Inhaltsverzeichnis vom 24.02.2022

Ein frostiger Wind zieht über den Grenchenberg. Eine dünne Schneeschicht liegt auf der Jura-Hochebene. Weit im Süden ragen die Alpengipfel in den Himmel; weit im Westen drehen sich die Windräder auf dem Mont Crosin, der größten Windkraftanlage der Schweiz. Auch hier auf dem Grenchenberg soll künftig ein Windpark stehen und den Strom für 7000 Haushalte liefern. Noch ist aber nichts gebaut, noch ist offen, wann gebaut wird. Und ob überhaupt.

Das Problem: Auf dem Grenchenberg weht zwar zuverlässig der Wind, was den Kanton Solothurn veranlasste, das Gebiet in seinem Richtplan als Standort für einen Windpark aufzunehmen. Aber auf dem Grenchenberg ...

Eines der berühmtesten Lieder der seit dreißig Jahren beliebten Mundartband Patent Ochsner ist W. Nuss vo Bümpliz. Wie eine Rose im Schnee sei diese W. Nuss und wie ein Feuer in der Nacht, dichtete Sänger Büne Huber anno 1996. Spätestens jetzt genoss Huber den Status eines helvetischen Pop-Poeten. W. Nuss stand natürlich für Venus, Göttin der Liebe und Wunschbild, das bei Patent Ochsner einer Naturgewalt glich - gefährlich! Zum Glück wohnte Frau Nuss in den Hochhäusern von Bern- Bümpliz, fernab der gemütlichen Altbau-Bezirke der meisten Berner Musiker. Immerhin: Büne Huber wurde in Bümpliz geboren, am 27. Februar vor 60 Jahren.

Die ...

An der Rue Dancet in Genf, wenige Schritte von der Universität entfernt, stehen 50 Platanen streng geschnitten im Spalier - noch. Zwar werden sie nicht gerodet, aber sie sollen sich verändern: Statt der akkuraten Coiffure soll ihnen eine wilde Mähne wachsen.

Der Genfer Umweltminister Alfonso Gomez hat kürzlich auf einer Pressekonferenz ver kündet, die Stadt wolle Schluss machen mit "la taille en tête de chat", was frei übersetzt "Katzen kopfschnitt" heißt. Um einen Baum in die berühmte tête de chat-Form zu bringen, steigen Winter für Winter Gärtner in seine Krone. Dort sägen sie seine Äste immer an der gleichen Stelle ab. Eine ...

Zweihundertsieben sind es bislang. 207 Haftbefehle, praktisch alle gegen Drogenhändler. Sie gehen auf die Arbeit der derzeit erfolgreichsten Soko der Hamburger Polizei zurück. Helge Hinrichs leitet sie. Doch hätte man ihm dies vor fünf Jahren prophezeit, hätte er nur gelächelt und einen nicht mehr ernst genommen. Damals war der Polizist im Landeskriminalamt für die Straßendealer zuständig, "für die unterste Stufe des Drogenhandels", wie er erzählt. Damals nahmen er und seine Kollegen zwar immer mal wieder arme Kerle fest, die an der Straße herumstanden und sich beim Verkauf von kleinen Drogenmengen erwischen ließen. Doch an die Hintermänner, die alles organisierten und ...

Die Probleme der Hamburger Gastronomie lassen sich an Anne Behms Café Klippkroog in der Großen Bergstraße in Altona zusammenfassen. An den Wochentagen fehlen Gäste, abends lohnt es sich nicht, überhaupt zu öffnen: anfangs wegen der Sperrstunde, nun fehlt Personal. Die Chefin hingegen ist trotz der verkürzten Öffnungszeiten restlos überarbeitet.

Der Klippkroog wird im März elf Jahre alt. Hier treffen sich Rentner und Familien mit Kindern zum Brunchen, aber auch die Anwälte von um die Ecke zum Mittagstisch. Vor der Pandemie sei der Betrieb so eingespielt gewesen, dass sie kürzertreten wollte, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und neue ...

Wer gegen Corona geimpft ist, kann Umweltschützer oder Patriotin oder Fan des Fußballclubs FC St. Pauli sein. Wer nicht geimpft ist, ist schon damit hinreichend beschrieben - wenn nicht in den eigenen Augen, dann in den Augen der Mehrheit. Sie stehe morgens damit auf und gehe abends damit zu Bett, sagt eine Hamburger Erzieherin im Besprechungszimmer ihrer Kita. Nicht geimpft zu sein "hat mich zu einer Ausgestoßenen gemacht".

Inzwischen ist die Frau geimpft, "unter Zwang", wie sie sagt. Sie habe dem familiären Druck nicht standgehalten, sie wollte ihre Großmutter wieder treffen, was ihre Mutter ihr als Ungeimpfter nicht gestattet habe. U ...

Die Abschiedsfeier für Dieter Lenzen als Präsident der Uni Hamburg begann Anfang Februar mit einem Ständchen. Vor den Lobesreden der Wis sen schafts sena to rin und der Bundesbildungsministerin, vor den Videogrüßen dreier früherer Bundesminister, eines Nobelpreisträgers und vieler, die Rang und Namen haben im Wissenschaftsbetrieb, trat die Schauspielerin Anna Schäfer ans Mikrofon. Mit blondem Haar, tiefer Stimme und Blickkontakt zum Ehrengast sang sie Don′t Stop Me Now, den Hit von Queen. Den Songtext hatte sie umgedichtet auf Lenzen, doch viel musste sie nicht ändern: "He′s a shooting star leaping through the sky / Like a tiger defying the laws of gravity / he′s a ...

Die Ophelien vor der Insel Scharhörn könnten sich demnächst wundern. Setzen die Hamburger Behörden ihr Vorhaben wie geplant um, dann macht es bald brumm, dann platsch, und dann regnet es Modder von oben herunter: Elbschlick aus dem Hamburger Hafen, den die Stadt aus der Fahrrinne baggern und im Wattenmeer abladen will. Schon im März könnte es damit losgehen.

