Inhaltsverzeichnis vom 20.01.2022

Ein besseres Aushängeschild kann sich eine Bauernbank nicht wünschen: ein Mann wie ein Kraftwerk, 1,82 Meter groß und mit dem dominanten Auftritt eines ehemaligen Gebirgsinfanterie-Kommandanten. Im Gesicht ein Granitkinn und Falten, die nicht vom Grübeln, sondern vom Zupacken und der frischen Luft kommen. Dazu locker und beliebt. Wo immer sich eine fröhliche Runde bildet und bechert, setzt er sich flugs dazu. An Medienkonferenzen reißt er Witze, in Satiresendungen verspottet er seinen Beruf.

"Es war seine Swissness, die gefiel", sagt Nikodemus Herger, von 2012 bis 2014 Kommunikationsberater der Raiffeisen-Bank. Sie gefiel umso mehr, als sie in der Schweizer Bankenbranche immer ...

So sieht sie also aus, die Idealstadt des 21. Jahrhunderts. Hier wird nicht abgerissen, sondern am Bestand weitergebaut. Hier ist Platz für alle, für die Jungen und die Alten, die Reichen und die Armen, die Einheimischen und die Fremden - und die Natur. Ja, sogar der historische Dorfkern von Meyrin mit dem Botanischen Alpengarten ist noch gut erhalten. All das, obschon sich die Bevölkerung in der Agglomerationsgemeinde außerhalb von Genf seit 1950 verzwölffacht hat. Heute leben im ehemaligen Bauerndorf zwischen lärmiger Autobahn, internationalem Flughafen und futuristischem Cern-Beschleuniger 26.000 Menschen aus mehr als 140 Nationen.

Kein Wunder, dass die Gemeinde ...

Silvio Berlusconi ist zurück. Und er kommt nicht durch die Hintertür. Ganz im Gegenteil, Berlusconi will Italiens Staatspräsident werden. Man reibt sich die Augen. Ein 85-jähriger vierfacher Ministerpräsident, ein Vorbestrafter, ein Mann mit zahllosen Verfahren am Hals, die bis heute nicht abgeschlossen sind, hat Aussichten auf das höchste Amt des italienischen Staates! Ausgerechnet jetzt, da man sich in ganz Europa über die Erfolge Italiens freut und Ministerpräsident Mario Draghi zeigt, was alles in diesem Land steckt, ausgerechnet jetzt kommt Berlusconi wie ein Schreckgespenst um die Ecke gekurvt.

Wie ist das bloß möglich? Was denken sich die Italiener dabei?!

Nun, die ...

Schon klar, dass diesem Virus alles fehlt, was für Humor gebraucht wird: Seele, Bauch und Hirn. Trotzdem könnte man, bei allem Schrecken der vergangenen zwei Jahre, auf die Idee kommen: Corona ist zur Ironie fähig. Im November 2021, als die neue Variante Omikron entdeckt wurde, schien sie die sorgsam erarbeiteten pandemischen Gewissheiten zu erschüttern. Eine Mutation, die den Impfschutz teilweise umgeht? Eine Mutation, die womöglich ansteckender ist als alle vorherigen? Ja, geht denn alles von vorne los?

Und nun zeigt sich von Tag zu Tag mehr, was Omikron wirklich bedeuten könnte: nicht weniger als das hoffentlich absehbare Ende der Pandemie. E ...

Wer einmal Geld ins Ausland überwiesen hat, kennt den Business Identifier Code (BIC). Das ist eine Zeichenfolge, mit der sich Banken eindeutig identifizieren lassen - und zwar überall auf der Welt. Die Hamburger Sparkasse benutzt das Kürzel HASPDEHH, die Commerzbank in Berlin COBADEBB, die Deutsche Bank in Frankfurt DEUTDEFF.

Dieser Code steht nun im Zentrum der Debatte um Sanktionen gegen Russland. Denn ohne ihn geht im internationalen Zahlungsverkehr nicht viel: Immer wenn eine Bank im Inland an ein Kreditinstitut im Ausland Geld transferiert, informiert sie dieses über die bevorstehende Kontobewegung. Keine Nachricht, kein Geld.

Diese Nachrichten werden über das Netzwerk ...

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Da steht sie und blickt auf einen hölzernen Jesus am Kreuz, bestimmt fünf Meter hoch. Die Kameras warten auf eine Regung der deutschen Außenministerin. Gerade hat sie sich gebückt, um dem Jesus zehn langstielige rote Rosen mit einer Deutschlandschleife zu Füßen zu legen. Jetzt verharrt sie ganz still; die Hälfte ihres Gesichts ist hinter einer grauen FFP2-Maske verborgen.

Annalena Baerbock braucht an diesem Montagmorgen in Kiew keine Worte, um ihre politische Botschaft zu verkünden. Es genügt, dass sie hierhergekommen ist, zum "Denkmal der Himmlischen Hundertschaft", einer Gedenkstätte für die 97 Ukrainer und drei Ukrainerinnen, die Anfang 2014 bei den proeuropäischen ...

In dieser von Russland ausgelösten Weltkrise kommt es nur auf einen Mann an: Wladimir Putin. Der russische Präsident hat sich damit gebrüstet, schon die Besetzung der Krim allein entschieden zu haben. Nun warten über 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine auf seinen Marschbefehl. Wird er ihn erteilen?

Putin ist seit Beginn der Pandemie streng abgeschirmt, der Zugang zu ihm ist scharf begrenzt, die wenigen Menschen, die ihn treffen dürfen, müssen zuvor tagelang in Quarantäne. Informationen werden für ihn sortiert. Er schaue, sagen ehemalige Vertraute, gern Staatsfernsehen, benutze selten ein Smartphone und surfe kaum im Netz. Aber er telefoniert ...

