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Inhaltsverzeichnis vom 04.02.2021
DIE ZEIT
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Freut euch
Als das neue Stadtparlament von Bern in der vergangenen Woche zum ersten Mal tagte, rieb sich manch einer die Augen: 70 Prozent der Parlamentarier waren Parlamentarierinnen, also Frauen. Und das ausgerechnet in jenem Land, in dem die Männer ihren Frauen erst vor 50 Jahren, am 7. Februar 1971, in einer Volksabstimmung das Stimm- und Wahlrecht zugestanden. Ein Land, das bis heute im Ruf steht, ein hinterwäldlerischer, konservativer und männerbündlerischer Fleck zu sein.
Das irritiert. Nicht nur die Auswärtigen, die gern ihre Schweiz-Klischees vom feministischen
heart of darkness
pflegen. Sondern auch die Einheimischen. Eigenartig rückwärtsgewandt wird in diesen Wochen landauf, landab ...
Ehre sei ihnen, meinen Heldinnen
Die Urmütter Jahrgang 1863, 1870, 1883 und 1885
Meine Urgoßmutter Berta war eine zierliche Frau. Sie hatte 15 Kinder. Und ein paar Fehlgeburten. 20 Schwangerschaften vermutet man. Über 15 volle Jahre, etwa 5500 Tage und 5500 Nächte, trug Berta Kinder in ihrem Bauch. Das bedeutete für sie Lebensgefahr, Beschwerden und Schmerzen. Solche Gefahren, Beschwerden und Schmerzen waren zu ertragen, manchmal sogar mit Freude. Sofern das Kind mit Freude entsteht. Und wenn nicht pausenlos eins im Körper nistet.
20 Mal in ihrem Leben schrie, presste und würgte Berta nach einer beschwerlichen Schwangerschaft ein großes Kind auf die Erde, durch ihr schmales Becken, d ...
Diese Frau macht Frauen mächtig
Bern, Anfang Januar. Kathrin Bertschy lacht in sich hinein, während sie zwei Wörter auf einen Zettel schreibt. Dann klatscht sie ihn auf die weiße Wand: "Sturm aufs Stöckli", steht drauf. Sie dreht sich zu ihrem Team um: "Die Wahlen sind zwar erst in knapp drei Jahren, aber die Weichen stellen wir heute." Bertschy möchte mehr Frauen im Ständerat. Und nicht nur dort.
Kathrin Bertschy, 41 Jahre alt, National-rätin der Grünliberalen (GLP), ist heute eine der wichtigsten Frauenförderinnen in der Schweizer Politik. Ihr Geschick zeichnete sich schon ab, als wir uns vor fünf Jahren zum ersten Mal trafen. Mir fielen ...
Geld und Ohnmacht
Reden wir mal nicht nur über Meinungsfreiheit und Demokratie. Reden wir mal über Geld. Und über Macht.
Als Facebook, Twitter, YouTube und Co. nach dem Sturm auf das US-Kapitol den Noch-Präsidenten Donald Trump blockierten, ist schockartig klar geworden, welch enorme Macht die Digitalkonzerne haben. Auch wenn man die Verbannung Trumps für richtig hält, bleibt die Frage: Ist es für liberale Öffentlichkeiten gesund, wenn global operierende Privatunternehmer darüber bestimmen, wer an zentraler Stelle am politischen Diskurs teilnimmt?
Keine andere Firma, kaum eine staatliche Institution hat derlei Macht, kann so ungebunden agieren. Deshalb ist die Regulierung der Plattformen eine der Zukunftsfragen der ...
Der Zar zittert
Dieses Urteil sagt wenig über Alexej Nawalny, aber viel über Wladimir Putin. Der Oppositionspolitiker Nawalny muss für zwei Jahre und acht Monate in ein Straflager, aufgrund eines Urteils von 2014, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als "willkürlich" und "konstruiert" eingestuft hat. Man braucht kein Jurist zu sein, um zu sehen: Dieser Schuldspruch ist Putins persönliches Urteil über seinen politischen Konkurrenten.
Die Moskauer Gerichtsentscheidung sollte im Westen Anlass sein, das Russland-Bild zu überprüfen. Manche in Deutschland beruhigen sich ja damit, dass Putin zwar nicht nett regiere, dafür aber als Stabilokrat das Reich mit harter Faust zusammenhalte. Der Umgang mit Nawalny ...
Reicht es für alle?
Wenn Politiker nervös werden, berufen sie Gipfeltreffen ein. In der letzten Woche fanden nun gleich zwei Impfgipfel statt, was zeigt, dass die Regierenden immer ratloser sind angesichts der Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Impfstoffs und der öffentlichen Unzufriedenheit damit. Am Dienstagabend dieser Woche gab Angela Merkel sogar ein fünfzehnminütiges Fernsehinterview - das macht sie nur, wenn die Lage wirklich ernst ist.
Bis Montag waren in Deutschland im Schnitt 2,9 Impfdosen je 100 Einwohner verabreicht worden, in den Vereinigten Staaten 9,4, in Großbritannien 14,4 und in Israel sogar 56,2. Logisch, dass da viele denken: Geht das nicht ...
Auge in Auge
Die Verhaftung Alexej Nawalnys in Moskau, kurz nach seiner Rückkehr aus Deutschland, ist von der Kanzlerin, vom Außen- und Verteidigungsministerium, von den Grünen und den Liberalen hart verurteilt worden. Nur von einem war tagelang nichts zu hören: dem neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet.
Es ist ein Schweigen, das Fragen aufwirft - nicht nur an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. Sondern an den Mann, der keine schlechten Aussichten hat, im Herbst deutscher Bundeskanzler zu werden. Den Mann, der als deutscher Regierungschef mit Putin, Xi Jinping oder Erdogan zu tun haben würde. Wie sieht er das Verhältnis von Macht und Moral? Ist Armin Laschet ein ...
Tod von oben
DIE ZEIT:
Frau Franke, Sie sind Expertin für Kampfdrohnen - warum beschäftigen Sie sich mit dieser Waffengattung, die auf viele Menschen fast so anstößig wirkt wie die Atombombe?
Ulrike Franke:
Oh, da gehen Sie aber sehr weit! Anfang der 2010er-Jahre stürzte sich die Öffentlichkeit auf diese Debatte. Diese Systeme schienen revolutionär und potenziell ganz besonders gefährlich. Auch weil diese Waffengattung die Öffentlichkeit so faszinierte, beschloss ich, meine Doktorarbeit über das Thema zu schreiben. Mir fiel auf, dass der Streit über Drohnen auf einer sehr dünnen Datenlage geführt wurde. Es gab viele Annahmen und sofort auch viel Widerstand, aber ...
