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Inhaltsverzeichnis vom 11.03.2021
DIE ZEIT
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"Er ist mir lange ein Rätsel geblieben"
DIE ZEIT:
Herr Boks, Sie sind der Urgroßneffe Willi Sittes. Im Februar wäre er 100 Jahre alt geworden, weshalb ihn mehrere Medien, darunter die
ZEIT,
zuletzt gewürdigt haben. Wieso haben Sie sich auf die Spuren Ihres Verwandten begeben?
Aron Boks:
Ich wusste schon als Kind, dass wir einen berühmten Maler in der Familie haben, aber er ist mir lange ein Rätsel geblieben. Das lag zum einen daran, dass er nicht präsent war, nicht zu Besuch kam. Ich habe ihn nie persönlich getroffen. Es lag aber vielleicht auch daran, dass er so ein enges Verhältnis zum politischen System ...
Wer wir sind. Sind wir wer?
Endlich raus aus der Isolation
Wer sich mit anderen vergleicht, lernt etwas über sich selbst
VON JANA HENSEL
Seitdem sich der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in seinem
FAZ-
Beitrag "Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft?" kritisch mit der Identitätspolitik auseinandergesetzt hat, tobt eine veritable Debatte. Thierse gestand der Identitätspolitik einerseits zu, dass sie wichtige Fragen wie "Rassismus, Postkolonialismus und Gender" aufwerfe, andererseits aber drohe die Spaltung des Landes angesichts des Rückgriffs auf kollektive Identitäten.
Der Osten kommt in dieser Debatte nur am Rand vor. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit auch der ostdeutsche Diskurs Teil von identitätspolitischen Erwägungen sein kann.
Identitätspolitik ...
"Was nicht geht, geht einfach nicht"
Am 2. Mai 1991 zog sich Elmar Braun, 35 Jahre alt, bärtiger Biologielaborant und Vater eines unehelichen Kindes, ausnahmsweise Sakko und Schlips an. Er fuhr die fünf Minuten ins Zentrum von Maselheim, einer Gemeinde mit 4600 Einwohnern mitten in Oberschwaben, ging ins Rathaus und nahm Platz. Heute, 30 Jahre später, sitzt er hier noch immer.
Elmar Braun war der erste grüne Bürgermeister Deutschlands - und ist heute der dienstälteste. Er sagt: "Es ist ja schon ein Wunder, dass ich überhaupt noch da bin." Aber ist es das wirklich?
Zur Landtagswahl am 14. März in Baden-Württemberg (siehe Seite 5) schauen ...
Genossin Erzherzogin
In ihren letzten Jahren erhielt die "Rote Erzherzogin" des Öfteren Besuch von den Spitzen der Republik in ihrer schlossähnlichen Wiener Villa in der Linzer Straße. Sie empfing, gequält von Rheumatismus und Arthritis, im Rollstuhl und legte größten Wert auf peinliche Pünktlichkeit. Wer zu spät kam, wurde abgewiesen. Sogar ihr ältester Sohn, der sein Auskommen als Großwildjäger in Kenia gefunden hatte und aus Nairobi angereist war, musste einmal wieder abziehen, ohne seine Mutter zu Gesicht zu bekommen. Er war drei Minuten zu spät dran.
Zu den Besuchern zählte auch Bruno Kreisky, als er noch Außenminister war. Der Politiker mit dem Faible ...
"Wir haben sehr genau die Suizidstatistik im Auge"
DIE ZEIT:
Herr Plener, Sie haben im Februar gemeinsam mit der Donau-Uni Krems eine Studie zu den psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie bei Schülerinnen und Schülern über 14 Jahren durchgeführt. Mehr als die Hälfte von ihnen leidet laut Ihren Ergebnissen an einer depressiven Symptomatik, etwa die Hälfte an Angststörungen, und 16 Prozent haben regelmäßig suizidale Gedanken. Ging es Jugendlichen in Österreich psychisch jemals schlechter?
Paul Plener:
So hohe Werte haben wir in Studien tatsächlich noch nie gesehen. Die Donau-Uni Krems hat zuvor bereits vier Befragungswellen unter Erwachsenen durchgeführt. In dieser Gruppe sind die psychischen Belastungen in der Krise angestiegen, a ...
Generation arbeitslos
Ahmed spielt mit einem Geodreieck, bohrt eine Ecke in die Innenseite seiner Hand, schaut in die Kamera seines Handys. Er sieht müde aus. Jeden Tag, erzählt er, schicke er Bewerbungen raus. Er will Großhandelskaufmann werden und sucht eine Lehrstelle. "Aber ich bekomme nur Absagen."
Ahmed ist 17 Jahre alt und heißt eigentlich anders, er hat aber Angst, noch schlechtere Chancen auf einen Job zu haben, wenn er unter seinem echten Namen über seine Situation berichtet. Ahmed lebt in St. Pölten. Eigentlich wollte er schon längst eine Ausbildung begonnen haben, aber weil er keinen Platz bekommt, geht er weiter aufs Gymnasium. F ...
"Ich gehe draußen viben"
Lotta liest neuerdings Bücher. Sie teilt uns kurz mit: "Ich geh jetzt lesen." Und dann nimmt sie ihr Buch und geht aus dem Haus. Setzt sich auf eine Parkbank und liest. Irgendwann, wenn die Sonne sich senkt, kehrt Lotta zurück mit ihrem Buch. Dann hat sie gelesen. Ehrlich gesagt, ich habe Lotta zunächst nicht geglaubt. Ich hatte vermutet, sie tue lediglich so, als lese sie. Ich nahm an, dass Lotta das Buch als Vorwand nimmt, damit ich keine Fragen stelle, was sie so macht. Ich stellte mir vor, dass sie sich mit anderen Leuten im Park trifft und vielleicht ...
Übernehmen die Kinder die Macht, wenn Eltern nicht konsequent sind? Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster antwortet
Herr Renz-Polster, dauernd hört man als Eltern: Da musst du jetzt aber konsequent
bleiben! Und man macht sich auch selbst diesen Druck. Wie wichtig ist Konsequenz denn
überhaupt?
Da müssen wir erst mal klären, was Konsequenz ist. Für mich ist Konsequenz nicht, dass ich denke: Wenn A passiert, muss B folgen. Als wäre ich eine Maschine. Konsequenz ist für mich eher eine Haltung. Nämlich echte, klare Signale zu geben. Das kann mal heißen: Okay, spiel noch ′ne Runde - oder aber ein anderes Mal: Jetzt gilt′s, jetzt muss es nach meinem Kopf gehen!
