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Inhaltsverzeichnis vom 28.01.2021
DIE ZEIT
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Wer sagt, wer ich bin?
Mitte Dezember im Bundeshaus. Medienkonferenz. Ein linkes Referendumskomitee hat geladen. Auf dem Podium sitzt auch eine Regierungsrätin aus dem Kanton Waadt. Nuria Gorrite, Sozialdemokratin, kommt gleich auf den Punkt: "Das ist ein Angriff auf die Souveränität des Staates."
Eine kantonale Regierung, die ein Referendum gegen ein Bundesgesetz unterstützt, das gibt es in der Schweiz nur selten. Noch seltener ist es, dass ein Kanton seiner eigenen Lobbyorganisation, der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), öffentlich widerspricht.
Worum geht es da, und welche Paragrafen sollen angeblich die Grundfesten unserer Demokratie erschüttern?
Am 7. März entscheiden die Schweizerinnen und Schweizer in einer Referendumsabstimmung darüber, ob ...
Wäre da bloß nicht dieser Lärm
Utzenstorf ist ein Dorf in der Berner Kornkammer. Eine Ebene am Unterlauf der Emme, ein Flickenteppich aus Getreide, Mais und Raps. Der junge Jeremias Gotthelf züchtete hier einst Kaninchen und spielte mit den Dorfbuben Hornussen. Später hielt er in der Kirche St. Martin seine ersten Predigten.
Heute, 200 Jahre später, ist die Utzenstorfer Verheißung ein Logistikzentrum des Onlineshops Digitec Galaxus.
550 dringend herbeigesehnte Arbeitsplätze sollen an der Peripherie des 4400-Einwohner-Dorfes entstehen; neues Leben soll einkehren in die größte Industriebrache des Kantons Bern. Es könnte ein raumplanerisches Vorzeigeprojekt werden, ein Paradebeispiel für den Umgang mit dem Strukturwandel. Wären da bloß nicht ...
Naroroa Teburera sitzt als Matrose seit Monaten in Hamburg fest und hat die Geburt seiner Tochter verpasst - trotzdem macht er anderen Seeleuten Mut
Wenn Naroroa Teburera in seiner Heimat einen Schritt aus seinem Haus macht, steht er mit den Füßen im Pudersand. Über seinem Kopf raschelt ein Palmenschopf, einen Angelwurf entfernt schwappt eine Lagune in schönsten Fernweh-Farben, und direkt vor ihm liegt der Pazifik. So erzählt er es.
Wenn er jetzt vor die Tür geht, schaut er auf karge Sträucher, schrägen Regen, leere Gehwege, eine vierspurige Straße und - einen Angelwurf entfernt - den Parkplatz von Lidl.
Zu Hause war Naroroa Teburera seit November 2019 nicht mehr. Der 28-Jährige ist einer von 109 Seeleuten aus der Inselrepublik Kiribati, die wegen der Corona-Pandemie in ...
Einblick
Besuch beim Senator
Wohl niemand im Senat hat einen so guten Ausblick über die Stadt wie Ties Rabe (SPD). Sein
Büro liegt im 16. Stock in einem der Mundsburg-Hochhäuser, von hier aus sieht man im Norden
den Stadtpark, im Süden die Elbphilharmonie und bei gutem Wetter noch weit darüber hinaus.
Während der Pandemie, in der dem Schulsenator eine Schlüsselrolle zukommt, sind die
Sichtverhältnisse nicht annähernd so gut. Die Wissenschaftsjournalistin Nike Heinen und der
Bildungsredakteur Oskar Piegsa haben für diese Ausgabe rekonstruiert, was man wann zu der
Situation an den Schulen hätte wissen können - und konfrontierten Ties Rabe in einem ...
Schulen zu, Schulen auf, Schulen zu
Die Zahl der Menschen, die in Hamburg an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben sind, nähert sich einer traurigen Marke. Bald werden es 1000 Tote sein. Bundesweit wurden schon mehr als 50.000 gezählt. Die Schulen haben zu dieser Lage beigetragen, davon sind viele überzeugt, inklusive der Bundeskanzlerin. Denn auch hier wurden Infektionsketten angestoßen, die manche Menschen auf die Intensivstation brachten. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte bis zuletzt für den Präsenzunterricht gekämpft. Jetzt sind die Schulen zu, niemand weiß, wie lange. Wie konnte es so weit kommen? Auf der Suche nach einer Antwort lohnt es sich, noch einmal ganz von ...
"Ich bin kein Virologe"
DIE ZEIT:
Herr Rabe, seit Beginn des Schuljahres haben die Neuinfektionen dramatisch zugenommen. Inzwischen sind auch die Schulen wieder geschlossen. Haben Sie kommen sehen, dass die Pandemie so eskalieren würde?
Ties Rabe:
Das kann wohl niemand von sich sagen. Dafür ist die Entwicklung zu unberechenbar. Wir hatten in Hamburg zunächst sehr günstige Werte. Nach den Herbstferien stieg die Inzidenz erst moderat, dann heftig an. Inzwischen sinken die Werte wieder. Wir sind aber alle sehr besorgt, dass die Virusmutante aus England eine zusätzliche Gefahr birgt. Deswegen sind die Schulen geschlossen. Das zeigt auch, dass Wissenschaftler und Politiker die Situation ...
Eine Rebellion mit Folgen
Vor ein paar Tagen mussten sie das große Zelt abbauen. Keine Genehmigung. Ausgerechnet jetzt, da der Wetterbericht Sturm angekündigt hatte. Aber was ist schon ein bisschen Wind im Vergleich zu dem, worum es ihnen hier geht: Gerechtigkeit. Anerkennung. Würde. Jeden Tag, bei jedem Wetter stehen Mitarbeiter aus Hamburger Krankenhäusern derzeit vor dem Asklepios Klinikum in St. Georg. Sie verteilen Handzettel und rufen dazu auf, eine Online-Petition zu unterschreiben: "Krankenhausbeschäftigte fordern Mitsprache und Entlastung - Schluss mit Einschüchterungen." Mehr als 9000 Unterschriften waren es Anfang der Woche. Auf einem Plakat steht: "Keine Kündigung von ROMANA!"
Rückblende: Es ist kurz vor ...
Die Influencer
Kann eine Partei sich neu erfinden: nicht nur ein paar Programmpunkte ergänzen oder den Frauenanteil im Vorstand vergrößern, sondern wirklich von vorne anfangen? Und wenn sie es täte, wäre sie gut beraten, darüber zu reden?