Zukunft auf Arabisch
Wonach klingt Zukunft auf Arabisch? Nach Freiheit oder nach mehr Härte? Kommt die Wirtschaft vom Öl los? Die Politik von den Waffen? Vor zehn Jahren stürzten die ersten arabischen Diktatoren. Auf Kairos Tahrir-Platz lagen sich Fremde in den Armen. Die Aufbruchstimmung erfasste Bahrain, Syrien, Marokko. Für viele war Zukunft nicht länger das, was eben kommen würde - sondern ein Glück. Heute sind bis auf Tunesien die arabischen Staaten durchweg weniger frei als 2011. Die Zukunft wird wieder von oben vorgegeben, von den Mächtigen.
Saudi-Arabien, Januar 2021: Kronprinz Mohammed bin Salman, 35 Jahre alt, wirbt vor
Investoren für eine neue Stadt ...
"Die Kuh soll im Stall bleiben"
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Stolz war die Eidgenossenschaft darauf, die zweitälteste Demokratie auf Erden zu sein, gleich nach den Vereinigten Staaten, ein freies und fortschrittliches Land also. Und dann kommen ein paar von der Höhenluft beschwipste Bergbewohner daher und - lassen die Frauen mitmachen?
Es war Samstag, der 2. März 1957. Die Schweizer stimmten an jenem Wochenende darüber ab, ob künftig nicht nur die ausgemusterten Männer, sondern auch die Frauen den sogenannten Zivilschutzdienst zu leisten hätten. Die Schweizerinnen selbst hatten, anders als die Frauen in fast allen anderen Staaten Europas, kein Stimm- und Wahlrecht. In Unterbäch, einem Bergdörfchen im Kanton Wallis, störte sich jedoch ...
Militärputsch in Myanmar Verdient die "Lady" Unterstützung?
Für viele war sie längst keine Heldin mehr: Aung San Suu Kyi, die einstige Bürgerrechtlerin, hat als De-facto-Regierungschefin des südostasiatischen Myanmar ihre globale Fangemeinde bitter enttäuscht. Vor allem, dass sie der Diskriminierung und Verfolgung der muslimischen Rohingya-Minderheit im Land weitgehend tatenlos zusah, beschädigte ihr Image als Ikone einer besseren, moralischen Politik schwer. Jetzt wurde die "Lady", wie ihre Anhänger sie nennen, durch einen Putsch gestürzt und inhaftiert, die Armeeführung hat in Myanmar (wieder einmal) die Macht ergriffen. Bedeutet das angesichts der umstrittenen Politik der bisherigen Regierungschefin nun vielleicht gar keinen so großen Unterschied?
Das wäre ein Fehlschluss. Trotz ihrer fragwürdigen ...
Fast hätte er regiert
Es ist egal, wo Thüringens Ex-Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich auftaucht - irgendwann geht es immer darum, was hätte sein können, wenn das Unmögliche möglich gewesen wäre. Wenn er noch regieren würde. Die Frage verfolgt ihn. Nicht nur zu seinem Nachteil.
An einem Donnerstag im Januar zum Beispiel, der Landtagsabgeordnete Kemmerich besucht eine Thüringer Tanzschule, die gerade schwer gebeutelt ist vom Corona-Shutdown. Der Chef der Tanzschule erklärt ihm, wie schwierig es sei, wirtschaftlich zu überleben, wenn im Januar noch nicht einmal die Novemberhilfen ausgezahlt seien. Man versteht sofort sein Leid. Und irgendwann sagt der Tanzlehrer: Eine Regierung Kemmerich hätte er gerne erlebt. " ...
Wo bleibt unser Köpfchen?
***
***
Ende vergangener Woche geschah zweierlei. Zunächst berichtete mir der Chef eines großen
deutschen Konzerns vertraulich von ausländischen Großaktionären, die Deutschland nicht mehr
verstünden. Das Unglück des Bahnhofbaus in Stuttgart oder die Pleite mit dem
Hauptstadtflughafen BER - so was könne ja passieren. Aber der deutsche Umgang mit Corona lasse
sich nur noch als Zeichen der Schwäche verstehen. Als Ausweis mangelnder Tatkraft und
verschleppter Digitalisierung. Als unerwartetes und gravierendes Standortproblem.
Wenige Stunden später erlebte ich die Standortschwäche selbst, in Nordrhein-Westfalen. An dem Tag nämlich kam ich endlich bei der Hotline durch, um meinen Eltern im Alter von Mitte achtzig Impftermine zu ...
INHALT
POLITIK
Impfdiplomatie
Was geschehen müsste, um mehr Vakzinen für möglichst viele Länder produzieren zu können von Andrea Böhm und Mark Schieritz
2
CDU
Kann der neue Parteivorsitzende Armin Laschet auch Außenpolitik? von Mariam Lau und Michael Thumann•
3
Verteidigung
Kampfdrohnen sind weder gut noch böse - ein Interview mit der Sicherheitsexpertin Susanne Franke
4
Arabellion
Zehn Jahre danach - was bleibt von den Aufständen in der arabischen Welt? von Lea Frehse
5
Frauenrechte
Warum die Schweizerinnen erst seit 50 Jahren wählen dürfen von Samiha Shafy•
6
Putsch in Myanmar
Verdient die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi noch internationale Unterstützung? von Jan Ross
6
Thüringen
Der ...
Die Scheinheiligen
Fragt man die Schauspielerin Jana Wagenhuber, warum sie sich an einem frostigen Wintertag vor einem Pelzgeschäft in der Hamburger Innenstadt auszieht, ihre selbst genähten Stulpen überstreift, den Oberkörper mit Ketchup beschmiert und sich halb nackt auf ein Kojotenfell legt, warum sie sich von Passanten begaffen und später auf Facebook als Silikon-Schönheit verspotten lässt, warum sie eine halbe Stunde lang vor Kälte bibbert und warum sie lange darüber nachgedacht hat, ob ihre entblößten Brüste die bestmögliche Provokation abgeben könnten, dann bekommt man viele Antworten.
"Weil alles perfekt sein muss."
"Weil ich es für Peta tue" - Peta, die gemeinnützige Organisation der ...