Wann gilt′s denn?
Wenn man zum Beispiel ...
Um die Ecke gedacht Nr. 2580
Von Eckstein
Waagerecht:
8 Wer etwas be- und Ansprüche stellt, wird die eine oder andere machen 10 Oft ist das Denken schwer, indes, das ... geht auch ohne es (W. Busch) 13 Extrakosten für Online-Dienste? Holperiger Spielbeginn! 17 Natürlicher Luftstromwendeplatz 19 In Höhlenwandkunst schon für warmen Ton zuständig 20 Wissende auf Feldern, in denen alle nur glauben 21 Man wird′s durch 13 waagerechts letzte Silbe 23 In Cornwall so frisch wie in der Camargue 24 Mag nach Professorenaufgabe klingen, ist z. B. Tresengeschehen 26 Interviewte lassen sich oft ungern ... - lieber geben sie Geschraubtes von sich 28 Ihr 41 ...
Drei Schwestern
Von ALICE BOTA
Unzertrennlich waren die drei Schwestern. Vor allem, seit sie nur noch zu viert waren: sie
und der Vater, allein auf zwei Zimmern in einem abgelegenen Bezirk im Norden Moskaus. Jahre
zuvor hatte der Vater Mutter und Sohn aus der Wohnung gejagt. Sie waren zu viert, bis
Krestina, Angelina und Maria, gerade mal 19, 18 und 17 Jahre alt, am 27. Juli 2018 eine Tat
begehen, die Russland erschüttert: Sie greifen ihren Vater an, als der schläft, und töten ihn.
Michail Chatschaturjan wurde 57 Jahre alt.
Die Geschichte der Schwestern Chatschaturjan ist eine mit vielen Seiten: Sie handelt von ...
Er will streiten
Von RAOUL LÖBBERT
Wäre Wolfgang Thierse ein Gebäude, dann das Schadowhaus in Berlin-Mitte. Wie ein Relikt vergangener Bürgerlichkeit wirkt dieser Dinosaurier aus der preußischen Geschichte zwischen den Repräsentationsbauten der Berliner Republik. Ein bisschen Stuck hier, ein Relief da erinnern an den Geschmack einer untergegangenen Zeit. Vor ein paar Jahren wurde der Dinosaurier restauriert. Danach hieß es: "Das Haus ist ein Denkmal von kultureller und nationaler Bedeutung." Das gilt auch für Thierse, der im Schadowhaus ein Büro hat als Bundestagspräsident a. D.
Und da sitzt er umgeben von Büchern und krault den Bart, den er sich als junger Mann stehen ließ, a ...
HARALD MARTENSTEIN
In den USA weigern sich einige Lehrer, den relativ bekannten Dichter William Shakespeare im Unterricht zu behandeln. Dieser stehe für das toxische Weltbild weißer Heteromänner, er sei Rassist und müsse zeitnah durch diverse, inklusive Dichtende ersetzt werden. Besonders bemerkenswert ist dieser Fall von Cancel-Culture deshalb, weil bis heute niemand genau weiß, wer dieser Shakespeare überhaupt gewesen ist. Es gab und gibt zu diesem Rätsel der Literaturgeschichte etliche Theorien. Shakespeare könnte sogar das Pseudonym einer Frau gewesen sein. Vielleicht war er homosexuell - oder schwarz? Dank der aktivistischen Lehrer weiß man endlich mehr.
Vor einigen Wochen traf ich einen Autor, ich ...
Was mein Leben reicher macht
In Ermangelung eines Fitnessstudios habe ich das Treppenhaus als Trainingsfläche entdeckt. Ich laufe - Stand heute - 16-mal die 68 Stufen rauf und runter. Dabei spreche ich eindringlich mit den Virusmutanten, organisiere zum dritten Mal meinen Unterricht neu und stelle mir ab dem zehnten Aufstieg vor, wie meine Nachbarn aus ihren Türen treten, mich anfeuern und mir Wasser auf die Treppenabsätze stellen. Als ich die Wohnungstür aufschließe, freue ich mich auf mein Frühstücksei.
Susanna Herzog,
Berlin
Mithilfe von YouTube-Videos versuche ich meine Yoga-Kenntnisse aufzufrischen. Ich quäle mich gerade mit dem "herabschauenden Hund", da kommt unsere Hündin auf die Matte und ...
... als Freiwillige ein Impfzentrum zu leiten
Ich hatte Corona ganz früh, schon Mitte März. Damals wusste niemand wirklich Bescheid. Diese Ungewissheit macht was mit dir. Und dabei musste ich noch nicht mal ins Krankenhaus. Ich hatte "nur" Gliederschmerzen und Fieber und war noch Wochen nach der Erkrankung völlig erschöpft, konnte nicht laufen und gleichzeitig telefonieren. Wenn Leute hörten, dass ich Corona hatte, war immer die erste Frage: "Und, so schlimm ist es nicht, oder?" Aber ganz ehrlich: Ich fand es richtig verstörend, Corona zu haben.
Ende vergangenen Jahres habe ich einen Artikel über Impfzentren gelesen und dachte sofort: Das passt. Ich nahm ein Sabbatical bei ...
Das ist mal ein Hausberg
Minus vier Grad, vierzig Zentimeter Neuschnee, klarer Himmel: perfekte Bedingungen für einen Tag auf der Piste. Und es wird noch besser: Es ist nicht 6.30 Uhr, ich bin nicht im Halbschlaf mit meiner Ausrüstung zum Auto gestolpert und mühsam mit Schneeketten zur Piste gefahren; ich habe nicht in der Eile meine Handschuhe vergessen, und mein Equipment ist ausnahmsweise kein Schrott vom Flohmarkt. Es ist, im Gegenteil, 10.30 Uhr, als ich mit einem ausgewogenen Frühstück im Bauch, frisch geduscht und atmungsaktiv angezogen mein Skigebiet betrete: mein Münchner Wohnzimmer.
Aus den bekannten pandemischen Gründen sind die meisten echten Skigebiete ja ...
"Ich hatte kein Talent, aber Spaß"
Das Kino ist, wie alle Kulturtechniken, die man unter dem Begriff "Öffentlichkeit unter Anwesenden" zusammenfassen kann, seit Monaten verschwunden. Und mit alldem - Theater, Konzert, Oper - verschwanden der Applaus und das gemeinsame Lachen.