Die Hamburger Christdemokraten wollen etwas Derartiges offenbar versuchen. Mit 11,2 Prozent waren sie aus der letzten Bürgerschaftswahl gekommen, eine Volkspartei bloß noch dem Anspruch nach. Die CDU, forderte der damalige Parteivorsitzende Roland Heintze, müsse sich völlig neu aufstellen: strategisch, inhaltlich und personell. Das ist, soweit ersichtlich, geschehen.
Inzwischen gibt es einen neuen Vorsitzenden und einen neuen Fraktionsvorstand, es gibt eine neue Strategie und auch ...
Das wird jetzt kurz wehtun
Wie kann ich einen Impftermin vereinbaren?
Selbst für die Hamburgerinnen und Hamburger, die aktuell zur Impfung aufgerufen sind - Menschen im Alter von über 80 Jahren, Bewohnerinnen und Bewohner sowie Beschäftigte in Pflegeheimen und Beschäftigte bei ambulanten Pflegediensten - ist das nicht so einfach. Mobile Impfteams fahren zwar täglich in die Alten- und Pflegeheime der Stadt. Wer sich in den vergangenen Tagen auf der Website hamburg.de/corona-impfung informieren wollte, bekam allerdings ein rotes Warndreieck zu sehen sowie den Satz: "Leider sind derzeit keine neuen Termine verfügbar."
Warum werden nicht mehr Termine vergeben?
Das gemächliche Tempo hat vor allem zwei Gründe: D ...
Kommt Zeit, kommt Unrat
Moderne Alchemisten könnten aus Müll Geld machen, so prophezeite es der Aphoristiker Helmut Glaßl einst, und an einem schmutzigen Januarvormittag erfüllt sich in Hamburg seine Voraussage mal wieder. "Fahr schneller!", ruft Robert Dahlke auf dem Beifahrersitz. "Hetz mal nicht", sagt Sebastian Orzechowski am Steuer. So geht das die ganze Zeit. Die beiden Waste-Watcher frotzeln sich im Bulli über die Autobahn, einem illegal abgestellten Beutel in Allermöhe entgegen. Eine halbe Stunde Anfahrt, für einen einzigen Beutel Müll? Man kann das absurd finden. Dahlke und Orzechowski finden es notwendig. Kein Witz jetzt.
Eben haben sie vor der Wandelhalle des Hauptbahnhofs noch ...
"Niemand darf meine Models erniedrigen"
DIE ZEIT:
Herr Keens, Sie haben 700 "Charakter-Models" unter Vertrag. Was
macht deren Charakter aus?
Del Keens:
Stellen Sie sich einen Bahnsteig voller Leute vor - die, die auffallen, sind die, die ich suche.
ZEIT:
Das heißt?
Keens:
Ich habe Menschen mit großen Nasen unter Vertrag, schwarze Menschen mit blauen Augen, allein fünf Menschen mit Albinismus - einen zu finden ist schon schwer, aber fünf? Mein kleinstes Model ist 90 Zentimeter groß, mein größtes 2,24 Meter.
ZEIT:
Gibt es Typen, die besonders gefragt sind?
Keens:
Nein, in einer Woche sind es kleine Menschen, i ...
Im Kosmetikstudio für Papier
Als Gudrun Kühl
Das Bildnis eines Mädchens
zum ersten Mal sah, dachte sie: Da ist nichts zu retten. Aber das behielt sie für sich. Wenn sie in zehn Jahren Arbeit eines gelernt hat, dann, nicht immer dem ersten Bauchgefühl zu trauen. Mit etwas Geduld und mehr Informationen sei ihre Diagnose später häufig eine andere, sagt sie: "Oft kann ich mehr bewirken, als ich anfangs für möglich gehalten hätte."
Geschätzte 1500 Bücher, Plakate, Pläne, Urkunden, Briefe, Zeugnisse, Grafiken und Malereien auf Papier hat die 35-Jährige schon bearbeitet, dazu Zehntausende Seiten historischer Akten. Ihre Werkstatt in Osdorf ist ein Kosmetikstudio für Papier. H ...
Mit Feuereifer
Der Krieg ist aus. Mit dem Vorfrieden von Versailles geht Deutschland vor 150 Jahren, im Februar 1871, als Sieger aus dem Konflikt mit Frankreich hervor. Ein Triumph für das gerade entstandene Kaiserreich. Alfred Nobel, Erfinder und Unternehmer aus Schweden, nimmt diese Neuigkeit mit gemischten Gefühlen auf - er hat von dem Krieg profitiert. Denn beide Seiten nutzten in großen Mengen die Erfindung, die er in den Jahren zuvor auf der Elbe entwickelt hatte: sein Dynamit.
Kurz nach Kriegsbeginn lief die Produktion des Sprengstoffs auch in Frankreich an. Mit Paul Barbe hatte Nobel einen französischen Partner gefunden, der genauso geschäftstüchtig war ...
Ein Plan von gestern
Iris Neitmann ist zuversichtlich. "Wir können das Projekt noch aufhalten und modifizieren", sagt die Architektin, Anwohnerin und Betreiberin einer kleinen Kunstgalerie in der HafenCity. In der Baugrube vis-à-vis ihrer Galerie wächst ein riesiges neues Einkaufszentrum heran, das Westfield Überseequartier. Neitmann hat mit ihrer "Initiative Lebenswerte HafenCity" dagegen geklagt. Sie verspricht sich nichts von den "innovativen Einkaufs- und Entertainmentkonzepten", mit denen die Investoren von der Gruppe Unibail-Rodamco-Westfield (URW) für ihr Projekt werben. Sie stört sich an Autos, Lastwagen, Abgasen und Lärm, die es in den Stadtteil holen werde. Die Initiative hat gerichtlich feststellen lassen, dass dem Projekt eine vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt. N ...
Hier entlang
Park-Hopping bis zur Elbe
Auf der Karte ähnelt diese sechs Kilometer lange Strecke im Westen der Stadt einem krakeligen
C. Sieht man von den paar Straßenüberquerungen und einer S-Bahn-Unterführung ab, spaziert man
fernab des Verkehrs in Parks und neben Tennis-, Dressur- und Polo-Plätzen. Los geht′s am
Lise-Meitner-Park, vorbei an winterschlafenden Brombeersträuchern und potenziellen
Rodelhügeln. Nach einem Mini-Park mit Spielplatz führt der Weg durch eine Kleingartensiedlung
samt Vogelbeeren, Vogelstraßennamen, Gezwitscher und einem Plattenbau in der Nachbarschaft.