Gurgeln für die Gerechtigkeit
Liebe:r Eugen Ruge, liebe Leser:innen,
für mich als Germanist:in mit dem Schwerpunkt "Sprache und Geschlecht" ist es erfreulich, dass die
ZEIT
dem Thema einer geschlechtergerechten Sprache eine ganze Seite widmet. Umso bedauerlicher ist es, dass die aufgeführte Perspektive von Frau Ruge verkürzt, unwissenschaftlich und mitunter leider schlichtweg falsch ist.
So ist es etwa wenig plausibel, genuslose Sprachen wie das Englische oder das Türkische mit Sprachen wie dem Deutschen, die einem Genussystem folgen, zu vergleichen und daraus Schlüsse über die Geschlechtergerechtigkeit in dem entsprechenden Land zu ziehen.
Liebe:r Eugen Ruge, waren Sie irritiert ob der Anrede als ...
Farblosigkeit als Erfolgsmodell
Wenn wir von Politikern Charisma erwarten, dann verdeckt dies die eigentliche Anforderung an Politik: nämlich die entscheidenden Fragen zu erkennen und Lösungen im Sinne eines Gemeinwohls zu entwickeln. Und es verdeckt unsere mangelnde Bereitschaft, als Bürgerinnen und Bürger selbst Verantwortung zu übernehmen.
Meine Präferenz ist jedenfalls ein PolitikerInnen-Typus, der mit kühlem Kopf, Sachverstand,
Verantwortungsbewusstsein und natürlich auch mit Herz sowie im Diskurs mit der Gesellschaft
Lösungsansätze für die schwierigen Fragen sucht. Er muss gleichzeitig in der Lage sein, auch
unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Ich finde es mutig, sich in diesen Zeiten für eine
Führungsposition in der Politik zu bewerben.
...
War Hitler doch ein Betriebsunfall?
Der 150. Jahrestag der Gründung des Deutschen Kaiserreichs hat eine Flut von Veröffentlichungen hervorgerufen, darunter mehrere der Historikerin Hedwig Richter, die eine Professur für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München innehat. In der
ZEIT
Nr. 4/21 hat sie sich erneut ihrem Lieblingsgegner zugewandt, den wirklichen oder vermeintlichen Verfechtern der These von einem deutschen Sonderweg in die Moderne. Anlass ihrer Intervention war ein Beitrag des Marburger Historikers Eckart Conze, der davor gewarnt hatte, die fortschrittlichen Seiten des Kaiserreichs in einem Maß zu betonen, dass darüber zu kurz kommt, was sich nach dem Sturz der Monarchie im ...
"Verunreinigtes Blut"
Die einen tragen einen gelben Judenstern, in dessen Mitte stolz das Wort "Impfgegner" prangt; sie setzen Angela Merkel, Christian Drosten oder Bill Gates mit Adolf Hitler oder dem KZ-Arzt Josef Mengele gleich. Andere weisen "den Juden" die Schuld an der Corona-Krise zu; allein in Bayern wurden mehrere Hundert antisemitische Vorfälle im Zusammenhang mit sogenannten Querdenker-Demos gemeldet. Eine verstörende Entwicklung. Neu jedoch ist die Verbindung von Impfkritik und antisemitischem Verschwörungsdenken nicht: Ihre Geschichte reicht bis weit hinter die Jahre des Nationalsozialismus zurück.
Systematisch geimpft wird in Europa seit Beginn des 19. Jahrhunderts - zunächst gegen die Pocken
(ZEIT
Nr. 15/20) -, und ...
Ist auch Ahmed I. ein Opfer von Walter Lübckes Mörder?
Es gibt Floskeln, die manchmal schnell dahergesagt und entsprechend oft zu hören sind. "Aus Worten werden Taten" ist so ein Satz. Der Mord an Walter Lübcke hat auf erschreckende Weise gezeigt, wie berechtigt diese Warnung sein kann. Ein absichtlich verkürztes Video einer Bürgerversammlung hatte den CDU-Regierungspräsidenten vom regionalen Chefbeamten zum bundesweit bekannten Feindbild eines Milieus gemacht, das von der Neonazi-Szene bis in die AfD reicht. Sein späterer Mörder Stephan Ernst sitzt, voller Wut brüllend, daneben, als der Clip entsteht. Fast vier Jahre später, in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019, schießt er Lübcke aus nächster Nähe in ...
Das teure Nest
Vielleicht war die Aufmerksamkeit zuletzt einfach abgelenkt. Vielleicht hat unsere Gesellschaft die Sache mit dem Eigentum für eine Weile kaum bedacht, weil das Wirtschaftswachstum lange beruhigend wirkte. Dann kam Corona. Nun, da die liberale demokratische Ordnung sich vielerorts in ein politisches Erdbebengebiet verwandelt, fällt auf, dass die verbreitete Schwierigkeit, Eigentum zu erwerben, politisch brenzlig werden kann. Die einen besitzen Wohnungen, die meisten mieten sie, das war in Deutschland immer schon so, doch seit ein paar Jahren verschiebt sich etwas. Nun wird es spürbar: Der coronamüde Mittelschichts-Nachwuchs, der nichts besitzt, hat mit seinen frisch zerknickten Biografien allen Grund, nervös zu werden, w ...
Mit warmer Hand gegeben
Für Mathias Döpfner war der 24. September 2020 ein besonderer Tag. Die Verlegerin Friede Springer erklärte den heute 58-jährigen Manager zu ihrem Nachfolger. Und sie kündigte an, ihm Verlagsanteile zu schenken, deren Wert auf ungefähr eine Milliarde Euro geschätzt wird. Was 50-mal mehr Geld ist, als man bei der Ziehung der Lottozahlen am darauffolgenden Wochenende für sechs Richtige plus Superzahl hätte gewinnen können. So viel Glück hatte allerdings niemand.
Anders als Lottogewinne sind Schenkungen zu versteuern. Genau wie bei Erbschaften gilt: Außerhalb der eigenen Familie bleiben 20.000 Euro verschont, darüber hinaus gilt ein Steuersatz von 30 bis 50 Prozent. I ...
Der 400-Milliarden-Euro-Jackpot
Wie viel wird in Deutschland vererbt?
