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Inhaltsverzeichnis vom 03.09.2020
DIE ZEIT
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Mann muss wollen
Und sie bewegt sich doch. In der Schweiz sollen Väter nicht mehr nur an einem einzigen Tag bezahlt von der Arbeit fern bleiben dürfen, wenn ihr Kind zur Welt kommt, sondern gleich an zehn. Am 27. September stimmen die Schweizerinnen und Schweizer darüber ab, ob ihr Land, als eines der letzten in Europa, einen Vaterschaftsurlaub einführen soll. Fünfzehn Jahre nach der Einführung einer Mutterschaftsversicherung, die mehrmals vom Volk abgelehnt wurde, letztmals 1999.
Die Mutterschaftsversicherung bezahlt den Müttern in der Schweiz während 14 Wochen nach der Geburt ein Taggeld. Es macht 80 Prozent ihres Lohns aus, beträgt aber höchstens 5880 Franken ...
Lähmende Distanz
Genau ein Jahr ist es her, die eidgenössischen Wahlen standen an, da sammelten wir in der
ZEIT
zehn Ideen, wie man die Schweizer Demokratie noch besser machen könnte. Von einem Update schrieben wir, das wir dem System verpassen wollten.
Aber jetzt, ein Jahr später, geht es nicht mehr allein darum, einige Schrauben an der Demokratie-Maschine zu justieren, nein, die 172-jährige Macchina, auf die hierzulande alle so stolz sind, ist in der Corona-Krise arg ins Stottern geraten.
Als der Bundesrat am 16. März die außerordentliche Lage ausrief, betraf das auch den politischen Betrieb. Tags zuvor hatte das Parlament in Bern seine ...
Der Wolf und das Kälblein
Sie gilt als nüchtern und sachlich, doch jetzt setzt Simonetta Sommaruga auf Emotionen. Wohlplatziert auf dem reichweitenstarken Newsportal von
20min.ch
sagt die Schweizer Umweltministerin: "Jedes Jahr töten Wölfe mehrere Hundert Schafe und Ziegen und neuerdings sogar Kälbchen. Wir können da nicht länger einfach nur zuschauen."
Wer es nicht besser weiß, der glaubt: Die Schweiz sei dem bösen Wolf ausgeliefert, und die Behörden schauen "einfach nur zu" wie er arme Schafe, Ziegen und "neuerdings sogar Kälbchen", im Plural, tötet.
Mit Verlaub, das ist Quatsch.
Gut drei Wochen ist es noch bis zur Abstimmung über das revidierte Jagdgesetz am 27. September, u ...
Der falsche Stoff
Vielleicht ist es am besten, gleich am Anfang zuzugeben, dass auch wir in der Redaktion der
ZEIT
Teil des Problems sind. Es könnte sogar sein, dass wir es unwillentlich verschärfen. Zum Beispiel dann, wenn wir Frauen mit Kopftuch zeigen, um ein beliebiges deutsches Islamthema zu bebildern.
Wir wissen natürlich, dass nur eine Minderheit der in Deutschland lebenden muslimischen Frauen ihr Haar bedeckt und dass manche Islamtheologen vehement bestreiten, dass diese Kopfbedeckung ein religiöses Symbol im engeren Sinne sei; sie argumentieren, aus dem Koran lasse sich keinerlei Verpflichtung zum Tragen ableiten. Auch wissen wir, dass das Kopftuch einerseits freiwillig, ja mit ...
Wutbürger 2.0
Dreadlocks-Trägerinnen demonstrieren neben Reichsbürgern, jene, die doch nur "Regierungskritik" äußern wollen, solidarisieren sich mit Leuten, die ernstlich glauben, Angela Merkel sei halb Mensch, halb Echse. Derlei war vor fünf Jahren noch eine Überraschung. Wer allerdings seit 2015 die diversen Aufwallungen vor allem in Ostdeutschland gesehen hat, für den waren die Bilder vom Berliner Corona-Demo-Wochenende eher eine Art Déjà-vu. Die überforderte, ja überrannte Polizei? Kennt man vom Heidenauer Anti-Flüchtlings-Protest vor exakt fünf Jahren. Familienvatis in Jeansjacke, die in Hakenkreuz-Tätowierten legitime Mitprotestierer sehen? Waren eine der zentralen Pegida-Merkwürdigkeiten.