Weiter zum Ziegeleisee und zum Loki-Schmidt-Garten, nach der S-Bahn-Unterführung quer durch
den Jenischpark, dann an einigen ausladenden Wohnzimmerfenstern entlang bis Teufelsbrück. Der
Legende nach soll ...
Wirt ohne Rechnung
In jeder großen Krise ist irgendwann ein Punkt erreicht, an dem sich unangenehme Wahrheiten nicht mehr verdrängen lassen. Eine solche hat Kanzleramtsminister Helge Braun nun ausgesprochen: Diese Pandemie kann nicht aus der Portokasse finanziert werden. Der Einbruch der Konjunktur und der Steuereinnahmen, die Hilfen für die Unternehmen und die Beschäftigten, die Mehrausgaben für die Gesundheit - das alles drückt den Staatshaushalt ins Minus.
Deshalb hat Braun vorgeschlagen, die Schuldenbremse im Grundgesetz zeitweise auszusetzen, was vor allem in seiner eigenen Partei - der CDU - nicht gut angekommen ist. Das Ziel solider Staatsfinanzen ist schließlich das letzte Feuer, an dem sich ...
Pfleglicher Umgang
Seit fast einem Jahr ordnen wir dem Coronavirus unser Leben unter, auch um diejenigen zu schützen, die besonders gefährdet sind: die alten Menschen. Es gelingt nur nicht. Immer noch nicht. Man muss sich nur mal die jüngsten Zahlen anschauen: Die Sieben-Tage-Inzidenz für Deutschland liegt bei etwa 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern. Bei Menschen, die 80 Jahre sind und älter, ist sie doppelt so hoch.
Nur eine Momentaufnahme? Nein. Von den etwa 55.000 Menschen, die bislang in Deutschland an Covid-19 gestorben sind, waren rund 49.000 mindestens 70 Jahre alt. Kurzum: Der Lockdown soll die Alten schützen - aber ...
Auf Lügen gebettet?
Ihre Waffen könnten unterschiedlicher nicht sein. Wladimir Putin hat Polizei und Sicherheitsdienste, Armee und Raketen, Staatsapparat und Propagandamaschine. Alexej Nawalny hat seine meist jungen Anhänger und die sozialen Medien, er hat Energie und Mut.
Beide liefern sich vor aller Augen ein Duell.
Der Präsident gegen den Politaktivisten, der Geheimdienstmann gegen den Rechtsanwalt, der Oberbefehlshaber gegen den politischen Underdog.
Und doch erinnert Nawalny in seiner Art an die Inszenierung, die Putin vor 20 Jahren aufführte, als er den Streiter gegen Oligarchie und Raub am Staatseigentum gab. Es wirkt, als habe sich Nawalny die Stärken dieses Putin von damals abgeschaut. Tatsächlich teilen ...
Im Herzen leid
So, sagt einer aus dem Kreis der Ministerpräsidenten, habe er die Kanzlerin nie erlebt. Emotionaler sei Angela Merkel geworden, aber dabei nicht nahbarer, irgendwie "so Doomsday". Er ist einer von der CDU-Seite und einer von denen, die Merkel gut finden. Ihr Instinkt, ihre Analyse, sagt er, seien das Beste, was es in den Runden gebe, die seit Monaten mal im Wochentakt, mal vierzehntägig darüber beraten, wie es weitergeht. Ihre Prognosen aber, die empfinde er als "niederschmetternd".
So, sagt eine andere, die Merkel schon lange kennt, kenne sie die Kanzlerin eigentlich gar nicht. Sie ist von der SPD und auch eine ...
"Ich verstecke mich nicht mehr"
DIE ZEIT:
Herr Ramelow, Sie haben im sozialen Netzwerk Clubhouse davon berichtet, in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), dem entscheidenden Gremium der Corona-Zeit, mitunter
Candy Crush
auf dem Handy zu spielen, eine Art digitales Puzzlespiel. Können Sie verstehen, dass das viele Menschen empörend fanden?
Bodo Ramelow:
Ich kann die Empörung verstehen, wenn man nur die veröffentlichte Meinung der vergangenen Tage betrachtet. Da wird in einigen Medien das Bild erzeugt, ich würde auf der MPK nicht zuhören, säße nur da und zockte. Als wäre ich verantwortungs- und empathielos und würde mich um die Toten nicht scheren. Das Gegenteil ist der Fall. C ...
Talk of the Berliner Blase
Konrad Adenauer, wahrlich kein großer Plauderer vor dem Kanzleramt, stellte in seiner langjährigen Altersweisheit einmal fest, dass alle menschlichen Organe irgendwann mal müde würden - nur die Zunge nicht.
Diese Erkenntnis machte sich ein Start-up aus dem Silicon Valley zunutze und entwickelte eine Social-Media-App, die nun in Deutschland etwas ausgelöst hat, was Menschen, die diese App nutzen, "Hype" nennen.
Clubhouse
, so heißt das Ding, ist eine Art Dauertalkshow, die man hören, aber nicht schauen kann. Hier können Menschen in verschiedenen Gruppen in unterschiedlichen "Räumen" ihrem schier unstillbaren Drang, sich mitzuteilen, beherzt nachgehen. Da dieser Drang berufsbedingt bei Politikern ...
Unter Druck
Es gibt eine fundamentale Frage, die die AfD begleitet, schon seit ihrer Gründung im
Pfarrheim der Christuskirche von Oberursel vor acht Jahren: Ist diese Partei eine Gefahr für
die Verfassung? Sollte der Staat das, was hier entstanden ist, überwachen und womöglich sogar
verbieten?
Zwei Jahre lang hat das zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz diese Frage erwogen. Vergangene Woche meldeten mehrere Medien, darunter
ZEIT ONLINE,
dass sich Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und seine Beamten zu einer Entscheidung durchgerungen hätten. Die Indizien seien ausreichend, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung erfüllt. Ursprünglich wollte Haldenwang diese Entscheidung Ende dieser Woche bekannt geben.
Das ganze ...
Ohne ihn
Kaum hatte Joe Biden seinen Amtseid gesprochen, da erreichten ihn Glückwünsche aus Budapest. Er wünsche ihm "viel Erfolg und gute Gesundheit", schrieb Viktor Orbán. Wortreich beschwor der ungarische Ministerpräsident "den gegenseitigen Respekt und guten Willen". Noch bevor die feierliche Amtseinführung in Washington beendet war, veröffentlichte Orbáns Staatssekretär das Schreiben seines Chefs auf Twitter.
