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Inhaltsverzeichnis vom 18.02.2021
DIE ZEIT
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Bloß nicht ins Heim
Man muss es lange klingeln lassen, wenn man mit Ilse Csoor Karadag telefonieren will. Beim 21. Ton hebt sie ab, keucht, lacht, spricht - alles gleichzeitig: "Ich seckle mit einem Wägelchen durch die Wohnung. Geht leider nicht schneller."
Ilse Csoor ist 84 Jahre alt, auf dem rechten Auge blind, hat ein böses Bein, und manchmal schießen Blitze in ihre unteren Lendenwirbel. Den Schalk hingegen, den haben ihr die Schmerzen nicht geraubt. Und auch nicht ihr selbstbestimmtes Leben. Noch nicht.
Ganz alleine wohnt sie in einer einfachen Mietwohnung in der Basler Agglo-Gemeinde Frenkendorf, nur wenige Schritte entfernt von drei Autogaragen, zwei ...
Mehrstöckige Mocken
Als der Architekt Patric Allemann das Pflegeheim Heiligkreuz in St. Gallen besuchte, dachte er: "Himmel hilf, da will ich nie hinkommen!" Als Heim für "Greise und chronisch Kranke" in den 1960er-Jahren erbaut, waren die Bewohner in Mehrbettzimmern ohne Nasszellen einquartiert. In den Korridoren war knapp Platz für ein Bett. Die Architektur war rein funktional, die Materialien allein zweckmäßig. Vinyltapeten an den Wänden, PVC am Boden.
Der Verein, dem das Heim gehörte, wusste selbst: So kann es nicht weitergehen. Auch, weil das Haus zu wenig Betten hatte, was auf die Wirtschaftlichkeit drückte. Also schrieb er 2011 einen Architekturwettbewerb aus, den ...
6000
Thomas Müller, so heißt ein deutscher Fußballspieler, und so heißt auch die Hauptfigur des Luzern-Romans
Provenzhauptschtadt
,
der dieser Tage im Verlag Der Gesunde Menschenversand erschienen ist. Der Autor Béla Rothenbühler mutet seinen Leserinnen und Lesern einiges zu. Nicht nur weil die Geschichte, die im Sommer 2018 während der Fußball-Weltmeisterschaft spielt, in Mundart geschrieben ist, sondern auch weil einem der Protagonist, ein denkfauler, selbstbezogener Mittdreißiger, zünftig auf die Nerven geht.
Thomas, der als Arbeitspsychologe bei einer Firma im
Hiumen Rissorsses
arbeitet, erzählt aus der Ich-Perspektive von seinem freien Sommer in der Stadt, die Luzern sein könnte:
Chli pause ...
Erlöse uns, o Herr
Der Weg windet sich durch eine steile Schlucht über einen von Moos überwucherten Steg. Der Wind streicht durch kahle Äste. Dann stehen sie da: die 50 Ruinen. Häuser, Ställe, Heuschober. Im 16. Jahrhundert lebten hier 200 Menschen. Heute ist Prada, oberhalb von Bellinzona gelegen, ein Geisterdorf.
Was ist hier passiert?
Im Tessiner Schulunterricht lernen die Kinder, Prada sei ein Lazarett für Pestkranke gewesen und nach dem großen Seuchenzug von 1629 habe man den Ort aufgegeben. Vielleicht aber hat die Pest auch das ganze Dorf dahingerafft. Wie Cadempino, das zwischen dem Monte Ceneri und Lugano liegt, und wo nur zwei Brüder ...
Das Volk testen
Ein Jahr nach Beginn dieser Pandemie hat das Land einen gefährlichen Wendepunkt erreicht. Die Toleranz vieler Menschen ist aufgebraucht, sie sind müde. Zu den finanziellen Sorgen kommt eine mentale Krise. Familien ertappen sich dabei, wie sie sich am Abendbrottisch mediterraner Sehnsucht hingeben und Urlaubspläne ausmalen - nur um vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), der diese Woche mal eben für alle den Osterurlaub absagte, aus ihren Träumen gerissen zu werden.
Erstmals seit vielen Monaten entsteht etwas, das in dieser Form neu ist: Es wächst ein Unwille in der Bevölkerung, der mit Händen zu greifen ist und eine große Zahl derer ...
Aus dem Häuschen
Was immer man von Einfamilienhäusern halten mag, sie haben einen großen Vorteil: Sie erleichtern die Abgrenzung. Für solche Grenzen galt der Jägerzaun jahrzehntelang als Mittel der Wahl, er gab den Deutschen das Gefühl, Fuchs und Igel lebten nur zwei Querstraßen weiter. Heute werden kühl-rationale Metallgitter bevorzugt, oft sehen sie aus, als hätte sich da jemand zur Käfighaltung seiner selbst entschlossen. Das Signal ist in beiden Fällen dasselbe: Die Welt soll bitte draußen bleiben.
Verständlicherweise ist die Welt davon nur mäßig beeindruckt, die Klimaschützer sind es noch weniger. Wer in ein Eigenheim im Grünen zieht, zerstört und verlärmt ja meistens jenes ...
"Wir stehen im Sturm"
***
***
DIE ZEIT:
Frau von der Leyen, in dieser Pandemie haben politische Entscheidungen, auch Fehler, die gemacht werden, so unmittelbare Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der Menschen, wie es das sonst vielleicht nur in Kriegszeiten gibt. Wie gehen Sie damit um?
Ursula von der Leyen:
Einerseits wiegt das unglaublich schwer, andererseits ziehe ich aus dieser großen Verantwortung auch Antrieb. Und nicht zuletzt Motivation, um mich auf die sehr lange Strecke einzustellen, die in dieser Pandemie noch vor uns liegt.
ZEIT:
Haben Sie eine solche direkte Verantwortung für das Leben von Menschen schon einmal empfunden, etwa als ...
Mehr Staat weniger Markt?
Während alle gerade auf die nächsten vier Wochen blicken, gehen heimlich die letzten vierzig
Jahre zu Ende. Denn Politik hat bisweilen die Angewohnheit, dass sie sich hinter dem Rücken
von Politikern vollzieht. Das Besondere in diesen Tagen ist allerdings, dass die Veränderung
nicht von unten kommt, sondern aus der Mitte, nicht aus einer Ideologie, sondern aus den
Verhältnissen. Und dass man sie am deutlichsten dort erkennen kann, wo man sie am wenigsten
vermutet.