Auch unsere kleine Reihe "Film meines Lebens" findet diesmal unter anderen Bedingungen statt: Üblicherweise verabreden wir uns mit einem prominenten Menschen in einem Kino oder einem Hotelzimmer und schauen gemeinsam seinen Lieblingsfilm an. Warum tun wir das? Aus verstohlener Neugier. Weil Menschen, wenn sie über ihren liebsten Film sprechen, immer auch über sich selbst sprechen.
Aber wie kann man in Corona-Zeiten gemeinsam einen Film sehen?
Anke ...
Kannst du sagen, was guter Sex ist?
DIE ZEIT:
In der Pandemie sind Paare mehr denn je auf sich zurückgeworfen.
Merkst du das in deiner Arbeit, Julia?
Julia Bellabarba:
Die Themen haben sich stark verändert: Es gibt weniger
Eifersucht, weniger Affären und deutlich mehr Aggression.
ZEIT:
Was wollen Paare von dir?
Bellabarba:
Das Spektrum reicht von Anleitung bis Absolution. Also: Helfen
Sie uns, unsere Beziehung zu retten. Wie schaffen wir es, uns nicht zu zerfleischen? Sex? Wie
geht das noch mal? Sagen Sie uns, dass es okay für die Kinder ist, wenn wir uns trennen.
ZEIT:
Kannst du mal ein Beispiel ...
Der große Beinamenbetrug
Ein Bahnhof, an dem ich niemals aussteigen werde, ist Jena Paradies. Da kann man doch nur enttäuscht werden. Jena Paradies! Das ist schon ein bisschen dick aufgetragen. Man muss aufpassen mit solchen Beinamen, vor allem bei Städten, oftmals sind das nämlich einfach Tricks, die den Reisenden zum Bleiben verlocken sollen, obwohl der das eigentlich gar nicht wollte. Ich weiß, wovon ich spreche.
Einmal bin ich zum Beispiel in Neustadt an der Dosse hängen geblieben. Warum? Also, Neustadt an der Dosse führt einen Löwen und einen Elch im Wappen, bezeichnet sich aber als "Stadt der Pferde". Das interessierte mich sofort. Warum ...
Wann kommt die Polizei?
"Eine Person konnte kauernd hinter einem Hamsterkäfig festgestellt
werden"
Saarbrücken-Brebach.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 22. November,
wurde eine Party in einer Shisha-Bar aufgelöst. Der Betreiber hatte in den vergangenen Wochen
fortwährend gegen die Auflagen der Corona-Rechtsverordnung verstoßen. Bei Eintreffen der
Einsatzkräfte wurden alle Türen verschlossen. Durch ein Fenster konnte allerdings noch die
frische Glut zum Befeuern der Shisha-Pfeifen festgestellt werden. Die Polizei verschaffte sich
Zugang durch eine Notausgangstür. 15 Personen versteckten sich außerhalb der konzessionierten
Räume. In der Bar konnten schriftliche Aufzeichnungen sichergestellt werden, die darauf
schließen lassen, dass mehreren Personen an diesem Abend die ...
Bei den Irakern
Der Albtraum des Papstes beginnt gleich hinter dem Basar von Erbil. Auf seinen Reisen nicht die zu treffen, die ihn wirklich brauchen - das sei sein Albtraum, hat Franziskus oft gesagt. Doch der Tross des Vatikans rauscht vorbei an christlichen Flüchtlingen, die ihn dringend erwarten. Die Militärfahrzeuge drücken aufs Tempo, um aus der innerstädtischen Gefahrenzone zu kommen. Auf allen Hausdächern Scharfschützen, in den Seitenstraßen die Krankenwagen des Roten Halbmondes. Erbil, die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, ist wichtigste Zuflucht der vom IS vertriebenen irakischen Christen. Aber sicher ist es hier nicht.
Zusammengedrängt, wie in einem Gefängnis, leben fünfhundert von ihnen ...
Im Tross des Papstes
Nach Ur, in die Heimat des biblischen Patriarchen Abraham, kam der Papst nicht nur als Besucher. Er wollte ein interreligiöses Treffen. Und so kamen Schiiten, Sunniten, Sabäer-Mandäer, Jesiden und auch ein Zoroastrier im strahlend weißen Anzug. Nur der Wunsch des Papstes, jüdische Vertreter mögen dabei sein, wurde nicht erfüllt. "Wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht", sagte Franziskus vor den 4000 Jahre alten Ruinen in der südirakischen Wüste. "Gott ist barmherzig, und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst."
Die Zusammenkunft mit rund 100 ...
Juristin, Politikerin, Schwarze
Sie ist der Erwartung entgegengekommen, dass die Biografie einer Wahlkämpferin auch viel Bio enthalten muss, Leben, Liebe, Kinder, all das: "Meine Geschichte" also! Morgens im Ehebett geht es los, kleine Episode über den schnaubenden Gatten, der allerdings aus Empörung über die Nachrichten schnaubt, die er grad liest, es tritt auch ein weinendes Patenkind auf, das wiederum weint aus Angst, dass der rothaarige Kerl da auf dem Schirm die Wahl gewinnen könnte. Alsdann wird erzählt, wie es ist, als Kind einer Alleinerziehenden aufzuwachsen, die wie eine Wissenschaftlerin kocht, experimentell also. Was auch daran liegt, dass diese Mutter Wissenschaftlerin ist, Brustkrebsforschung, eine ...
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Jakob Noltes neuer Roman liegt in der Hand wie eine Bibel, in maoistischem Rot anstelle von Luthergrün. Ein rätselhaftes Kreuz, zusammengesetzt aus einem gekippten Y und einem umgedrehten kleinen T, prangt auf dem Umschlag. Das Zeichen erinnert an eine Wünschelrute und an ein Petruskreuz, das heute besonders mit dem Satanismus verbunden ist.
Nolte, geboren 1988, betreibt gemeinsam mit dem Schriftsteller Leif Randt die Hipster-Online-Plattform
Tegel Media.
Auf ihr stellen sie Texte, die sich für eine ästhetische Durchleuchtung der Gegenwart interessieren, als PDF zum Download zur Verfügung. Nach zwei formal eigensinnigen Romanen, die einer Faszination für das Thema Gewalt nachgingen, k ...
