Inhaltsverzeichnis vom 10.02.2022

Damit hatten sie nicht gerechnet. In den vergangenen Tagen traf im Außenministerium in Bern und in Wien je ein Brief aus Moskau ein. Absender war der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er fragte seine Amtskollegen, ob ihre Länder noch zur europäischen Sicherheitsordnung stünden, wie sie nach dem Ende des Kalten Kriegs vereinbart worden sei. Also zu der Europäischen Sicherheitscharta, die seit 1999 vorsieht, dass jeder Staat sein Sicherheitsbündnis frei wählen darf. Aber auch, dass kein Staat seine militärische Sicherheit auf Kosten anderer Staaten vergrößern darf: "Wir wollen eine klare Antwort, wie unsere Partner zu ihren Verpflichtungen stehen", schrieb Lawrow.

In Bern ...

An bedrucktem Papier mangelt es nicht. Ebenso wenig an Klartext: "An seiner Westgrenze will Russland gegenüber der Nato und der EU den Einfluss zurückgewinnen, der mit dem Zerfall der Sowjetunion verloren ging", schreibt der Nachrichtendienst des Bundes in seinem aktuellen Lagebericht. "Russland fordert die europäischen Staaten und die USA sicherheitspolitisch weiterhin stark heraus", doppelt der Bundesrat in seinem sicherheitspolitischen Bericht nach - und zählt Punkt für Punkt all die weiteren Gefahren auf, welche die Schweiz bedrohen: Cyberattacken, Desinformationen, politische Polarisierung, bewaffnete Konflikte, Notlagen und Katastrophen. Er gipfelt in der ebenso bekannten wie unangenehmen Wahrheit: "Die Sicherheitslage ist instabiler, unübersichtlicher und ...

Zürich wollte Bewunderung. Man sollte Weltklasse werden, zum Geheimtipp für französischen Impressionismus - gleich nach Paris. Dazu baute die Stadt eine Kunsthaus-Erweiterung für 190 Millionen Euro und bot der Bührle-Stiftung die große Bühne.

Geerntet hat Zürich Spott. Die internationale Presse von Paris über London bis New York berichtet über die Hinterwäldler an der Limmat, über die Bankenstadt, die ungeniert die gesammelte Fluchtkunst des "Kanonenkönigs" Emil Bührle zur Schau stellt.

Wie nur konnte das passieren?

Insider erzählen: Walter Kielholz, Wirtschaftskapitän und Präsident der Kunstgesellschaft, setzte das Projekt durch. Mit Nachdruck. Ausgerechnet Kielholz, ein Experte für Risiken: Er war Verwaltungsratspräsident des weltweit ...

Da im Moment so viel von der Monsterinflation die Rede ist, hier ein paar Zahlen zum Gruseln: Die ärmsten zehn Prozent der Haushalte in Deutschland haben in den zurückliegenden Jahren etwa 50 Euro im Monat für ihre Gasheizung ausgegeben, in diesem Jahr dürfte es fast das Doppelte sein, rund 90 Euro. Das wären dann fast 15 Prozent des durchschnittlichen verfügbaren Einkommens in dieser Bevölkerungsgruppe. Nur damit die Wohnung warm ist. Diese Berechnungen hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung angestellt, und sie zeigen: Die Energieversorgung wird in diesem Winter zur sozialen Frage - und das bringt zwei nicht unerhebliche politische Komplikationen ...

Die Wahl eines Bundespräsidenten galt oft als Omen, als Hinweis auf sich verändernde politische Machtkonstellationen. Doch wenn die 1472 Mitglieder der Bundesversammlung am kommenden Sonntag mehrheitlich für eine zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier stimmen, geht von dieser Wahl keine verborgene Botschaft aus.

Bewirkt hat das ein durchaus riskantes Machtmanöver des Amtsinhabers selbst. Indem der Bundespräsident sich öffentlich für das Amt bewarb, bevor klar war, wie sich die politischen Kräfteverhältnisse zurechtrütteln würden, hat er sich aus der undankbaren Rolle befreit, parteipolitische Verhandlungsmasse zu sein. Er hat damit nicht nur sich selbst, sondern auch dem Amt einen Gefallen getan. Steinmeier II, das ...

Jedes Mal wenn Bundeskanzler Olaf Scholz wieder nicht sagt, dass die Pipeline Nord Stream 2 im Falle einer russischen Invasion in der Ukraine tot ist, wachsen die Zweifel bei den Verbündeten der Deutschen. Nicht, weil sie Scholz misstrauen, das tun sie nicht. Auch nicht, weil das Wort Nord Stream 2 so unglaublich wichtig wäre. Sondern weil sie wissen, dass Deutschland von russischem Gas abhängig ist.

56,3 Milliarden Kubikmeter hat die Bundesrepublik 2020 aus den russischen Erdgasfeldern bezogen, vorwiegend durch die beiden Pipelines Jamal und Nord Stream 1. Das entspricht mehr als der Hälfte des importierten Erdgases. Blieben die Lieferungen ...

Wenn man etwas über eine Person herausfinden will, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man fragt die Person selbst, oder man fragt diejenigen, die mit ihr zu tun haben. Die Person ist in diesem Fall Christian Lindner, seit ein paar Wochen Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland. Und diejenigen, die mit ihm zu tun haben, sind seine Kollegen aus den anderen europäischen Ländern. Mit ihnen trifft sich Lindner in Brüssel, wenn dort wie nächste Woche wieder über die Zukunft des Euro verhandelt wird. Fragen wir sie also:

"Christian und ich kommen sehr gut miteinander aus. Er ist ein starker, aufrechter und qualifizierter Minister. D ...

Immer näher kriecht der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche auf die Unionsparteien zu. Wer das C im Namen trägt, kann sich nicht mehr raushalten. Aber wie sich positionieren?