Ophelien sind knubbelige, leicht durchscheinende Würmer, die im Meeresboden leben. Ihnen und dem Rest des Wattenmeers werde der Hamburger Schlick erheblich schaden, warnen viele Menschen. Etwa die Mitglieder der Umweltverbände, die sich zum "Aktionsbündnis Lebendige Tide elbe" zusammengeschlossen haben. Sie nennen die Pläne ...

Wenige Dinge in Hamburg verändern sich so schnell wie der Straßenverkehr: Neue Radwege, weit gehend autofreie Wohnviertel, der nahezu autofreie Jungfernstieg, Anwohnerparkzonen und online buchbare Shuttle-Busse - wer die Stadt heute sieht, mag kaum glauben, dass hier vor gerade einmal zwölf Jahren eine antiökologische Protestbewegung den Bau einer Straßenbahn verhindert hat.

Aber was, wenn dieser vermeintlich große Fortschritt viel zu klein sein sollte? Berliner Wissenschaftler haben jetzt - unter der Annahme, die rot-grüne Politik setze sich fort - einen Blick in die Zukunft des Hamburger Verkehrs geworfen. Was sie zu sehen bekamen, ist wenig ermutigend.

Um herauszufinden, wie es auf den ...

DIE ZEIT: Herr Herrmann, vor gut einem Jahr sind Sie zurückgekommen von der Vendée Globe, der legendären Segelregatta in rund 80 Tagen allein um die Welt. Hatten Sie Zeit, sich mal zu erholen?

Boris Herrmann: Im Januar habe ich versucht, alles mal sacken zu lassen und mehr Sport zu machen, um wieder fit zu werden, das kam letztes Jahr zu kurz. Mein Ziel war, runterzukommen und nicht mehr den ganzen Tag getrieben durch die Gegend zu rennen.

ZEIT: Hat das geklappt?

Herrmann: Zum Glück. Das war ganz wichtig, um eine emotionale und geistige Erholung zu schaffen.

ZEIT: Stimmt es, dass ...

Worum es in ihrer Forschung geht, das erahnt man in Jutta Schneiders Labor schon, wenn man sich ein paar Schritte von der Tür wegbewegt. Links in der Ecke sitzt eine Vogelspinne, handtellergroß. Das Tier regt sich nicht, es hockt nur dumpf und starr, viele Monate schon. Kein Wunder, zeigt sich bei näherem Hinsehen: Die Spinne ist aus Gummi und wohl nur dazu gedacht, Besuchern hier oben in der sechsten Etage des Zoologischen Instituts der Universität Hamburg zu erschrecken.

Echte Spinnen sind alles andere als dumpf und starr. Sondern - und diese Einsicht ist Jutta Schneiders Forschung zu verdanken - Tiere ...

Im entscheidenden Moment ihres Einsatzes müssen die Polizisten improvisieren. Zu sechst stehen sie am 28. April 2021 im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses im Hamburger Osten. Auf ihr Klingeln und Klopfen reagiert niemand, sie hören aber, wie sich jemand in der Wohnung bewegt, so schildern sie es später. Um Türen aufzubrechen, werde im Normalfall die Feuerwehr hinzugezogen, wird einer der Polizisten vor Gericht aussagen. Aber die Beamten wollen nicht warten, vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Eine Anruferin hatte ein mögliches Verbrechen gemeldet: Ein Mieter soll seine Frau getötet haben.

Einer der Beamten tritt gegen die Wohnungstür, bis das Schloss ...

Dennis Schnichels ist ein Mann aus dem Maschinenraum der Musikindustrie. In diesen soll er jetzt hineinführen, denn gerade ist Große Freiheit erschienen, das neueste Album des Hamburger Rappers Gzuz. Es stieg sofort auf Platz eins der deutschen Albumcharts ein. Schnichels hat es mitproduziert. Aber bevor er die Tür zum Maschinenraum öffnet, muss erklärt werden, wer dieser Gzuz ist.

Gzuz, das ist der, der mal Stress mit der Tierrechtsorganisation Peta hatte, weil er vor laufender Kamera einen Alster-Schwan geohrfeigt hatte. (O-Ton Gzuz zum Schwan: "Batsch! Ahahahahahahaaa! Du Hurensohn!") Aktuell läuft außerdem ein Berufungsverfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Gzuz hat gestanden, e ...

Die Schriftstellerin Kristine Bilkau hat es wieder getan: Wie schon in ihrem ersten Roman Die Glücklichen, der beim Harbour-Front- Literaturfestival 2015 mit dem Preis für das beste Debüt ausgezeichnet wurde, knöpft sie sich in Nebenandie urbane Mittelschicht vor und fächert die Schieflagen eines Milieus auf, das an allem Möglichen leidet. An der Welt lage, am Klimadilemma und vor allem am Zeitgeist, der Frauen und Männern mindestens eine Doppelrolle verordnet: berufstätig zu sein, aber auch liebende Eltern.

Erneut hat die Hamburgerin dafür Paare ins Zentrum ihres Romans gestellt: die ehrgeizige Astrid, Ärztin, und ihren Mann Andreas, einen Ex-Lehrer und Privatier. Julia, die den ...

Auf dem Areal der alten Holsten-Brauerei in Altona fressen sich Abrissbagger durch die ver bliebenen Gebäude. Der Carlsberg-Konzern, dem die Holsten AG angehört, hat das Gelände im Jahr 2016 an einen Investor verkauft. Wo einst Bier gebraut wurde, sollen 1300 Wohnungen entstehen. Doch sechs Jahre danach gibt es noch immer weder Bebauungsplan noch Baugenehmigung. Fraglich ist sogar, ob der derzeitige Eigentümer, die Adler Group, dort überhaupt je bauen wird. Denn laut einer Unter suchung der US-Investorengruppe Viceroy Research hat Adler "weder das Kapital noch das er for der liche Cash, um Entwicklungsprojekte abzuschließen" - so steht es in dem Gutachten.