Eine Verteidigungsministerin gibt qua Amt den Weg vor in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ebenso wie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Beide gehören der SPD an. Welchen Weg weisen sie der Kanzlerpartei? Christine Lambrecht, die Ministerin, warnt, man solle die Ostseepipeline Nord Stream 2 nicht in den Konflikt mit Russland "hineinziehen". Michael Roth, der Ausschuss-Chef, fordert aber genau das. Die ausstehende Zulassung der Pipeline müsse als Druckmittel benutzt werden, sollte Moskau seine Eskalation gegenüber der Ukraine fortsetzen. Was gilt nun? Beides, laut Olaf Scholz, Kanzler und oberster Wegweiser. Er droht Moskau mit harten Sanktionen, bezeichnet die Pipeline aber als ...

DIE ZEIT:
Herr Präsident, Sie haben den russischen Präsidenten Wladimir Putin häufig getroffen. Wie wirkt er auf Sie?

Sauli Niinistö:
Der ehemalige US-Präsident Trump hat mir die gleiche Frage gestellt. Damals habe ich geschildert, dass Präsident Putin ein Kämpfer ist. Mit ihm muss man, wenn nötig, bereit sein, hart auf Härte zu antworten. Aber er respektiert seinen Gegner, wenn man ihn respektiert.

ZEIT:
Warum, glauben Sie, attackiert Putin ausgerechnet jetzt die bestehende Ordnung?

Niinistö:
Treten wir einen Schritt zurück: Als Präsident Biden im letzten Sommer nach Europa kam, entstand der Eindruck, der Gegner des Westens werde ...

Es dämmert schon an diesem Nachmittag im Dezember, aber die goldfarbene Schrift ist von Weitem zu erkennen: "Nyla Rose Bakery" steht über dem Eingang des kleinen Ladens an der Place Dumon im Brüsseler Vorort Stockel. Drinnen, hinter der Glastheke, liegen Croissants und Cremetörtchen.

Nyla Rose ist ein Familienbetrieb, geführt von Vanessa De Weerdt und ihrem Mann Koen Bert. Die Politik, die im wenige Kilometer entfernten EU-Viertel gemacht wird, ist hier weit weg. Und doch ist die Bäckerei Teil einer Auseinandersetzung geworden, in der es um Macht und sehr viel Geld geht, um die Zukunft Europas und die Rolle, die amerikanische ...

Ins Bundestagsbüro von Friedrich Merz - es ist noch dasselbe wie vor 20 Jahren - hat sein Sprecher ein paar Tüten gerösteter Heuschrecken mitgebracht. Wenn man erst mal über das Problem mit dem Anblick des ganzen Insekts und dem Gefühl von Beinchen im Mund hinweggekommen sei, dann sei das eine prima Sache, knusprig, gesund und lecker.

Friedrich Merz lacht. Für das Amt des CDU-Vorsitzenden, in das er am kommenden Wochenende von einem Parteitag feierlich-digital inthronisiert werden soll, hat er seine Tätigkeit bei BlackRock aufgegeben. BlackRock ist die Art von Investmentgesellschaft, für die sich einmal der hässliche Name "Heuschrecken" eingebürgert hatte. M ...

Was macht eigentlich ein Bundeslandwirtschaftsminister? Vertritt die Interessen der Bäuerinnen und Bauern, klar. Aber Cem Özdemir, der neue Mann in diesem Amt, verkündete schon kurz vor seiner Vereidigung im Dezember, nicht nur "der oberste Anwalt" der Landwirte sein zu wollen, sondern "gleichzeitig der oberste Tierschützer des Landes". Womit der Grünenpolitiker einem weit verbreiteten Wunsch zu entsprechen scheint: Eine große Mehrheit der Deutschen hält es für dringend notwendig, die Interessen von Tieren in der Politik stärker zu beachten.

Zu diesem Resultat kommt eine Umfrage, die das Sinus-Institut durchgeführt hat. Auftraggeber war eine Tierschutzorganisation, die Animal Society, die Befunde ähneln in der ...

Kurz bleibt Horst Gies stehen, zeigt auf das Stadttor seiner Heimatstadt Ahrweiler. Im Frühjahr 1945, in den letzten Kriegsmonaten, seien das mittelalterliche Tor und die umliegenden Häuser von britischen Fliegern unter Beschuss genommen worden, erzählt er. "Wenn Sie die alten Leute fragen, dann sagen die: ›So schlimm wie heute war die Altstadt damals nicht zerstört.‹"

An einem Samstag, früh um 9 Uhr, führt Gies durch den Stadtkern. Er ist ein bisschen spät dran, weil er noch einen Generator für eine Mitarbeiterin organisieren musste. Leute laufen vorbei, grüßen ihn, er winkt zurück, er kennt sie fast alle persönlich. Seit fünf Monaten ...

Boris Johnson, heißt es oft, sei ein Überlebenskünstler, aber das stimmt nicht: Er ist ein Auferstehungskünstler. Die vielen Skandale in seinem Leben hat er durchaus nicht immer durchgestanden, er wurde etwa als Journalist und als kulturpolitischer Sprecher der Konservativen Partei wegen Unwahrhaftigkeiten gefeuert - doch tauchte er später stets wieder in neuen, noch attraktiveren Jobs und Rollen auf. Diese Hoffnung kann Johnson in seinem gegenwärtigen politischen Existenzkampf als britischer Premierminister kaum haben: Jetzt ist er ganz oben angelangt, und ein Sturz mit anschließender kleiner Blamiertheitspause, um in angemessener Frist eine Etage höher wieder in die Erfolgspyramide einzusteigen - das geht ...

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JA. Unser Reaktor könnte Atommüll verbrennen

Es fällt mir und meinen Kollegen nicht leicht, aber wir müssen uns mit diesem Text leider aus Deutschland verabschieden. Wir tun es mit einiger Enttäuschung. Die vergangenen zwölf Jahre haben wir hier in Berlin damit verbracht, einen neuen Typ von Kernreaktor zu entwerfen, seine Funktionsweise durchzurechnen, sein Design in Computermodellen immer wieder zu prüfen. Wir sind uns sicher, damit die Energieerzeugungsform der Zukunft in den Händen zu halten: einen Reaktor, der Atommüll verbrennt und dabei auch noch erheblich sicherer und effizienter arbeitet als bisherige Kernkraftwerke. Er hätte, anders als die unserer Meinung nach verfehlte Energiewende, d ...