Anfang November, nach der Auszählung der Stimmen in den USA, hatte Orbán noch gezögert, Bidens Wahlsieg anzuerkennen. Im Wahlkampf hatte er sich zuvor offen für Donald Trump ausgesprochen, mit dem er viele Ansichten teile: "Er wird gewinnen." Biden hingegen warf er "moralischen Imperialismus" vor, weil dieser ...
Abschied von der Arroganz
Noch herrscht allenthalben im Umgang mit der Pandemie die Nahperspektive vor. Wie lässt sich die Ausbreitung der jüngsten Mutation des Coronavirus stoppen? Wie kann man die hohen Infektionszahlen generell herunterbekommen? Wie kann man die angelaufene Impfkampagne beschleunigen? Durchaus verständlich in Anbetracht der dramatischen Umstände und des Erfordernisses, schnell zu reagieren.
Und doch könnte die Konzentration auf den Augenblick eine Falle sein, in der speziell die westlichen Demokratien stecken. Im Leistungsvergleich mit dem autoritär-diktatorischen Regime Chinas stehen sie inzwischen nicht gut da. Der Gebanntheit durch den Augenblick korrespondiert hierzulande die gesellschaftliche Erwartung, dass demnächst, wenn die Pandemie mithilfe der Impfstoffe bezwungen ...
Männer first
Wenn man etwas zum ersten Mal macht, unterlaufen einem bekanntlich Fehler. Einen allerdings eklatanten Fehler machte die Ständige Impfkommission, als sie die Prioritätenliste für die Impfung gegen Covid-19 zusammenstellte, die wegen der noch sehr knappen Verfügbarkeit von Impfstoff notwendig ist. Denn sie ließ bei der Frage, wer zuerst geimpft werden soll, den entscheidenden Faktor Geschlecht unter den Tisch fallen - obwohl weltweit mehrheitlich Männer schwer erkranken und sterben. In den Altersgruppen, in denen gleich viele Frauen und Männer anzutreffen sind, nämlich denen unter 70 Jahren, starben in Deutschland doppelt bis zweieinhalbmal so viele Männer wie Frauen, obwohl sich Frauen sogar ...
Aktenkoffer vor Schulranzen?
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DIE ZEIT:
Herr Piepel, Sie studieren in Dresden und engagieren sich in der
Generationen-Stiftung, die sich für die Rechte junger Menschen einsetzt. Gerade haben Sie
Deutschlands Schulpolitikern in einem offenen Brief Versagen vorgeworfen. Was genau
kritisieren Sie?
Moritz Piepel:
Unter Kindern und Jugendlichen herrscht große Wut auf die Bildungsministerinnen und -minister. Wir haben Monat elf der Pandemie - und stolpern noch immer von einem Tag zum nächsten. Niemand weiß, wann die Schulen wieder aufmachen; niemand hat eine Idee, wie die Lernrückstände aufgeholt werden; jeder sieht, wie sehr es bei der Digitalisierung hapert. Gäbe es Noten für die Bildungsminister, b ...
Justiz auf Linie
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Der Staat darf zur Bekämpfung der Corona-Pandemie inzwischen nahezu alles tun, was die Politikerfantasie fordert. Mit dem "Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" hat der Bundestag im November die Exekutive zu weitgehenden Grundrechtseingriffen ermächtigt. Von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen über die Einschränkung von Religionsausübung und Versammlungen bis hin zur Schließung von Einrichtungen aller Art kann die Freiheit der Bundesbürger in nie da gewesenem Maße beschnitten werden. Das Gesetz ist weniger eine Einhegung der Regierung durch das Parlament als vielmehr eine Einladung zu Rechtseingriffen.
Eine umso wichtigere Kontrollfunktion kommt daher den Verfassungs- und Verwaltungsgerichten zu. N ...
INHALT
POLITIK
Russland
Alexej Nawalny und Wladimir Putin versuchen sich gegenseitig zu vernichten von Michael Thumann•
2
Kanzlerschaft
Wie die Corona-Krise Angela Merkel verändert von Tina Hildebrandt
3
Soziale Medien
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow erklärt im Gespräch, was er im Internet treibt
4
Die neue Clubhouse-App bringt Politiker und Journalisten noch näher zusammen von Peter Dausend
4
AfD
Ausgerechnet im Wahljahr will der Verfassungsschutz die Partei beobachten und setzt sie so unter Druck von Paul Middelhoff•
6
Populismus
Der Abgang von Donald Trump schadet seinen Verbündeten in Europa und Israel von Matthias Krupa, Ulrich Ladurner und Özlem TopÇu
7
Systemfrage
Was Chinas Erfolg im Kampf gegen die ...
Aufstand der Versuchskaninchen
Eindrucksvoll schildert Monja Schünemann die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Auch ich fordere dringend Verbesserungen. Was dies aber mit der diskutierten Impfpflicht für medizinisches Personal zu tun hat, erschließt sich mir keineswegs.
Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo es um die Gesundheit oder gar das Leben
gefährdeter Menschen geht. Der Schutz der ihnen anvertrauten Menschen gehört nun einmal zu den
Berufspflichten von Krankenpflegern, Ärzten und Ärztinnen. Darüber hinaus würde eine Impfung
auch den "verletzten Pflegekörper" schützen.
DR. MED. VOLKER SPRENKMANN, ST. PETER-ORDING
Dieser Artikel hat mich sehr beeindruckt. Ich kann nur hoffen, dass er vielen wie mir unter die ...
Bauern, lernt von den Schneidern
Jeder, der Lebensmittel in der Schweiz, in Frankreich oder Italien kauft, weiß, dass dort die
meisten Lebensmittel deutlich teurer sind als in Deutschland. Die Landwirtschaft ist bei uns
keinen Marktgesetzen unterworfen, es wird zu viel produziert, daher sind die Landwirte
erpressbar. Wären Fleisch, Agrar- und Milchprodukte knapp, könnten die Bauern problemlos
höhere Preise erzielen. Das Prinzip der Marktwirtschaft wird dadurch unterlaufen, dass die
Bauern nahezu die Hälfte ihres Einkommens durch Subventionen erzielen. Welcher Selbstständige
genießt solche Privilegien? Wir haben einfach noch immer zu viele Bauernhöfe, die zu viel
produzieren, um marktgerechte Preise zu erzielen.