Da ist zum Beispiel die
Financial Times
aus London, die plötzlich fordert, dass "die Privilegien der Wohlhabenden auf den Prüfstand" müssten und der Staat "eine aktive Rolle ...
Sieht knapp aus. Ist es aber nicht
Dass die Starken nicht immer gewinnen, ist keine Überraschung. Manchmal setzen sich diejenigen durch, denen man es am wenigsten zutraut. Armin Laschet zum Beispiel. Er, nicht Friedrich Merz, ist seit vier Wochen CDU-Vorsitzender. Und sein Lauf ist noch nicht zu Ende. Auch im Kampf um die Merkel-Nachfolge spielt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen den vermeintlich schwächeren Part. CSU-Chef Markus Söder gilt als der populärere, innovativere Politiker und ist seit Monaten in allen Umfragen der Favorit für die Kanzlerkandidatur der Union. Immerhin lässt Laschet keinen Zweifel an seinen Ambitionen, während Söder in der wichtigsten Frage seiner Karriere bislang vor allem kokettiert und ...
Ein falsches Wort
Wenn eine Gesellschaft sich polarisiert wie die amerikanische, dann setzt diese Entwicklung irgendwann auch Institutionen unter Druck, die versuchen, sich an der Mitte zu orientieren. Das prominenteste Beispiel ist die
New York Times:
Dort wurde vor zwei Wochen ein Redakteur entlassen, weil er in einem Gespräch einen rassistischen Begriff zitiert hatte. Der Fall ist weit über die Vereinigten Staaten hinaus von Bedeutung, da die Zeitung eine Institution ist, die weltweit Maßstäbe für journalistische Exzellenz setzt, und bislang versucht, ein möglichst großes Spektrum an Meinungen zu präsentieren. Was bei der
New York Times
passiert, prägt den Journalismus und die liberale ...
Er hat das Sagen, immer und überall
Die große internationale Bühne, die Xi Jinping so liebt, es gab sie nicht im vergangenen Jahr. Kein G20-Treffen, kein Gipfel mit der Europäischen Union, kein Weltwirtschaftsforum in Davos. Auch den Staatschefs blieb 2020 nur die Videokonferenz. Dass die Pandemie, die den Mächtigen ihre persönlichen Begegnungen verwehrte, im eigenen Land begonnen hatte, dürfte dem chinesischen Präsidenten zusätzlich die Laune verdorben haben.
Schon im Frühsommer verkündete Chinas Kommunistische Partei den Sieg im "Volkskrieg" gegen das Virus. Und doch, was für ein Schlag für Xi Jinping, dessen Karriere bisher kein Halten kannte. Sein Name, so will es die Partei, so will er es ...
Trotzdem frei
Fünf Jahre lang haben wir die süße Demokratie gekostet. Wenn wir jetzt wieder die bittere Diktatur essen müssen - das können wir nicht hinnehmen." Es ist ein untergetauchter Parlamentsabgeordneter aus Myanmar, der das am Telefon sagt, gute zwei Wochen nach dem Militärputsch in seinem Land. Aus ihm spricht nicht nur die Poesie der Freiheit - er artikuliert auch sehr präzise den Grund dafür, dass sich sein Volk im Kampf gegen die Diktatur noch nicht geschlagen gibt.
Denn Myanmar lebt nicht mehr, wie jahrzehntelang in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Armee permanent herrschte, in einem solide bleiernen ...
Im Wahn der Beherrschbarkeit
***
***
Das Wort "radikal" hat keinen guten Klang. Zumindest nicht in den Ohren derer, die überzeugt sind, dass die pluralistische, auf Ausgleich und Kompromiss angelegte Demokratie die beste aller Gesellschaftsformen ist. Zum Glück reagiert die Mehrheit der Bürger in freiheitlichen Gesellschaften mit Empörung und Verachtung, wenn Radikale auf der rechten Seite meinen, die Zeiten nationalistischen Getöses, abgeschotteter Grenzen und patriarchaler Selbstherrlichkeit ließen sich zurückerzwingen. Wer Verständnis für derlei Einstellungen bekundet, verspielt seinen Anspruch, am seriösen Diskurs teilzunehmen.
Nach einer ähnlich entschiedenen Ablehnung dort, wo sich radikales Denken von der linken Seite in unserer Gesellschaft, in Debatten und Politik ausbreitet, sucht man ...
INHALT
POLITIK
EU
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht über die Fehler und Erfolge ihrer Impfstoffstrategie
2
Staat statt Markt
In der Pandemie verschiebt sich das ökonomische Denken nach links von Robert Pausch und mark Schieritz•
3
Union
Warum Armin Laschet die Kanzlerkandidatur kaum noch zu nehmen ist von Matthias Geis
4
USA
Ein Kulturkampf bei der traditionsreichen "New York Times" stellt journalistische Ansprüche infrage von Kerstin Kohlenberg •
5
Türkei
Der Krieg Erdogans gegen die kurdische PKK eskaliert erneut von Michael Thumann
5
Pandemie
Deutlich mehr Menschen als vermutet kommen ohne medizinische Hilfe mit einer Corona-Infektion zurecht von Annika Joeres
6
China
Unter Xi ...
Der Täter: Ihr Partner
Sie hat Saalschutz angefordert. Sie hat ihrer Mandantin die Fahrt zum Gericht organisiert. Sie hat ihr gesagt: Seien Sie eine halbe Stunde vor Prozessbeginn da. Warten Sie am Seiteneingang. Dort wird er Ihnen nicht auflauern.
Sie hat ihr versichert: Alles wird gut.
Asha Hedayati kommt mit dem Fahrrad angefahren, sie winkt ihrer Mandantin schon aus der Ferne zu. Es ist halb zwölf, ein Donnerstag im Juni 2020, ein Familiengericht in Berlin. Vormittagsruhe. Hedayati schließt ihr Fahrrad ab. "Schön, dass Sie da sind", sagt sie zu der Mandantin. "Wollen wir los?"
Gemeinsam gehen sie das Gebäude entlang und um die Ecke, u ...