Die Parteispitzen hatten sich lange auf eine routinierte Verzweiflung verlegt, an deren Ende die Kirche aber stets im Dorf bleiben soll: "Wir blicken in einen Abgrund, und natürlich muss es noch mehr Aufarbeitung und Konsequenzen geben", sagt beispielsweise der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, in dessen Landeshauptstadt gerade das große Missbrauchsgutachten über die Erzdiözese München und Freising vorgestellt wurde. Aber! Innerkirchliche Prozesse müsse die Kirche selbst anstoßen. "Und wir müssen auch an die ...

***

***

Man kann nicht behaupten, dass Deutschland sich besonders für seine Armee interessiert. Hin und wieder gerät sie in die Schlagzeilen, wie beim chaotischen Abzug aus Afghanistan. Oder wenn sie sich, wie jetzt gerade in Mali, die Frage stellt, ob ihr Einsatz dort noch Sinn ergibt. Oder wenn wieder einmal Soldaten als Sympathisanten von Rechtsextremismus geoutet werden. Wie solche Ereignisse in den Reihen der Bundeswehr diskutiert werden, was Soldaten und Soldatinnen über ihre Auslandseinsätze denken, über Demokratie oder das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, das weiß außerhalb der Truppe kaum einer. Aber manchmal findet man all diese Themen in einer Person. I ...

Der Ort, an dem der Hass besiegt werden soll, liegt im Untergeschoss eines unspektakulären Bürogebäudes in Dresden. An einer langen Tafel von Bürotischen sitzen eine Handvoll Frauen und Männer still vor ihren Bildschirmen. Wie sie da gleichzeitig auf all die Monitore starren, drei pro Arbeitsplatz, könnte man denken, dass es sich um Kaufhausdetektive handelt. Aber auf den Bildschirmen sind keine Mäntel, Schuhe und Regenschirme zu sehen. Sondern Facebook-Einträge, Tweets und vor allem: Telegram-Chats.

Die Beamten sitzen in den Räumen des Dresdner Landeskriminalamts (LKA). Ihr Auftrag: Streife fahren im Internet. Telegram durchpflügen, Facebook-Profile scannen - auf der Suche nach Verdächtigen, die ...

Signy-l′Abbaye ist ein kleiner Ort in den französischen Ardennen, 1300 Einwohner leben hier, ganz im Nordosten des Landes. Es gibt einen Kindergarten, eine Grundschule, einen kleinen Supermarkt, zwei Kneipen. In der Mitte des Ortes ragt ein neugotischer Kirchturm in den wintergrauen Himmel. Viele Fensterläden sind verschlossen, manche Häuser stehen leer, bald eröffnet ein Tierarzt eine neue Praxis. Orte wie diesen gibt es viele in Frankreich; wenig Glanz, Paris ist weit weg. Valérie Pécresse trägt einen khakifarbenen Parka über dem dunkelblauen Hosenanzug, als sie an einem nasskalten Februartag in Signy-l′Abbaye aus dem Auto steigt. Die Frage nach der passenden Kleidung hat ...

Warum ist es wichtig, heute über ein Traktat zu sprechen, das Wladimir Putin im Juli
vergangenen Jahres veröffentlicht hat? Zum einen natürlich wegen seines Aufmarsches rund um
die Ukraine und seiner Erpressung des Westens mithilfe von Gas und Militär. Aber es gibt noch
einen Grund. Wir müssen versuchen zu verstehen, warum Putin diesen langen Text geschrieben hat
( aus dem auf den Randspalten dieser Seiten zitiert wird, d. Red.).
Was sein
Hauptziel ist.

In Wahrheit sollte das Werk nicht "Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern" betitelt sein, sondern mit "Auf der Suche nach meiner eigenen Identität". D ...

POLITIK

SPD
Wie ein Netzwerk um Gerhard Schröder seit Jahren russische Gas-
Interessen in Deutschland vertritt - und das Land damit energiepolitisch erpressbar gemacht
hat VON P. DAUSEND, A. HÄHNIG, M. MACHOWECZ, I. MALCHER, M. NEJEZCHLEBA, P. PINZLER, M.
SCHIERITZ, H. STARK, M. THUMANN, H. WEFING UND F. ZIMMERMANN
4

Karrieren
Die Wandlung des Finanzministers Christian Lindner VON MARK
SCHIERITZ
6

Katholische Kirche
Wie sollen die Christdemokraten auf den Missbrauch in der
Kirche reagieren? VON MARIAM LAU
7

Bundeswehr
Wie ein Offizier unter den falschen Verdacht des
Rechtsextremismus geriet - und ihn nun nicht mehr loswird VON PETER DAUSEND
8

Telegram
Hetzer ...

Was lässt Menschen Teil einer Kirche sein wollen, deren Führung von jeher Macht, Besitz, Erhalt der Institution Kirche vor die christliche Menschenliebe gestellt und unfassbare Perversionen im Namen Gottes begangen hat? Kreuzzüge, Ketzerbekämpfung, Inquisition, Judenpogrome, Hexenverbrennungen et cetera: alles nur Vergangenheit?

Jetzt werden Verbrechen an Kindern bekannt gemacht. Erst jetzt! Da gehört schon eine Menge
Verdrängungsbereitschaft dazu, dieser Glaubensgemeinschaft angehören zu wollen.

UDO BAUER, WEDEL

Systeme sind von Menschen geschaffen. Wenn sie, wie aktuell das System katholische Kirche, unter einem Glaubwürdigkeitsproblem leiden, so wird es Zeit, sie zu verändern.

Mehr Mitsprache für gewählte Ehrenamtliche, Abschaffung des Zölibats, Frauen ins Priesteramt,
...

Bekanntlich gibt es sehr gute Gründe für ein Verbot von Waffenexporten in gewisse Regionen
der Welt - gerade für Deutschland mit seiner Vergangenheit. Dieser
"new look",
den
die Strategen in Washington seit 1997 in ihre Nato-Osterweiterung hineinzubringen versuchen,
birgt große Risiken in sich. Jede Expansion - ob von Westen nach Osten oder von Osten nach
Westen - hat ihren Preis. Deutschlands Politik hält hier aus guten Gründen an einem Prinzip,
manche sagen Dogma, fest.