DIETER WEBER-KLUKKERT, LAATZEN
Der Artikel zeigt, wie ...
Ein Genie des Ausprobierens
Einen seiner letzten Auftritte im vergangenen amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf hat Joe Biden in einem kleinen Kurort absolviert, in dem nicht viele Stimmen zu holen sind. Das hatte zwar auch damit zu tun, dass das Heilbad Warm Springs in Georgia liegt, einem Bundesstaat im Süden der USA, den Biden unbedingt gewinnen wollte. Vor allem jedoch war die Rede an diesem Platz ein symbolischer Akt, die Anmeldung eines historischen Anspruchs. Denn in Warm Springs, bekannt für seine Mineralheilquellen, hatte einer der bedeutendsten US-Präsidenten, Franklin Delano Roosevelt, ein Feriendomizil, sein "kleines Weißes Haus". Roosevelt war 1924, Jahre vor seiner großen politischen Karriere, zum ersten ...
Die Gespenster von Mossul
Der Junge aus dem Video sitzt Ende August in einem rustikalen Käfig aus dunklem Holz und Sicherheitsglas im Saal 700 des Berliner Kriminalgerichts. Abbas R. ist schmächtig, blass und trägt einen dunkelblauen Pullover. Das Video zeigt eine Welt, die unglaublich weit entfernt scheint. Die Aufnahmen stammen aus der irakischen Stadt Mossul. Gedreht wurde das Video im Oktober 2014, damals war die Stadt noch das Machtzentrum des sogenannten "Islamischen Staates". Vermummte Männer in sandfarbenen Kampfanzügen führen einen ranghohen irakischen Polizeioffizier durch die staubigen Straßen. Der Mann trägt ein langes weißes Gewand, seine Hände sind auf den Rücken gefesselt. Sie bringen ihn ...
Die Hälfte bleibt im Kühlschrank
In der Rundsporthalle in Waiblingen soll die Pandemie ihr Ende finden, zumindest für den Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg. Am vergangenen Freitag eröffnete dort das Kreisimpfzentrum, 800 Menschen könnten hier täglich geimpft werden. Doch am ersten Tag waren es gerade mal 90. Am Samstag kamen dann 60 Senioren über 80 Jahre dran. Und noch 60 Klinikmitarbeiter. Dann war schon wieder Schluss, nur zwei mobile Impfteams sind noch unterwegs. Denn laut Landrat Richard Sigel wurde für das Impfzentrum kaum Impfstoff vom Land geliefert. Den 427.000 Einwohnern seines Kreises rät er daher: "Werden Sie Impftourist, nehmen Sie einen Impftermin dort an, wo Sie ...
Es reicht nicht mehr
Wenn der deutsche Staat festlegt, was einem Bedürftigen zusteht, schaut er ganz genau hin: 4,70 Euro im Monat für Toilettenpapier und andere Hygieneartikel, 8,71 Euro für Schuhe, 3,68 Euro für Bücher. Aus lauter solchen penibel berechneten Einzelbeträgen setzt sich die Summe zusammen, die Mittellose als Unterstützung erhalten. Das kann man so machen, bei aller Kritik im Detail. Aber dann muss man in einer Situation wie jetzt auch bereit sein, diese extrem knapp kalkulierte Hilfe aufzustocken. Denn diese Pandemie ist gerade für die Ärmsten im Land eine teure Angelegenheit.
So gilt seit Anfang dieser Woche eine erweiterte Maskenpflicht. O ...
"So etwas will ich nie wieder erleben"
Kai Teute, 39, ist Gründer und Geschäftsführer der Equity Seven Unternehmensgruppe, die in verschiedenen Branchen aktiv ist, vor allem in der Softwareentwicklung und im Textileinzelhandel. Dazu gehören auch elf Filialen mit verschiedenen Modemarken in Norddeutschland, die meisten an der Nord- und Ostseeküste. Darüber hinaus investiert er in Start-ups.
Mein Tiefpunkt:
"März und April, das ist die Zeit, in der Ware für das ganze Geschäftsjahr eintrifft. Als die Läden im ersten Lockdown geschlossen wurden, bekamen wir in den Filialen jeden Tag Ware rein, ohne zu wissen, wann wir sie verkaufen können. Alle waren verunsichert, Mitarbeiter, Lieferanten, ich selbst. Ich erinnere mich ...
Der Verschlüsselungskünstler
Moxie Marlinspike ist müde, als er sich - natürlich - per Signal meldet. Es ist kurz vor Mitternacht in Kalifornien, und der Gründer des Messenger-Dienstes hat in den letzten Wochen kaum geschlafen. Er und sein 35-köpfiges Team haben fast rund um die Uhr daran gearbeitet, die Server am Laufen zu halten. Sie müssen einen Ansturm bewältigen, der sie selbst überrascht.
Weltweit haben Menschen in den vergangenen drei Wochen die Messenger-App heruntergeladen. In mehreren Dutzend Ländern belegt sie den ersten Platz in den App-Stores von Google und Apple. Wie viele Nutzer seitdem hinzugekommen sind, wie viele Menschen Signal insgesamt auf ihrem ...
Die Rückkehr des Zerstörers
Wie schnell 19 Monate vergehen! Als Matthew Earl im Juni 2019 das letzte Mal von Großbritannien nach Deutschland flog, bestand er darauf, dass die Staatsanwaltschaft ihm freies Geleit zusichert. Er wurde damals noch von Wirecard beschattet, und der deutschen Justiz traute er nicht so recht. Daher bat er einen Kollegen, ihn nach München zu begleiten. "Damit jemand da ist, der sieht, wenn ich in einen Lieferwagen gezerrt werde", scherzt er heute. Damals wollte er vor seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft keine Risiken eingehen.
Diese Woche reist er wieder nach Deutschland. Er kommt allein, und die Einladung könnte offizieller kaum sein. E ...
Steckt das Stiften in der Krise?
Die Debatte über Stiftungen und die Zukunft der Philanthropie läuft auf Hochtouren. Ein Grund: Die angestaubten Rechtsvorschriften sollen modernisiert werden, damit Stifter und Stiftungen flexibler mit ihrem Kapital umgehen können. Ein anderer: Es gibt immer mehr Stiftungen, aber die deutschen Vermögen nehmen schneller zu als die für Stiftungen eingesetzten Mittel. Kritiker sprechen von einer wachsenden Lücke.