Erbschaft und Eigenheim für alle
Es gibt viele Menschen, die jeden Tag einen wertvollen Arbeitsbeitrag erbringen. Es sind vor
allem die Menschen, über die im vergangenen Corona-Jahr viel berichtet, für die aber immer
noch wenig getan wurde, Beschäftigte in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Friseure und
Friseurinnen, Verkäufer*innen in der Bäckerei, im Lebensmittelgeschäft, Beschäftigte in den
Versandhäusern, bei Lieferdiensten, bei der Müllabfuhr ... um nur einige zu nennen, die mit
bescheidenen Löhnen bedacht werden. Ich kann die Aussage von Konrad Adenauer 1952 (das
Eigenheim dürfe kein Reservat kleiner, privilegierter Schichten sein) sowie die
Schlussfolgerung von Thomas Piketty und der
ZEIT
-Autorin (Erbschaft für alle .. ...
Die Mär von der Tüchtigkeit
Endlich wagt es ein Journalist, den "Tüchtigkeits-Chauvinismus" der Deutschen zu
thematisieren. Selbst die überzeugtesten deutschen Weltbürger glauben an deutsche Tüchtigkeit.
Ich glaube hingegen, dass derartiger Nationalchauvinismus der Deutschen und analoge Vorurteile
über Franzosen, Briten, Amerikaner und so weiter unbegründet sind, weil jeweils glückliche
historische Umstände und nicht Gene Ursache der jeweiligen Nationaltugenden waren. Als
Babyboomer habe ich selbst erfahren, dass Tüchtigkeit und Bescheidenheit die Paradigmen in
Deutschland waren. Heute habe ich eher den Eindruck, dass es Wohligkeit und Selbstdarstellung
sind.
BENNO BLESSENOHL, PER E-MAIL
Das Debakel der Impfstoffbeschaffung wird zu einer Posse der Schuldzuweisungen zwischen
Bundesregierung und EU: eine Steilvorlage ...
"Ich war ein Indianer"
An der Frontier zwischen Texas und dem Indian Territory trifft im Jahr 1870 ein ehemaliger Captain der US-Armee ein zehn Jahre altes Kiowa-Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen. Schnell erkennt der Soldat, dass die Kleine eine Weiße ist, die ihre englische Muttersprache verlernt hat. Kiowa-Krieger haben sechs Jahre zuvor ihre Eltern getötet, das Mädchen entführt und zu einer der Ihren gemacht. Gutmütig, wie er ist, bringt der Captain sie - beschaulich in einem Planwagen fahrend - zu ihren Verwandten zurück.
Diese Geschichte hat sich so nie zugetragen, sie ist eine Fiktion und dieser Tage auf Netflix zu sehen, in ...
Das Ende des Lenkrads
Eine S-Klasse von Daimler fährt fahrerlos von München bis nach Kopenhagen. Tausend Kilometer Strecke, unfallfrei. Endlich, so scheint es, bricht das Zeitalter des autonomen Fahrens in Deutschland an.
Das war 1995. Der heutige Verkehrsminister Andreas Scheuer war damals gerade in die CSU eingetreten und begann ein Lehramtsstudium in Passau. Bekanntlich blieb es bei einzelnen Versuchsfahrten auf ausgewählten Modelltrassen, das fahrerlose Auto ließ auf sich warten.
Lange war die Haftungsfrage ungeklärt. Wer hat Schuld, wenn das Auto im schlimmsten Fall zwei Kindern ausweicht und dabei eine Rentnerin überfährt? Wen soll das Auto zuerst schützen? Den Fahrer oder die Passanten? Und als ...
Helden der Selbstverzwergung
Pflegekräfte sind Helden. Sie arbeiten zu viel und verdienen zu wenig. Schuld an diesen Zuständen ist die Politik: Auf diese Erzählung können sich die Deutschen einigen - erst recht in der Pandemie.
Sie stimmt aber nur zum Teil. Richtig ist, dass Alten- und Krankenpflegekräfte körperlich wie psychisch täglich an ihre Grenzen gehen, oft auch darüber hinaus. Falsch ist, die Schuld an Überlastung und Unterbesetzung allein in einer verfehlten Gesundheitspolitik zu suchen. Das Versagen ist ein kollektives, an dem auch Pflegekräfte selbst ihren Anteil haben: So gut sie sich um Belange anderer Menschen kümmern - an der Pflege ihrer eigenen Interessen ...
Herr Altmaier, warum kommt das Geld nicht an?
DIE ZEIT:
Herr Minister, wir haben mit Berit Petersdorf gesprochen, die in Hamburg eine Modeboutique betreibt und die wir für die
ZEIT
mehrfach besucht haben. Sie würde gern von Ihnen wissen, weshalb Friseure öffnen dürfen, sie aber nicht
.
Peter Altmaier:
Ich verstehe den Unmut von Unternehmen, die trotz unserer umfassenden Wirtschaftshilfen nach den langen Monaten des Teil-Lockdowns mit dem Rücken zur Wand stehen. Obwohl sie funktionierende Hygienekonzepte vorweisen können, ist die Beschränkung von Kontakten im Kampf gegen die Pandemie weiterhin nötig.
ZEIT:
Das ist noch keine Antwort auf die Frage.
Altmaier:
Wir waren uns beim ...
Das muss hier weg
Im Schlafanzug zur Modenschau: Auf den Fashion Weeks in Berlin, Mailand und Paris führen viele Modemarken gerade ihre Ideen für den Herbst/Winter 2021 per Livestream vor. Sie stecken viel Mühe in die Präsentation, die Luxusfirma Louis Vuitton etwa zeigte ihre neue Männermode in einem opulenten Spektakel mit Rappern und Tänzern.
Was man an solchen Videos nicht erkennt: wie düster die Stimmung in der Modebranche ist. Im Online-Handel mögen die Umsätze explodieren, aber für die Branche ist der stationäre Modehandel nach wie vor viel wichtiger, also der mit Ladengeschäften und Umkleidekabinen. Die Stationären machen immer noch mehr als zwei Drittel des ...
Abgehängt im Warmen
Die deutsche Gesellschaft driftet auseinander. Auf der einen Seite leben mehr Menschen in Armut als vor zwanzig oder dreißig Jahren. Auf der anderen Seite wächst die Schicht der Wohlhabenden. Und: Der Aufstieg aus der Armut gelingt seltener als früher. Fast 60 Prozent der Armen sind nach fünf Jahren immer noch arm. In den Achtzigerjahren waren es nur 40 Prozent. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie einer Bremer Forschergruppe, die Anfang der Woche bekannt wurde. Die Forschungsarbeit wurde für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erstellt, der im Frühjahr verabschiedet werden soll. Alle fünf Jahre trägt der Bericht Antworten zusammen ...