Hinter Viceroy Research stehen Shortseller, a ...

Die Pandemie ist noch nicht vorbei, die weltpolitische Lage ist erschreckend, außerdem bekommt man in Hamburg gerade gefühlt nur anderthalb Sonnenstunden pro Woche ab, was die Sache nicht leichter macht: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht - ich jedenfalls kenne niemanden, der gerade nicht mürbe, ausgelaugt und überanstrengt wäre, um nicht zu sagen: komplett durch.

Deshalb will ich versuchen, Ihnen mit diesem Text ein gutes Gefühl zu geben - und ein wenig Licht, Leichtigkeit und Zuversicht in diese Ausgabe zu bringen. Ich halte das für dringend ge boten. Es ist natürlich nicht garantiert, dass die Sache gelingt, aber ich wollte ...

Am 21. Februar 2022 hat sich Wladimir Putin aus der geordneten Welt verabschiedet, buchstäblich mit einem präsidialen Federstrich. Viele quälende Wochen lang hatte der russische Präsident mal Redebereitschaft si gna li siert, dann wieder Si gna le der Eskalation gesendet. Er riss die Welt mit sich in ein von Angst geprägtes Zwischenreich, ein Nirgendwo zwischen Ordnung und Regellosigkeit. In der Nacht von Montag auf Dienstag dieser Woche hat Putin sich dann für einen Weltzustand entschieden: die Anarchie. Und er hat sich für eine Sprache entschieden: die der Gewalt.

Am Montagabend erkannte Wladimir Putin zwei von Separatisten kontrollierte Teile des ukrainischen Donbass als eigenständig an. Wenig ...

Es war eine Kriegserklärung, die der russische Präsident Wladimir Putin am Montag live im Fernsehen vorgetragen hat: eine einstündige Rede, gerichtet an sein eigenes Volk und an die Welt, eine Rede, die mit Krieg drohte und eine Erklärung dazu lieferte, warum ein Einmarsch in die Ukraine nicht nur möglich wäre, sondern notwendig und legitim sei. Putin erkannte nicht nur die abtrünnigen Separatistengebiete im Osten der Ukraine an und brach damit offen das Völkerrecht. Sondern hier zeigte sich ein Mann, der eine Grenze überschritten hat. Der sich offenkundig frei fühlt, Verträge zu ignorieren. Der annimmt, dass niemand ihn in die Schranken ...

Wladimir Putin ist von der Geschichte getrieben, geradezu hypnotisiert. Nun will er in der Ukraine selbst Geschichte schreiben. Seine Vorgänger von Lenin bis Gorbatschow? Hätten alles falsch gemacht. Seine Mission? Die Fehler der anderen zu korrigieren. Putin sieht sich längst in einer Liga mit Zar Peter I., dem Begründer des russischen Imperiums, und Josef Stalin, dem Eroberer Europas bis an die Elbe. Ihrem Erbe will er nun sein Werk hinzufügen: die gewaltsame Rückkehr der Ukraine unter russische Herrschaft. Und danach - mal sehen.

Am Montagabend meldete er sich in einem einstündigen Wutausbruch im Staatsfernsehen zu Wort. Dabei schrie der ...

MARJINKA

Der Krieg beginnt in Larisa Mowsesjans Kartoffelkeller, der einen Meter und zwanzig Zentimeter hoch ist und zwei Meter unter der Erde liegt. Dort, zwischen Weckgläsern mit eingelegten Pflaumen, Gurken und Kohl, auf einer schmalen Bank, mit den Füßen im ein ge sicker ten Grundwasser stehend, harrt die 71-Jährige seit sieben Tagen aus und malt mit dem Lichtkegel ihrer Taschenlampe zur Beruhigung Kreise an die Wand. Draußen donnern die Mörser granaten, rattern die Maschinengewehre, im Keller dringt die Kälte des Grundwassers durch ihre Gummistiefel.

Manchmal dauert der Beschuss nur eine halbe, manchmal eine ganze Stunde. Erst wenn sie in der Stille nach dem Granatendonner die ...

Hinter dem geplanten EU-Lieferkettengesetz, über das in Brüssel in den kommenden Wochen gestritten werden wird, verbirgt sich ein großes politisches Versprechen: Die EU-Kommission will den globalen Handel fairer machen.

Die vielen Waren, die hier verkauft werden, sollen nicht anderswo von ausgebeuteten Gefangenen, modernen Sklaven oder Kindern hergestellt werden. Deswegen sollen Unternehmen nicht mehr nur für die Arbeitsbedingungen hierzulande verantwortlich sein, sondern auch für die Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer. Sie sollen also dafür sorgen, dass es auch in Fabriken in fernen Ländern nicht zu groben Menschenrechtsverletzungen kommt.

Wirtschaftsverbände wehren sich gegen diese Idee: Es sei für Unternehmen schwierig, Zulieferer aus anderen Ländern ...

Die Schweizer Großbank Credit Suisse kämpft schon seit Jahren um ihren Ruf - derzeit gerade vor dem Bundesstraf gericht in Bellinzona, weil sie beschuldigt wird, einem mutmaßlichen Drogenhändler dabei geholfen zu haben, sein Geld anzulegen. Nun haben die Süddeutsche Zeitung und 48 weitere Redak tionen aus Europa über ein Leak von 18.000 Konten bei der Credit Suisse berichtet. Einige dieser Konten hat die Bank offenbar für Autokraten, Kriminelle oder korrupte Geschäftsleute und Politiker geführt. Die edle und stolze Credit Suisse als sicherer Hafen für zwielichtige Geschäftemacher aus Venezuela, Armenien oder Syrien. Die meisten dieser Konten seien inzwischen abgewickelt, entgegnete die Bank ...