DR. DETLEF RILLING, SCHARBEUTZ

Wie verlautet, soll sich die Lieferung der 5000 Helme an die Ukraine verzögern. Erst einmal
müsse geklärt werden, ob es ...

Im August 1991, Jahrzehnte nach seinem glanzlosen Ableben, wurde Preußen doch noch feierlich zu Grabe getragen: Nachdem die Alliierten den Staat am 25. Februar 1947 mit einem Kontrollratsgesetz für aufgelöst erklärt hatten, fand nun Friedrich II., der Berühmteste unter den Hohenzollern, der Preußen verkörperte wie kein anderer, seine letzte Ruhe. Endlich, mehr als zwei Jahrhunderte nach seinem Tod 1786, wurde er in jene Gruft umgebettet, die er auf Sanssouci hatte anlegen lassen. Zusammen mit den Gebeinen seines Vaters, Friedrich Wilhelms I., brachte man seinen Sarg von der Burg Hohenzollern in Hechingen nach Potsdam. Empfangen von den selbsterklärten Borussen ...

Die meisten Passagiere der ersten Klasse überlebten den
Titanic-
Untergang, während die Reisenden der zweiten Klasse überwiegend ertranken. Eine sinnbildlich ähnliche Bilanz zieht Ronen Steinke nach zweijährigen Recherchen auf der MS
Deutsche Justiz,
die nach landläufiger Annahme ja auch auf hoher See unterwegs ist.
Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich
heißt das soeben erschienene Logbuch des promovierten Juristen und Journalisten Steinke
(Süddeutsche Zeitung),
das sich einreiht in eine kleine Reihe gewichtiger justizkritischer Publikumstitel der letzten Jahrzehnte (unter anderem Rolf Lamprecht:
Die Lebenslüge der Juristen. Warum Recht nicht gerecht ist,
Rolf Bossi:
Halbgötter in ...

Erst neulich hat es wieder jemand gut gemeint - im Radio gab eine Finanzexpertin Anlagetipps für Frauen: "Bitten Sie Freunde und Familie, am Geburtstag auf Blumen und Geschenke zu verzichten und stattdessen zusammenzulegen für einen kleinen Goldbarren." Hm, na ja. Wenn es gut läuft, hat man dann in zehn Jahren ein paar Prozent Rendite - aber halt keine Freunde mehr. Wie oft bekommen Männer wohl solche Tipps?

Nun könnte man sagen: Die brauchen sie eben nicht. Belegen ja die Zahlen. Frauen verdienten zuletzt laut Statistischem Bundesamt im Schnitt rund 18 Prozent weniger als Männer, investieren seltener an der Börse und ...

DIE ZEIT:
Herr Nagel, wissen Sie, was ein Liter Benzin aktuell kostet?

Joachim Nagel:
Ja, um die 1,70 Euro.

ZEIT:
Genau, gestern waren es rund 1,75 Euro. Insgesamt ist Energie im Januar 20 Prozent teurer geworden, Lebensmittel fünf Prozent. Können Sie nachvollziehen, dass Menschen sich sorgen, ob sie das alles noch bezahlen können?

Nagel:
Natürlich bereitet mir das Sorgen. Die Inflation trifft viele Menschen hart und treibt mich als Bundesbankpräsident um.

ZEIT:
Besonders teuer ist das Heizen und Tanken geworden. Wie erklären Sie sich das?

Nagel:
Aktuell ist die globale Wirtschaft ganz ...

Man sollte meinen, dass Technologiefirmen gut mit der Flucht ins Homeoffice klarkämen. Digitalriesen wie Google und Microsoft haben über die Pandemiezeit hinweg immer ausgefeiltere Videokonferenz- und Officeprogramme fürs dezentrale Arbeiten herausgebracht. So haben sie es auch anderen Unternehmen ermöglicht, trotz Isolierungszwang den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Je besser das funktioniert, desto häufiger drängt sich die Frage auf: Kehren wir überhaupt noch mal in die alte Arbeitswelt zurück? Oder sind Arbeitsplätze der Zukunft, wo immer möglich, virtuell?

Doch ausgerechnet einige Digitalkonzerne setzen jetzt einen anderen Trend: den zur Rückkehr ins Büro. Der Branchenriese Google zum Beispiel kauft in London für knapp 900 Millionen ...

Die deutsche Pandemiepolitik erinnert dieser Tage an die Piraten im Asterix-Comic, die aus Angst vor dem anrückenden Feind emsig das eigene Boot zerlegen. Mit dem Boykott der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Pflegebranche, der er eben noch selbst zugestimmt hat, schlägt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nun eine weitere Planke aus dem Schiffsbauch.

Sein Argument, er befürchte die massenhafte Desertion von Pflegekräften, galt entweder vor vier Wochen auch schon - dann hätte er nie zustimmen dürfen. Oder es ist eben Opportunismus aus Angst vor Protesten. In jedem Fall ist wieder ein Stück Glaubwürdigkeit perdu.

Mit dieser ...

Lkw-Fahrer, Taxichauffeurin, Busfahrer: Millionen Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt damit, dass sie hinter einem Steuer sitzen. In den USA ist in 29 von 50 Bundesstaaten die größte Berufsgruppe die der "Lkw-, Liefer- und Traktorfahrer", wie vor einigen Jahren eine Studie ergab. Fast acht Millionen Jobs liegen in Amerika buchstäblich auf der Straße. In Deutschland sind es immerhin eine Million. Allein als Lkw-Fahrer sind hier knapp 600.000 Menschen beschäftigt.

Wenn künftig automatisch fahrende Autos über Deutschlands Straßen rollen - müssen diese Menschen sich dann alle einen neuen Beruf suchen? Drohen womöglich sogar dramatische soziale Verwerfungen?

Glaubt man den früheren Studienergebnissen einiger ...