Zeit, mit vier führenden Philanthropie-Vertreterinnen im Land zu sprechen. Die Bosch-Erbin Ise Bosch, geboren 1964, hat unter anderem die international tätige Frauenstiftung Filia gegründet und erhielt für ihre Arbeit 2018 den Deutschen Stifterpreis. Friederike von Bünau, Jahrgang 1972, leitet die Kulturstiftung der Evangelischen Kirche ...
Das Mainstream-Monopol
Auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson geht dieser Satz zurück: "Es ist mir egal, wer die Gesetze eines Landes bestimmt (...), solange ich die ökonomischen Lehrbücher schreiben kann." Samuelson wollte damit sagen: Was an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten gelehrt wird, formt das Denken in den Ministerien und den Beratungsgremien und hat damit ganz erheblichen Einfluss auf die Politik. Etwa wenn es darum geht, ob eine Regierung einen Mindestlohn einführen, Zölle erheben oder die Schulden ausweiten soll.
Das erklärt, weshalb ein Streit zwischen zwei außerhalb des Fachs wenig bekannten Ökonomen zum Politikum werden konnte. Es stehen sich gegenüber: Gregory Mankiw, W ...
"In der Stadt fahre ich elektrisch"
DIE ZEIT:
Frau Müller, Sie kommen aus der Energiewirtschaft und haben die Verunsicherung nach Fukushima miterlebt. Ist die Autobranche durch den Wandel zur E-Mobilität ähnlich angespannt?
Hildegard Müller:
Als ich vor einem Jahr beim VDA anfing, war in jeder Pore zu spüren, dass die Transformation an niemandem vorbeigeht. Es summt gerade an allen Stellen. Große Aufbruchstimmung und große Sorge, denn Corona macht die Lage nicht leichter. Der Autoabsatz ist um ein Fünftel eingebrochen, der Nutzfahrzeugverkauf um 15 Prozent.
ZEIT:
Als Lobbyistin der Energiewirtschaft haben Sie die großen Konzerne mit Stadtwerken an einen Tisch gebracht, um die Energiewende ...
Alle schon mal da gewesen
Während Joe Biden in der vergangenen Woche vor dem Kapitol den Amtseid ablegte und Lady Gaga die Nationalhymne sang, räumten Möbelpacker das Oval Office um. Donald Trumps Inneneinrichtung flog raus, das berühmteste Büro der Welt wirkt wieder wie früher: Auf dem Boden liegt, wie bei Bill Clinton, der blaue Teppich mit dem präsidialen Siegel. Und die Büste des Bürgerrechtlers Martin Luther King stand auch schon auf Barack Obamas Beistelltischchen.
Der Einfluss früherer Präsidenten geht weit über derlei Symbole hinaus. So viele von Bidens neu berufenen Ministern, Staatssekretären, Direktoren und Behördenleitern hatten schon unter Obama gedient, dass Kommentatoren von dessen "dritter ...
Das Beste kommt noch
Er drückt aufs Gas, der Jeep jagt den Hügel hinauf. Bäume, Sträucher, Straßenschilder fliegen vorbei. 80, 90, 100 Stundenkilometer. Da - eine Kurve. Der Fahrer bremst, ein Ruck, das Fahrzeug legt sich in die Straßenkrümmung und fliegt weiter durch den hügeligen Harz. Dann biegt es ab, hoppelt über Wurzeln, rollt aus. Eine gepflasterte Auffahrt, ein Haus unter dunklen Tannen. Der Fahrer steigt aus: ein zarter Herr. Schlohweiß das Haar, Gleitsichtbrille, Hose und Jacke schlottern ein bisschen um den gebeugten Körper. Hansjörg Sinn fragt: "Finden Sie, ich fahre unsicher?"
Sinn war Professor, Wissenschaftssenator und Gründer der Technischen Universität Hamburg. Jetzt ist ...
Der Stoff, aus dem Geschichte wird
Halb leere Wasserflaschen rollten über den glitschigen Marmorboden. In den Pfützen schwammen Zigarettenstummel auf. An einigen Stellen trübten Blutspritzer die Flüssigkeit, großflächig verklumpte Feuerlöschpulver zu einem krümeligen Brei. Auf einigen der herumliegenden Papiere waren krude Statistiken zum angeblichen Wahlbetrug der Demokraten zu sehen, auf anderen prangte das Siegel des Senats oder des Repräsentantenhauses.
Was Frank Blazich am 7. Januar 2021 im Kapitol zu sehen bekam, bot einen verstörenden Anblick. Am Vorabend hatten die von Donald Trump angestachelten Randalierer den Sitz des Kongresses in der amerikanischen Hauptstadt Washington D. C. gestürmt, Fenster zerschlagen, Bänke umgestürzt und Dokumente auf dem Boden verstreut. A ...
Eine Wolle, die ohne Bügeln in ihre glatte Form zurückspringt: Der Fortschrittsbericht
Zwei Personenkreise mögen sich bitte von den folgenden Zeilen ausgeschlossen fühlen: erstens die
Tatort-
Bügler, die ihre Bügelwäsche beim sonntäglichen Fernsehkrimi bewältigen und diese Kombination zum Kult erhöhen. Zweitens die Extrembügler, deren Anhänger dies wahlweise auf dem Kilimandscharo, unter Wasser oder beim Marathonlauf erledigen.
Alle anderen hassen das Bügeln. Manche mehr als das Heruntertragen des Mülls, einige räumen sogar lieber eine Geschirrspülmaschine aus. Weltweit arbeiten daher Forscher, Designer, wissenschaftliche Institute und ganze Entwicklungsabteilungen großer Konzerne daran, den Bügelhassern das Leben zu erleichtern. Die Fortschritte sind nicht der Rede wert, sollen hier aber trotzdem dokumentiert werden.
Eine gute Idee ist, Bügeln ...
Wette auf Heilung
Am Anfang steht immer ein Wettrennen. Können die Viren sich schnell genug im Körper des Infizierten ausbreiten - oder schaffen Medikamente es, die Vermehrung von Sars-CoV-2 im Keim zu ersticken? Bei der Behandlung des amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump siegten offenbar künstliche Antikörper der Biotech-Firma Regeneron. "Diese beiden Antikörper in der Infusionsflasche waren wohl eine entscheidende Maßnahme, sie haben zum Genesungsprozess beigetragen - vielleicht sogar mehr als das antivirale Mittel Remdesivir", sagt Clemens Wendtner. Der Infektiologe hat in München im vergangenen Jahr die ersten deutschen Covid-19-Patienten behandelt. Ab nächster Woche dürfen Ärztinnen und Ärzte das Antikörper-Präparat als experimentelle Therapie hierzulande verabreichen.