Gute Nachrichten kann die Europäische Union in diesen Tagen wahrlich gebrauchen. Sie kommen ausgerechnet aus einem Land, das mit dem Westen seit Jahrzehnten im Konflikt lebt: der Islamischen Republik Iran. "Ich glau be", sagt der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, "dass wir kurz vor einer Einigung stehen." Gemeint ist das Atomabkommen mit dem Iran. Seit Jahren steht das iranische Regime im Verdacht, eine Atombombe entwickeln zu wollen. Ein nuklear bewaffneter Iran würde die Kräfteverhält nisse im Nahen Osten fundamental ver ändern. Es wäre vor allem ein Albtraum für Israel, den Todfeind der Islamischen Republik.

Nun will Teheran das Atomabkommen offenbar ein ...

DIE ZEIT: Frau Kießling, die Omikron-Welle scheint gebrochen, im Bundestag gibt es aktuell keine Koa li tions mehr heit für eine all gemeine Impfpflicht. Deshalb wird jetzt viel über eine "Impfpflicht auf Vorrat" gesprochen. Wäre das juristisch überhaupt machbar?

Andrea Kießling: Das hängt sehr davon ab, was das heißen soll: Impfpflicht auf Vorrat. Ich habe die Vorschläge so verstanden, dass jetzt ein relativ detailliertes Gesetz über eine allgemeine Impfpflicht im Bundestag beraten und beschlossen werden soll. Die Impfpflicht selbst würde aber noch nicht sofort gelten, sondern erst, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, etwa eine definierte Hospitalisierungsrate. Und dann, so offenbar die Vorstellung, soll die Impfpflicht mit ...

In meiner Schulzeit hieß meine beste Freundin Anna Lena. Es war ein Name, wie sich das friedensbewegte Milieu der Achtzigerjahre die nächste Generation wünschte: weich, lieb, harmlos. Anna Lena hatte eine Stupsnase, ein Kaninchen, Lehrereltern. In der Adventszeit kaufte sie gern Bienenwachskerzen auf dem Waldorfschulmarkt und war doch in manchem verschlagener, als man es ihr auf den ersten Blick zutraute. Krieg interessierte sie nicht besonders, weil Frieden vollkommen normal war, die Rebellion gegen ihre Eltern beschränkte sich auf Streit um Ausgehzeiten, und Politik inkarnierte sich für sie in unserem Bremer Landsmann Jürgen Trittin, aber wichtiger - und darin unterscheidet sie ...

Das Gendern ist ein ähnlich verfranztes Thema wie das Radfahren in der Stadt: Viele Interessen, Argumente und Emotionen um wenig Platz, kein Fortschritt, und bleiben wie es ist, kann es auch nicht. Doch niemand hört gerne, dass weder Fußgängerinnen und Fußgänger noch Autofahrer und Autofahrerinnen Platz machen wollen. So läse sich die korrekt gegenderte Aussage über das Radfahren als Problem nach der fristlosen Kündigung des generischen Maskulinums, der traditionell üblichen Verwendung des männlichen Sprach geschlechts als Normalform. Denn Fußgänger sind dann nur Männer, Frauen sind nicht mehr mitgemeint. Der Satz wirkt aber auf den Hörer, als habe er eine Schwermetallvergiftung: Am ...

DIE ZEIT: Herr Müller, Sie halten Autobahnblockaden und "friedliche Sabotage" gegen Kohlebagger oder Gaskraftwerke für legitime "Notwehr" gegen den Klima wandel. Können Sie das genauer erklären?

Tadzio Müller: Gerne. Ich versuche es in drei Schritten: Erstens, die Klimakrise eskaliert und stellt höchstwahrscheinlich eine Bedrohung für das Überleben der Menschen auf diesem Planeten dar. Diese Krise wird, zweitens, von der Bundesregierung nicht nur nicht bearbeitet, sondern noch verschärft, indem sie zum Beispiel Gas als klimafreundliche Energieform einstuft. Das stellt einen Angriff auf das Eigen tum, die Gesundheit und das Leben von Menschen dar. Daraus folgt nach Artikel 20 Grundgesetz - dem Widerstandsrecht -, P ...

Eine neue Form der Selbstjustiz breitet sich aus in unserem Land. Die Menge ist nicht mit Heugabel und Axt bewaffnet, sondern mit Smartphone und Computer. Nicht mit Gebrüll und Fackelmärschen bringt sie sich in Rage, sondern mit Tweets und Kommentaren.

Es geht, natürlich, um den Shitstorm, um die massenhafte unkoordinierte Empörung über eine Einzelperson, ganz gleich von welcher Seite und gegen wen. Das Social-Media-Gericht tagt ohne Unterlass, produziert Urteile über alles und jeden. Wenn sein Zorn einen echten Neonazi trifft, mögen sich viele noch freuen. Aber dass es manchmal den vermeintlich Richtigen erwischt, macht die Urteile längst nicht besser.

Der ...

POLITIK

Titelthema: Was, wenn Putin gewinnt?Donezk, Stadt der Separatisten - eine Fotoreportage

VON NANNA HEITMANN 2

Putin hat sich entschieden. Was der Westen ihm jetzt noch entgegen setzen kann

VON JÖRG LAU, SAMIHA SHAFY, MICHAEL THUMANN UND HEINRICH WEFING 3

Putins Geschichtsbild - stimmt die Legende vom gebrochenen Versprechen des Westens?

VON MICHAEL THUMANN 4

Der Krieg ist wieder da - eine Reportage aus der Ostukraine

VON ANDREA JESKA 5

Analysen Wie die EU den Welthandel gerechter machen will

VON PETRA PINZLER 6

Warum der Westen ein neues Nuklearabkommen mit dem Iran braucht

VON ULRICH LADURNER 6

Was steckt hinter dem Skandal um die Schweizer Bank Credit Suisse?

VON INGO MALCHER 6

Corona ...

Aus meiner Sicht ist Putin ein Diktator, der seine Macht erhalten will. Und da autokratische Macht per se instabil ist, lebt Putin in der ständigen Furcht, diese zu verlieren.