Genau weiß das niemand. Auch wenn das Statistische Bundesamt dazu allerhand Zahlen parat hat: Ihm zufolge wurden 2019 Vermögen im Wert von 39 Milliarden Euro steuerpflichtig vererbt oder schon vor dem Tod an die Nachkommen steuerpflichtig verschenkt. Für Erbschaften und Schenkungen gelten weitgehend gleiche Regeln (und auf beide bezieht sich dieser Text). Die Summe entspricht etwa dem Budget des Bundesverkehrsministeriums. Zu einem kleineren Teil handelt es sich bei den Erbschaften um Betriebsvermögen, also Unternehmen. Darauf entfielen knapp drei Milliarden Euro. Immobilien machten 17 Milliarden Euro aus. Der Großteil, 26 Milliarden Euro, gehört zur Kategorie ...
"Wir sollten Erbschaften infrage stellen"
DIE ZEIT:
Herr Beckert, ist Erben gerecht?
Jens Beckert:
Da gibt es traditionell sehr unterschiedliche Antworten selbst innerhalb einer Denkrichtung. Bei den Liberalen etwa sagt die eine Seite: Erben ist gerecht, weil Eingriffe eine Verletzung der freien Verfügung über Eigentum sind. Die andere Seite sagt: Erbschaften sind nicht zu vereinbaren mit einer Leistungsgesellschaft. An die Geburt gebundene Privilegien dürfen nicht über die Chancenverteilung entscheiden.
ZEIT:
Was denken Sie selbst?
Beckert:
Wir sollten Erbschaften teilweise infrage stellen, wenn wir uns als Leistungsgesellschaft verstehen. Soziale Ungleichheit muss zurückgeführt werden können auf die unterschiedliche Leistung der Menschen. Daraus folgt ...
Er hat die Falschen gejagt
Am Ende blieben den beiden obersten deutschen Finanzaufsehern Felix Hufeld und Elisabeth Roegele wohl nur noch die falschen Unterstützer. Solche, die Sätze sagen wie diesen: Zu keiner Zeit habe es Hinweise gegeben, dass sich Aufsichtsstellen "pflichtwidrig oder in irgendeiner Form unlauter verhalten hätten". Der Mann, der da alles im Reinen sah, sitzt seit vergangenem Juli in der Justizvollzugsanstalt Gablingen. Sein Name ist Markus Braun, bis Juni 2020 war er Chef des deutschen Skandalkonzerns Wirecard. Er wird verdächtigt, zu den Verantwortlichen für den Milliardenbetrug zu gehören, was er bestreitet. Ausgerechnet Braun also hatte bei seiner Aussage vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss im November ...
"Die Leute wurden zu Haien"
Jason Frank war Soldat in Afghanistan. Er hat schon viele riskante Situationen gemeistert. Das Schlachtfeld, auf dem er heute mit Computer und Wertpapierdepot seine Position bezieht, ist nicht mehr die felsige Region am Hindukusch, sondern die Wall Street. Doch auch hier ist es mitunter sehr gefährlich.
Bei seinen etwa 200.000 Fans auf der Streaming-Plattform Twitch ist der 35-Jährige bekannt als The Stock Guy, "der Aktientyp". Er gehört zur Schar jener Amateuranleger, die in den jüngsten Wochen selbst die härtesten New Yorker Spekulanten das Fürchten gelehrt haben. "So etwas hätte ich nie erwartet", sagte Frank der
ZEIT
vor einigen Tagen. U ...
Der Google-Minister
Wer hätte das gedacht? Google und Jens Spahn stehen gemeinsam vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten sich zusammengetan und ihre Markt- und Staatsmacht missbraucht, um das Feld für Gesundheitsinformationen zu dominieren. Es ist ein Eilverfahren, und das Landgericht München hat für den kommenden Mittwoch eine Entscheidung angekündigt.
Kläger ist das Unternehmen NetDoktor.de aus München, es wurde vor mehr als zwanzig Jahren als Ratgeber für Gesundheitsthemen gegründet und finanziert sich durch Werbung auf seiner Website. Inzwischen gehört es zum Burda-Verlag, und egal wie das Verfahren kommende Woche ausgeht, werden beide Seiten wohl in die nächste Instanz gehen. Dafür steht ...
Lassen Sie mich durch, ich bin Chef
Stellen Sie sich vor, Sie sind Pfleger einer Klinik im Hamburger Umland, und dort beginnen die Impfungen gegen das Coronavirus. Sie stehen täglich in direktem Kontakt mit Patienten, haben selbst aber noch keinen Impftermin. Dafür wurde der Geschäftsführer Ihrer Klinik gleich zu Beginn der Kampagne geimpft.
Oder Sie wohnen in Hennef im Rhein-Sieg-Kreis und versuchen, einen Impftermin für Ihre über 80-jährige Oma zu bekommen. Der 31 Jahre alte Bürgermeister der Stadt aber war schon Anfang Januar dran - und der ehemalige Bürgermeister.
Oder stellen Sie sich vor, Sie sind Feuerwehrmann in Köln. Sie fahren auch Rettungswagen, kommen Covid-Kranken also sehr ...
INFLATION
DIE ZEIT:
Herr Goodhart, Sie glauben, dass die Inflation in den kommenden zwei Jahren deutlich steigt. Haben Sie Ihr Geld schon in Sicherheit gebracht?
Charles Goodhart:
Ja, ich habe Wertpapiere, die inflationsgeschützt sind, und besitze außerdem Aktien und Immobilien.
ZEIT:
Für alle Menschen, die bislang andere Sorgen hatten: Wieso sollten sie sich vor Inflation fürchten?
Goodhart:
Weil sie wahrscheinlich kommen wird. Es gibt verschiedene Gründe dafür. Der erste und wichtigste Grund ist, dass die Geldmengen weltweit steigen. Schneller als je zuvor in Friedenszeiten. Es ist sehr viel Geld da draußen, weil die Notenbanken dafür sorgen.
ZEIT:
...
"Tiefer geht es nicht"
Bianka Bergler, 39, ist Friseurmeisterin aus Dortmund. Seit zehn Jahren führt sie ihren eigenen Salon mit fünf Mitarbeitern, an normalen Tagen kommen 40 bis 45 Kunden zu ihr. Doch durch Corona ist Bergler zahlungsunfähig geworden. Vor wenigen Tagen postete sie einen Hilferuf auf Instagram. Das Video wurde über 2,4 Millionen Mal aufgerufen.
Mein Tiefpunkt:
"Vergangene Woche habe ich mit dem Jobcenter telefoniert. Danach war ich so verzweifelt, dass ich mein Handy weggeschmissen habe. Ich habe geschrien und geflucht und meine Partnerin gebeten, dieses Video von mir aufzunehmen. Ich saß auf der Couch, noch im Schlafanzug, und ließ meiner Wut ...