Bequemes Shopping für Betrüger
Gewöhnlich gibt die Regierung lautstark bekannt, wenn sie gegenüber der Wirtschaft verbraucherfreundliche Regelungen durchsetzen kann. Doch im Fall der frisch eingeführten "Starken Kundenauthentifizierung" (SKA), die das Bezahlen im Online-Handel sicherer machen soll, verhält sie sich auffallend still. Das hat seine Gründe.
SKA funktioniert so: Wenn ein Online-Händler größere Beträge von einer Kreditkarte abbuchen will, muss er die Identität des Kunden besonders gründlich prüfen. Er muss eine zusätzliche Kontrolle durchführen. Das geschieht zum Beispiel, indem der Käufer vom Online-Shop elektronisch zu seiner Hausbank weitergeleitet wird, wo er eine TAN eingeben muss, ein Einmal-Kennwort, das ihm seine Bank zuschickt.
Seit Mitte Januar ...
Laborfleisch für Miezi
Vor zwei Jahren war die Zukunft fast schon Gegenwart. Zumindest die Zukunft der Fleischproduktion: Weltweit kündigten Start-ups an, Hackfleisch, Hühnerbrust oder gleich ganze Steaks auszudrucken oder im Bioreaktor zu züchten. Mit ein paar Stammzellen und einer Laboreinrichtung, so die charmante Idee, ließe sich der Fleischhunger der Menschen stillen und zugleich das Los von Millionen von Nutztieren verbessern.
Breit durchgesetzt hat sich Laborfleisch bislang jedoch nicht, beim Wochenendeinkauf im Supermarkt deutet jedenfalls wenig darauf hin. Warum die neue Technologie also nicht unkonventionell fördern: Macht Laborfleisch zu Tierfutter!
Der Ansatz mag seltsam wirken, hat bei näherer Befassung aber durchaus seinen Reiz. Er ...
Eine Kuh macht noch keine Wende
Das Corona-Jahr war ein gutes Jahr für die Biobranche. Zwischen 15 und 20 Prozent mehr als im Vorjahr setzte der Fachhandel 2020 mit Biolebensmitteln um. Supermärkte und Discounter meldeten noch bessere Zahlen. Der selbstständige Unternehmensberater Klaus Braun, der sich auf Biohändler spezialisiert hat, erklärt das so: "Die Leute konnten nicht mehr ins Restaurant gehen und haben mehr und besser zu Hause gekocht. Sie haben sich vernünftiger, gesünder und teurer ernährt. Emotionale und geldwerte Budgets wurden frei, das hat auch Bio einen Schub gegeben."
Reichlich Jubelmeldungen also zum Auftakt der Nürnberger Messe BioFach. Doch gemessen an den eigenen Ansprüchen wirkt die ...
Eine haarige Geschichte
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zeigt sich auf Instagram mit
big hair
im Partnerlook mit ihrem Hund. Doro Bär, Digitalstaatsministerin im Kanzleramt, berichtet, sie habe glücklicherweise "zwei engagierte Töchter", die nun endlich Hand an die Mutter legten und beweisen könnten, dass ihr stundenlanges Schauen von Schmink- und Frisuren-Tutorials bei YouTube keine verschwendete Zeit gewesen sei. Kanzlerin Angela Merkel erklärt auf strenge Nachfrage, sie habe beim
hair job
bekanntlich Hilfe durch eine Assistentin und versichert, man halte dabei alle "sanitären" Auflagen ein. Bei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder scheint es, als kämme er seine Haare extra nach oben und vorn, damit alle sehen, dass ...
"Ich sehe mich nicht als Profiteur"
Raimund Gerwing, 62, ist Mitgründer und Inhaber des Fahrradgeschäftes "Drahtesel" in Münster. Der Chemiker verkaufte als Student die ersten Räder aus der Küche, zog 1988 in die Innenstadt und beschäftigt heute 25 Mitarbeiter.
Mein Tiefpunkt:
"Als die Läden im März 2020 schließen mussten, durfte zumindest die Werkstatt geöffnet bleiben. Doch in den ersten Tagen war der Umsatz fast null. Viele Kunden stornierten ihre Bestellungen und Termine. Das hat uns mächtig auf die Stimmung geschlagen. Ich habe einen typischen Innenstadt-Laden, dessen Kunden spontan mit einem Plattfuß oder einer quietschenden Bremse vorbeikommen. Täglich fahren bis zu 22.000 Menschen mit dem Rad ...
Apokalyptiker im Homeoffice
Haydn Belfield warnt vor dem Gespräch, dass er "wie eine Erscheinung aus dem 19. Jahrhundert" wirke. Er meint seine zottelige Corona-Frisur und den sprießenden Vollbart im Homeoffice-Look: Schon seit dem Frühjahr 2020 ist der Politikwissenschaftler nach Hause verbannt, so wie weitere 23 Forscher, mit denen er normalerweise einen düsteren Backsteinbau auf dem Universitätsgelände teilt.
Immerhin können Haydn und seine Kollegen der Zwangsisolation etwas Nützliches abgewinnen: Sie sehen gerade in Echtzeit bei einer großen Krise zu. Haydn arbeitet am Centre for the Study of Existential Risk (CSER), und der Forschungsgegenstand dort ist grob gesagt: Katastrophen aller Art. Das Ende allen Lebens ...
"Ich esse immer noch Cheeseburger, da bekenne ich mich schuldig"
DIE ZEIT:
Mr. Gates, im Internet kursieren die übelsten Verschwörungstheorien über Sie. Können Sie überhaupt noch allein ohne Bodyguards durch die Straßen laufen?
Bill Gates:
Ich war ja schon während meiner Zeit bei Microsoft umstritten, Kontroversen bin ich also gewohnt. Aber Verschwörungstheorien sind etwas Neues für mich. Vorwürfe, dass die Impfungen die Bevölkerung kontrollieren sollen, dass es nur darum geht, Geld zu verdienen, dass die Menschen überwacht werden sollen - das hätte ich nie erwartet. Ich bin da immer noch ziemlich naiv. Ja, dies ist eine stressige Zeit. Und ja, die Menschen suchen manchmal nach simplen Erklärungen, wenn ...