In der Regel beschäftigt sich der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks mit trockenen Dingen. Mit Wirtschaftsplänen zum Beispiel oder Personalfragen, mit Inhalten also, die für den Sender wesentlich sind, oft aber an der Wahrnehmung der Mehrheit vorbeigehen. Es ist also meistens leise um das mächtige Gremium, das sich aus Vertretern der Gesellschaft zusammensetzt, Politikern etwa, Gewerkschaftern, Kulturschaffenden, und das prüfen soll, ob der Bayerische Rundfunk seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt.

Bis zum vergangenen Donnerstag. Da schaltet sich Lorenz Wolf, gewählter Vorsitzender des Rundfunkrates und ein einflussreicher Kleriker der katholischen Kirche, in die virtuelle öffentliche Sitzung des Gremiums. Allerdings nicht, um diese zu ...

Fast täglich geht es in den Nachrichten um den Kampf gegen den Klimawandel und um die Bedeutung, die der Ausbau erneuerbarer Energiequellen dabei spielt. Da wirken die jüngsten Meldungen über den Ölmarkt doch zumindest überraschend. Denn ausgerechnet den großen Erdölkonzernen wie ExxonMobil und Shell geht es wirtschaftlich so gut wie lange nicht mehr.

Das hat mit den stark steigenden Preisen zu tun. Von der in Europa wichtigsten Rohölsorte Brent kostete zuletzt ein Barrel - das ist die globale Maßeinheit, sie steht für 159 Liter - mehr als 93 Dollar. Schon das war ein Drittel mehr als noch Anfang Dezember. Und ...

Lieber Herr Walters,

ein Studium kann ziemlich ins Geld gehen. Die Semestergebühren mögen an einer staatlichen Uni ja noch zu verschmerzen sein, außerdem darf man im Gegenzug kostenlos Bahn fahren oder günstiger ins Museum gehen. Es ist vielmehr das Leben selbst, das einem finanziell einiges abverlangt. Allein für den Unterhalt rechnet das Studierendenwerk mit monatlichen Kosten von durchschnittlich 820 Euro. Das entspräche nach drei Jahren Bachelorstudium etwa 30.000 Euro für Miete, Essen und Freizeit. Studieren Ihre Kinder länger oder machen ein Auslandssemester, kann es schnell teurer werden. Möglicherweise benötigen sie aber auch weniger: Sie schreiben, dass zwei Ihrer Kinder ...

Es ist 9.38 Uhr an Olympias viertem Tag, als dessen vielleicht größter Star die spektakulärste Bühne dieser Spiele betritt. Zunächst ist Eileen Gu kaum zu sehen, in 60 Meter Höhe steht sie und blickt hinab auf das, was jedem Normalsterblichen wie ein Abgrund vorkäme. Den Druck all der Erwartungen, dem die 18-jährige US-Amerikanerin ausgesetzt ist, seit sie für China startet, muss sie ausblenden. "Ich konzentriere mich auf meinen Trick", sagt sie später über diesen kurzen Moment des Innehaltens. Dann stürzt sie sich auf ihren kurzen Skiern hinab, beschleunigt wie eine Abfahrerin, um dann abzuheben: am Ende der Rampe katapultiert ...

Es wäre der Beginn einer neuen Zeitrechnung, die Erlösung von allem Übel oder einfach nur: eine große Erleichterung. Wenn endlich all die Maßnahmen aufgehoben würden, die so große Auswirkungen auf das Leben haben, die den Alltag der Menschen derart einschränken. Die Diskussion darüber, auf welche Maßnahmen man verzichten kann, ist in vollem Gange, sie ist inzwischen in der aufgeregten Phase angelangt. Verband um Verband fordert Lockerungen, Bundesland um Bundesland kündigt konkrete Öffnungsschritte an, der Wettbewerb um den Titel des deutschen Öffnungsmeisters hat begonnen.

Und es ist ja auch nur logisch angesichts eines Virus, das schon seit Wochen nicht mehr "Coronavirus" ...

Warum nicht Dänemark sein? Warum nicht gleich alles aufmachen? Weg mit Masken, Abständen, Quarantäneregeln. Schließlich gibt es Impfstoff genug und nun auch Spritzen in der Apotheke. Die Omikron-Variante infiziert schnell und effektiv, macht aber seltener schwer krank. Und gegen schwere Verläufe gibt es inzwischen wirksame Medikamente. Es wäre ein politischer Strategiewechsel, eine Kehrtwende. Denn seit Beginn der Pandemie lautet das Ziel, so viele Todesfälle zu vermeiden wie nur möglich. Und das heißt noch immer, so viele Infektionen wie nur möglich zu vermeiden - auch wenn es heute mehr sein dürfen als zu Beginn.

Aufmachen, das hieße, Infektionen zuzulassen - viele ...

Über den Bau von Weltraumraketen lässt sich kaum ein Gespräch führen, das an den Einheiten Newton (Schub), Tonnen (Nutzlast) und Dollar (hoher, sehr hoher Preis) vorbeikäme. Aber in dieser Woche zeigt sich: Für die größten Fortschritte der vergangenen zwanzig Jahre ist ein ganz anderes Vokabular notwendig, eines, das nicht nach Ingenieurshandwerk klingt, sondern nach Ballett.

Wenn Unterstufen auf Feuerstrahlen tanzend nicht nur auf-, sondern auch absteigen. Wenn sie nach diesem Höllenritt exakt auf den Punkt zum Stehen kommen, ohne zu zittern und ohne zu wanken. Wenn zwei solcher Raketen synchron auf benachbarten Landefeldern aufsetzen, wie in einer eleganten, mit Treibstoff ...

Hoch im Norden Deutschlands, in Kappeln an der Schlei, führt ein Sträßchen mitten im Stadtzentrum zu einer gerade mehr grauen als grünen Idylle. Kühle Ruhe liegt über welken Hortensiensträuchern und kahlen Obstbäumen, abgeernteten Beeten und leer geräumten Glashäusern. Alles wartet auf den Frühling, wenn es endlich wieder sprießt, duftet und summt. Alles wartet darauf, dass man hier wieder an einer besseren Zukunft arbeiten kann.