"Liebe Fahrgäste, rechts sehen Sie gleich Schloss Bellevue"
"Wenn Se Ihrn Arsch nich von der Tür wechbewegen, komm ick nach hinten und helf nach": Man hat Berliner Busfahrer schon auf eine Weise durch das Bordmikrofon brüllen hören, die den Spielraum ihrer Autorität doch ein wenig überschritt. Man hat auch schon Berliner Busfahrer erlebt, die den Doppeldecker als Bühne einer Stand-up-Comedy nutzten. Einer jodelte mal plötzlich los. In Schwung gekommen, gab er geschlechtsspezifische Anekdoten aus seinem Privathaushalt zum Besten, mit denen Mario Barth das Olympiastadion füllen könnte. Berliner Busfahrer sind offensichtlich bestrebt, sich den Kollegen aus dem Taxigewerbe anzugleichen, die ihren Beruf nach der Maxime ausüben: Wer hier einsteigt, h ...
Offenbarungen im menschlichsten Sinn
Vor zwanzig Jahren, als er den Jean-Améry-Preis bekam, hieß es über Franz Schuh, er sei unter den erstklassigen Schriftstellern Österreichs der Meistübersehene. Daran hat sich nichts geändert. Schuh ist ein titanisch gebildeter Denker und sprachlicher Stilist von höchster Eleganz. Metaphern, Aphorismen, Wortwitz und Pointen in seiner Art hat es früher einmal gegeben, in den seligen Zeiten von Karl Kraus, Polgar, Kuh und Friedell - seither gibt es nur noch ihn. Das, was Franz Schuh zu bieten hat, spielt heute auf der erdabgewandten Seite des Literaturbetriebsmondes. Er schreibt keine Romane (okay, er hat einen geschrieben, doch der unterschied sich formal wenig ...
"Ich wollte immer meine Kindheit verstehen"
Am folgenden Tag rief er noch einmal an. Er wolle unserem Gespräch etwas nachtragen. Er habe es notiert: "Als eines der ersten Nachkriegsbücher erschien, in Fortsetzungen und auf graues Papier gedruckt, der Roman
Stalingrad
von Theodor Plievier. Stalingrad war lange ein Geheimnis - offen und doch dunkel. Zum ersten Mal las ich in einem Buch, auf das ich gewartet hatte wie auf die Wahrheit. Dieser Roman erklärte mir die Niederlage und warum der Krieg letztlich endete, wo ich wohnte. Er erzählte vom Untergang einer Armee und eines Unteroffiziers; für immer merkte ich mir seinen Namen. Der erste Satz hieß: ›Und ...
Kompromisslos und gewaltbereit
Wohl kein anderer Kunsthistoriker der frühen Bundesrepublik war so einflussreich wie Werner Haftmann. Er hatte einen Begriff für die Kunst des 20. Jahrhunderts anzubieten, mit dem er seinem Publikum die Augen für die Kraft und die Intelligenz der im Nationalsozialismus verfemten Kunstwerke öffnete. Er wirkte als intellektueller Kopf der 1955 gegründeten Documenta und als Gründer der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Nach seiner Rolle im Nationalsozialismus fragte dabei niemand, er selber beschwieg sie - aus guten Gründen, wie sich jetzt zeigt.
1932, im Sommer der Gewalt, hatte Haftmann sein Studium in Berlin aufgenommen. Der Reichstag war aufgelöst, Brüning als Kanzler abgesetzt. D ...
IMPRESSUM
Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906-1995)
Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef Joffe
Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) Helmut Schmidt (1918-2015)
Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni
di Lorenzo
Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),
Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich
Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Jochen Wegner, Dr. Stefan
Willeke (Chefreporter)
Chef/in vom Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle
Textchef:
Dr. Christof Siemes
Geschäftsführende Redakteure:
Patrik Schwarz, Andreas Sentker
Chefkorrespondentin:
Tina Hildebrandt
Internationaler Korrespondent:
Matthias Naß
Leitender Redakteur:
Hanns-Bruno Kammertöns
Redaktionsleiter Digitale Ausgaben:
Götz Hamann
Parlamentarischer Korrespondent:
...
Worüber denken Sie gerade nach, Johannes Grave?
Wenn ich Zeit für geistige Arbeit habe, denke ich über eine Politik der Bilder nach. Damit meine ich als Kunsthistoriker die Frage, was Bilder zum politischen Denken beitragen können. Unter dem Politischen verstehe ich, anders als im alltäglichen Wortgebrauch von Tagespolitik, weniger das routinierte, regelhafte Handeln in vorgegebenen Strukturen als das Öffnen von Räumen des Möglichen. Politik in diesem Sinne interessiert sich dafür, was nicht feststeht, worauf es zu hören lohnte, wer sich Gehör verschafft, obwohl er keine Stimme zu haben scheint. Es geht mir also nicht um Rhetorik, Propaganda oder eine mediale Manipulation, die durch das Einsetzen von Bildern ...
Dürfen wir andere Tiere benutzen?
Kein menschliches Wesen darf anderen als bloßes Mittel zum Zweck dienen. Dieses Argument von Immanuel Kant ist zu einem Teil unserer moralischen Kultur geworden. Pauschal gesagt gebraucht man eine Person als bloßes Mittel, wenn man sie in einer Weise benutzt, die ihrem eigenen Wohl zuwiderläuft und der sie niemals zustimmen würde. Kant zufolge ist das deshalb falsch, weil jeder Mensch ein "Zweck an sich selbst" ist, ihm also ein Wert zuerkannt werden muss, der eine solche Behandlung verbietet. Selbstzweck zu sein bedeutet für einen Menschen, dass seine Entscheidungen respektiert und seine Ziele gefördert werden sollen, dass er über Rechte verfügt, d ...
Dildos gegen Verdrängung
Es passt einfach in diese seltsamen Zeiten, dass der Gewinner des Goldenen Berlinale-Bären,
Bad Luck Banging or Loony Porn
von Radu Jude, aus drei Teilen besteht und drei
Enden hat. Vielleicht verweigert sich die Gegenwart dem runden Schluss, der festen Form,
lassen sich die Zeitläufte nicht mehr in einer klassischen Dramaturgie bändigen. So wie auch
die fünftägige Online-Berlinale letztlich endlos und unbegrenzt war: Ein sogenanntes
Industry-Event, in dessen Rahmen auch 1300 akkreditierte Journalisten rund um die Uhr 130
Festivalfilme anschauen konnten.