Um sie zu sichern, wendet er verschiedene machiavellistische Herrschaftstechniken an. Ein Risiko, das seinen Machtverlust bedeuten könnte, geht er nicht ein.

So ist es richtig, wenn der Westen geeint auftritt und das Risiko hinreichend groß macht. Es ist richtig, wenn die freien Nachbarstaaten von Russland alle Anstrengungen unternehmen, um sich zu stärken. Und es ist richtig, wenn Deutschland keine Waffen an die Ukraine liefert, um seine Sonderrolle für die Deeskalation nutzen ...

Nur wenige Tage nach Ende seiner Kanzlerschaft verkaufte Gerhard Schröder sein Wissen und, noch schlimmer, sein Gewissen an Wladimir Putin, den einen lupenreinen Demokraten zu nennen, er sich nicht entblödete.

Und selbst nach den gewaltigen russischen Provokationen rügt Schröder die Ukraine - ein Land, das bereits Opfer von Putins Annexionsgebaren geworden ist und weiter um seine territoriale Unversehrtheit bangen muss.

Tatsächlich ist Gerhard Schröder ein eitler alter Mann, dem der politisch-moralische Kompass völlig abhandengekommen ist.

Schwiege er endlich, wäre allen gedient!

PETER SCHIEL, PIRMASENS

Wie war das mit dem Amtseid des Bundeskanzlers, der schwört, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden?

Und nun ...

Dies ist die Geschichte eines Mannes, der mit Leib und Seele Bürgermeister war und es nach dem Willen seiner vielen Feinde nicht mehr sein soll. Es ist die Geschichte einer kuriosen Detektiv-Affäre, deren politisch-juristischer Sud auch nach sechs Jahren noch vor sich hin köchelt. Und es ist die Geschichte einer grundsätzlichen Frage, nämlich in welcher Höhe eine Strafe "gerecht" ist - und ob und wann sie jemanden ruinieren darf.

Im Herbst des Jahres 2015 traf der Oberbürgermeister von Homburg eine Entscheidung, die sein Leben radikal verändern sollte. Allerdings war das dem damals 47-jährigen Rüdiger Schneidewind nicht bewusst. Wie falsch sein ...

Als hätte er nicht schon genug um die Ohren, muss Ulrich Bettermann sich beim Geschäft auch noch gegen die Weltpolitik wappnen. Bettermann leitet das Familienunternehmen OBO Bettermann im Sauerland. Es erwirtschaftet mit rund 4500 Beschäftigten einen Umsatz von 820 Millionen Euro pro Jahr und stellt Bauteile für Elektroinstallationen her. Steckdosen, Kabelrinnen aus Metall, Blitzschutzsysteme. Viele der Produkte sind für draußen gedacht und müssen rostfrei sein, deshalb werden sie verzinkt. Da fangen für Ulrich Bettermann die Probleme schon an: Für die Verzinkung braucht er Erdgas. Das wird in einem Ofen verbrannt, um Zink auf 440 Grad zu erhitzen und zu verflüssigen. W ...

DIE ZEIT: Herr Birnbaum, E.on ist der größte Strom- und Gasanbieter Deutschlands. Machen Sie angesichts der drastisch gestiegenen Preise gerade das Geschäft Ihres Lebens?

Leonhard Birnbaum: Nein, das machen wir nicht. Wir haben vor allem Stress mit hohen Preisen, genau wie unsere Kunden. Wir müssen das Gas und den Strom schließlich auch einkaufen. Noch können wir vieles für unsere Kunden abfedern, müssen die höheren Preise aber mittelfristig wieder auf die Verträge umlegen. Das macht keiner gerne. Und der Druck auf unsere Marge steigt sogar.

ZEIT: Können Ihre Kunden die Rechnungen noch bezahlen?

Birnbaum: Wir veröffentlichen dazu keine Zahlen. Aber ...

Hanno Berger kommt zurück in die Heimat, wie schön! Vor zehn Jahren, als seine Steuerkanzlei in einem Frankfurter Hochhaus von der Staatsanwaltschaft durchsucht wurde, war der Anwalt gerade in seinem Porsche unterwegs - und ist dann einfach gleich in die Schweiz weitergefahren. Dort hat er sich seither vor der deutschen Justiz versteckt, ließ sich zwischendurch auch von einem Arzt bescheinigen, er sei weder haft- noch reise- oder verhandlungsfähig. Dieses Versteckspiel ist irgendwann sogar den Schweizer Behörden zu bunt geworden. Seit vergangenem Juli sitzt Berger in Auslieferungshaft, jetzt hat das Schweizer Bundesamt für Justiz seine Überstellung nach Deutschland bewilligt.

Das ist ...

Als die Passagierzahlen im ersten Jahr der Corona-Pandemie weltweit um mehr als 60 Prozent einbrachen, als Fluggesellschaften nur dank staatlicher Hilfen überleben konnten und Aufträge für neue Flugzeuge storniert wurden, sah es auch für Airbus düster aus. 2020 machte der europäische Flugzeugbauer mehr als eine Mil liar de Euro Verlust. Aus Angst, sie nicht mehr loszuwerden, fertigte der Konzern zeitweise nur noch wenige neue Maschinen.

Die Pandemie traf das Unternehmen ohne hin zu einem schlechten Zeitpunkt. Erst kurz zuvor hatte Airbus 3,6 Milliarden Euro Bußgeld gezahlt, um ein Verfahren wegen Korruption beizulegen. Beides, hohe Ausgaben und schwindende Einnahmen, gefährdete die Zukunft des ...

Dass Nadine Greck und ihr Mann eine gleichberechtigte Partnerschaft führen, merkt man nicht nur daran, dass er das Klo putzt und sie die Wäsche macht. Beim ersten Kind nahm Peter Greck acht Monate Elternzeit, seine Frau nur sechs. Der 39-Jährige bringt den Sohn morgens in den Kinder garten und die Tochter nachmittags zum Kiefer orthopäden. Wenn Nadine Greck, selbstständige Mediatorin und Coach, bis spätabends Beratungsgespräche führt, macht ihr Mann den Kindern das Abendessen und bringt sie ins Bett. Die Gleichstellung im Hause Greck lässt sich auch am Geld bemessen: Sie, Ex-Unternehmensberaterin und sechs Jahre älter als ihr Mann, hat lange Zeit mehr ...