...
"Ich würde versuchen, Trost zu spenden"
1 Welches Tier ist das politischste?
Das Zoon politikon. Weil der Mensch auf Gemeinschaft hin angelegt ist und ihm gleichzeitig die Aufgabe zukommt, das Gemeinschaftssystem zu ordnen.
2 Welcher politische Moment hat Sie geprägt - außer dem Kniefall von Willy Brandt?
Der Mauerfall. Er hat privat und öffentlich eindrucksvoll verbunden. Mein Vater hat so sehr an das Freiheitsstreben des Menschen geglaubt, dass er seit Ende der Sechzigerjahre die Wiedervereinigung vorhergesagt hat.
3 Was ist Ihre erste Erinnerung an Politik?
1977, die Entführung von Schleyer. Ich war wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt und habe mit einer älteren Dame Tennis gespielt. A ...
Verhindert verdeckte Propaganda
Immer wieder kommt es vor, dass Inhalte der Neuen Rechten ihren Weg in Schulbücher finden - leider. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin Teil eines Schulbuchverlags, dem das passiert ist. Der Fall wurde kürzlich in der
ZEIT
ausführlich beschrieben ("Verdeckte Propaganda",
ZEIT
Nr. 2/21).
Der betroffene Essay zum Thema Globalisierung, um den es dabei ging, war auf den ersten Blick nicht als rechtsextrem einzuordnen, war jedoch ursprünglich in einer Zeitschrift der Neuen Rechten erschienen. Wir bemerkten den Fehler, wenngleich zu spät. Hier zeigt sich ein grundlegendes Problem in der deutschen Bildungslandschaft: Selbst wenn ein kleiner, unabhängiger Schulbuchverlag ...
Du allerliebstes Ekelviech
Als ich neulich bei meinen Eltern war, habe ich einen alten Freund wiedergetroffen. Einen, von dem ich einmal geglaubt hatte, ohne ihn nicht leben zu können. Jetzt habe ich ihn kaum wiedererkannt: Sein früher leuchtend roter Anzug war ausgeblichen, voller Schmutz und eingetrockneter Flecken. Seine Mütze zerrissen. Und dort, wo sich früher die Nase befand, klaffte ein kleiner Krater in seinem Gesicht.
Mein alter Freund ist ein Stoffzwerg, die Lieblingspuppe meiner Kindheit. Meine Mutter hatte
ihn in einer Schublade aufbewahrt und jetzt, fast dreißig Jahre später, hervorgeholt.
Ungläubig habe ich ihn angeschaut und zwei Gefühle gleichzeitig gespürt: Freude und ...
Keinen Bock mehr auf Corona
Schon wieder sitzen die meisten Kinder in Deutschland zu Hause fest, dürfen ihre Freunde nicht treffen und müssen die Schulaufgaben am Computer bearbeiten. Anstrengend ist das, und wir hier in der Redaktion verstehen es gut, wenn euch das schlechte Laune macht. Deshalb waren wir überrascht und beeindruckt, dass es offenbar gar nicht so viel braucht, um euch aufzuheitern. Für die zwei Jungen und drei Mädchen, die uns in diesem Jahr als ZEIT-LEO- Kinderrat zur Seite stehen, reichten schon ein paar weiße Flocken.
"Habt ihr auch Schnee?", fragte Freya, 10 Jahre alt, die anderen Kinder zu Beginn unseres
ersten virtuellen ...
Geboren 1921
Simone Signoret
(† 1985)
Schöne, starke, verruchte Frauen - mit solchen Rollen wird die in Wiesbaden Geborene zu einer der größten Charakterdarstellerinnen des französischen Films. 1960 erhält sie den Oscar für ihre Rolle in "Der Weg nach oben".
Friedrich Dürrenmatt
(† 1990)
Der Pfarrerssohn schreibt böse Komödien und Kriminalromane, in denen sich tiefste Abgründe im Innenleben der Protagonisten auftun. Er hadert zeitlebens mit seiner Heimat Schweiz - und beschreibt sie kurz vor seinem Tod als Gefängnis.
Zdeněk Miler
(† 2011)
Auf einem Silvesterspaziergang stolpert der tschechische Zeichner über einen Maulwurfshügel. Das Ereignis inspiriert ihn, eine Figur mit roter Nase zu entwerfen. Gibt es ...
Der Bart ist ab
Spätestens als auch Polizisten in Großstadtrevieren anfingen, Hipster-Bärte zu tragen, ging ein Phänomen zu Ende, dessen zentraler Ehrgeiz auf Distinktion zielte: der Wunsch, sich abzusetzen, schneller zu sein als die Schlafmützen. Der Hipster war die Verkörperung dessen, was Soziologen Individualisierung nennen. Und weil Individualisierung ein gesamtgesellschaftlicher Prozess der westlichen Spätmoderne war, war auch der Hipster in seinem Bemühen, besonders zu sein, ein kollektives Phänomen. Dieses Paradox trug er als Bürde mit sich, ohne daran zu zerbrechen.
In seinem Selbstverständnis sah er sich als Avantgarde, eine Mittlerfigur war er in jedem
Fall. Er kannte die Subkulturen und war gut darin, die ...
Beethoven wollte gar nicht so schnell
Die Bombe kommt aus Spanien und könnte, wenn sie platzt, ein paar viel geliebte Konflikte mit
großem Knall beenden - und gleichzeitig nicht nur die Beethoven-Rezeption erschüttern, sondern
alles Hören und Begreifen von Musik des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Seit Dezember
ist sie in der Welt, und dass Forschung und interessierte Öffentlichkeit sie erst jetzt
wahrnehmen, wollen wir mal mit Corona begründen und damit, dass auch das
Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 so gut wie in der Versenkung verschwand.
Oder ist es doch nur ein Bömbchen, die 1381. Fußnote im immer mal wieder aufflackernden, gern
mit großem ideologischem Besteck geführten ...
"Das Leben ist der Güter höchstes nicht"
Es ist schon seltsam. Die Corona-Fallzahlen in den östlichen Bundesländern sind alarmierend, allein in Sachsen starben im Dezember fast 9700 Menschen, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Doch immer noch verharmlosen Teile der AfD das Virus zu einer "normalen Grippe" und beschweren sich über Merkels "Maßnahmenaktivismus", über "Angstpolitik" und "Unheilsprophetie". Die AfD in Sachsen entdeckt "besorgniserregende Parallelen zu historischen deutschen Irrwegen"; ihre thüringischen Parteikollegen behaupten, die Bundeskanzlerin nehme "das Coronavirus zum Anlass, die gesamte Bevölkerung in die Ketten der Bevormundung und der Unfreiheit zu legen". Alexander Gauland, kein Witz, bezeichnet Deutschland als eine "Corona-Diktatur auf Widerruf" und warnt ...