Auf dem Computer- oder Fernsehbildschirm und damit in den eigenen vier Wänden war also immer
Event und ...
Renaissance der Schlümpfe
Selbstverständlich greift die pandemische Verschlumpfung auch bei der Deutschen Bahn um sich. Früher, wir erinnern uns, ließ sich so manche Fahrtzeit mit dem Belauschen fremder Menschen totschlumpfen. Jungs in Jungsgesprächen, Männer bei Geschäftsabschlüssen, Erziehungsberechtigte am Rand der Erziehungsberechtigung, Frauen mit Piccolöchen. Lehrreich war das und gut, meist stieg man eine oder zwei Weichen- und zwei oder drei Stellwerksstörungen später gesellschaftlich erfrischt und neu geerdet aus dem Zug, selbstkritisch entschlossen, die eigene Bubble oder Cloud wie eine Seifenblase zerplatzen sehen zu wollen.
"Vorbei! Ein schlumpfiges Wort", heißt es bei Goethe, und da selbst Meisterdichter irren
können und sich partout nix Belauschbares ...
"Viele Tänzer sind traumatisiert"
DIE ZEIT:
Herr Öhman, Rassismus oder Rücktritt? Womit sollen wir beginnen?
Johannes Öhman:
(lacht)
Ich nehme es, wie es kommt.
ZEIT:
Beide Themen sind mit Ihrer Amtszeit als Direktor des Staatsballetts verbunden und haben dort für Erschütterung gesorgt. Lassen Sie uns chronologisch vorgehen: Sie sind im Januar 2020 zurückgetreten und haben über die Beweggründe nie öffentlich geredet. Warum jetzt?
Öhman:
Als Direktor musste ich immer ruhig bleiben und irgendjemanden verteidigen: die Kompanie, das Repertoire, meine Co-Direktorin Sasha Waltz ... Jetzt bin ich mein eigener Boss. Außerdem gebietet es der Respekt, eine gewisse Zeit vergehen zu lassen.
...
Auf dem Rücken der Arbeiter und der Armen
IDENTITÄTSPOLITIK! Erschreckt Sie das schon - der Begriff allein? Ganz ruhig. Klar, Identitätspolitik ist gruselig. Aber dieser Text ist gekommen, um Ihnen die Angst zu nehmen. Eigentlich ist Identitätspolitik nämlich friedlich. Sie hat mehr Angst vor Ihnen als Sie vor ihr. Beziehungsweise: nicht Angst, sondern Respekt. Respekt vor Ihrer Macht, vor Ihrer Meinung, vor Ihrer Relevanz im Diskurs. Ja, echt.
Wann immer eine gesellschaftliche Gruppe ihre Anliegen vorbringt, ihren Schmerz ausspricht, wird davor gewarnt, dies dürfe nicht in Identitätspolitik ausarten. Man dürfe etwa die Diskriminierungserfahrungen der Arbeiterklasse nicht "identitätspolitisch re-individualisieren", schrieb Martin Eimermacher vor zwei Wochen in der
ZEIT.
...
Hineinschlüpfen ins Andere
Was bisher geschah:
The Hill We Climb,
das mittlerweile berühmte Gedicht, das die
junge afroamerikanische Lyrikerin Amanda Gorman zur Inauguration von Joe Biden vorgetragen
hat, sollte ins Niederländische übersetzt werden. Dafür vorgesehen war die 29-jährige Marieke
Lucas Rijneveld, die ihrerseits ebenfalls Lyrikerin ist und folglich weiß, wie ein gutes
Gedicht klingt, doch leider die falsche Hautfarbe besitzt. Das monierte in den Niederlanden
jedenfalls die schwarze Aktivistin Janice Deul: Als Weiße könne sich Rijneveld nicht in eine
schwarze Autorin hineinversetzen, sie sei für diese Übersetzung somit nicht wirklich geeignet.
Angesichts einer hoch aufschießenden Empörungswelle in den sozialen Medien ...
Ins Offene
Nein, viel zu sehen gibt es nicht. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter, ansonsten keine Inzidenz, kein Virus der Betriebsamkeit, auch keine Wut-, Zorn- oder Lust-Aerosole, die bedrohlich wirken könnten. Eine Kunst mit Zero-Strategie: Es passiert nichts. Oder besser: noch nichts.
Vermutlich waren die Zeitgenossen des Malers Caspar David Friedrich, geboren 1774 in Greifswald, auch deshalb rasch gelangweilt von seinen Landschaften. Anfangs staunten sie noch, wie radikal dieser Künstler ans Werk ging, wie schonungslos er seine Bilder entleerte. Bald jedoch kam ihnen das wie eine ausgereizte Masche vor. Immer Einsamkeit, immer Askese. "Nichts ist ihm neblicht und wunderlich ...
Opa Joe
Wie es sich für ein Kind wohl anfühlt, wenn der Großvater eine Berühmtheit aus dem Weißen Haus ist, erahnte ich das erste Mal vor siebeneinhalb Jahren. Ich lebte damals mit meiner Familie in Washington, D. C., der Hauptstadt der USA. Wir wohnten in einer Siedlung am Rande eines Parks, und eines Samstagmittags stand plötzlich ein großes Auto mit abgedunkelten Scheiben auf unserem Parkplatz. Funkgeräte knarzten, Männer mit Knöpfen im Ohr liefen zwischen den Häusern auf und ab. Eine Enkeltochter von Joe Biden hatte sich mit einem unserer Nachbarskinder zum Spielen verabredet. Biden war damals der Vizepräsident der USA, der ...
Alexander Gerst, was überraschte Sie im All? Dass die Erde tatsächlich rund ist
DIE ZEIT:
Alexander Gerst, wenn Sie auf der Internationalen Raumstation ISS ins Bett gingen - was haben Sie vor dem Einschlafen als Letztes gesehen?
Alexander Gerst:
Blitze! Durch die kosmische Strahlung sieht man kleine weiße Blitze auf der Netzhaut, sobald man die Augen zumacht. Als ich die ersten Tage im All in meiner Schlafkabine schwebte, hat mich das etwas irritiert.
ZEIT:
Wir treffen uns jetzt in Köln, wo Sie leben und wo sich das Europäische Astronautenzentrum befindet. Blitzt es hier auch, wenn Sie einschlafen?
Gerst:
Wenn ich hier immer noch Blitze sehen würde, sollte ich wohl ...