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DIE ZEIT:
Herr Montgomery, Sie haben neulich Richter, die Corona-Maßnahmen zurücknahmen, als "kleine Richterlein" bezeichnet. Später sagten Sie, das sei eine "gezielte Provokation" gewesen, mit der Sie der Debatte eine "kleine Drehung" geben wollten. Hat das der Diskussion geholfen?

Frank Ulrich Montgomery:
Ja, in meinen Augen hilft so etwas der Diskussion über Corona. Manchmal muss man einen Punkt machen, den alle verstehen. In der Medizin betreiben wir permanente Qualitätssicherung - und das fordere ich auch für Gerichtsurteile. Im konkreten Fall ging es um einen Senat in Lüneburg, der immer wieder gegen die Pandemiebestimmungen urteilt, als einziger. Da dachte ...

Bis in den Sommer 2021 waren viele Politiker, Wissenschaftler und infolgedessen Bürger überzeugt, dass ein Leben mit dem neuen Coronavirus nur möglich sei, wenn die Zahl der Neuinfektionen dauerhaft auf einem Minimum gehalten werde. Strikte Maßnahmen sollten das Infektionsgeschehen eingrenzen. In der Theorie ein interessanter Weg. In der Praxis, in einer freiheitlichen Gesellschaft, aber unmöglich umzusetzen. Einige wenige Länder versuchten, das Virus "auszutrocknen", aber es gelang nicht. Egal, wie drakonisch Lockdowns waren, irgendwann kam der Tag, an dem die Infektionszahlen wieder stiegen. Lockdowns bedeuteten nur ein Drücken auf den Pausenknopf der Pandemie.

In Deutschland hatte der Versuch, strenge Kontrolle über ...

POLITIK

Titelthema: Was will Putin?
Annalena Baerbock hat ihren ersten Auftritt als Außenministerin in Kiew und Moskau - mitten in der Krise von Samiha Shafy
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Kann man Russland auf den Finanzmärkten unter Druck setzen? VON MARK SCHIERITZ
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Wladimir Putin bereitet die Russen auf einen Krieg vor. Was will er erreichen, und warum
ausgerechnet jetzt? VON MICHAEL THUMANN
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Europa muss lernen, härter zu agieren. Ein Gespräch mit dem finnischen Präsidenten Sauli
Niinistö
4

Der Nostalgiereflex der SPD - warum so viele Sozialdemokraten immer noch Verständnis für
Putins Politik der Eskalation haben VON PETER DAUSEND
4

EU
Lobbyisten der Digitalkonzerne beeinflussen die Gesetzgebung VON
...

Das Jahr 1595 schien unter keinen guten Sternen zu stehen. Johannes Kepler, der früh angefangen hatte, Horoskope zu erstellen, sagte für die kommenden zwölf Monate Bauernaufstände voraus, eine Eiseskälte, außerdem eine Invasion der Türken. Auch für ihn selbst hatte das Schicksal bislang wenig übrig gehabt. Kepler war Mitte zwanzig, er hatte ständig mit Krankheiten zu kämpfen, Fieber, Ausschläge, Geschwüre, schlechte Augen, verheiratet war er immer noch nicht, und seine Arbeit als Mathematiklehrer an der Stiftsschule in Graz füllte ihn, ein Genie immerhin, nicht aus. Doch dann kam der 19. Juli 1595, und die Sterne erhellten sich.

Johannes Kepler stand an ...

Als entschiedene Befürworter sind wir vom Hamburger Netzwerk Grundeinkommen der Autorin zu aufrichtigem Dank verpflichtet, weckt sie damit doch - wenn auch wohl eher ungewollt - Neugier und erhöhte Aufmerksamkeit für dieses Thema.

Bei genauerem Hinsehen wird freilich schnell klar, dass Anna Mayr im Grunde genau das
Gegenteil erreichen möchte, sie will ihre Leser offensichtlich vor dem Grundeinkommen warnen.
Jedenfalls versucht sie, die dahinterstehende Idee nach allen Regeln manipulatorischer
Demagogie und rabulistischer Polemik zu verunglimpfen und lächerlich zu machen.

OTTO LÜDEMANN, HAMBURGER NETZWERK GRUNDEINKOMMEN

Die Autorin demonstriert in dankenswerter Klarheit, dass die linksliberale Kopfgeburt eines bedingungslosen Grundeinkommens schon durch leichtes ...

Christian Nürnberger hat insofern recht, als dass der Kampf für soziale Gerechtigkeit zur DNA
des Christentums gehört. Aber diesen Kampf führen sämtliche Menschenrechts-Gruppierungen in
vorbildlicher Weise ja auch. Vom atheistischen "Humanistischen Weltbund" über Greta bis hin
zur kleinsten NGO. Was aber ist das Merkmal der Religion? Es ist die Hoffnung wider alle
Hoffnungslosigkeit. Es ist jene transzendente Zusage, dass niemand verloren geht. Diese
österliche Perspektive ist, laut Paulus, das innerste Wesen aller gesunden Religiosität, und
dies sollte der Kern religiöser Rede sein.

WILLIBERT PAUELS, WIPPERFÜRTH

Paulus schreibt im 1. Korinther 15, Vers 13: "Gibt es aber keine Auferstehung der Toten, so ...

Es war nur ein schmales Paperback. 205 Seiten, keine Bilder, dafür lauter Diagramme. Aber es war ein globales Medienereignis, als vor 50 Jahren, im März 1972, der Club of Rome seinen Bericht
Die Grenzen des Wachstums
vorstellte. Das Feuerwerk der medialen Resonanz reichte vom Wissenschaftsjournal
Science
bis zum
Playboy,
vom
Economist
bis zur
Peking-Rundschau. Die Grenzen des Wachstums
wurde zu einem der größten Bucherfolge des 20. Jahrhunderts. Er war zugleich der fulminante Auftakt eines ökologischen Wendejahres, das rückblickend die Geburtsstunde der globalen Ökologiebewegung markiert. Aus einer Reihe von Ereignissen kristallisierte sich 1972 ein neues Paradigma heraus, eine neue Sicht ...