Kleingärten kann man auch groß denken

Einer besseren Zukunft? Der Gedanke, dass Gärtner eine Avantgarde und ihre Frühjahrspläne hochpolitisch sein könnten, erscheint in so einer biederen Laubenpieper-Anlage zunächst fern. Doch Kleingärten kann man auch groß denken. Das ...

... dann lesen Sie
Frederick Douglass: Prophet of Freedom
von David W. Blight (leider bisher nicht auf Deutsch erschienen).

Frederick Augustus Washington Bailey wurde im Jahr 1818 als Sklave im US-Bundesstaat Maryland geboren. Als Junge gab er weißen Kindern Brot, damit sie ihm das Lesen beibrachten. Im Alter von 20 Jahren entkam er seinem Besitzer und änderte, auch um Sklavenfänger zu täuschen, seinen Namen in: Douglass. Er hielt Reden gegen die Sklaverei, im ganzen Land und in Europa, wurde berühmt, traf Präsident Abraham Lincoln im Weißen Haus, arbeitete als Politiker und wurde US-Botschafter in Haiti. Er gilt als meistfotografierter ...

Das neue Leben von Jochen Kußmann passt auf wenige Quadratmeter. Er hat sich als Untermieter in einer Hamburger Proktologie-Praxis einquartiert, die Miete ist günstig. Lediglich ein schmaler Stapel Visitenkarten am Empfang wirbt für das, was er hier vorhat. Kußmann braucht kein Chichi und Tamtam, nicht mal ein Namensschild an der Tür. Und vielleicht will er schon damit ein Zeichen setzen: Weniger ist mehr.

Nur seinen Titel hat er sich dann doch auf die Visitenkarte drucken lassen: Prof. Dr. med. Jochen Kußmann. Die meisten haben diesen Namen noch nie gehört. Doch in der Szene derer, die sich auf das Operieren von ...

Die neue Bundesregierung wird, so steht es im Koalitionsvertrag, eine Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) gründen, um soziale und technologische Innovationen zu fördern, insbesondere an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und an kleinen und mittleren Universitäten, und zwar in Zusammenarbeit mit Start-ups, mittelständischen Unternehmen sowie sozialen und öffentlichen Organisationen.

Dieses Vorhaben geht zurück auf eine Initiative, die im Juni 2016 ihren Anfang genommen hat und von einer Vielzahl von Akteuren vorangetrieben wurde, vor allem von den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Auch ich gehörte zu jenen, die für eine "Deutsche Transfergemeinschaft" warben, wie wir sie damals nannten. Nun geht ...

DIE ZEIT:
Frau Horst, Sie waren in den vergangenen Jahren acht Mal auf der
Insel Lesbos und haben die Kinder in den dortigen Flüchtlingslagern fotografiert. Warum?

Alea Horst:
Ich habe als Nothelferin gearbeitet und dabei die vielen Kinder im Lager Moria gesehen. Sie lebten dort in kalten, nassen Zelten. Es gab zu wenig zu essen, kaum Toiletten, und viele waren krank. Das hat mich schockiert. Im Herbst 2020 gab es dort einen großen Brand, und die Menschen haben alles verloren. Im neuen Lager Kara Tepe, in dem viele von ihnen heute leben, gibt es immerhin warmes Wasser zum ...

Es regnete mit einem Mal stark, und es wehte ein kalter Wind. In Istanbul flüchteten die Passanten in die Hauseingänge. Selbst die sonst so unscheuen Katzen des Viertels hatten sich verzogen vor dem dunklen Himmel in irgendwelche Ecken, und wo noch vor einigen Minuten vor Ladenlokalen geplaudert, geherzt und geschimpft worden war, bestimmt über die irre Inflation, da prasselte es jetzt nur noch wie zum Weltuntergang. Ich lief vor wenigen Tagen durch den zentral gelegenen Stadtteil Cihangir mit seinen steilen, verschlungenen Gassen, nah am Bosporus auf der europäischen Seite der Stadt. Hier wohnt Orhan Pamuk, der weltbekannte Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger, d ...

Hans Neuenfels ist tot.

Ein unglaublicher Satz, im wahrsten Wortsinn: unglaublich, nicht zu glauben. Eine Lüge wahrscheinlich, oder wenigstens erfunden, frei und ziemlich schlecht erfunden, stümperhaft, fantasielos. Denn wenn es jemanden gibt, der so oft schon fast gestorben ist und es doch nie tat, dann ist das der Theaterregisseur Hans Neuenfels (und der Beruf sagt hier alles, wobei er diesen Beruf nicht als Beruf begriff, sondern als einzige ihm mögliche Existenz- und Überlebensweise). Neuenfels, dem, auf dem buchstäblichen Totenbett liegend, ein paar Schlucke seines eilig herbeigeschafften Lieblingsrotweins zurück ins Dasein verhalfen, was er als Einziger hinterher nicht als Wunder feierte. N ...

DIE ZEIT:
François Ozon, Ihr Film
Peter von Kant,
die
Neuinterpretation eines Stoffes von Rainer Werner Fassbinder, eröffnet die Berlinale. Mit
welchen Gefühlen blicken Sie auf das Festival?

François Ozon:
Für mich gibt es keinen besseren Rahmen für diesen Film als die Berlinale.
Peter von Kant
ist eine Hommage an die deutsche Kinokultur, ein Ausdruck meiner Liebe zu Rainer Werner Fassbinder. Im vergangenen Jahr musste die Berlinale online stattfinden, und Sie können sich kaum vorstellen, was es für mich bedeutet, dass die Leute den Film jetzt gemeinsam im Kino sehen können und nicht auf einem Computer ...

Deutscher Filmemacher, Fernsehproduzent, Schriftsteller, Drehbuchautor, bildender Künstler, Philosoph und Rechtsanwalt" - mit diesen Berufsbezeichnungen, in dieser Reihenfolge, wird Alexander Kluge bei Wikipedia eingeführt. Ich habe ihn als Juristen kennengelernt. Er war damals Referendar bei Hellmut Becker, dem Anwalt und späteren Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, und lebte in Frankfurt. Über Adorno lernten wir uns 1957 kennen. Die Erinnerung an den Juristen ist nicht zufällig, denn Kluge absolvierte in seiner Ausbildung alsbald eine weitere Station - oder war er schon Assessor? - beim Kurator der Frankfurter Universität. Und in dieser Eigenschaft griff er, auf heute kaum noch nachvollziehbare Weise existenziell, in ...