Knüpft Netzwerke für neue Ideen
Ob Impfstoffe, Schnelltests oder Luftfilter - mit beeindruckenden Leistungen tragen Wissenschaft und forschende Unternehmen dazu bei, die Corona-Pandemie schrittweise in den Griff zu bekommen. Solche Innovationen lassen sich nicht verordnen, aber es braucht beste Bedingungen für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, damit sie entstehen können. Forschungsergebnisse, die Antworten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen liefern, müssen schnell in die Praxis überführt werden.
Aus der exzellenten und thematisch breiten Grundlagenforschung hierzulande gelangen zu wenige soziale, ökologische und technische Innovationen in die Anwendung. Nach wie vor gibt es kaum Ausgründungen aus der Wissenschaft, die Innovationsausgaben des Mittelstands sind rückläufig - ein Trend, den die ...
Der kleine Unterschied: Was ist anders ... im Herz?
Frauen und Männer sind in vielem gleich. Aber ihre Körper unterscheiden sich auch abseits der Geschlechtsorgane. Das Herz zum Beispiel, etwa faustgroß und 230 bis 340 Gramm schwer, besteht bei Männern wie bei Frauen vor allem aus Muskeln. Indem diese sich zusammenziehen, pumpen sie Blut durch den Körper; entspannen sie sich, weiten sich die Herzkammern, und Blut fließt zurück ins Herz. Doch wer die Zellen von Herz und Blutgefäßen näher untersucht, findet Unterschiede - zum Beispiel beim Enzym eNOS.
Was ist das für ein Enzym?
eNOS, kurz für endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase, wird in den Zellen des Endothels, der innersten Wand der ...
Ein Land testet den Alltag aus
Ändern Schnelltests alles?" Das fragte die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim bereits im August des vergangenen Jahres in einem ihrer YouTube-Videos. Sie nannte sie "neue Hoffnung" und
"game changer".
Grobe, aber häufige Schnelltests auf das Coronavirus könnten überall zum Einsatz kommen, wo PCR-Tests zu langsam und zu teuer sind. Hochinfektiöse Personen könnten so zuverlässig erkannt und sofort isoliert werden. Infektionsketten würden im Keim erstickt. So die Theorie.
Seit Montag soll sie Praxis werden - einmal pro Woche sollen sich alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos in Testzentren oder Apotheken testen lassen dürfen. Schulen und Kitas stehen laut Beschluss ...
Wer liegt eigentlich auf der Intensivstation?
DIE ZEIT:
Herr Römer, seit einigen Tagen wird darüber diskutiert, ob die Intensivbetten hierzulande überwiegend von Corona-Patienten mit Migrationshintergrund belegt sind. Zahlen gibt es dazu aber nicht. Wäre das denn aus wissenschaftlicher Sicht überhaupt plausibel?
Felix Römer:
Dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger infiziert werden, halte ich für realistisch, wenn man ihre sozioökonomischen Lebenslagen betrachtet. Hierüber gibt es zwar immer noch zu unpräzise Statistiken, doch die vorhandenen Daten sind relativ klar: Menschen mit Migrationshintergrund verdienen im Durchschnitt weniger und haben ein höheres Armutsrisiko. Und sie wohnen deswegen oft in beengteren Wohnverhältnissen, wo sich das Coronavirus schneller ausbreitet. Das Robert ...
Rinder, zur Sonne, zur Freiheit
Schlachthöfe sind die Hölle." Ernst Hermann Maier spricht diesen Satz mit tiefster Überzeugung aus. Völlig zu Recht seien diese Orte des fabrikgleichen Tötens am Fließband seit den Corona-Masseninfektionen bei Tönnies, Westfleisch und Co. in Verruf geraten, wieder einmal. Seit Jahrzehnten kämpft der schwäbische Landwirt dafür, dass seine Rinder auf der Weide sterben dürfen. Damit ihnen diese Hölle erspart bleibt. Und auch der
"highway to hell",
die Tiertransporte, teils über Hunderte oder gar Tausende Kilometer hinweg.
Ernst Hermann Maier, 78 Jahre alt, ein eigentlich umgänglicher Käppi-Träger, der hart und schwäbisch-schroff klingen kann, wenn er sich in Rage redet, sitzt ...
Nur 20 Prozent
Wohl noch nie gab es zur selben Zeit so viel Wissenschaft und so wenig Universität wie 2020: Forschung wurde zum Alltagsthema, Forschende sendeten auf allen Kanälen; doch viele Campusse waren leer, viele Hörsäle verwaist. Wirkt das sich aus auf die Freiheit der Wissenschaft?
Das haben Forscher aus Göteborg, Erlangen und Berlin für 175 Länder untersucht, die Ergebnisse lagen der
ZEIT
vorab vor. Der Academic Freedom Index zeigt, dass die Wissenschaftsfreiheit im globalen Schnitt zurückgegangen ist, indes nur minimal. "Wir halten das für eine sehr gute Nachricht", so die Erlanger Politologin Katrin Kinzelbach, "zumindest die Wissenschaftsfreiheit hat unter den pandemiebedingten Universitätsschließungen kaum ...
Haltet durch
Fragt man die Schulleiterin Miriam Pech, warum ihre Schüler mit dem Lernen im Lockdown ganz gut zurechtkommen, dann nennt sie nicht das, worüber gerade fast alle reden: die Internetplattform, das Digitalkonzept, die Leih-Laptops für bedürftige Jugendliche. Stattdessen spricht die Rektorin von "Logbüchern" und "Lernbüros", die zur Selbstständigkeit erziehen, oder "Wochenplänen", die großen Aufgaben in kleinen Schritten den Schrecken nehmen. Und sie schwärmt von Pilgermärschen auf dem Jakobsweg.
Die Heinz-Brandt-Schule, eine Sekundarschule in Berlin-Weißensee, hat sich einem Ziel verschrieben: Die Schülerinnen und Schüler sollen selbst für ihr Lernen verantwortlich werden. Dafür haben Miriam Pech und ihr Team den Unterrichtsbetrieb vor einigen ...
"Ich vermisse die Calypso"
Alexandra Cousteau hat die Liebe zum Meer geerbt. Ihr Großvater, der weltbekannte Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau, der mit Dokumentarfilmen wie "Welt ohne Sonne" Oscars gewann, brachte ihr mit nur sieben Jahren das Tauchen bei. 1976 in Los Angelas geboren, engagiert Alexandra Cousteau sich seit Jahrzehnten für den Schutz der Meere.