Jetzt kommt Druck auf den gesellschaftlichen Kessel. Die steigenden Preise für Rohstoffe und Energie, allen voran Gas, schüren Existenzangst bei den Ärmsten und befeuern die Wut der Mittelklasse. Dabei hat die klassische Umverteilungspolitik die Gesellschaft schon länger nicht mehr befriedet. Die große Koalition hatte es ja versucht: mit Grundrente, Frührente, Mütterrente. Darüber ist sie bei den Wählern nur kleiner geworden. Und in dieser Lage muss nun auch noch die versäumte Klimapolitik nachgeholt werden. Das bedeutet eigentlich, dass CO2-haltige Energie noch teurer wird und dass Abertausende Windräder nah an die Vorgärten rücken, was wiederum den Unmut gereizter Bürgerinnen und Bürger schürt, d ...

LORDSTOWN

Viele amerikanische Kleinstädte haben eine Kirche im Zentrum. Lordstown hat ein Autowerk. Im Bundesstaat Ohio, nordwestlich von Washington, steht die Fabrik, die seit über 60 Jahren das Leben in dem Ort und in der Region bestimmt.

Der Autohersteller General Motors hat hier seine beliebten Modelle bauen lassen, den Chevy Impala, den Pontiac Firebird, den Chevy Cruze - Autos, mit denen die Amerikaner über Jahrzehnte durch das Land fuhren.

Heute sind die mehrspurigen Straßen um die Fabrik fast leer, auf den Seitenstreifen wuchert Unkraut. Die Menschen hier leben in Häusern, wie man sie aus US-amerikanischen Filmen kennt: große Garage, lange Auffahrt, e ...

Das hat es selten gegeben: dass ein einziges Unternehmen das Wachstum in Deutschland so stark anhebt. 0,5 Prozentpunkte des deutschen Wirtschaftswachstums könnten 2021 allein auf den Erfolg von BioNTech zurückgegangen sein, so schätzen Forscher. Ohne den Impfstoffhersteller wäre das Bruttoinlandsprodukt demnach statt um 2,7 Prozent nur um 2,2 Prozent gestiegen. Das zeigt, wie stark das Unternehmen im vergangenen Pandemiejahr war. Aber auch, wie schwach der Rest ist.

Doch es gibt ein Problem: BioNTech taucht nicht in der Liste der wichtigsten deutschen Unternehmen auf, die im Börsenindex Dax verzeichnet sind. Das Unternehmen hat seine Aktien beim Börsengang 2019 ...

Ein Dutzend Verhandlungstage lang hat er alles abgestritten. Jetzt macht der frühere Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Warburg Invest doch noch reinen Tisch - und gibt einem der bedeutendsten deutschen Wirtschaftsstrafprozesse damit eine völlig neue Wendung.

Vor dem Landgericht Bonn gab der Manager vergangene Woche zu, dass er bei seinen Cum-Ex-Geschäften "von Beginn an ein Unbehagen" verspürt habe. Und dass daraus bald ein "massives Störgefühl" geworden sei. Kein Wunder: Schließlich ging es bei diesen Aktienverschiebereien nur darum, sich Steuern vom Staat zurückerstatten zu lassen, die zuvor niemand bezahlt hatte. Bis zu 30 Prozent Rendite ließen sich auf diese Weise in kurzer Zeit ...

Der Staat kürzt die Renten - dafür unterstützt er die Bürger dabei, privat fürs Alter vorzusorgen. Das war die Idee der Riester-Rente, als die rot-grüne Bundesregierung sie vor 20 Jahren einführte. Die Erwartungen von damals hat das Modell nie erfüllt. Doch inzwischen wenden sich nicht nur viele Sparer von Riester ab, sondern auch die Anbieter.

Selbst die DekaBank, eine Tochter der Sparkassen, verkündete vergangene Woche das Ende. "Zum 1. Juni 2022 stellt die Deka ihr Riester-Neugeschäft vollständig ein", erklärte die Bank. Damit dürften Sparkassen-Kunden Riester-Fonds nur noch im Ausnahmefall angeboten bekommen (wenn ein Berater ihnen ein Produkt der Konkurrenz verkauft). I ...

Wer noch etwas kaufen möchte in Deutschlands höchstem Wohnhochhaus, der muss jetzt schnell sein. Nur mehr zwei Penthouse-Wohnungen sind in Frankfurts "Grand Tower" zu haben, einem 47 Stockwerke hohen Turm, der Mitte 2020 fertig wurde und in dem die Wohnungen wie gläserne Waben übereinandergeschichtet sind. Außerdem ist noch ein Apartment mit zwei Zimmern (45. Etage, Westbalkon, Taunusblick, 89,9 Quadratmeter) im Angebot, für 1,8 Millionen Euro. Das entspricht gut 20.000 Euro pro Quadratmeter für den Restposten.

"Nichts für jeden - aber vielleicht für Sie?", so preist der Vermarkter JLL die Objekte an. Doch lohnt sich das überhaupt?
...

Angesichts der hohen Immobilienpreise trifft man nun allerorten Hätte-ich-doch-Menschen, die eine für sie missliche Feststellung machen: Eine Wohnung, die ihnen vor wenigen Jahren zu teuer schien, kostet nun doppelt so viel wie damals. Hätte ich doch zugeschlagen!, sagen sie heute, nicht selten gefolgt von der Frage: Soll ich jetzt noch kaufen?

Grundsätzlich kommt es sehr auf den Einzelfall an. Ein paar Abwägungen und Regeln gibt es aber, die bei der Suche nach einer Antwort helfen.

Ist aus finanzieller Sicht Kaufen oder Mieten besser?

Was für den Mieter die monatliche Mietzahlung ist, ist für den Käufer einer Immobilie der Zins, d ...