Tierisches Geschwätz
Warum sollte der Nacktmull anders sein als wir? Geringschätzig platzieren wir den Nager zwar stets weit oben in der Liste der "hässlichsten Tiere der Welt". Das ändert aber nichts daran, dass er uns - abgesehen von der Länge seiner Schneidezähne - ähnlicher ist als jedes andere Tier: Er ist von Natur aus nackt, trägt rosa Haut, stammt ursprünglich aus Ostafrika, ist staatenbildend, hat Angst vor Schlangen - und redet viel. Und, wenig überraschend: Er spricht wie wir in unterschiedlichen Dialekten.
Forscherinnen und Forschern des Berliner Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) ist es zusammen mit südafrikanischen Kollegen gelungen, regionale Unterschiede in ...
Was ist anders ... in der Leber? Der kleine Unterschied
Frauen und Männer sind in vielem gleich. Aber ihre Körper unterscheiden sich auch abseits der Geschlechtsorgane. Die Leber zum Beispiel, unsere mit 1,5 bis 1,8 Kilogramm schwerste Drüse, sieht bei Männern und Frauen zwar von außen gleich aus: ein weiches, rotbraunes Gebilde mit glatter Oberfläche, bestehend aus einem großen rechten und einem kleineren linken Lappen, das im rechten Oberbauch unter dem Zwerchfell liegt. Doch tief in den Zellen der Leber finden sich Unterschiede - etwa beim Enzym CYP3A4.
Was ist das für ein Enzym?
Cytochrom P450 3A4, abgekürzt CYP3A4, kommt vor allem in der Leber und im ...
Eine Perspektive ohne Auf und Ab
Die Corona-Pandemie befindet sich in einer kritischen Phase. Die Winterwelle hat sich wegen zu später und nicht ausreichender Maßnahmen in die Länge gezogen. Jetzt sinken die Infektionsraten, und es stehen Entscheidungen über die weitere Strategie an. Dabei spielen die infektiöseren Varianten des Virus und die Impfmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Eine erneute Infektionswelle sollte vermieden werden. Wir legen hier einen Vorschlag vor, der sowohl die Wünsche großer Teile der Bevölkerung als auch die praktische Umsetzbarkeit mit dem medizinisch und epidemiologisch Notwendigen verbindet. Hauptziel dieser Strategie ist die Vermeidung eines Jo-Jo-Effekts, also der ständigen Wiederkehr hoher Infektionszahlen aufgrund verfrühter Lockerungen. Wir möchten ...
"Wir müssen die Verfassung ändern"
DIE ZEIT:
Frau Karliczek, seit fast einem Jahr bestimmt die Corona-Krise den Alltag in unseren Schulen. Es herrscht breite Unzufriedenheit, wie die Politik die Situation angeht. Hat der Bildungsföderalismus in der Krise versagt?
Anja Karliczek:
Die Schulschließungen vergangenen März haben alle Verantwortlichen kalt erwischt. Das Schulsystem war in der Digitalisierung nicht so weit, wie es hätte sein sollen. Heute stehen die Schulen besser da: So haben sie in der Regel Zugang zu einer Lernplattform. Da ist eine große Dynamik entstanden, die wir nicht kleinreden sollten.
ZEIT:
Wenn Lehrer oder Eltern die Schulpolitik benoten sollen, geben sie im ...
Budenkoller? Nix da
Dein Reich
Dein Zimmer gehört dir! Das bedeutet: Deine Eltern dürfen es nicht einfach durchstöbern, dein
Tagebuch oder deine Briefe lesen und auch keine Nachrichten auf deinem Handy. Du hast nämlich
ein Recht auf Privatsphäre - so steht es in Artikel 16 der Kinderrechtskonvention der
Vereinten Nationen.
8
von 10 Kindern
in Deutschland haben ein eigenes Zimmer. Die anderen teilen
sich eins mit den Geschwistern. Manche haben auch gar kein Kinderzimmer, sie schlafen zusammen
mit den Eltern in einem Raum oder im Wohnzimmer.
24
Jahre und vier Monate:
So viel Zeit wirst du im Bett verbracht haben, wenn
du 80 Jahre alt ...
Zum Verschleiß bestimmt
Männer sind weniger langlebig als Frauen. Der Umstand wurde offenbar, kaum dass die extreme Müttersterblichkeit überwunden war, die frühere Jahrhunderte geprägt hatte, und änderte sich auch nur wenig, als in Europa die Zeit der Kriege und überwiegend harten körperlichen Erwerbsarbeit der Männer zu Ende ging. Fünfeinhalb Jahre betrug der Unterschied der durchschnittlichen Lebenserwartung noch 2019. Und ein Jahr später, mit Beginn der CoronaPandemie, zeigte sich etwas Weiteres: Männer sterben auch häufiger an dem Virus - ohne dass dies bisher in der Impfpraxis berücksichtigt worden wäre. Es gibt eine Priorisierung nach Alter, aber nicht nach Geschlecht. Ist unserer Gesellschaft ein Männerleben ...
Die Schwäche des "starken Geschlechts"
Männer leben kürzer
Jungen, die heute geboren werden, leben durchschnittlich 4,8 Jahre kürzer als gleichaltrige Mädchen: Sie haben 78,6 Lebensjahre zu erwarten, Mädchen kommen auf 83,4. In Schweden und den Niederlanden beträgt der Abstand nur 3,7 Jahre, in Estland, Lettland und Litauen teilweise mehr als zehn Jahre.
Männliche und weibliche Krankheiten
Von 100.000 Männern erleiden in einem Jahr 365 einen Herzinfarkt, von 100.000 Frauen nur 186. Das hat auch damit zu tun, dass die Gefäße von Frauen durch das Geschlechtshormon Östrogen geschützt werden, das vor allem bis zu den Wechseljahren vermehrt produziert wird. 9,9 Prozent ...