Die Mutter zweier Kinder studierte International Affairs an der Georgetown University in Washington. Sie trägt zwei Ehrendoktortitel und wurde beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Young Global Leader ausgezeichnet. Vor Kurzem ist die 44-Jährige mit ihrem Ehemann, einem deutschen Architekten, und den Kindern von Berlin an die französische Atlantikküste gezogen. Hier sitzt ...
Die anderen haben es ausgesessen
Etwas mehr als 200 Milliarden Euro soll Italien aus dem Wiederaufbaufonds der Europäischen Union bekommen. Und in Rom regiert ein Mann, der von Geld so viel versteht wie wenig andere: Mario Draghi. Der 73-Jährige wurde am 13. Februar mit breiter Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Seine Wahl glich der Inthronisierung eines Heilsbringers. Die Erwartungen an Draghi sind entsprechend - ebenso gewaltig sind die Herausforderungen. Die drängendste Aufgabe ist die Ausarbeitung des sogenannten Wiederaufbauplans. Draghi hat bis zum 30. April Zeit, um in Brüssel zu erklären, wie seine Regierung die Milliarden aus dem Wiederaufbaufonds auszugeben gedenkt. Dabei gilt es, Vorgaben zu beachten. 6 ...
"Bild"-Chefredakteur unter Friendly Fire
Julian Reichelt, 40, hat Journalismus immer als Kampf verstanden. Im Büro des
Bild-
Chefredakteurs steht ein Feldbett, eine Erinnerung an seine Zeit als Kriegsreporter. Vieles an seinem Führungsstil als Chef des größten deutschen Boulevardblattes ist martialisch, die Sprache, das Auftreten. Seine Kollegen beurteilt er danach, ob er mit ihnen "in einem Schützengraben" liegen möchte. Doch in diesen Tagen ist es kein Gegner auf der anderen Seite, der ihn getroffen hat, sondern Friendly Fire - Beschuss aus den eigenen Reihen.
Gegen Reichelt läuft seit rund drei Wochen ein Compliance-Verfahren innerhalb des Axel-Springer-Verlages. Der
Bild-
Chef muss sich nach Informationen der
ZEIT
wegen ...
Sportlich abkassiert
Denis Osadchuk ist seit zweieinhalb Jahren Mitglied der Fitnesskette Fit/One. Normalerweise trainiert er vier- bis fünfmal die Woche in seinem Leipziger Studio. Seit November ist das wegen des Shutdowns nicht mehr möglich. Den Mitgliedsbeitrag bucht das Studio jedoch weiterhin von seinem Konto ab, obwohl er Einspruch dagegen eingelegt hat. Als Ausgleich verlängerte es seinen Vertrag um die Anzahl der geschlossenen Monate. Der Student ist sauer und beklagt das "dreiste Vorgehen".
Wie dem 25-Jährigen geht es derzeit sehr vielen Mitgliedern der Fitnesskette. In der Facebookgruppe "Geschädigte Mitglieder Fit/One bundesweit" tauschen sich über 1600 Mitglieder darüber aus, wie das Unternehmen weiterhin Beiträge ...
Ein Bärchendienst für die Einheit
Wenn Frank Schröder seine Exportschlager aufzählt, läuft jedem Kind das Wasser im Mund zusammen. "Goldbären!", sagt Schröder. "Saftgoldbären! Colaflaschen, Weinland-Gummis, süße Mäuse. Und Bumix! Alles aus Gummizucker." Dann macht er eine Pause. "Das haben wir hier gemacht."
Jetzt aber machen sie das nicht mehr, denn Frank Schröder, 45, hat seinen Job verloren - wie alle seine Kollegen. Weil Haribo, Deutschlands wichtigster Fruchtgummi-Produzent, sein Werk im sächsischen Wilkau-Haßlau geschlossen hat. Ein Werk, in dem Frank Schröder sein gesamtes bisheriges Berufsleben verbracht hat.
Am 1. August 1992, an das Datum erinnert er sich genau, hat Schröder seine Lehre im Haribo-Werk ...
Ein himmlisches Geschäft
Er drückt das Gaspedal durch, 100, 140, 180. Der Audi rast über das Rollfeld. "Hier heb ich ab", sagt er zur Reporterin auf dem Beifahrersitz und schießt über den Punkt auf der Startbahn, an dem sein Privatjet wenig später gen Himmel streben wird. Ulrich Bettermann, 74, ist Unternehmer aus dem Sauerland. Aber nicht nur das. Er ist auch Mitgründer des Weltwirtschaftsforums, Träger des Bundesverdienstkreuzes, ein Freund von Genscher, Strauß und Schröder - und leidenschaftlicher Pilot.
"Kommse, ich zeig Ihnen mal den Flugplatz", hatte er gesagt und war in den Q5 gestiegen, den er jetzt wieder zu den grauen Hallen zurückfährt. D ...
Mr. Biden rettet die Welt
Wenn man 1,9 Billionen Dollar in 20-Dollar-Noten aufeinanderlegen würde, hätte der Stapel in etwa die Höhe des Mount Everest. Man könnte sich für 1,9 Billionen Dollar alle deutschen Dax-Konzerne zweimal kaufen, die gesamte öffentliche Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland ablösen oder die jährliche Wirtschaftsleistung Italiens übernehmen.
Joe Biden hat nichts dergleichen vor. Der US-Präsident gibt die 1,9 Billionen Dollar aus, um die amerikanische Wirtschaft in Fahrt zu bringen. Das größte Konjunkturpaket aller Zeiten hat am Wochenende den Senat passiert und soll in diesen Tagen vom Präsidenten unterzeichnet werden. Und wenn das Geld erst einmal fließt, werden die Folgen ...
Sollen wir mit dem Virus leben? Oder müssen wir es niederringen, bevor der Alltag zurückkehren kann?
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DIE ZEIT:
Herr Fuest, Herr Streeck, waren Sie schon wieder im Blumenladen?
Clemens Fuest:
Nein, leider nicht.
ZEIT:
Aber beim Friseur?
Fuest:
Auch nicht. Da habe ich noch keinen Termin bekommen.
Hendrik Streeck:
Ich schon. Ich gehe immer zu einem türkischen Barbier, da kommt man schnell dran.
ZEIT:
Vergangene Woche hat die Regierung weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen angekündigt. Ist das Öffnen richtig?