Können Gastronomen von ihrer Versicherung verlangen, dass sie ihnen einen Teil der während des Lockdowns entstandenen Schäden ersetzt? Über diese Frage verhandelt am Mittwoch der kommenden Woche der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Geklagt hatte ein Gastwirt aus Schleswig-Holstein, der zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 sein Restaurant schließen musste. So erging es Zehntausenden im ganzen Land, die vom staatlich angeordneten Lockdown betroffen waren. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts machte das deutsche Gastgewerbe im April 2020 gut 68 Prozent weniger Umsatz als ein Jahr zuvor.

Der norddeutsche Gastronom beruft sich nun auf seine Betriebsschließungsversicherung und verlangt, dass ihm der Versicherer ...

Raketen und ein Astronaut schweben über den Schiffsbug, umflattert von Schmetterlingen. Das quietschbunte Design passt so gar nicht zu dem Unheil, das sich derzeit an der Ostsee ereignet. Denn an der
Global Dream
,
einem der bald größten Kreuzfahrtschiffe der Welt, arbeitet keiner mehr. Es liegt verlassen im Dock der MV Werften in Wismar. Am 10. Januar musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, es konnte noch nicht mal mehr die Dezemberlöhne seiner Arbeiter zahlen.

Der Mutterkonzern Genting Hong Kong bekam während der Pandemie Probleme, und jetzt ist die Angst groß in Mecklenburg-Vorpommern. Die MV Werften sind der größte und modernste ...

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Es ist ein Samstag mitten in der Corona-Krise, als Sekar Kathiresan vor 3700 virtuellen Teilnehmern der Konferenz der
International Society for Stem Cell Research
über die Blutwerte von 13 Rhesusaffen spricht. Kathiresan ist Chef der amerikanischen Biotech-Firma Verve Therapeutics. Die Affen sind die ersten Probanden einer ebenso kühnen wie visionären Therapie, die auf einen Eingriff im Erbgut setzt. Dank ihr kann Kathiresan nun beneidenswert niedrige Fett- und Cholesterinspiegel bei den Tieren präsentieren.

Und so keimt in diesem Moment, in einer Videoschalte am 27. Juni 2020, eine große Hoffnung auf: Was bei Affen gelingt, könnte auch bei Menschen funktionieren. Und Menschen ...

Ich sitze gerade mal wieder in meinem Zimmer fest. Erst ein positiver Schnelltest in der Schule, dann Schlangestehen für den PCR-Test - jetzt habe ich Omikron und bin mindestens eine Woche in Quarantäne. Schon im Lockdown fiel es mir schwer, in dem Raum zu lernen, in dem auch mein Bett steht und immer ruft: Komm, ruh dich aus. Da schiebt man schnell alles auf ... Dabei fühle ich mich ziemlich unter Druck. Ich mache nächstes Jahr Abi, ich will ein gutes Zeugnis, studieren, ein schönes Leben haben.

Im Moment sehe ich vor allem, was ich alles nicht habe. Ich ...

Die einen lernen hörend, die anderen durch Aufschreiben - was ist dran an der Theorie der verschiedenen Lernstile? Wir überprüfen psychologische Alltagsweisheiten.

Woher kommt die Idee?

In der Psychologie wurde die Einordnung in Typen Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem durch den Psychiater Carl Gustav Jung populär. Danach unterscheiden sich Menschen unter anderem in ihrer Art zu denken. Zwar spielen starre Klassifizierungen in der Persönlichkeitsforschung heute kaum noch eine Rolle; um Differenzen im menschlichen Lernen zu erklären, werden sie aber nach wie vor genutzt.

Es gibt viele Theorien, die verschieden stark voneinander abgegrenzt sind. Einige der bekanntesten Modelle unterscheiden zwischen ...

Antonia Teixeira Chikono hält ihre Kinder eng bei sich, als der Sturm das Wellblechdach von ihrem Haus reißt. Der Zyklon Idai trifft mit Windgeschwindigkeiten von 165 Kilometern pro Stunde auf die Küste Mosambiks; Regen stürzt in dieser Märznacht 2019 vom Himmel und sammelt sich in Chikonos kleinem Haus. Sie spürt, wie die Mauern im Sturm wanken, treibt ihre Familie nach draußen, kurz bevor das Haus zusammenstürzt. Nebenan ist ein Baum auf das Haus der Nachbarn gekracht, Wellblechdächer schießen durch die Luft und schlittern über die Straßen.

Am nächsten Morgen sieht Chikono das Ausmaß der Zerstörung: zerschlagene Marktstände, weggespülte Maisvorräte, die ...

Wer etwas über die schönen Seiten Chinas erfahren möchte, ist beim Münchner Konfuzius-Institut gut aufgehoben. Da gibt es den Tanzkurs mit Frau Li, bei dem man "Volkstänze der chinesischen Minderheiten" erlernen kann. Die Teilnehmer sehen Videos von glücklich lächelnden Uiguren, die in ihren Trachten tanzen. Wer würde vermuten, dass mehr als eine Million dieser Menschen derzeit in chinesischen Umerziehungslagern sitzen? Man kann auch im Bastelkurs von Frau Zhang Schmetterlinge aus Papier falten. Oder das chinesische Filmfest besuchen, bei dem im November ein Film über die Stadt Wuhan in der Corona-Zeit gezeigt wurde. Im Trailer lobt Staats- und Parteichef Xi Jinping ...

Viele Influencer und Start-ups haben den Bildungsbereich als lukrativen Markt entdeckt. Sie bieten unter anderem kurze Erklärvideos an, mit deren Hilfe nachmittags die Lernlücken gestopft werden sollen, die vormittags in der Schule entstehen. Millionenfach werden diese Videos inzwischen geklickt. Und im Idealfall sind alle Beteiligten zufrieden: Schüler und Schülerinnen verbessern ihre Leistungen, worüber sich nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Eltern freuen. Die wiederum sind zunehmend bereit, für die digitalen Lernhilfen zu zahlen. Wenig Anlass für Kritik also?

Dieser Eindruck täuscht. Die Online-Angebote haben durchaus eine problematische Seite: Die Plattform Simpleclub etwa ködert ihre Kundschaft mit dem Slogan "Bessere Noten. Einfacher ...