Immer auf die Mütze
Nach 430.000 Jahren glauben die Forensiker zu wissen, was mit dem einstigen Besitzer von Kranium Nummer 17 geschehen ist. Der Schädel des Mannes weist in der Stirn zwei tiefe Frakturen auf, unmittelbar nebeneinander. Die Einschlagswinkel sind verschieden - verursacht wurden beide Verletzungen aber vom selben Gegenstand. Für ein solches Spurenbild kommen weder Steinschlag noch Sturz infrage. Vielmehr erzählen die Schädelknochen aus der Sima de los Huesos, einer Höhle unweit von Atapuerca in Spanien, von einem Verbrechen: dem ältesten nachgewiesenen Mord der Menschheitsgeschichte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich beim Opfer eines altsteinzeitlichen Gewaltverbrechens um einen Mann handelte, ist hoch. Zwar ...
In der Falle des Patriarchats
DIE ZEIT:
Männer haben ein höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken und zu sterben. Machen wir ein Gedankenexperiment: Angenommen, Ethikrat und Impfkommission hätten empfohlen, auf Grundlage dieser Erkenntnis Männer bevorzugt zu impfen. Wie könnte man das begründen?
Claudia Wiesemann:
Medizinisch ist es begründbar: Männer haben im Vergleich zu anderen Gruppen, etwa Diabetikern, höhere Risikowerte für einen schweren oder tödlichen Verlauf dieser Krankheit.
ZEIT:
Wäre es auch rechtlich möglich? Das Grundgesetz fordert eine Gleichbehandlung der Geschlechter.
Wiesemann:
Eine Ungleichbehandlung, die auf guten sachlichen Gründen beruht, ist nie verboten. Auch Frauen werden anders behandelt, etwa wenn sie schwanger ...
Der Laura-Tonke-Blick
Wann wäre man je wieder auf die Idee gekommen, den VHS-Rekorder aus dem hintersten Winkel des Kellers zu holen? Und dann auch noch die Verleihung der Goldenen Kamera des Jahres 2000 anzuschauen? Die Berliner Schauspielerin Laura Tonke bringt zu unserem Treffen zwei Videokassetten mit ("Sachen, für die ich mich richtig schäme"), als Ersatz für eine andere, die sie gesucht und nicht gefunden hat.
Also schauen wir uns bei mir zu Hause im Fast-Forward-Modus die lustig retromäßig aussehende Veranstaltung im Konzerthaus am Gendarmenmarkt an, mit der versammelten deutschen Fernsehprominenz im Publikum. Als die damals 25-jährige Schauspielerin von Hape Kerkeling den Preis ...
Impressum
Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906-1995)
Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller,
Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef Joffe
Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) Helmut Schmidt
(1918-2015)
Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni
di Lorenzo
Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),
Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich
Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Jochen Wegner, Dr. Stefan
Willeke (Chefreporter)
Chef/in vom Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle
Textchef:
Dr. Christof Siemes
Geschäftsführende Redakteure:
Patrik Schwarz, Andreas Sentker
Chefkorrespondentin:
Tina Hildebrandt
Internationaler Korrespondent:
Matthias Naß
Leitender Redakteur:
Hanns-Bruno Kammertöns
Redaktionsleiter Digitale Ausgaben:
Götz Hamann
Parlamentarischer Korrespondent:
...
Keine weiteren Verluste, bitte
Dem Präsidenten der Republik Korea geht es nicht gut. Gerade hat er den Notstand ausgerufen:
"Bleiben Sie zu Hause", da fängt er an zu delirieren, blutet aus der Nase - und wird vor
laufender Kamera erschossen, ein Militärkommando stand in der Kulisse bereit.
Die Königin der ehrwürdigen Joseon-Dynastie sitzt ungerührt im prächtigen Thronsaal, im Arm das Baby, das ihre Macht sichern soll - während vor der Tür ihr halb verhungertes, zombifiziertes Volk wütet. Zwei Szenen aus zwei koreanischen Serien, die auf Comics aus der Zeit vor Corona zurückgehen, aber verblüffend aktuell sind.
Südkorea beschäftigt sich schon eine Weile mit ...
"Scheiße, was für eine Sackgasse"
Kopfschuss, ein Passant sackt zusammen, gesehen im Zielfernrohr, projiziert über der Partygesellschaft, die auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper die Gläser erhebt - beziehungsweise im soundsovielten Stockwerk eines metropolitanen Nobelhotels. Am offenen Fenster steht das Gewehr, mit dem besonders forsche Gäste in den Alltagstrubel unten auf der Straße ballern. Nur Max nicht, vor 200 Jahren noch "Jägerbursche", nun Angestellter beim zynischen Großunternehmer Kuno. Später erfahren wir, dass alles nur ein Paintball-Fake war, aber da ist der erste Akt des
Freischütz
schon ruiniert, unterminiert, dekonstruiert.
Was zu diesem Abend insofern passt, als er insgesamt eine Dekonstruktion aller Operngewohnheiten darstellt.
Freischütz
...
Ihre Wut ist kostbar
Im vergangenen Juni, nach dem Tod von George Floyd, fragte Hengameh Yaghoobifarah in ihrer
taz-
Kolumne: "Falls die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus aber nicht: Was passiert dann mit all den Menschen, die heute bei der Polizei sind?" Der "Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset" sei in dieser Berufsgruppe so hoch, dass von ihrer Wiederverwendung in zivilen Berufen abzuraten sei. Nur die Mülldeponie komme infrage: Allerdings "nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."
Innenminister Seehofer ...
Ende Gelände
Trotz aller Skandale und Unruhen der letzten Jahre bilden die Vereinigten Staaten noch immer den Prototyp dessen, was man die westliche Gesellschaft nennt. Hier zeigen sich deren Entwicklungsmuster mit großer Deutlichkeit, hier wird offenbar, was vom alten Fortschrittsglauben noch übrig ist.
Wir haben nicht beliebig viele Beschreibungsmuster zur Verfügung, um den Wandel von
Gesellschaften zu begreifen. Der Fortschritt ist und bleibt dafür das Master-Narrativ. Die
modernen Gesellschaften betrachten sich seit der Aufklärung bevorzugt im Rahmen eines Musters
der strukturellen Steigerung zum Besseren, ob quantitativ oder qualitativ. Die soziologische
Grundannahme lautet, dass sich die Moderne - im Gegensatz zur statischen Vormoderne ...