Fuest:
Es kommt darauf an, wie man öffnet. Zu öffnen ohne Vorkehrungen, damit Infektionen sich nicht ausbreiten, ist ein Fehler. Die Vorkehrungen, die man jetzt getroffen hat, gehen teils in die ...
Sind diese Städte reingefallen?
Alle drei Monate hat Guido Krämer ein Problem. Er weiß nicht, wohin mit seinem Geld. Wohin mit immerhin rund 35 Millionen Euro. Dieses Problem hat ihm zuletzt eine Menge Ärger eingebracht, doch davon gleich mehr.
Krämer leitet den Bereich Finanzen der Stadt Monheim am Rhein. Die Kommune liegt zwischen Düsseldorf und Köln, hat rund 43.000 Einwohner und ist seit 2013 schuldenfrei. Immer zum 15. eines Monats in der Quartalsmitte werden die Steuern und Gebühren fällig. Gewerbesteuer, Hundesteuer, Vergnügungssteuer, Gebühren für Abfallentsorgung, Straßenreinigung und Grundstücksentwässerung, was halt so anfällt in einer Kommune. Am Ende bleiben Krämer dann die Millionen, und ...
Schluss mit der Spionage
Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Kaufhaus. Während Sie sich umschauen, zeichnen
unzählige unsichtbare Beobachter Ihre Bewegungen auf: welche Artikel Sie begutachten, was Sie
anprobieren, was Sie kaufen (und was nicht).
Was klingt wie ein dystopischer Science-Fiction-Film, ist im Internet völlig normal. Sogenannte Tracker leuchten das digitale Leben der Nutzerinnen und Nutzer bis in den letzten Winkel aus. Zu jedem Zeitpunkt sammeln sie Daten und bilden aus diesen Daten detaillierte Profile über teils privateste Interessen und Verhaltensmuster der Menschen. Das ist das Geschäftsmodell einer riesigen Industrie, es dient einem profanen Zweck: Werbung zu verkaufen.
Nun hat der größte Player ...
Der Gauner und seine Polizistinnen
Eine Polizistin, die sich von einem Gangster bezahlen lässt und zu seiner Komplizin wird - kann das sein? Wenn der 65-jährige Serienbetrüger Mike Wappler in Handschellen in einen Gerichtssaal geführt wird und wenn neben ihm ein Komplize auf der Anklagebank sitzt, dann ist dieser Kumpan gewöhnlich ein Mann mittleren Alters, einer, der den Staatsanwälten nicht unbekannt und manchmal sogar mit Wappler verwandt ist. Ende 2019, als Wappler zuletzt verurteilt wurde, diesmal zu dreieinhalb Jahren Haft, war dieser Komplize einer seiner Cousins, der während einer Betrugsodyssee durch halb Europa in die Rolle eines seriösen Schweizer Anwalts schlüpfte, vor Gericht eine Bewährungsstrafe ...
"Unfassbar: Wir leben!"
Diese Aufzeichnungen durften nicht in falsche Hände geraten: 20 Tagebuchhefte hat die Stuttgarter Schriftstellerin Anna Haag zwischen 1940 und 1945 gefüllt - und sicherheitshalber "im Kohlenraum" versteckt. Den Fortgang des Krieges, das Überleben im Alltag, Aussagen der Nachbarn, die Gespräche im Krämerladen - all das hat sie fünf Jahre lang dokumentiert. Sie schildert, wie die Deutschen den Krieg erleben, wie sie auf die Reden des "Führers" reagieren, welche Nachrichten sie von heimkehrenden Soldaten, aus Feldpostbriefen oder von verbotenen Rundfunksendern erhalten.
Anna Haag, geboren 1888, lebte, verheiratet mit dem Mathematiker Albert Haag, in Stuttgart-Sillenbuch; das Paar hatte drei Kinder, die sich ...
Journalisten gegen Pressefreiheit
Schlimm genug, dass die Medien zunehmend Beschimpfungen ausgesetzt sind und sich gegen Bedrohungen von außen schützen müssen. Aber die Meinungsvielfalt wird auch aus den eigenen Reihen bedroht. Am Beispiel der
New York Times
schildert Giovanni di Lorenzo dies eindrucksvoll.
Die
NYT
ist ein Leitmedium nicht nur in den USA und trägt damit eine große Verantwortung. Dieser Verantwortung sollten sich deren Chefs eigentlich bewusst sein, doch statt sich diesem Kulturkampf zu stellen, überlassen sie einigen (wenigen) Journalistinnen und Journalisten die alleinige Deutungshoheit über die Political Correctness. Sie lassen zu, dass nur bestimmte Gruppen entscheiden, welche Meinung "richtig" oder "falsch" ist.
Ein ...
INHALT
POLITIK
Versagensindex
Wie steht Deutschland bei der Pandemiebekämpfung im
internationalen Vergleich da? von Mark Schieritz
2
Bewährungsprobe
Wie es kam, dass ausgerechnet Andreas Scheuer die
Verantwortung für die Teststrategie übernimmt von Peter Dausend
2
Titelthema:
Freiheit für Geimpfte?
Die große Mehrheit der
Deutschen will auch die Geimpften weiterhin den Corona-Beschränkungen unterwerfen. Rechtlich
und menschlich ist das falsch. von Heinrich Wefing•
3
Italien
Seenotrettern wird der Prozess gemacht von Marco Bova, Matthias
Krupa und Ulrich Ladurner
4
CDU
In Baden-Württemberg steht die Partei vor einer historischen Niederlage.
Wie kam es dazu? von Mariam Lau
5
Iran
Alle reden von Diplomatie, a ...
Ist er noch er?
Ey", ruft der Mann mit der halb leeren Wodkaflasche in der Hand, "ey, du bist doch der ... Dings." Er schaut suchend seine Freunde an. Dann ruft er: "Der Habeck!"
Für einen Moment scheint Robert Habeck zu überlegen, ob er weitergehen soll.
Habeck bleibt stehen. Dreht sich um. "Jo", sagt er.
Es ist ein Abend im Juli 2020. Am Morgen war Habeck in Köln und hat in einer Konzernzentrale über Engpässe bei der Lebensmittelversorgung gesprochen. Ein paar Stunden später stand er hier in Frankfurt auf dem Parkett der Börse und hat sich angehört, wie sich die Finanzindustrie gegen ...
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> 11.03.2021
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