DIE ZEIT: Herr Levermann, Sie erforschen den Zusammenhang zwischen Wetter und Wirtschaftswachstum. In den vergangenen Tagen sind nun gleich mehrere Sturmtiefs über Deutschland hinweggezogen - das sind sicher schlechte Nachrichten für Deutschlands Wirtschaft?

Anders Levermann: Sollte man meinen, aber in dem Argument steckt ein Denkfehler. Starkregen und Stürme richten natürlich schlimme Schäden an, und die Menschen nehmen das sehr bewusst wahr. Aber: Der Schaden wird später auch wieder repariert, Häuser werden neu aufgebaut.

ZEIT: Wie im vergangenen Sommer, als plötzlich extremer Starkregen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fiel.

Levermann: Ja, aber was schlecht für die Betroffenen ist, kann in vielen Fällen ...

In Filmen sind Whistleblower oft die großen Helden: Unbekannte, die Missstände in Politik und Wirtschaft aufdecken und dadurch die Welt ein wenig besser machen. Es gibt sie auch im echten Leben. Dann machen sie skandalöse Details aus dem Inneren von Banken wie jüngst der Credit Suisse publik oder überführen Spitzenpolitiker der Lüge. Doch anders als im Kino droht echten Whistleblowern eine ganz reale Gefahr: Wer beispielsweise Korruption im eigenen Unternehmen ans Licht bringt, verliert schnell seinen Job.

Sosehr Hinweisgeber öffentlich gewürdigt werden, so schlecht sind sie geschützt - etwa vor Kündigungen aus Rache. Zwar hat eine EU-Richtlinie die Mitgliedsstaaten schon ...

Lieber Herr Wolf,

Nostalgie ist ja selten zielführend, und neidvoll auf vergangene Zeiten zu blicken bringt einen nicht voran. Ich persönlich lasse mich trotzdem manchmal dazu verleiten - zumindest beim Thema Immobilienpreise. Und vielleicht geht es Ihnen genauso bei diesen Zahlen: 1990 kostete eine 70 Quadratmeter große Eigentumswohnung im Bundesdurchschnitt 140.000 Euro, heute sind es fast 350.000. Eine Steigerung um 145 Prozent.

In den Boom-Städten der Republik wird die Preisexplosion noch deutlicher, selbst wenn man nur zehn Jahre zurückschaut: In Frankfurt am Main beispielsweise kostete nach Daten des Gutachterausschusses der Quadratmeter Neubauwohnung 2020 durchschnittlich 7670 Euro, zehn Jahre ...

Ein letztes Uiiiiiiit, das war′s. Der Akku der elektrischen Zahnbürste hat den Geist aufgegeben. Das Gerät ist erst zwei Jahre alt, putzt prima, ein neuer Akku wäre gut. Aber das Gehäuse lässt sich nicht aufschrauben. Eine Suche im Internet führt zu Anleitungen, denen zu entnehmen ist: Ohne Zerstörung ist das Teil nicht zerlegbar. Der Hersteller empfiehlt, das Gerät wegzuwerfen. Vorher aber, so steht es in der Bedienungsanleitung, soll man es mit einem Hammer zertrümmern, um an den Akku zu kommen. Den soll man getrennt entsorgen - der Umwelt zuliebe.

Bügeleisen, Haartrockner und die meisten Smart phones - alles verklemmt, vernietet, verklebt. U ...

... bei den Regierungen

Einer der wichtigsten (und einfachsten) Schritte gegen die Klimakrise wäre: aufzuhören, klimaschädliche und naturzerstöre rische Industrien mit staatlichem Geld zu unterstützen. Gemeint sind Subventionen, etwa als Steuererleichterungen für Öl konzerne, Direktzahlungen für die industrielle Landwirtschaft oder Geld für eine Forstwirtschaft, die nicht nachhaltig ist. In der vergangenen Woche kam eine Studie der Umwelt-Lobbyorganisationen The B Team und Business for Nature zu dem Ergebnis, dass die Weltgemeinschaft pro Jahr mit 1,8 Billionen US-Dollar umweltschädliche Industrien subventioniert - zwei Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Sie rechnet vor, dass 640 Milliarden US-Dollar allein in den Sektor der fossilen Energie produktion gepumpt werden. N ...

Was genau im neuen Bericht des Weltklimarats stehen wird, der am Montag in Berlin vorgestellt wird, das ist noch geheim. Was in diesem Bericht aber eine wichtige Rolle spielen wird, welche Trends ihn prägen und welche Perspektive neu sein wird, lässt sich durchaus jetzt schon sagen. Das liegt an einer kuriosen Koexistenz von Vertraulichkeit und Transparenz und natürlich am Gegenstand selbst - der sich als großes Drama unserer Zeit vor aller Augen entfaltet, der in Echtzeit erforscht, diskutiert und nicht zuletzt bekämpft wird.

Die Geheimhaltung: Gerade wird der Bericht Zeile für Zeile fertig geschrieben. Oder besser gesagt fertig verhandelt. Die ...

DIE ZEIT: Es gibt wieder Klimaproteste. Eine Gruppe von Aktivisten blockiert derzeit Straßen. Hilft Ihnen dieser politische Druck?

Steffi Lemke: Nein, Autobahnen oder auch Flughäfen zu blockieren ist keine Hilfe, es ist falsch.

ZEIT: Vor einigen Tagen haben Sie noch mehr Sympathie für die Aktivisten gezeigt.

Lemke: Nein. Da wurde ich gefragt, ob sich die Klimaschutzbewegung radikalisieren müsse. Meine Antwort: Es ist legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und bestimmte Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen. Es dürften aber bei Protesten keine Menschen in Gefahr gebracht werden.