Aber immer mit Leidenschaft
Darf eine Feministin Männern verfallen? Für sie die Kinder im Stich lassen, nur um später reuig zu ihnen zurückzukehren? Isabel Allende hat ein Buch über Feminismus geschrieben, das unter anderem diese Frage beantwortet.
Was wir Frauen wollen
ist ein Plädoyer, feministische Errungenschaften nicht für selbstverständlich zu halten. Leidenschaftlich ist dieses Manifest, bisweilen kämpferisch, und "leidenschaftlich" ist der Begriff, den Allende im Zusammenhang mit dem eigenen feministischen wie sexuellen Begehren am häufigsten bemüht.
Allendes Romane wurden seit dem
Geisterhaus
von 1982 in Dutzende Sprachen übersetzt, sie ist nicht nur hierzulande die meistgelesene lateinamerikanische Autorin der Gegenwart. Daher ist man neugierig ...
Wenn plötzlich ein Therapeut erzählt
Die Protagonistin in diesem Roman hat einen Namen, lebt an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Kim Jiyoung, Südkorea, 1982 bis 2015. Das ist erst mal nichts Besonderes. Besonders ist, dass diese drei Parameter fast komplett auswechselbar sind. Es könnte auch heißen: Jane Doe, USA, 1972 bis 2005. Oder Erika Musterfrau, Deutschland, 1992 bis 2025. Denn was dieses Buch so erfolgreich macht, ist seine maximale Anschlussfähigkeit, die eine gewisse Austauschbarkeit voraussetzt.
Kim Jiyoung, geboren 1982
ist der dritte Roman der koreanischen Autorin Cho Nam-Joo. Er erschien 2016, wurde in Korea über eine Million Mal verkauft und war bald ...
Good hair days
Bei Erscheinen dieser Zeitung haben Deutschlands Friseursalons seit 65 Tagen geschlossen, am
1. März (dem Datum ihrer voraussichtlichen Wiedereröffnung) werden es 75 Tage gewesen sein.
Eine beträchtlich lange Zeit. Das menschliche Kopfhaar, dessen Pflege den Friseuren obliegt,
wächst täglich im Schnitt zwischen 0,3 und 0,5 Millimeter. Das ist individuell durchaus
unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab - von Alter, Geschlecht, Ethnie, Kulturkreis,
Ernährungsstatus oder schlicht der Jahreszeit. Im Winter, unter Mützen und ohne Licht,
verlangsamt sich der Prozess. Bei einem statistischen Mittelwert von 0,4 Millimeter Wachstum
pro Tag müsste jede/jeder Deutsche Anfang ...
"Da sind wirklich Fehler passiert, für die ich Verantwortung trage. Aber: Wir wollen Aufklärung"
Wie tief diese Kirchenkrise geht und in welcher Bedrängnis der Erzbischof von Köln derzeit steckt, merkt man vor allem daran, dass selbst kirchenpolitische Gegner mit Besorgnis über ihn sprechen.
Ein Sündenbock sei Kardinal Rainer Maria Woelki, mittlerweile fast völlig isoliert unter seinen katholischen Amtsbrüdern, mehr geduldet als geliebt von seinen Mitarbeitern, offen kritisiert nicht nur von Dutzenden Pfarrern vor Ort, sondern auch vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Kurzum: Der mächtigste der 27 deutschen Bistumschefs sei zugleich auch der einsamste.
So schilderte es dieser Tage ein deutscher Kirchenvertreter, dem der Reformgegner Woelki durchaus schon Ärger bereitet hat. Woelki hat es sich auch ...
Kennen wir sie?
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***
Volker Resing und Andreas Rinke betreten den Zoom-Raum als Erste. Resing sitzt zunächst vor einem verschneiten Dorf, dann auf einem Bauernhof.
Volker Resing:
Zoom mag ich, da kann man so schön mit den Hintergründen spielen.
Resing ist Chefredakteur der katholischen Zeitschrift "Herder Korrespondenz". 2009 schrieb
er das Buch "Angela Merkel:
Die Protestantin", in dem er die Kanzlerin als
Christin porträtiert. Er selbst ist Katholik.
Andreas Rinke:
Wie sieht es denn bei dir in echt aus, Volker?
Resing:
Das zeige ich dir gern, lieber Kollege! Schön, dass wir uns hier mal sehen.
In echt blickt man auf ...
Fehlende Regler
Vergangene Woche begegnete mir die sogenannte 85-Prozent-Regel, und für eine Weile musste ich jedem von ihr erzählen, so sehr leuchtete sie mir ein, bevor mir bewusst wurde, dass sie wahrscheinlich vollkommen nutzlos ist.
Die Regel geht zurück auf den Sprinter Carl Lewis, der in den Achtzigern viele Weltrekorde brach. Niemand verstand, wie Lewis das machte, weil er auf den ersten 40 Metern zu den Langsamsten zählte, nur um sich auf den folgenden 60 mühelos an die Spitze des Feldes zu setzen. Irgendwann stellte ein Trainer eine Kamera auf - so, dass die Sprinter darauf zurasten - und beobachtete, dass die ...
Narrenfreiheit ohne Masken
Am Heinrich-Heine-Platz, dem Tor zur Düsseldorfer Altstadt, machen zwei Männer eine Art Picknick. Sie stützen sich auf eine große Holzkiste, die ohne erkennbaren Grund auf dem Pflaster abgestellt ist, gleich gegenüber vom Backfischstand, an dem man nicht stehen darf. Zwischen ihnen: zwei Flaschen Wodka, die eine schon fast leer. Und ein Pils gegen den Durst. Ein Mann trägt Bart, der andere nicht. Die Masken stecken in den Taschen; geht ja nicht anders beim Trinken.
Am Karnevalssonntag vor einem Jahr hätte man die beiden kaum bemerkt. Da war die halbe Stadt auf den Beinen, gern mit Bierflasche in der Hand, um ...
Aufgescheucht
Die Hirschkuh sieht das Weiß, wie jedes Jahr spürt sie es nass und kalt unter ihren Hufen. Der erste Schnee fällt meist schon im November und wirkt wie ein Signal zum Aufbruch: Die Leitkuh führt ihr Rudel durch den Fichtenwald zu Lichtungen mit üppigen Heidelbeersträuchern. Sie müssen auf Vorrat fressen. Der Winter naht.