Für uns hier in der Redaktion war der letzte Mittwoch ein super Tag. Da nämlich haben wir zum ersten Mal unseren neuen ZEIT LEO-Kinderrat getroffen. Also nicht in echt natürlich, das wäre in dieser blöden Pandemie wohl auch schwer möglich, sondern in einer Videokonferenz. Alle haben also ein paarmal geklickt - und dann waren sie endlich bei uns:
Marie,
Max, Maya, Elias und Nina.

Am Anfang winkten alle noch ein bisschen schüchtern in die Kameras, aber schon nach ein paar Minuten wurde es richtig lustig. Die fünf sollten jeder einen Gegenstand in die Kamera halten, der etwas über ...

Dieser Text könnte dir dabei helfen, bald schon mehr Taschengeld zu bekommen. Falls du also zum Beispiel diesen einen neuen Skin auf
Fortnite
toll findest oder das Riesen-Pop-it aus dem Spielzeugladen, dann pass jetzt gut auf: Gleich wirst du mit den besten Argumenten für die Taschengeld-Verhandlung gewappnet sein - ganz unabhängig davon, was du kaufen willst.

Und los geht′s: Eine Taschengeld-Erhöhung ist im Jahr 2022 einfach angebracht, weil dein Geld nämlich weniger geworden ist. Keine Sorge: Wenn du in deine Spardose schaust, sind die 50 Euro, die du vielleicht letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hast, immer noch 50 Euro. Trotzdem ...

Das Beobachtungsnetz

Messinstrumente liefern Daten aus unterschiedlichen Höhen und von verschiedensten Orten. Stationen finden sich an Land und in der Luft - nur über den Ozeanen gibt es blinde Flecke. In Deutschland wertet der Deutsche Wetterdienst (DWD) die Daten aus.

Polarumlaufende Satelliten

erfassen in Höhen von 800 bis 900 Kilometern jedes Gebiet der Erde - Streifen für Streifen.

Das Rechenzentrum

des DWD steht in Offenbach. Es wertet Daten aus der ganzen Welt mit seinen
Hochleistungsrechnern aus.

Wetterballons

werden täglich und weltweit in bis zu 30 Kilometer Höhe steigen gelassen.

Landstationen

betreibt der DWD hierzulande an 181 Standorten. Neben diesen hauptamtlichen Stationen gibt es viele weitere Beobachtungsstellen.
...

Während ich diese Worte hier schreibe, sitze ich in einem Café in Melbourne und erhole mich gerade davon, ein frittiertes Stück Speck in mich hineingestopft zu haben. Das ist prinzipiell nicht sonderlich interessant, ich weiß schon, nur dass das Stück Speck einen Bruch repräsentiert. Einen Bruch mit den letzten beiden Monaten meines Lebens, in denen ich jede Nacht acht Stunden geschlafen habe, jeden Tag sechs bis sieben Liter Wasser getrunken habe, dazu Elektrolyte und Proteine gegessen habe und ganz sicher nicht ein einziges Mal Speck. Gar kein rotes Fleisch, um es genau zu nehmen - mal Hühnchen nach besonders schweren ...

Im Hintergrund hängt schlaff eine Deutschlandfahne, ansonsten zeigt das Foto zwei Männer im schwarzen Anzug: Der eine lächelt mit pflichtstrenger Freundlichkeit, es ist der Bundespräsident. Der andere schaut möglichst ungerührt, als wollte er die Absurdität des Augenblicks überspielen. Er, Rainald Goetz, bekommt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Lange galt er als unnahbar, unduldsam in seiner Wut, ein Terroristenfreund, sagten manche, der im Staat einen Ausbeuter sieht, einen Unterdrücker. Und jetzt: lässt er sich vom mächtigsten Mann im Staate einen Orden überreichen. Er habe "unverzichtbare Zeitzeugenarbeit" geleistet, sich "um sein Land verdient gemacht", heißt es in der Begründung.

Erst jetzt, drei Jahre ...

Das Dagegensein vor allem war seine Kunst. Sich nicht vereinnahmen zu lassen, von niemandem. Sich nicht von Geld, Ruhm, Lob, Preisen korrumpieren zu lassen. Das Nein als Lebensform: "Ich weiß nicht mehr, wozu dieses Nein gehören soll", hat Herbert Achternbusch in seinem späten Buch
Hundstage
geschrieben. "Ich möchte nur noch nein, nein, nein undsoweiter sagen. Aber das wäre vielleicht tödlich."

Wir dachten, er regiert für immer in seinem anarchistischen Gegenkönigreich. Er war ein später Nachkomme der bayerischen Dichter-Revolutionäre um Oskar Maria Graf und Ernst Toller, die vor mehr als einhundert Jahren den Freistaat Bayern ausriefen und ihre dichterische Gegenregierung bildeten. A ...

Am 24. Januar erscheint Yasmina Rezas neuer Roman "Serge". Zum ersten Mal widmet sich die weltberühmte Autorin mit jüdisch-ungarisch-iranisch-russischen Wurzeln einem großen politischen Thema: Die drei erwachsenen Geschwister einer Familie jüdischer Überlebender machen einen Ausflug nach Auschwitz. Es ist ein großartiger, tragikomischer Roman, der von der Unmöglichkeit des Erinnerns handelt. Das Gespräch fand vergangene Woche in einem vom Virus wie leer gefegten Paris statt.

DIE ZEIT:
Als wir uns zum letzten Mal sprachen, haben Sie gesagt, das Judentum spiele für Ihr Schreiben keine Rolle. Ihr neuer Roman
Serge
handelt aber von einer jüdischen Familie, die eine Touristenreise nach Auschwitz ...

Berlin hat, was die Architektur angeht, nicht gerade den besten Ruf. "Schön war an diesem steinernen Meer fast nichts", schrieb bereits vor achtzig Jahren Oskar Maria Graf. Er gab damals Bismarck und den letzten Kaisern die Schuld daran, sie hätten allem Baulichen ihren "barbarischen Geschmack" aufgedrängt. Heute kümmert sich um die Berliner Leitlinien ein eigenes Amt: die Senatsbaudirektion. Als kurz vor Weihnachten klar war, dass die Architektin Petra Kahlfeldt in Zukunft diesen Posten übernehmen soll, wurde die Entscheidung ungewöhnlich scharf kritisiert. Wichtige Architekten wie Matthias Sauerbruch und HG Merz forderten in einem offenen Brief eine Rücknahme der Ernennung: Kahlfeldt stehe ...

Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906-1995)

Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller,
Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef Joffe

Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) Helmut Schmidt
(1918-2015)

Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni
di Lorenzo

Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),
Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich

Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Jochen Wegner, Dr. Stefan
Willeke (Chefreporter)

Chef/in vom Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle

Textchef:
Dr. Christof Siemes

Geschäftsführende Redakteure:
Patrik Schwarz, Andreas Sentker

Chefkorrespondentin:
Tina Hildebrandt

Internationaler Korrespondent:
Matthias Naß

Leitender Redakteur:
Hanns-Bruno Kammertöns

Redaktionsleiter Digitale Ausgaben:
Götz Hamann

Parlamentarischer Korrespondent:
...

In Theodor Storms Novelle
Der Schimmelreiter,
einem Text, dessen Sprache man die Entfernung von fast 150 Jahren anmerkt, stößt man plötzlich auf eine unerwartet zeitgemäße Formulierung. Nach dem Tod des Deichgrafen wird die schwierige Frage der Nachfolge diskutiert, und einer der Würdenträger leitet seine Ansprache mit der Wendung ein: "Alles gut, ihr Herren." Schon 1888 ist also jene Floskel gebräuchlich, die man seit einiger Zeit in jedem zweiten Dialog zu hören bekommt. Und die Stelle im
Schimmelreiter
macht deutlich, dass ihre Bedeutung schon damals genau das Gegenteil des Gesagten meinte. Nichts ist gut im Wohnzimmer des soeben Begrabenen, d ...

Unverzüglich, das ist denkbar schnell. Umgehend. Ohne schuldhaftes Zögern, wie es juristisch heißt. Der Gesetzgeber soll dem Land "unverzüglich" ein Gesetz geben, das die pandemiebedingte Triage regelt, die ärztliche Entscheidung über Leben und Tod, so hat es das Bundesverfassungsgericht dem Parlament für das neue Jahr aufgetragen. Genauer: Der Gesetzgeber sei verpflichtet, "Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehender intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt wird".

Vor der Beatmung sind alle gleich: Das Grundgesetz verlangt in Artikel 3 Absatz 3, Satz 2, dass der Staat vor Diskriminierung schützt. Unterlässt er es, diesen Schutz ...

Es herrscht Aufregung um die Corona-Kritik des italienischen Philosophen Giorgio Agamben. Wenn man verstehen will, woher sie rührt, muss man noch einmal zum Anfang der Pandemie zurückspulen. Schon damals, im März 2020, hatte Agamben in verschiedenen Beiträgen formuliert, wohin die Lockdown-Politik des Westens, die er für fatal hält, führen werde. Agamben nahm einen kurzen Anlauf und sprang sehr weit: Er sah die Freiheit auf dem Altar der Sicherheit geopfert und prophezeite für die Zeit nach der Pandemie einen zur Normalität gewordenen Ausnahmezustand, in dem der Staat nach Belieben Experimente an seinen Bürgern durchführen können werde.

Nun hat Agamben nachgelegt. Gemeinsam ...

Es geht ums Sterben und um die Auferstehung von den Toten; es geht um die letzte Fahrt über die Lethe, aber auch darum, wie man den Fährmann vielleicht noch zur Umkehr zu bewegen vermag. Und um all das geht es in der heitersten Weise, die man sich vorstellen kann: Über Traumata, Existenzangst und Todessehnsucht wird hier zu euphorisch voranschubbernden Synthesizerrhythmen gesungen, umspielt von käsigen Keyboardsoli nach Art der schlimmsten, aber auch lustigsten Musik der Achtzigerjahre. In fröhlichem Falsettgehechel werden die Wonnen des
choking
gepriesen, jener Sexualpraktik, bei der man den Partner bis fast zum Bewusstseinsverlust würgt oder wenigstens bis zum ...

Beim Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit sieht es für die Zukunft in Deutschland aktuell nicht gut aus. Sie macht sich trotz einer verjüngten, den Aufbruch beschwörenden Regierung rar; zu viele Krisen trüben die Hoffnung. Das schwierige Jetzt zieht sich hin im Takt der Inzidenzen. Sein Ende scheint in weiter Ferne zu liegen.

So ist eine Ausstellung, die sich
Futura
nennt, hochwillkommen. Die ambitionierte Galerie der Gegenwart in der Hamburger Kunsthalle wendet sich der Zukunft zu - welch ein Versprechen.

Und was für eine Enttäuschung. Denn wie kann die Kunst heute nach vorne blicken, ohne die Fragen, die uns ...

Das Unerträglichste an diesem Fernsehfilm ist, wie die Männer, um die es geht, miteinander sprechen: die Gelassenheit, mit der sie die Vernichtung von elf Millionen Menschen beschließen. Es wird nicht gebrüllt. Reinhard Heydrich, der Vorsitzende der Konferenz, ist ein leiser, versonnener, fast zärtlich in die Zukunft blickender Herr. Eichmann, Klopfer, Hofmann, Kritzinger, Freisler, Bühler, Meyer, Müller, Lange, Leibbrandt, Luther, Neumann, Schöngarth, Stuckart: Die Staatssekretäre und SS-Funktionäre, die sich hier versammeln, sind auf einen sachlichen, leicht gereizten Verhandlungston heruntergeregelt, was alles noch gespenstischer macht. Hier herrscht der schnelle Gesprächstakt von Kaufleuten, die für sich das Optimale herausholen wollen. Die die Judenvernichtung ...

Ein Hof, ein paar Kühe und ringsum nichts als Felder. Weit schweift der Blick über die Landschaft, vereinzelt Bäume, Rundballen, Scheunendächer. "Es fühlt sich fast wie eine Rückkehr an", sagt Sabrina Sarabi, als wir in die Einfahrt vom Landwirtschaftsbetrieb Beckmann einbiegen.