"Feiger Rückzug der Hormone"
Berlin-Schöneberg, Ende Januar. Ulrich Tukur, 63, öffnet die Tür einer herrlichen Altbauwohnung, er geht an Krücken. Kürzlich ließ er in einer aufwendigen Operation einen nicht ausgeheilten Bänderriss beheben. Jetzt muss er zwei Monate lang buchstäblich die Füße still halten. Schwer zu ertragen für einen Alleskönner (Schauspieler, Musiker, Schriftsteller), der eher die Überforderung als die Ruhe sucht.
DIE ZEIT:
Sie hatten jahrzehntelang Ihren Wohnsitz in Venedig. Wann sind Sie mit Ihrer Frau Katharina John nach Berlin übergesiedelt?
Ulrich Tukur:
Vor einem Jahr. Wir wollten endlich wieder pralles kulturelles Leben. Und ich wollte mich hier in der Theaterszene umsehen, vielleicht ...
Letzte Chance
Trecker sind Aliens im Großstadtdschungel, doch in Berlin gewöhnt man sich schon fast an sie. Vergangene Woche demonstrierten erneut Hunderte Bauern auf dem Alexanderplatz und vor den Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft. Obgleich sie in Hightech-Landmaschinen angerollt waren, im eigenen Wirtschaftsinteresse und mit teils populistischem Zorn: Ihre Konvois wirkten wie eine verzweifelt grollende Warnung, dass das Verhältnis zwischen Stadt und Land, zwischen Mensch und Natur aus dem Gleichgewicht geraten ist. Düngemittelverordnung, Insektenschutzstrategie, Niedrigstpreise für Milch und Fleisch, ein veraltetes Subventionsgestrüpp: Die Anlässe der Bauernproteste sind allesamt Symptome einer tiefen Krise der Landwirtschaft.
Und der Agrarpolitik: Jahrzehntelang zielte sie auf steigende ...
"Was nicht genehm ist, wird abgelehnt"
DIE ZEIT:
Frau Kostner, Herr Rödder, Sie haben gemeinsam mit 70 Kollegen aus deutschen Hochschulen das "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" gegründet. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist im Grundgesetz verbürgt. Woher kommt Ihr Eindruck, dass sie bedroht ist?
Sandra Kostner:
Die Einschränkungen gehen von Wissenschaftlern und Studierenden aus. Sie nutzen Forschung und Lehre, um die Gesellschaft zu verändern - gemäß ihrer politischen Einstellung. Ich nenne sie deshalb "Agenda-Wissenschaftler". Sie kennzeichnet ein absoluter Wahrheitsanspruch. Kritik begegnen sie nicht mit Argumenten, sondern mit moralischer Diskreditierung, sozialer Ausgrenzung und institutioneller Bestrafung.
Andreas Rödder:
Wir beobachten, dass an den Unis ein neues diskursives ...
Wo wir uns anstecken
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In einer idealen Welt hätten sich im März 2020 die 20 besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Landes in einem Pandemierat versammelt. Virologen, Epidemiologinnen und Intensivmediziner, aber auch Politik- und Rechtswissenschaftler, Soziologen, Ökonominnen und Pädagogen hätten sich gefragt: Was müssen wir wissen, woran müssen wir forschen, welche Fragen müssen wir beantworten, um diese Pandemie möglichst schnell und gut zu bewältigen?
Dann hätten sich die Wissenschaftler an die Arbeit gemacht. Hätten Studien und Versuche in Auftrag gegeben, hätten Daten gesammelt und ausgewertet. Miteinander vernetzte und technisch wie personell aufgerüstete Gesundheitsämter hätten die Infektionsketten nachverfolgt und ihre Erkenntnisse in ein gemeinsames System eingespeist. Eine ...
Auch im Knie sind Frauen und Männer nicht gleich: Der kleine Unterschied
Frauen und Männer sind in vielem gleich. Aber ihre Körper unterscheiden sich auch abseits der Geschlechtsorgane. Das Knie zum Beispiel, das größte Gelenk des menschlichen Körpers, das beim Laufen, Treppensteigen oder Springen mit einem Vielfachen des eigenen Körpergewichts belastet wird, funktioniert bei Männern und Frauen zwar erst einmal gleich: In verschiedene Richtungen verlaufende Bänder halten Oberschenkelknochen, Schienbein und Kniescheibe in Position zueinander und sorgen wie gespannte Gummibänder dafür, dass das Knie beweglich und stabil zugleich bleibt. Doch wer misst, wie die einzelnen Teile des Knies zueinander stehen, findet Unterschiede - zum Beispiel beim Q-Winkel.
Was ist das für ein Winkel?
...
Sorgenkinder
"Wer vorher zu Depressionen neigte, steht das jetzt nur schwer durch"
In dieser Jahreszeit hätte ich normalerweise jeden Tag 50 hustende, fiebrige Kinder in der Sprechstunde. Aber Erkältungsinfekte gibt es gerade keine mehr. Die Patientenzahlen sind um 30 Prozent zurückgegangen. Viele Kinder und Jugendliche sehe ich deshalb über lange Zeiträume nicht. Wichtige Zufallsbefunde fallen weg - so bleibt verborgen, wenn sich ein Mädchen ritzt oder stark an Gewicht verliert.
Wer vorher zu Depressionen neigte, steht das jetzt nur schwer durch. Ich habe diesen Jugendlichen immer geraten: Haltet an eurer Struktur fest, geht in die Schule. Aber an welcher Struktur sollen sie ...
Spuren einer wilden Jugend
Der Mars ist auch nicht mehr, was er mal war. Schon lange nicht mehr. Aber jetzt geschieht ganz viel auf einmal.Dieser Monat dürfte als roter Februar in die Geschichte der Weltraumforschung eingehen. Denn ab Montag nächster Woche kommen binnen zehn Tagen gleich drei Missionen dreier Nationen an, die im vergangenen Juli gestartet sind
(ZEIT
Nr. 24/20). Das gab es noch nie. Und diese Ballung birgt noch dazu lauter Premieren.
Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre erste Sonde in einen Orbit um den Planeten platzieren, die Chinesen versuchen sich zum ersten Mal an der Landung eines Rovers auf seiner Oberfläche, u ...