ZEIT: Die Menschen sind wütend, weil Deutschland auch in diesem Jahr die Klimaziele ...

In der Bestattungsbranche gibt es selten neue Trends. Glaubt man aber dem Start-up Circulum Vitae, könnte dies einer werden: die Reerdigung. Kein Schreibfehler, sondern ein Begriff, an dem die Gründer lange getüftelt haben - und der nun in der 13. Auflage des Handbuchs des Friedhofs- und Bestattungsrechts steht, Kapitel 4, Absatz 15. Dort wird die Sache als "neuartige Kompostierungsbestattung" bezeichnet. Klingt nicht pietätvoll, macht aber deutlich, worum es geht.

Auf deutschen Friedhöfen soll künftig nicht mehr so viel begraben und verbrannt werden, stattdessen hat das Start-up eine Art, nun ja, Turbo-Komposter entwickelt. "Beschleunigte Transformation" heißt es dort - und die ...

DIE ZEIT: Professor Mudde, Sie forschen seit über 20 Jahren zu radikalen rechten Bewegungen und Parteien, seit zehn Jahren an der University of Georgia: Wie war es, in der Ära Trump in den Südstaaten der USA zu unterrichten?

Cas Mudde: Politikwissenschaft zu lehren ist sehr viel schwieriger geworden, weil alles so politisiert ist. Durch die Art, wie Trump mit Falschaussagen arbeitet, gibt es in vielen Bereichen keinen Konsens mehr, wo es früher einen gab. Nehmen Sie den Klima wandel. Früher herrschte die Übereinkunft: Es gibt den menschengemachten Klimawandel, und kein seriöser Forscher würde dies infrage stellen. Wenn man heute in den ...

Lehrkräfte, so heißt es oft, seien noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Sie wollten sich nicht fortbilden und verweigerten sich aktuellen Lehrmethoden. Das ist ein unzutreffendes Klischee. Die allermeisten Lehrerinnen und Lehrer stehen Fortbildungen und neuen Erkenntnissen offen gegenüber. Doch es fehlen die richtigen Bedingungen, diese Neugier auch umzusetzen. Der Ball liegt hierbei auf dem Feld der Politik. Sie muss gute, berufsbegleitende und nachhaltige Lehrerfortbildungen anbieten, sie langfristig finanzieren und zudem wissenschaftlich begleiten.

Spätestens seit der ersten international vergleichenden Schulleistungsuntersuchung Timss vor mehr als zwanzig Jahren wissen wir, wie nötig die Lehrerfortbildung ist. Die Digitalisierung, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz ...

Wer vor 150 Jahren abends etwas sehen wollte, der musste eine Kerze anzünden. Oder eine Gaslampe entflammen. Damals gab es nämlich noch keine Lichtschalter, die man einfach drücken konnte - knips, zack, hell. Zu der Zeit lebte in England Joseph Swan. Er war Chemiker, und vor allem war er einer, der sich nicht mit der nervigen Beleuchtung abfinden wollte. Seit Jahren schon tüftelte er an einer besseren Lampe. Einer, die hell wird, wenn Strom hindurchfließt - einer elektrischen Glühlampe.

Alles Mögliche hatte er schon ausprobiert. An einem Tag im Jahr 1878 aber nahm er einen dünnen Stab aus Kohlenstoff in ...

Mit der Ankündigung Wladimir Putins, russische Truppen nach Luhansk und Donezk zu verlegen, ist Krieg endgültig wieder zu einem Mittel der Politik in Europa geworden - und zwar unabhängig davon, ob Russland bis zur Auslieferung dieser Zeitung tatsächlich in die Ukraine einmarschiert ist oder noch einmarschieren wird. Denn auch eine diplomatische Lösung, wie immer sie aussähe, wäre eine Folge des gewaltigen militärischen Drucks und damit ein Erfolg für Putin. Und dieser Triumph fiele womöglich sogar noch größer aus, sollte die Invasion ausbleiben oder sich auf die faktisch bereits besetzten Gebiete beschränken. Denn dann könnte Moskau auf seine steten Beteuerungen verweisen, d ...

Wo hat es uns nicht überallhin verschlagen in den vergangenen Jahrzehnten von Pri vat fern sehen und Streamingdiensten! Für Doku-Soaps öffneten sämtliche Stars ihre Türen ins Prominentenleben, angefangen beim verlotterten Ex-Hardrocker Ozzy Osbourne, mit dem man zu Beginn der 2000er dank einer ihn und seine Familie rund um die Uhr filmenden Kamera auf dem krüme ligen Sofa lümmeln durfte, zwischen vielen kleinen herumhopsenden und umherpinkelnden Hündchen, die mit dem Clan in einer absurden Mischung aus Villa und Schloss hausten. Ironisch und leicht beschämt folgte man kurz darauf der prolligen deutschen Neureichenfamilie Geiss von Mallorca nach Dubai, schaute Ehefrau Carmen beim Diamantenshopping zu und hörte ...

Es gibt diesen furchtbaren Song von 2013, er heißt Blurred Lines und handelt von einem Mann, der eine Frau drängt, mit ihm zu schlafen, obwohl sie offensichtlich keine Lust dazu hat. Blurred Lines war monatelang in den Charts. Im dazugehörigen Musik video stehen die drei Interpreten Robin Thicke, Pharrell Williams und T.I. mit für amerikanische Verhältnisse gut geschnittenen Anzügen in einem weißen Studio, um sie herum drei wunderschöne Models, die in hautfarbenen Strings betont albern tanzen. Das Ganze sieht aus wie der Fiebertraum eines kokainabhängigen Musikproduzenten, und es war der Durchbruch für die damals 21-jährige Emily Ratajkowski. Seitdem arbeitet sie ...