"Mein Gesicht soll wie ein Spiegel sein"
Katharina Sieverding wurde dreimal zur Documenta nach Kassel eingeladen; das Museum of Modern Art in New York und das Stedelijk Museum in Amsterdam haben Werke von ihr gekauft. Doch ausgerechnet ihre bisher größte, über mehrere Jahre vorbereitete Retrospektive dämmert nun seit Anfang November im Pandemie-Koma vor sich hin - ungesehen. Auf vier Etagen der Sammlung Falckenberg, einer zur Kunsthalle umgebauten Fabrik in Hamburg-Harburg, haben die Kuratoren mehr als hundert Arbeiten der Künstlerin installiert.
Sieverding begrüßt, was man schon gar nicht mehr kennt, per Händedruck. Sie trägt eine Brille mit dunklen Gläsern, das rötliche Haar ist streng nach hinten gekämmt, ihr ...
Freiheit von den Blicken
Warum nur ist die lange erste Einstellung dieses Films so irritierend, fast unheimlich? Zu sehen ist das scheinbar gelöste Treffen einer Glaubensgemeinschaft in einem kleinen Gebetshaus. Eine blonde Frau rügt aufgekratzte Kinder. Gemeinsam mit dem Pfarrer, ihrem Ehemann, begrüßt sie die Gemeinde. Er hält eine Predigt über Abraham. Dann geschieht es: Ein Molotowcocktail kracht durchs Fenster, setzt den Raum in Brand. Chaos und Panik brechen unter den Gläubigen los.
Der Anschlag scheint eine Gewalt nach außen zu kehren, die in der Szene bereits angelegt war: in der biblischen Geschichte über den Vater, von dem das Kindsopfer gefordert wird; durch das ...
Houellebecq grinste
Es waren minus drei Grad, und ich wartete seit sieben Minuten am Eingang des botanischen Gartens auf Wolfgang G., meinen Therapeuten. Um nicht zu erfrieren, lief ich zwischen dem Kassenhäuschen und dem Elektromietwagen, mit dem ich gekommen war, auf und ab. In dem Kassenhäuschen saß hinter Glas eine alte, rauchende Frau, die aussah wie Michel Houellebecq. Sobald ich in ihre Nähe kam, verzog sie das Gesicht, unter ihrem knochigen Kiefer baumelte eine schmutzige Einwegmaske.
Es war Herr G. gewesen, der vorgeschlagen hatte, uns mal wieder zu treffen, statt FaceTime zu machen. Denn zuletzt hatten wir selbst die Video-Sitzungen ausfallen ...
Wenn wir uns verströmen
Er hat Pralinés mitgebracht, natürlich warm von Körpernähe, Cognac-Kirsche, Cremehütchen. Jetzt baden? In die Wanne. Komm! Lauwarmes Wasser. Wie Gewitternacht. Und als er ihr Gefieder streicheln will, findet er es von Tränen nass.
So intim miteinander sind die Gespenster in der gleichnamigen Aufführung der Münchner Kammerspiele, die vergangene Woche Premiere hatte. Verführerische Worte in Mannscher Diktion, Pardon: in Mannschen Diktionen, denn das Stück kreist um Erika, Klaus und Thomas Mann und die inzestuösen Niederungen der Hochkultur.
Aber halt. Wir sehen die Akteure nicht leibhaftig, sitzen nicht im ausverkauften Saal, haben nicht vorfreudig auf den Vorhang geschaut, auf dass er sich ...
Jetzt neu dabei: Artenschutz für soziale Herkunft
Es gibt eine Welt der Pressemitteilungen, die genauer zu erkunden sicher unfair wäre. Aber manche werfen doch Fragen auf, die beunruhigen. Dazu gehört folgende Verlautbarung des Vereins Charta der Vielfalt e. V., eines Zusammenschlusses deutscher Unternehmen, der sich "für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld einsetzt" (Wikipedia) und nun verkündet: "Charta der Vielfalt ruft soziale Herkunft als siebte Vielfaltsdimension aus".
Da kann offenbar jemand ziemlich genau zählen. Ist Vielfalt am Ende gar nicht so vielfältig? Indes geht es bei der aktuell diskutierten Diversity, zu Deutsch Vielfalt, nicht um alle möglichen individuellen Besonderheiten, sondern nur um jene, die besonders diskriminierungsanfällig sind. Der Verein ...
"Ich bin zu oft und zu lange online"
Die Britin Arlo Parks, 20, war eigentlich längst ausgezogen, dann kam die Pandemie, und sie beschloss, in ihr Elternhaus zurückzukehren. Nun macht die Künstlerin morgens Fitnessübungen mit ihrer Mutter und spielt abends Scrabble mit ihrem Vater. Als "surreal" empfindet sie derzeit ihr Leben - was auch daran liegt, wie erstaunlich der Wirbel um ihr Debütalbum "Collapsed in Sunbeams" ist, das diesen Freitag erscheint. Zu den Fans der Singer-Songwriterin und Dichterin gehören Billie Eilish und Michelle Obama. Modehäuser wie Dior, Gucci und Burberry hofieren sie. Aber anstatt durch die weite Welt zu reisen, sitzt Parks jetzt in ihrem alten Kinderzimmer und ...
Endlich in den Hollywood Hills
Klar, die Geschichte ist gut: In einem Dorf tief im traurigen Ostdeutschland, im Schatten eines ungeheuren Kali-Salzbergs, wächst um die Jahrtausendwende ein Junge auf. Er ist anders als die anderen, trägt die Haare lang. Die Dorf-Nazis wollen ihn zusammenschlagen, die Dorfmädchen (und manche Boys) mit ihm ins Bett. Zwanzig Jahre und eine irre Musikkarriere später sitzt der Junge, er ist inzwischen ein Mann, einsam in seinem Haus in den Hollywood Hills und blickt hinunter auf die Stadt der Träume, aus der Rauchschwaden aufsteigen und Polizeihubschrauber. Er beschließt, seine Geschichte zu erzählen.
Career Suicide
heißt die Autobiografie, die der 31-jährige Bill ...
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