Wenn die Flüchtlingskrise ein Angriff auf die Normalität war - was ist dann Corona?
...
"Die Maske ist aufgezwungen"
Ihre Augen sind von hellem Braun, mehr sieht man nicht von ihrem Körper. Der Schleier bedeckt Nase und Mund, sie trägt einen schwarzen Umhang, ihre Hände werden von Handschuhen verdeckt. Ouafa ist 28 Jahre alt, ihre Familie ist marokkanischer Herkunft, ihr Nachname, sagt sie, tue nichts zur Sache. Sie steht am vergangenen Samstag in einer Gruppe verschleierter Frauen auf der Berliner Corona-Demo. Ouafa formuliert druckreif und mit der Bestimmtheit einer Frau, die es gewohnt ist, sich zu verteidigen. Das muss sie oft, seit sie vor eineinhalb Jahren beschloss, Vollverschleierung zu tragen. "Jede Frau entscheidet für sich selbst. Ich habe jahrelang ...
Satan, Weltherrschaft und Attila Hildmann
Eigentlich wollte Moritz Seger* seinen Bruder nach diesem Abend nicht mehr wiedersehen. Den Kontakt abbrechen, den Kampf aufgeben. "Wenn das einfach ein Kumpel gewesen wäre, hätte ich das wahrscheinlich auch gemacht", sagt Seger. "Aber er ist halt mein Bruder."
Das Treffen liegt nun einige Monate zurück, Moritz Seger - so erzählt er es - sitzt an jenem Abend mit einem Freund in der Dorfkneipe seines Heimatorts. Sie haben sich länger nicht gesehen, plaudern und trinken. Dann stößt Segers Bruder dazu. Als die drei über Donald Trump sprechen, wird das Gespräch hitzig, die beiden Brüder reden lauter. Bis die Situation eskaliert: " ...
"Da waren sie ein paar Sekunden still"
DIE ZEIT:
Herr Spahn, Sie sind am Sonntag von Demonstranten auf der Straße
angespuckt und als "schwule Sau" beschimpft worden.
Jens Spahn:
In den letzten sieben Tagen habe ich das mehrfach erlebt, in
Wuppertal, Dortmund, Hövelhof, Frechen, Emmerich, Übach oder Bottrop. Ich frage mich dann: In
welchem Land würden diese Leute eigentlich lieber leben? Woher kommt dieser Frust, dieser
Hass, woher die Energie, mir quer durchs Land zu folgen?
ZEIT:
Diese Menschen reisen hinter Ihnen her?
Spahn:
Teilweise wird dazu im Internet aufgerufen, ja. Aber das ist nur eine
relativ kleine Gruppe, die so aggressiv ist. M ...
Mit Ungeduld und Spucke
In den langen Merkel-Jahren ist vielleicht in Vergessenheit geraten, dass die Demokratie eine nervöse Angelegenheit ist. Sie ist eine Sache der vielen und daher fast notwendig laut, aufgeregt und ruppig, eher sprunghaft, fiebrig mitunter. Und niemals fertig.
Insofern ist die große Gereiztheit, die sich am vergangenen Samstag auf der Demo gegen die Corona-Politik in Berlin manifestierte und die sich auch sonst im Lande auszubreiten beginnt, nichts Überraschendes - schon gar nicht nach Monaten des Kampfes gegen ein noch immer rätselhaftes Virus. Auch der Durchbruch von einigen Hundert Rechtsradikalen auf den Stufen des Reichstags ist kein Vorbote des Umsturzes. Die Bilder ...