Es muss im Spätherbst 1975 gewesen sein. Damals begegnete ich zum ersten Mal einem transsexuellen Menschen. Er fühlte sich als Frau, steckte jedoch in einem Männerkörper. Sein Leidensdruck war groß. Er war entschlossen, es durchzuziehen. Zwei, drei Jahre später ließ er die damals in Deutschland noch hochumstrittene operative Geschlechtsumwandlung vornehmen, in Casablanca. Seither engagierte sie sich als Anwältin für die Rechte sexueller Minderheiten.

Mich beschäftigte diese Begegnung lange. Ich hatte gerade das Buch Der kleine Unterschied und seine großen Folgen veröffentlicht, dessen Kernthese lautet: Der Mensch ist frei geboren, und die "männliche" beziehungsweise "weibliche" Geschlechterrolle ist nicht angeboren, sondern anerzogen. S ...

Gründungsverleger:Gerd Bucerius (1906-1995)

Herausgeberrat:Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger- Kammüller, Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef JoffeEhemalige Herausgeber:Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002)Helmut Schmidt (1918-2015)

Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur: Giovanni di LorenzoStellvertretende Chefredakteure: Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd UlrichMitglieder der Chefredaktion:Malin Schulz, Tanja Stelzer, Jochen Wegner Chef/in vom Dienst: Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle

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Internationaler Korrespondent: Matthias Naß

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Parlamentarischer Korrespondent: Matthias Geis

Politik Hamburg/Berlin: Marc Brost/Elisabeth Raether/Dr. Heinrich Wefing (verantwortlich), Andrea Böhm, Alice Bota, Peter ...

Über Nacht wühlte Tarkan, der in Deutschland geborene türkische Weltstar, die Gemüter in der Türkei auf. Die Bevölkerung, die im Zuge der letzten Wirtschaftskrise verarmt und in eine tiefe Depression gerutscht ist, bekam Aufmunterung von unerwarteter Seite.

Tarkan hatte seine Fans früh über den Termin informiert. Am Donnerstag, 17. Februar, um Punkt 21 Uhr stellte er auf You Tube sein neues Video online, in dem er als "Hacker" auftritt. Er kapert darin das Internet in der ganzen Stadt und singt für all die frustrierten, verzweifelten Menschen auf ihren Smart phones und Tab lets, auf allen digitalen Werbetafeln:

"Du hast es in die Länge ...

Dass sich die Menschheit in notorische Zuspätkommer und panische Zufrühkommer teilt, ist nicht neu. Neu ist beider Verschmelzung zu einer Mutante, die viele soziale Fitnessvorteile mit sich bringt - die Verschmelzung zum Pünktlichkeitsfanatiker nämlich. Die kleine Logikschule weiß es: Notorisch + panisch

Viele Engländer preisen Kenneth Branagh als den größten lebenden Shakespeare-Darsteller. Wer gutes Englisch lernen will, dem empfehlen sie, seine Filme im Original zu sehen. Jedoch, es hätte nicht viel gefehlt, und Branagh wäre für die Bühnenhochsprache verloren gewesen. Bis zum neunten Lebensjahr wuchs er in Belfast auf, und dessen Einwohner pflegen einen vertrackten, warm geknurrten Dialekt, der eher eine Geheimsprache als das Kommunikationsangebot an den Rest der Welt ist: Zu viel passiert in kurzer Zeit. Belfaster Englisch kommt fast ohne Vokale aus. Die Sätze werden enormer Beschleunigung ausgesetzt, unter deren Druck sie sich zusammenziehen. Das Wort power zum Beispiel klingt ...

An einem Nachmittag im Januar sitzt Johnny Marr in dem Studio, das er sich in einer Fabriketage eingerichtet hat, am Rande seiner Heimatstadt Manchester. Berühmt wurde Marr in den Achtzigern als Gitarrist und Songwriter von The Smiths, einer der einflussreichsten und erfolg reichsten britischen Rockbands der jüngeren Vergangenheit. Marr verließ die Band 1987 und arbeitete seitdem mit Bryan Ferry, Oasis, Billie Eilish und vielen anderen Musikern zusammen. Sein Verhältnis zu Morrissey, seinem ehemaligen Songwriting-Partner bei The Smiths, ist seit der Trennung angespannt. Marr, 58, betont, dass er zu ihm ohnehin keinen Kontakt mehr habe: "Wir sind keine Freunde!" Jetzt erscheint ...

Vor einem halben Jahrhundert beschloss der britische Künstler Hamish Fulton, das Gehege seines alten Lebens hinter sich zu lassen - mit einem großen, einem sehr großen Schritt. Er verließ sein Atelier, um "hinter den Horizont zu blicken", und erkannte in just dieser Bewegung, im Hinaustreten, Hinfortstreben, im ziellosen Schlendern und Herumwandern seine eigentliche Bestimmung. Seither gilt Fulton als Pionier des Freigangs. Seine Kunst ist die Kunst des Gehens, und wie es aussieht, kann er nicht genug davon bekommen.

Fulton will in der Welt sein, unter weitem Himmel, ein Künstler im Licht. Dass die Kunst bloß dafür da sein könnte, etwas ...

Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte. Die Jury: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (FAS), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (Die Welt), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche ...

Fatma Aydemir zeigt in ihren Texten gerne klare Kante. Das weiß man als Leserin ihrer taz-Kolumnen, in denen die Journalistin in der Transgender-Debatte die "paranoiden Narrative" der Gegenseite vom Tisch fegt. Oder aus ihrem Text im Sammelband Eure Heimat ist unser Albtraum, in dem sie der deutschen "Wohlstandsgesellschaft" vorhielt, sie habe in den Wirtschaftswunderjahren "nur Mini golf gespielt" und "schicke Autos" gefahren, während die türkischen Gastarbeiter "unter unwürdigen Bedingungen in den Fabriken schufteten, um diesen Wohlstand zu generieren".

Die polemische Leidenschaft, mit der die Autorin das "shit hole country", das "Drecksland" attackiert, in das ihr Großvater als türkischer Gastarbeiter eingewandert ist, erntete ...