DIE ZEIT:
Unlängst haben Sie einen zauberhaften Essay über Wale verfasst. Er handelt vom Leben in seiner größten und uralten Form, das uns in diesen gewaltigen Tieren begegnet, und davon, dass sie uns Menschen in ihrem Verhalten so ähnlich sind. Aber aus Ihrer Sorge um das Aussterben der Wale ist kein Buch geworden. Stattdessen haben Sie nun eins über Sex geschrieben. Warum?

Amia Srinivasan:
Mich interessieren nicht nur Wale, sondern auch Oktopusse und Termiten. Über Tiere generell würde ich gern ein Buch schreiben, besonders über ihre Beziehung zu uns Menschen und die Frage, was wir über den Geist ...

Wenn ich als Frau, Mutter und Mensch in neun Jahren Ehe und zwei Jahren Pandemie eines gelernt hatte, dann dass es, erstens, den anderen, wenn sie mir Leid zufügten, nie um mich, sondern immer um sich selbst ging und dass, zweitens, sowohl mein coronaruinierter Schauspielermann als auch die übrigen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik landauf, landab alle, also wirklich allesamt, sehr gute Gründe hatten für das, was sie sich täglich zu tun entschieden, dass dies aber, drittens, nicht bedeutete, dass ihre Handlungen mir gefielen oder einleuchteten oder irgendetwas mit Logik oder Stringenz zu tun hatten. Viertens galt das alles natürlich ...

Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906-1995)

Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller,
Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef Joffe

Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) Helmut Schmidt
(1918-2015)

Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni
di Lorenzo

Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),
Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich

Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Tanja Stelzer, Jochen Wegner

Chef/in vom Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle

Chefreporter:
Dr. Stefan Willeke

Textchef:
Dr. Christof Siemes

Geschäftsführende Redakteure:
Patrik Schwarz, Andreas Sentker

Chefkorrespondentin:
Tina Hildebrandt

Internationaler Korrespondent:
Matthias Naß

Leitender Redakteur:
Hanns-Bruno Kammertöns

Redaktionsleiter Digitale Ausgaben:
Götz ...

Die erste Minute dieser Serie spielt in einem großen Theater, aus dessen Logen die Farne, Moose und Schachtelhalme wuchern. Und im Parkett suchen grunzende Tiere nach Nahrung. Menschen sind nicht zu sehen. Aber nein, dies ist kein Lamento auf das Ende der Theaterkunst (und es ist auch keine sarkastische Vorschau auf die weitere Entwicklung der Berliner Volksbühne unter René Polleschs Intendanz). Im Gegenteil.
Station Eleven
will darauf hinaus, dass das Theater immer die wichtigste Kunstform sein wird. Auch nach dem Weltuntergang wird die Menschheit Bühnen brauchen. Wirklich verloren haben wir erst, wenn nirgendwo mehr Shakespeare gespielt wird ...

Station ...

Darf man das? Darf man einen weithin bekannten Philosophen fragen, was falsch an der Idee sei, dass Staaten ihre Bürger in der Pandemie vor Krankheit und Tod schützen wollen? Darf man ihn fragen, warum er behauptet, dass die Regierungen Europas mit ihren Corona-Maßnahmen die "Schwelle zur Barbarei" überschritten hätten? Darf man sich danach erkundigen, warum ebendieser Philosoph glaubt, dass auch nach der Pandemie unvermindert der "Ausnahmezustand" herrschen werde?

Man darf offenbar schon. Nur muss man im Fall des italienischen Philosophen Giorgio Agamben, dem unter anderem diese Fragen von der
ZEIT
gestellt wurden, damit rechnen, nicht eben pfleglich vor die redensartliche ...

Die politische Ordnung des Ost-West-Konflikts war eine von Einflusszonen. Deren wechselseitige Akzeptanz war ein Garant dafür, dass aus dem Kalten kein heißer Krieg wurde. Moskau hat die Hinnahme seines Einflusses notfalls auch mit Panzern durchgesetzt, in Ost-Berlin, Budapest und Prag. Im Westen hat man sich darüber empört - und es hingenommen. Jedenfalls hat man auf jede bewaffnete Unterstützung der aufständischen Bevölkerung verzichtet. Ähnlich taten das auch die Sowjets, als sie die wirtschaftliche Strangulation West-Berlins abbrachen. Man erkannte die im Gefolge des Zweiten Weltkriegs entstandenen geopolitischen Realitäten an.

Auch Washington war nicht zimperlich, wenn es darum ging, seine Einflusszone selbst gegen ...

Wir sind am frühen Morgen in Charkiw losgefahren, mussten unterwegs in Kramatorsk noch unseren Kameramann abholen und wollten dann weiter in die Nähe von Donezk, um dort in einem freien Radio ein paar Interviews mit Leuten aus der Armee aufzuzeichnen. Es war nicht besonders weit, wir haben die Strecke über die ehemalige Schnellstraße nach Rostow, die jetzt an der Frontlinie endet, mit unserem Fahrer in den letzten sieben Jahren auch schon zigmal zurückgelegt, aber wir wollten trotzdem nicht trödeln, denn immerhin hatten wir ein paar Kontrollposten vor uns, und die Straßen waren glatt, ein zweifelhaftes Vergnügen, deswegen planten wir lieber ...

Da stehen sie, Grete und Valtin, die beiden Liebenden, und schauen sich an. Sie haben sich - und wollen am liebsten doch ganz woanders sein. Nicht vor dieser nackten Betonmauer, neben der sich alte Lederkoffer stapeln und hinter der ein Kind nach seiner Amme, nach Grete, schreit. Weg vor allem von der Dorfgemeinschaft, die ihnen und ihrer jungen Liebe so feindselig gesinnt ist. "Komm, Valtin, lass uns flieh′n!", ruft sie ihm zu - und wird vom donnernden Glissando im Orchester recht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Was die große Bühne des Magdeburger Theaters hier zeigt (in der ...