Der Pate unseres Erdzeitalters
Ein altes Schwarz-Weiß-Foto, darauf eine Frau mit einem Kleinkind. "Ich habe mich ganz schön verändert. Alles hat sich ganz schön verändert ..." Die Stimme des kleinen, grauhaarigen Mannes klingt weich beim Anblick des 77 Jahre alten Fotos, das ihn und seine Großmutter zeigt. Für eine gute halbe Stunde wird er sprechen, vor Wissenschaftlern und Studierenden auf dem KlimaCampus in Hamburg über das Ozonloch, über Treibhausgase und die Ressourcengrenzen der Erde. Seine Sprache ist da bereits schleppend, manches Wort wiederholt er, manchen Satz bricht er ab, den Blick oft starr auf die Folien gerichtet. Paul Crutzen ist gebeugt, die Anstrengung ...
Mit künstlicher Intelligenz zum Kita-Platz
Künstliche Intelligenz (KI) ist gekommen, um zu bleiben. Sie optimiert nicht nur Industrieprozesse, sondern auch die Internetsuche, das Online-Shopping oder die Navigation im Auto - das ist inzwischen weitgehend bekannt. Doch wissen nur wenige, dass die Automatisierung auch innerhalb öffentlicher Institutionen eine wachsende Rolle spielt: von der Gesichtserkennung bei Polizeieinsätzen über Asyl-Entscheidungen bis hin zur Prüfung von Sozialhilfeansprüchen. Algorithmen haben heute erheblichen Einfluss auf die Lebenschancen von Menschen.
Das Thema ist daher hochpolitisch. Die Europäische Kommission arbeitet an einer KI-Regulierung, sie will technologische Innovation und Vertrauenswürdigkeit in Einklang bringen. Die politische Diskussion darf sich aber nicht nur auf die Technologie ...
Schreibende Maschinen
Das Gelände von Hogwarts knurrte in einer Welle magischen Windes. Der Himmel war eine
große schwarze Decke, die voller Blut war. Das einzige Geräusch, das aus Hagrids Hütte
drang, war das schnöde Quietschen seiner Möbel. Zauberei - das war in Harrys Augen etwas
sehr Gutes.
So könnte man den Anfang eines Kapitels aus
Harry Potter und das Porträt von etwas, das wie ein großer Haufen Asche aussah
übersetzen. Einem Band, den es bisher nur auf Englisch gibt - und den kaum einer kennt. Geschrieben hat diese Sätze auch nicht die Potter-Erfinderin J. K. Rowling, sondern eine Maschine, die von Computerfachleuten ...
Weggeratzt
Der Muskelberg
Braunbär
Bevor Braunbären sich zum Schlafen in ihre Höhle zurückziehen, fressen sie sich ein Fettpolster an. Die Häufigkeit, mit der sie aufwachen, liegt zwischen zweimal am Tag und einmal alle zwei Tage. Dabei erhöhen sie ihre Körpertemperatur für eine kurze Zeit auf die regulären 37 °C. Obwohl Bären sich während der Winterruhe wenig bewegen, bauen sie kaum Muskelmasse ab.
Winterruhe:
5 bis 7 Monate
Körpertemperatur:
von 37 °C auf durchschnittlich 33 °C
Herzschlag/Min.:
von rund 40 auf etwa 10
Der Eisklotz
Arktisches Ziesel
Zusammen mit der Haselmaus hält das Arktische Ziesel einen Kälterekord: Hat es sich zum Schlafen in seinen unterirdischen Bau zurückgezogen, k ...
Die neue Macht der Stimme
Ein mittleres Beben geht momentan durch das literarische Leben in Deutschland: Ein öffentlich-rechtlicher Sender plant wieder einmal eine Reform seiner Berichterstattung über Literatur. WDR 3 hatte kürzlich seine freien Mitarbeiter darüber informiert, dass es dort künftig keine Literaturrezensionen mehr geben werde, sondern Bücher in anderen Formaten vorkommen sollten, in Interviews zum Beispiel. Daraufhin war die öffentliche Empörung groß, zumal im NDR zuvor ebenfalls brachial gestrichen worden war, es gab Unterschriftenlisten mit Tausenden Unterzeichnern, selbst der Börsenverein des Deutschen Buchhandels protestierte. Schließlich ruderte man in Köln zurück: Alles sei nur ein Missverständnis, unter dem Stichwort "abwechslungsreicher" und "zeitgemäß" solle Literatur auf ...
Lebensgefährliche Ware
Es wäre ein Irrtum, die berühmte Streitkultur im Netz für vornehmlich politisch motiviert zu halten. Sie wird genauso wirr und leidenschaftlich von unserem Alltag und seiner Warenwelt befeuert. Nehmen wir Kabelbinder zum Beispiel - wer nicht schon vor Corona-Zeiten diese oder andere Verbrauchsartikel im Netz gekauft hat, weiß gar nicht, wie weit Kundenmeinungen auseinandergehen können. "Die Kabelbinder sind im Außenbereich nicht zu gebrauchen! Sie halten weder Kälte noch Hitze aus." - "Ich bin absolut begeistert, die Binder halten phänomenal und passen optisch perfekt zu meiner Balkonverkleidung." - "Die Kabelbinder gehen bei geringstem Widerstand sofort auf." - "Ich ...
Markierte Zielpersonen
Jemandem, der von dieser Geschichte noch nie etwas gehört hat - und das gilt vermutlich für viele -, würde man das alles vielleicht so erklären: Es gibt einen Blogger, der sich Don Alphonso nennt und mit bürgerlichem Namen Rainer Meyer heißt. Meyer ist laut Wikipedia 54 Jahre alt, er hat im Internet viele Fans (ungefähr 43.000 Follower bei Twitter), und einiges deutet darauf hin, dass manche von ihnen rechtsextrem sind. Von 2009 bis 2018 bloggte er für die
FAZ,
inzwischen schreibt er für die
Welt.
Ohne selbst je in einen justiziablen Bereich zu geraten, lenkt Meyer die Aufmerksamkeit ...
Das Gesicht bemalt
Der Metzger, der hinter der Theke das Fleisch zuschnitt, hatte ein dickes Pflaster am Daumen der linken Hand, fast wie erwartet.
*
Beim Darts-Spielen in der Sportsbar warf er zum ersten Mal zwei Pfeile hintereinander in die Triple 20, und er wunderte sich, warum vor dem dritten Pfeil keine Kamera in Nahaufnahme auf das kleine Feld zoomte, so wie es im Sportfernsehen in so einem Fall geschieht. Wie früher im Fußballstadion, wenn man nach einem Tor vergeblich die Zeitlupe erwartete.
*
Der Laudator hat seine Rede beendet, und nun stimmt er in den Beifall des Publikums ein, der den Weg der Geehrten ...