"Wir wussten, dass wir nicht allein sind"
Egils Levits, 65, war Richter am Europäischen Gerichtshof, bevor er im Juli 2019 lettischer Staatspräsident wurde. Gemeinsam mit seinen Eltern war er 1972 aus der Sowjetunion ausgebürgert worden. Er ging in Münster zur Schule, studierte in Hamburg und kehrte erst 1989 in seine Heimat zurück. Lettland grenzt im Osten sowohl an Belarus wie auch an Russland. Ein Viertel der knapp zwei Millionen Einwohner zählt zur russischen Minderheit.
DIE ZEIT:
Herr Präsident, vor mehr als 30 Jahren haben die Letten mit
friedlichen Protesten ihre Freiheit erkämpft. Sie selbst waren damals in der
Unabhängigkeitsbewegung engagiert. Ist die aktuelle Situation in Belarus ...
Bringt Blumen mit
Wäre Alexander Lukaschenko nicht der Sexist, der er ist, dann würden vermutlich nicht so viele Frauen in Belarus protestieren. Doch der Autokrat, seit 26 Jahren an der Macht, findet, dass die weibliche Bestimmung sei, die Welt schöner zu machen und Kinder zu gebären, am besten mindestens drei. Frauen hält er für das schwache Geschlecht, doch ein Gesetz gegen häusliche Gewalt verhinderte er. Die Verfassung gelte nicht für Frauen, sagte er, und unter der Last des Präsidentenamtes würden die armen Dinger doch zusammenbrechen.
Wenn Sozialwissenschaftler eines Tages ihre Arbeiten über die Proteste in Belarus schreiben, werden sie auf die Frauen schauen ...
Flächenbrand
Der Neonazi Sebastian T. scheint sich sicher zu sein: Das Gesetz kann ihm nichts anhaben. Als die Richterin die Verhandlung im Saal des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten am Montag dieser Woche für einige Minuten unterbricht, tritt der Angeklagte aus dem Saal, beide Hände zur Siegergeste erhoben. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit seinem Kameraden Tilo P. das Konterfei des Hitler-Anhängers Rudolf Heß und SS-Runen auf Mauern und Hauswände im Süden der Stadt gesprüht zu haben. Wenn es nach den Ermittlern des Staatsschutzes ginge, müssten T. und P. jedoch nicht nur für ein paar Nazi-Schmierereien, sondern wegen ganz anderer Delikte vor Gericht stehen: für ...
Und am Ende essen wir Maden
DIE ZEIT:
Herr Benecke, Sie sind Kriminalbiologe. Welche Rolle spielen
Insekten in Ihrer Arbeit?
Mark Benecke:
Eine ziemlich interessante. Mithilfe von Insekten können wir
hin und wieder bestimmen, wann und unter welchen Umständen ein Mensch gestorben ist. Zum
Beispiel durch die Größe von Schmeißfliegenlarven, die man auf einer Leiche findet. Die sind
eine Art Uhr. Außerdem nehmen manche Insekten Gifte aus dem Körper auf. An denen kann man
teilweise erkennen, ob jemand vergiftet wurde, wenn der Mensch selbst schon längst verwest
ist. Und dann gibt es noch Spezialtechniken, die etwa bei Sexualdelikten zum Einsatz kommen.
Manche Maden ...
"Bitte tun Sie irgendwas, wir haben keine Zeit mehr. Die Leute sterben"
Es ist der 25. Mai 2020, kurz vor zehn Uhr, als auf dem Handydisplay von Lars Bucher* die Nummer eines Satellitentelefons erscheint. Bucher, 26, ist Programmierer. An diesem Tag hat er frei und betreut von seiner Wohnung in Zürich aus die Notfallnummer von Alarm Phone, einem Freiwilligen-Netzwerk, das Flüchtenden in Seenot hilft. Er hebt ab. Es ist laut im Hintergrund, so steht es später in den Anrufprotokollen, der Mann am anderen Ende der Leitung spricht gebrochenes Englisch.
Bucher: Hallo, hier ist Alarm Phone. Sind Sie in Seenot?
Stimme: Bitte, wir brauchen Hilfe. Menschen sterben, bitte, wir brauchen Hilfe.
Bucher: Okay, b ...