Einen Monat später das nächste Signal. Zur Wintersonnenwende ist der Tag kurz wie nie. Der Körper der Hirschkuh stellt sich jetzt ein auf die Winterruhe: Ihr Pansen, der größte der vier Wiederkäuer-Mägen, schrumpft um die Hälfte; ihr Herz, das sonst 60-mal in der Minute pumpt, wechselt in ...
Ich finde nur schwer Freunde. Was kann ich tun, damit ich nicht in meiner Einsamkeit versinke?
Liebe Ella,
vorweg: Ich habe einen tollen Ehemann, zwei süße kleine Kinder und durchaus ein paar Freundinnen und Bekannte. Aber ich fühle mich trotzdem sehr einsam! Ich habe das Gefühl, dass alle anderen mehr Freunde haben als ich und ich einfach keinen Anschluss finde. Die derzeitige Situation mit den Kontaktbeschränkungen verstärkt mein Einsamkeitsgefühl noch einmal. Aber es begleitet mich schon seit meiner Kindheit.
In jeder neuen Gruppe, in die ich reinkomme (Schule, Studium, Arbeit, Chor, Krabbelgruppe), habe ich stets das Gefühl, eine Außenseiterin zu sein und nicht so richtig reinzupassen. Dabei halte ich mich durchaus für sozial und aufgeschlossen.
Trotzdem ...
Kalt
Der Eisvogel kommt ganz plötzlich von hinten angeflattert, und mit ihm ein Gedanke: Mein Vater liebte Eisvögel. Ich habe aber keine Ahnung, was genau er an ihnen mochte, ich habe ihn nie gefragt. Also betrachte ich den Gedanken nur kurz, lasse ihn fortfliegen und gleite weiter. Es ist ein Wintertag, ich paddele im Spreewald, mein zweiter Tag auf diesen Wassern und in dieser Landschaft. Längst habe ich mich daran gewöhnt, dass in der Stille und dem gleichmäßigen Fluss nicht mehr viele Gedanken kommen und sie nicht lange bleiben.
Paddeln im Winter, da kann man zuerst über kalte Hände und Füße ...
Was mein Leben reicher macht
Meine Hütte liegt fast 3000 Meter hoch in den Walliser Alpen. Es ist sehr früh, das erste Licht erhellt die Gletscherlandschaft. Ich öffne den Vorhang: Ein junger Steinbock steht da ganz nah. Wir schauen uns an, und ich bin so dankbar dafür, dass er mich hier oben in seinem Reich akzeptiert.
Brigitte Parson,
St. Nikolaus, Schweiz
Ein simples Stück Blech, ein Wegweiser. "Stockholm 26 Kilometer" steht darauf. Vor einem Vierteljahrhundert hat es mich hierher verschlagen, und noch immer liebe ich das Land und seine Menschen. Das Schild erinnert mich daran, dass dieser Traum Wirklichkeit ist.
Andreas Fischer,
Vallentuna, Schweden
Die ...
... eine Fluglinie zu erfinden
Nach der Insolvenz unserer isländischen Billigfluggesellschaft WOW air haben viele Firmen behauptet, sie würden die Lücke schließen. Da dachte ich, das mache ich auch! Ich studiere an der Kunstakademie Islands und bekam für ein Projekt fünf Wochen Zeit, um irgendetwas zu erforschen oder zu erschaffen. Also erforschte ich, wie man eine Airline gründet. Ich hörte mir an, was diese neuen Anbieter versprachen, und stellte fest, dass da gar nichts war. Die sagten einfach, sie hätten viel Geld und Flugzeuge, die bald abheben würden. Beweise dafür sah ich nicht.
Also baute ich in fünf Tagen eine Website und Social-Media-Auftritte, schrieb Pressemitteilungen ...
HARALD MARTENSTEIN
Der Sohn eines Kollegen studiert in Kiel ein naturwissenschaftliches Fach. Er hat eine Mail bekommen. Absender war das Studierendenparlament. Darin stand:
"Um ein ausgewogenes Verhältnis in strittigen Debatten sicherstellen zu können, haben wir die Möglichkeit eingeführt, während der Sitzung einen Geschäftsordnungsantrag auf eine hart quotierte Redeliste stellen zu können. Das bedeutet, dass immer eine männliche und eine FLINT* (female, lesbian, inter, non-binary und trans*)-Person abwechselnd sprechen dürfen und die Redeliste geschlossen wird, wenn sich keine nicht-männliche Person zu Wort meldet."
Leider muss ich gegen eine journalistische Grundregel verstoßen. Eigentlich sollte ich erklären, was all diese Begriffe bedeuten, nicht jede Person ...
Isoliert betrachtet
Von Christoph Amend
Ein Dreivierteljahr ist es her, dass wir zuletzt miteinander gesprochen haben, wieder sitzt Ingmar Björn Nolting, 25, in seiner Wohnung in Leipzig vor seinem Laptop. Damals, im Mai, waren Zoom-Calls noch befremdlich. Der Fotograf war gerade von einer ungewöhnlichen Deutschlandreise zurückgekehrt und wirkte noch ziemlich aufgekratzt wegen all der Eindrücke, die er gesammelt hatte.
Als Angela Merkel am 18. März im Fernsehen den ersten Lockdown verkündete, beschloss Nolting, der kurz zuvor sein Fotografiestudium in Dortmund abgeschlossen hatte und nach Leipzig gezogen war, loszufahren: Er lieh sich den VW Polo seiner Eltern, obwohl er eigentlich, wie er mir sagte, " ...
Neuerdings sind wir auch sehr an anderen Meinungen interessiert
Von SOPHIE PASSMANN
Meine Freunde und ich sind nicht besonders einfallsreich. Unsere Haltung zu den meisten
Themen kann man im Internet nachlesen, oft sind wir empört oder schockiert oder verletzt, mit
ein paar Nuancen Unterschied hören wir die gleiche Musik und finden Taylor Swift natürlich
fantastisch.
Wir sehen mindestens ein soziales Netzwerk aktuell
kritisch,
es gehört Russland oder China. Wären wir mutiger, hätten wir zumindest lustige Handyhüllen und
hätten beim letzten Mal Die Linke gewählt, wir sind uns im Nachhinein betrachtet alle nicht
mehr sicher, ob die Hoodies mit den Europa-Sternen wirklich eine gute Idee waren, aber es gibt
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