Impressum
Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906-1995)
Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef Joffe
Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) Helmut Schmidt (1918-2015)
Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni
di Lorenzo
Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing Editor),
Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich
Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Jochen Wegner, Dr. Stefan
Willeke (Chefreporter)
Chef/in vom Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle
Textchef:
Dr. Christof Siemes
Geschäftsführende Redakteure:
Patrik Schwarz, Andreas Sentker
Chefkorrespondentin:
Tina Hildebrandt
Internationaler Korrespondent:
Matthias Naß
Leitender Redakteur:
Hanns-Bruno Kammertöns
Redaktionsleiter Digitale Ausgaben:
Götz Hamann
Parlamentarischer Korrespondent:
...
Wie unständig von Ihnen
Die deutsche Sprache, so hat der schweigsame irische Dramatiker Samuel Beckett gesagt, sei
wunderbar plastisch - und viel anschaulicher als das Englische. Zur Illustration der These hob
er zwei Finger und nannte das deutsche Wort "Zweifel", in dem die Zahl Zwei, der Widerstreit
der Möglichkeiten, gebannt sei. Durch das Wort Zweifel selbst, fand Beckett, fahre der
Zwiespalt, den es bezeichne.
Wie fasziniert wäre Beckett gewesen, wenn er das Wort "unständig" gekannt hätte. Es umfängt
den, der von ihm bezeichnet wird, wie eine Zwangsjacke. Man weiß erst mal nicht genau, was es
bedeutet; aber man ahnt: Es ist nichts Gutes. Wer ...
"Querdenken" mit Rudolf Steiner
Viermal im Jahr veröffentlicht der anthroposophische Anbauverband Demeter sein Kundenmagazin, das gratis in Naturkostgeschäften und Biosupermärkten ausliegt und, an der Reichweite gemessen, keine Nischenpublikation ist; die Auflage von rund 280.000 Exemplaren ist fast so hoch wie die der
Süddeutschen Zeitung
.
Hefttypisch die Themenmischung der aktuellen Winterausgabe: Besuch auf einem Kraichgauer Möhrenacker, Kochrezepte (Möhren-Sanddorn-Suppe mit Einkorn, Graupen-Rote-Bete-Risotto), Anleitung zur Herstellung von Meisenknödeln aus hanfsamenhaltiger Körner-Frucht-Mischung sowie, unter dem Motto "Einatmen - Ausatmen", eine "Yoga-Übung für Urvertrauen". Nun läutet in Zeiten des pandemisch bedingten Lungenversagens ja allein schon das Thema Atmen ein Glöckchen - und die Frage nach dem ...
Alles glatt auf der Straße des Lebens
Manchmal erinnert Netflix an einen dieser hypermodernen Staubsauger, die noch in der hintersten Fugenritze Krümelchen und feinste Flöckchen aufspüren. Mehr als 4100 Titel bietet das Streamingportal allein in Deutschland an (zum Vergleich: in den USA sind es rund 12.000). Doch selbst die Algorithmen scheinen diesem Angebot nicht mehr gerecht zu werden. Oder wie lässt es sich erklären, dass Netflix seinen Kunden auf der Startseite die immer gleichen "personalisierten" Vorschläge liefert? Weshalb macht das Unternehmen nicht auf die Filme aufmerksam, die es rund um den Globus auf Festivals aufkauft und möglichen Kinomärkten wegschnappt? Und warum stopft man das Programm in ...
Wir crazy Sonderlinge
Es gibt einen berühmten Brief von Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater Leopold, in dem er über die Orgel schreibt, sie sei seine "Passion" und "der König aller Instrumente" (nicht "die Königin"!). Das Bekenntnis taucht jetzt als geflügeltes Wort wieder überall auf, da die Orgel zum "Instrument des Jahres" gekürt worden ist. Damit steht sie in einer Reihe mit anderen mehr oder weniger marginalisierten Musikinstrumenten wie der Bratsche oder dem Fagott, für die der Landesmusikrat Schleswig-Holstein seit 2008 den Nachwuchs begeistern will. Mittels diverser geförderter Veranstaltungen und Aktionen und mit prominenten Schirmherrinnen und -herren sollen sie kurz aus ihrer ...
"Einstweilen alles Liebe! Dein Erich"
Die Talkshow
3nach9
verlief anders als geplant an jenem Abend des 21. Januar 1983. Es sollte um den wieder erstarkenden Rechtsextremismus in der Bundesrepublik gehen, wozu man sich Auskunft aus erster Hand versprochen hatte: Eingeladen war der 27-jährige Michael Kühnen, militanter Mitbegründer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten und erst seit Kurzem wieder auf freiem Fuß - nach drei Jahren Haft wegen Verbreitung von NS-Propaganda. Er war der prominente Medienstar der Neonazi-Szene. Der Rundfunkrat von Radio Bremen diskutierte heftig, es kam zur Ausladung kurz vor der Aufzeichnung und zu Demonstrationen; der bereits angereiste Kühnen wurde nicht mehr in den Sender gelassen und ...
Schrecklicher Verdacht: War es diesmal etwa der Pfarrer?
Bereits zum zweiten Mal ist die Brücke vor ihrer Fertigstellung zusammengebrochen. Sie sollte das 100-Seelen-Dorf Oakham endlich mit der modernen Welt verbinden. Zu allem Unglück ist auch noch Tom Newman verschwunden, der wohlhabende Unternehmer, Freigeist und Motor des Brückenbaus. Nur sein Hemd wird von Pfarrer Reve flussabwärts in den Rohrkolben gefunden. Ein gutes Zeichen: Die Rohrkolben symbolisieren die Arme Gottes. Er hat den reichsten Mann des ärmsten englischen Dorfs gnädig aufgenommen.
Wir sind im Jahr 1491,
Westwind
heißt der vierte Roman von Samantha Harvey, und einen Wind aus Westen sehnt Dorfpfarrer John Reve in den nassen Tagen der Fastnachtszeit ...
Die gute Supermacht
Die Probleme beginnen im ersten Satz: "Nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Globus von derart vielen Krisen überzogen", schreiben Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Historiker Gregor Schöllgen in ihrem gemeinsamen Buch
Letzte Chance - Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen
.