Rom, Vatikanstadt

An dem Tag, der Deutschlands Katholiken in neue Aufregung versetzt, ist es in Rom sonnig und still, man könnte glauben, diese Krise gehe am Vatikan spurlos vorüber. Frühlingswärme auf dem Petersplatz und so wenige Touristen, dass einem der einzelne Herr beim Springbrunnen gleich auffällt: Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki, der wegen der Krise in der Heimat zur Auszeit verdonnert wurde. Telefonierend grüßt er zurück,
buon giorno!
Normalerweise müsste man jetzt schon eine Journalistenschar vor der Sala Stampa della Santa Sede sehen, dem Pressesaal des Heiligen Stuhls, am Eingang zum Petersplatz. Doch da steht niemand. Wie kann das ...

Vielleicht ist die Paarbeziehung ein Auslaufmodell: Zwei Menschen, die einander alles
sein sollen und dabei super aussehen

EEs war ziemlich spät am Abend, und der Rotwein ging zur Neige, als mir klar wurde, dass Karl Lauterbach, Drew Barrymore und meine Freundin Tanja etwas gemeinsam haben. Dem Bundesgesundheitsminister fehlt die Zeit für eine feste Partnerschaft. Die US-Schauspielerin hat als alleinerziehende Mutter den Spaß am Daten verloren. Beide Informationen hatte ich Zeitschriften entnommen. Meine Freundin Tanja war unterdessen dabei, sich auf der Internet-Plattform markt.de zur Rubrik "Er sucht sie" durchzuklicken. Es sieht dort ein bisschen aus wie bei Tinder, nur ohne Selfies, H ...

Letztens saß ich mit einem Kollegen in einem Konferenzraum und diskutierte - mein Beruf bringt das leider manchmal mit sich. Es ging um irgendwelche redaktionellen Belange, die für den Zweck dieser Kolumne keine Rolle spielen, darum, welcher Text zu drucken, welches Bild zu nehmen, wie welcher Artikel zu betiteln sei. Irgendwann klappte der Kollege sein Notizbuch zu und sagte so was wie: "Das machen wir jetzt so." Woraufhin mein Körper von einer propofolhaften Entspanntheit erfasst wurde und mir ein zufriedenes Seufzen herausrutschte. Dicht gefolgt von dem Satz: "Ach, ich liebe Entscheidungen."

Vielleicht habe ich meine Ansprüche etwas weit nach ...

Unerhört: Im Berliner Stadtteil Mitte hätten Obdachlose, so wehte es zum Jahreswechsel durch
die Nachrichten, ein leer stehendes Haus besetzt, seien unter den Augen der Polizei
eingezogen, um mit Genehmigung des Bezirksamts zu bleiben. Das Gebäude, in dem sich immerhin
106 Wohnungen befänden, sei vom Amt quasi beschlagnahmt worden. War denn das die Möglichkeit!
Hausbesetzung im Jahr 2022, in einer der teuersten Lagen der Stadt, offiziell unterstützt?

Bei genauerer Betrachtung ist die Sache natürlich mal wieder nicht ganz so einfach. Eher wohl ist die Besetzung des Hauses Habersaathstraße 40-48 in 10115 Berlin zu deuten als weiteres Symptom für die ...

An einem Wintermorgen stehe ich auf 2000 Metern Höhe in den Dolomiten und blicke auf rot glänzende Felswände und leuchtend weiße Gipfel in der Ferne. Unter den Füßen Skier, vor mir eine nicht enden wollende Abfahrt. Pure Freude. Dann fällt mir die Frage wieder ein, deretwegen ich eigentlich hier bin: Darf man heute noch guten Gewissens Ski fahren?

Das ist ein heiß diskutiertes Thema. Ein Kollege hat in der
taz
von der Skischam berichtet, die ihn auf der Piste überfällt. Auch in mir tut sich seit einiger Zeit ein Konflikt auf: Ich bin nicht nur viel in den Bergen unterwegs, s ...

Meine Mutter schickt bei WhatsApp den Screenshot einer Anschrift:

"Zarendom Lebensmittel GmbH

Beusselstraße 44 N-Q, Geb. 30 C

10533 Berlin, Deutschland"

Mama bei WhatsApp:
Wir haben dort drei Dosen schwarzen Kaviar bestellt. Du musst nach Sweta fragen. Und kannst versuchen, noch roten Forellenkaviar mitzunehmen.

Nächster Tag.

Mama bei WhatsApp:
Kannst du den Kaviar morgen abholen? Oder ruf an und vereinbare, wann.

Dazu ein Link zu einer Dose russischen Störkaviars, 50 Gramm im Glas. Zugegeben, meine Eltern haben von Leipzig aus einen deutlich niedrigeren Döschenpreis ausgehandelt. Und ich bin in Berlin - offenbar auf Kaviar-Bereitschaftsdienst.

Nächster Tag.

Mama am Telefon:
Dima, w ...

Der Moment des Attentats war unspektakulär. Ich ging gerade die Morgenrunde mit meiner Hündin, und mein Ex-Freund kam plötzlich aus dem Gebüsch gelaufen. Seit einigen Wochen waren wir getrennt. Er schrie: "Ich komme ja sowieso ins Gefängnis!", dann kippte er Flüssigkeit aus einem kleinen Gefäß in mein Gesicht und rannte weg. Eine Nachbarin fand mich, ich stand wohl unter Schock und spürte keine Schmerzen. Die Flüssigkeit war Schwefelsäure, die innerhalb von Sekunden meine linke Gesichtshälfte samt Nervenzellen verätzt hatte.

Die Nachbarin rief einen Krankenwagen. Es folgten zwei Wochen künstliches Koma und 30 Operationen. Mehrmals schwebte ich in Lebensgefahr. Noch ...

