. Wahrscheinlich ist das Virus von einer Fledermaus auf einen Menschen übergesprungen.

Leendertz: Ja, d ...

Wackelig sitzt der weißhaarige Patient auf dem Krankenbett. SeineWangen sind eingefallen, aus dem linken Nasenloch hängt eine Ernährungssonde, die Augen fixieren irgendetwas links oben. Man könnte den Mann für schwer demenzkrank halten. Aber durch das Piepen der Monitore hindurch dringt leise ein Murmeln. David Bennett, 57 Jahre alt, verfolgt im Fernsehen das Finale der amerikanischen Football-Liga und versucht zum Auftakt die inoffizielle amerikanische Hymne America the Beautiful mitzusingen. In Bennetts Brust schlägt ein gentechnisch verändertes Schweineherz. Er ist der erste Mensch, an dem die Transplantation erfolgreich gewagt wurde.

Das YouTube-Video sollte fünf Wochen nach dem gewagten Eingriff wohl einen Erfolg ...

Fragt man Volker Stollorz, was genau er beruflich macht, nimmt er ein Blatt Papier und zeichnet ein Modell darauf, das aus zwei gegenüberliegenden Kreisen besteht. In den einen schreibt Stollorz ein "W" für Wissenschaft, in den anderen ein "M" für Medien. Zwischen die beiden Kreise malt er dann einen weiteren Kreis mit vielen Pfeilen in alle Richtungen: "Das ist das Science Media Center", sagt Stollorz - "stark vereinfacht jetzt." Er hat das SMC 2015 gegründet. Man könnte auch sagen: Stollorz und sein Team sind Lückenfüller.

Denn jedes Jahr werden allein in den Natur- und Technikwissenschaften 2,6 Millionen Fachartikel ...