Über grobes Kopfsteinpflaster führt der Weg direkt zu den Stallanlagen, dahinter erstreckt sich eine Halle für Traktoren und schwere Maschinen, überall liegt landwirtschaftliches Gerät herum, dazwischen Futtersäcke, die darauf warten, abtransportiert zu werden. Niemand scheint da zu sein, um uns in Empfang zu nehmen. Anruf beim Landwirt, mit dem wir verabredet sind: Er sei auf dem Weg, fünf Minuten.
...

Genau genommen besteht der größte Teil der Weltliteratur aus Familienromanen, von der
Orestie
bis zum
Nibelungenlied,
von
Anna Karenina
bis zu
Crossroads
von Jonathan Franzen. Die Frage jedoch, warum Schriftsteller so gerne Familienromane schreiben, ist damit nicht beantwortet. In Constanze Neumanns Roman
Wellen
flug
beugt sich die Autorin über ihre Familiengeschichte und gesteht: "Die Zahlen sprachen nicht zu mir, ich brauchte Geschichten, auch dort, wo es keine gab." Und in Jo Lendles Roman
Eine Art Familie
heißt es: "Ist es nicht so: Wenn wir nur recht tüchtig an die Vergangenheit denken, geht sie uns nicht ganz verloren?"

Das ...

Was ist eigentlich eine Frau? Auf Twitter und an Universitäten streitet man gerade wieder über diese Frage. Vor über 20 Jahren hat die analytische Philosophin und Feministin Sally Haslanger eine präzise, zweiteilige Antwort ausgetüftelt: Erstens ist eine Person genau dann eine Frau, wenn ihr körperliche Merkmale zugeschrieben werden, die auf die weibliche biologische Rolle in der Fortpflanzung hinzuweisen scheinen, und sie aufgrund gerade dieser Zuschreibungen systematisch benachteiligt wird. Zweitens ist eine Frau aber auch, was wir wollen, das sie ist. Und nur im Hinblick auf die zweite Antwort ist die erste wahr. Für Haslanger nämlich gilt "Frau" (im Gegensatz zu ...

Als er im Krankenhaus lag, sollte ich Opa eines Nachts versprechen, dich den Islam zu lehren, wenn er nicht mehr da ist, unseren Islam, den Islam, mit dem ich aufgewachsen bin, den Islam, den auch er als Kind in Isfahan erlebt hatte, den Islam unserer Vorfahren. In dem dunklen, fremden Zimmer dachte er an dich.

Seitdem habe ich dir dieses und jenes Buch vorgelesen, aber keines war so, wie Opa es sich gewünscht hat. Du hast viel gelernt über den Propheten und das Land, in dem er geboren wurde, über Gebote und Verbote, über Schriften, Gebete, Feste und Sitten, über ...

Im April 2004 eilte der chilenische Priester Patricio Cerda nach Rom. Zwei Jahre zuvor war er bei den Legionären Christi, einer erzkonservativen und autoritär geführten katholischen Priestergemeinschaft, ausgetreten. Der Grund: Vergeblich hatte er innerhalb seiner Gemeinschaft Missbrauchstäter zu stoppen versucht. Nun hoffte er auf die Unterstützung von Papst Johannes Paul II. und Kardinal Joseph Ratzinger.

Die Vorgeschichte dieses mutigen Schrittes lag weit zurück. 1991 wurde Cerda erstmals von einem Jungen zu Hilfe gerufen, der ihm offenbarte, ein anderer Priester missbrauche Schüler in einem Internat der Legionäre in Ontaneda, Spanien. Cerda, der dort leitender Erzieher war, meldete den Täter pflichtgemäß seinem ...

Mein alter Biologielehrer bestätigte mir, dass es sich bei der Maserung
wahrscheinlich um die einer Zitterpappel handle

Saunen öffnen nicht nur die Poren, sondern auch den Geist. Staatsverträge wurden darin schon beschwitzt und russische Truppen daraufhin abgezogen. Und so wie es bei Helmut Kohl und Boris Jelzin war, 1993 in einer Sauna am Baikalsee, so war es auch bei Tanja und Teresa und mir, als wir kürzlich im Vabali dünsteten, einem hochdekorierten Spa im Westen Berlins: Unsere Gefäße waren geweitet für das Wesentliche.

Nach einem Sandelholz-Aufguss im Außenbecken kauernd, war der intellektuelle Schmelzpunkt von Teresa erreicht.

"Warum eigentlich", fragte sie in ...

Bekanntlich erleidet jährlich etwa ein Drittel der Autofahrer in Deutschland einen Hirnschlag darüber, dass die Mitfahrer sich des Kommentierens nicht enthalten können: "Überhol doch", "Abstand!", "Rechts ist frei" und so weiter. Am Steuer mag so was niemand hören, im Englischen ist der
backseat driver
sogar sprichwörtlich geworden für jemanden, der ungebeten Ratschläge erteilt. Mir jedenfalls fasst man damit schnell auf den offenen Nerv, es ist, fürchte ich, schon vorgekommen, dass ich deswegen scharf rangefahren bin, um bleich und zwischen zusammengebissenen Zähnen einen Fahrertausch vorzuschlagen.

Ich kenne das Phänomen nicht bloß aus dem Auto. Schrecklich sind mir etwa auch
backseat ...

Es war seine Idee. Er hatte freie Auswahl, und er wollte unbedingt diesen Film schauen. Und
natürlich hat es keinerlei Einwände gegeben; niemand hat sich eingemischt, niemand hat ihm
reingeredet. Schließlich ging es ja darum,
seinen
Lieblingsfilm zu schauen. Als wir
dann aber auf den grau gepolsterten Sesseln in dem kleinen, eigens angemieteten Kinosaal in
Wien sitzen, dauert es knapp 100 Minuten - auf der Leinwand weint ein Mann Ende 30 gerade
unter dem Balkon seiner Ex-Freundin -, bis Nicholas Ofczarek kapituliert. Im Wissen, dass
sein
Lieblingsfilm,
sein
"Film des Lebens", fast noch eine ganze weitere
Stunde dauern wird, l ...