Dass sich mein Mann in unserer Frisch-verliebt-Phase eine neue E-Mail-Adresse zulegte: theguywhocaresaboutyoualot@ichbinverruecktnachdir.de.

Gerlinde Speidel,
Reutlingen

Wenn ich morgens um kurz vor sechs wach werde und mir die Sonne ins Gesicht scheint.

Im Moment warte ich sehnsüchtig darauf.

Aslihan Noyan,
Bad Lippspringe, Nordrhein-Westfalen

Am frühen Morgen als Erste über die frisch gespurte Loipe zu zischen.

Yeah! Dank ans Loipen-Team!

Inga Meyendorf,
Oberammergau, Bayern

Klein und grau in einen alten Wintermantel gehüllt, steht sie im Eingang. Die Menschen drängen an ihr vorbei. Langsam geht sie zum Leergut-Automaten. Einige leere Flaschen stehen dort. Sie nimmt eine in die Hand. "Das sind meine", s ...

Ein befreundetes Paar kam zu Besuch, gut gelaunt, geimpft und geboostert. Auch am folgenden Abend war das Paar verabredet. Am übernächsten Tag rief der Freund an. Zu den Gastgebern hatte diesmal ein Arzt gehört. Er testete die Besucher, bei dem Freund war das Ergebnis positiv. Das gemeinsame Essen fand nicht statt. Diese Diagnose überprüfte der Freund am folgenden Morgen, mit dem gleichen Ergebnis. Symptome spürte er nicht. Seine Frau war und blieb virenfrei. Auch wir haben uns nicht angesteckt.

Genau 20 Tage nach dem positiven PCR-Test des Freundes lag ein Brief des Gesundheitsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf in seinem Briefkasten. Darin stand, hier ...

VON JOHANNES DUDZIAK

Vom Mulholland Drive in den Hollywood Hills geht eine ungeteerte schmale Bergstraße ab, die zu einer Villa führt. Zwei Etagen an einem Hang, bodentiefe Fenster, hinter denen der Nebel wie ein Vorhang die Aussicht auf die Stadt verdeckt. Bereits ein gutes Dutzend Leute - Make-up-Artists, Lichtspezialisten, Set-Assistentinnen - wuseln im Haus herum, als Jaden Smith vorgefahren wird, in einem Tesla, mit seinem Sicherheitsmann und seinem persönlichen Assistenten, der bis vor zwei Monaten noch bei dem Rapper Puff Daddy angestellt war.

"What up, bro?"
Jungenhaft sieht er aus, eine kleine, schmale Gestalt, versteckt in einer übergroßen schwarzen Daunenjacke. J ...

Von TINA HILDEBRANDT und ELISABETH RAETHER

Wenn man sich ein paar Wochen lang in Jasmin Schreibers Romane vertieft hat und dann einen Besuch bei ihr plant, um sie zu interviewen, stellt man sich vor, man wird sie vielleicht in einem verwunschenen Haus auf einer Waldlichtung antreffen, wo sie umgeben von Krabbeltieren, Pflanzen, Pilzen, Vögeln lebt und sich von dem ernährt, was der Wald ihr gibt. Eine etwas alberne Fantasie, die aber daher kommt, dass Jasmin Schreiber in ihren Büchern eine so eigene Sprache findet für das seltsame, ein bisschen irre, intensive und auch zerrüttete Verhältnis der Menschen zur Natur, zu Tieren, z ...

Von Eckstein

Waagerecht:
6 Rackerte in der Tuchmacherbranche, fällt auf als Viel-Lang-Zartbeiner 11 Alles andere als hochinteressant: Gegend mäßigen 37 waagerechts 15 Sprichwörtlich: Ein leerer ... ist eine schwere Last 18 Bei Prophezeiungen ist der ... oft ein wichtigerer Mann als der Prophet (G. Chr. Lichtenberg) 19 Zweierlei Jagdgeräteklassiker, summiert zu Knuff-um-Knuff-Sache 20 Sollen ein wenig mehr Wollen herauskitzeln 21 Für die setzt sich mancher mit voller Herausputzkraft ein 23 Widerlegesätze, mehr oder weniger offiziell 24 Zur Saure-Gurken-Zeit vielerorts aktuelle Zugabe 25 Bedeckelchen, aus Britain-Ferien nicht wegzudenken 26 Bei eifrigem Hüpfen geht′s drunter und drüber 27 Gern übt mancher das ...

Ein kurzer Überblick zu Lottas Modevorlieben: Die Hosen sind nicht mehr so hüfthoch, sondern eher "low waist". Lotta liebt Sweatshirts mit kleinen Logos. Gerne wird sehr Enges mit sehr Weitem kombiniert oder ein kurzes Top mit einer abgeschabten Lederjacke. Außerdem trägt sie gerne große Ohrringe. Ich habe noch nicht ganz verstanden, was das alles gemeinsam hat, aber Lotta offenbar schon. Als ich sie fragte, was für ein Style das sei, sagte sie: "Das nennt man Y2K, Papa." - "Y2K?", fragte ich. Ich kenne diese zwei Buchstaben mit der Ziffer. Es war Ende der Neunzigerjahre der Code für eine ...

Frau Stahl, eine Freundin von mir steht kurz vor dem Burn-out, weil sie sich zwischen ihrem Job und ihren zwei Kindern zerreißt. Sie bräuchte dringend Urlaub, zögert aber, wegzufahren, weil sie ihre Kinder nicht ihrem Mann aufbürden will. Ich habe mich oft gefragt:
Warum achtet sie so wenig auf sich selbst?

Ihre Bekannte guckt immer, was alle anderen brauchen, und nimmt ihre eigenen Bedürfnisse nicht wahr. Sie möchte eine perfekte Mutter, Ehefrau und Mitarbeiterin sein, weil sie von ihrem Umfeld nicht abgelehnt werden will. Dahinter steckt ein Verhaltensmuster aus der Kindheit, das sie unterbewusst ins Erwachsenenalter mitgenommen hat.

Was ...