Es fallen einem Dutzende Krisen und deutlich gefährlichere ein. Zum Beispiel die Berlin- und die Kubakrise, die fast einen neuen Weltkrieg ausgelöst hätten. Heute steht WK III nicht auf dem Programm. Gegen Covid und Klimakatastrophe kämpft die Welt gemeinsam. Doch verziehen sei eine Hyperbel, die die Leser "abholen" möchte. Heikler wird′s bei der kreativen Geschichtsschreibung.
"Den ...
Unbedingt reinhören
Sprechen wir über Kinderbücher! Das haben sich offenbar unterschiedlichste Menschen jetzt in der Corona-Zeit gedacht - jedenfalls sind gleich mehrere neue Podcasts entstanden, die sich ausschließlich mit der Literatur für junge Leser beschäftigen. Die "kleine" Literatur, die stets ein wenig darunter leidet, dass sie in den Feuilletons eher selten vorkommt und (zumindest gefühlt) von der Kritik weniger wertgeschätzt wird als die "große" Belletristik, fordert ihren Platz in der boomenden Podcast-Welt und schafft sich ihre Bühne damit einfach selbst. Lohnt es sich, reinzuhören?
Ja, unbedingt, wenn man zum Beispiel erfahren möchte, warum der Erfinder der
Rico, Oskar-
Bände, Andreas Steinhöfel, Kinderbuchautor ...
Gibt′s dieses Leben auch mit Happy End?
Was ist bloß geschehen, wenn ein zurückhaltender Teenager erst wie ein Verrückter in einem Kinosaal herumschreit und dann brüllend die Damentoilette stürmt? Er hat ein Mädchen kennengelernt. Und er hat Angst, dieses Mädchen niemals wiederzusehen. Hätte jemand Sebastian erzählt, zu was für einem Desaster sich der Schnuppertag an der Uni entwickeln würde, er hätte es als schlechten Scherz abgetan - damit kennt er sich, nebenbei bemerkt, gut aus.
Der Elftklässler und sein bester Freund Tolly waren morgens zu einem Orientierungstag für Schüler auf dem Campus angekommen. Tolly mit einem genauen Plan, wann er wo zu welcher naturwissenschaftlichen Veranstaltung sein muss. S ...
"Wir haben nicht gepfuscht"
Der Himmel zieht sich zu über dem Kölner Dom - und über Rainer Maria Woelki. Seit der
Kardinal die Missbrauchsaufklärung im Erzbistum bremst, rückt praktisch jeden Tag jemand von
ihm ab. Soeben berichteten 34 Pfarrer, dass sich wegen der "misslingenden
Missbrauchsaufarbeitung" immer mehr Gläubige von ihrer Kirche distanzieren. Dann setzte der
Diözesanrat der katholischen Laien die Zusammenarbeit mit der Bistumsleitung aus, weil Woelki
als moralische Instanz versagt habe. Und mit dem Kölner Stadtdechanten Robert Kleine forderte
nun sogar ein hochrangiger Priester persönliche Konsequenzen.
Aber einer hat bisher eisern geschwiegen: der Mann, dessen Arbeit im Zentrum des ganzen Streits steht, Rechtsanwalt ...
Eine Mutter stirbt. Ihre Tochter wütet. Doch wogegen? Gegen das Virus, den Staat, den Tod?
VON THEA DORN
Lieber Max, meine Mutter ist tot. Gestorben, weil sie sich in ihrem verdammten Leichtsinn für unsterblich hielt. Gestorben, weil blinde Politiker nicht sehen wollten, welche Gefahr auf uns zukommt. Gestorben, weil Wissenschaftler fröhlich verkündet haben, mit ein bisschen Händewaschen und In-die-Armbeuge-Niesen sei dieses Virus schon auszutricksen.
Ich gestehe: Als die ersten Meldungen hereinkamen, dass in China wieder einmal irgendeine Vogel-Viecher-Grippe ausgebrochen ist, und die Panikgänse losschrien, gehörte ich zu denjenigen, die dachten: Ach ja, lass sie schreien.
Ich will mich nicht weniger gefahrenblind, nicht weniger abgestumpft machen, als wir alle es sind. Trotzdem habe ich irgendwann - nein, n ...
DIE JUGEND
***
***
Groß ist sie nicht. Die Wände sind weiß wie die Einbauschränke, am Tisch stehen vier Stühle.
Sind wir zu sechst, stellen wir eine Bank ran. Unsere Küche ist der kleinste Raum unserer
Wohnung. Hier empfangen wir Gäste, feiern Partys und gucken die
Tagesschau
auf dem
Laptop. Seit einem Jahr ist sie noch mehr, sie ist die Zentrale. Hier treffen sich
Jugendliche, die sonst nirgends einen Ort haben. Hier tritt ein, wer schlüssellos über den
Balkon geklettert ist und glücklicherweise überlebt hat. Überleben, darum geht es.
Ich teile mir die Wohnung mit meinen Töchtern Martha und Louise, sie sind 18 ...
Die Lust der Sterne
Ich bin Skorpion, mein Mondzeichen ist Fisch, mein Aszendent Schütze - und jetzt wissen Sie wirklich alles über mich. Denn unsere Sternzeichen, unsere Geburtsdaten machen uns ja zu dem, was wir sind. Sie beeinflussen, wie wir denken, welche Beziehungen wir führen, welche Entscheidungen wir treffen.
Finden Sie jetzt albern, hm? Ja, ich auch. Und andererseits überhaupt nicht. Das liegt an einer App, die ich heruntergeladen habe. Man gibt dort seine Daten ein, den genauen Zeitpunkt der Geburt, dann steht auf dem Bildschirm "Nasa-Daten werden analysiert ...". Und schon hat man eine Persönlichkeit. Ich etwa habe einen "fundamentalen Drang, den ...
Meine Schwiegermutter hält sich nie an Absprachen. Wie sollen wir uns da gut verstehen?
Liebe Ella,
seit Beginn der Pandemie versuche ich, den Sinn der Hygieneregeln zu durchdringen und sie mit gesundem Menschenverstand umzusetzen. Natürlich legt jeder die Empfehlungen etwas anders aus, und: Ja, das führt zu Unsicherheit und Spannungen. Meine Schwiegermutter bezieht keine der Regeln auf sich. Sie trifft weiter alle möglichen Leute - ohne Abstand und in Innenräumen. Sie scheint zu glauben, dass das Virus zwischen Fremden und Freunden unterscheidet.
Vor Weihnachten verkündete meine Schwiegermutter, sie wolle ein großes Familienessen für 19 Personen machen und habe schon alles eingekauft. Das übte natürlich subtilen Druck aus. Unsere Tochter war im November sehr krank. W ...
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