60 Zeilen ... Liebe
Er ist kein Berufspolitiker, also dürfte ich diesen Brief laut Regelwerk dieser Kolumne gar nicht schreiben. Man möge mir diese Schwäche nachsehen. Denn als Quereinsteigerin in die Politik hatte ich lange kaum relevanten Kontakt zur Berufspolitik. Daher ziehe ich einen Joker, der zwar nicht vom Fach ist, aber überaus politisch: Volker Schlöndorff beweist, dass man sein Leben auch ohne öffentliche Funktion engagiert und mit persönlichem Einsatz verbringen kann.
Man denke nur an all die Demos, Aufrufe, Petitionen, an denen er sich nicht erst seit 1968 beteiligte - kaum einer weiß, dass er sich schon zuvor für den Befreiungskrieg in Algerien ...
Inhalt
POLITIK
Titelthema:
Q-Anon, eine wirre Verschwörungsbewegung, breitet sich in Deutschland aus von Sophie garbe
2
Warum eine vollverschleierte Muslimin in Berlin mit Rechten demonstrierte von angela
köckritz
2
Deutschland zwischen Wahn und Vernunft
von Jan
Ross und Heinrich Wefing
3
Bespuckt und beschimpft - Ein Interview mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
3
Belarus I
Wie die Frauen den Herrscher
Lukaschenko in Bedrängnis bringen
von Alice Bota
4
Belarus II
Der lettische Präsident Egils Levits warnt Russland vor einem Eingreifen von Matthias Krupa
4
Anschlagserie
Dringen Informationen aus dem Berliner Sicherheitsapparat an Neonazis durch? von Sebastian kempkens, paul middelhoff und holger ...
Generation Schlafmütze
"Moderat, moderierend, angegrünt, liberal, emanzipiert, ziviler" - was sollen Bernd Ulrichs Etiketten für zehn Millionen Menschen der Jahrgänge 1955 bis 1965? Unter ihnen sind Männer und Frauen, Akademiker und Menschen ohne Hauptschulabschluss, Eigenheimbesitzer und Nichtsesshafte, Schwule und Heteros, Reiche und Menschen, die es nicht aus der Armut schaffen, Veganer und Wochenendgrillfreaks ... Soll ich das fortsetzen?
Zwar sind die Babyboomer zahlreich, und daher sind viele von ihnen tatsächlich an den Schalthebeln der Macht, wer denn auch sonst? Aber sie haben diese Macht doch nicht einheitlich tumb mit den von Ulrich identifizierten Strategien genutzt. Genauso wenig verstehen sich alle jüngeren Menschen ...
Von Mohren und Museen
Deutschland braucht ein Kolonialmuseum, das die Spuren menschenverachtenden Rassismus in der
Vergangenheit wie auch neue Formen der Versklavung und Unterdrückung aufarbeitet und den
Diskurs befeuert. Dass das Berliner Humboldt Forum - das die ethnologischen Objekte aus
Afrika, Altamerika und Ozeanien beherbergen soll - für diese Aufgabe, die Fragen der
Restitution einschließen muss, die denkbar ungeeignetste Einrichtung ist, wird schon durch
einen schlichten Blick auf das Dach des Stadtschlosses deutlich: Das goldene Kreuz auf der
Kuppel wird ergänzt um einen umlaufenden Spruch, der nicht weniger als die Unterwerfung aller
Menschen unter das Christentum fordert. Nach dem Wiederaufbau benannte man den Gebäudekomplex
...
Verloren hinter Gittern
Sie erinnert sich noch gut daran: Als die Vollzugsbeamten sie zu ihrer Zelle in der Münchner JVA Stadelheim führten, hatten ihre Tränen das Schwarz des Kajals im ganzen Gesicht verteilt. Überall haftete der Blick der Männer auf ihr, erzählt Laura Meißner. Auf ihren langen blonden Haaren, auf ihren Brüsten, Größe Doppel D. Einige Minuten zuvor hatte Meißner in einem Raum gesessen, um auf ihre "eingangsmedizinische Untersuchung" zu warten. Es ist das Standardprozedere für Neuankömmlinge - ein Arzt prüft, ob der Inhaftierte drogenabhängig oder auf Entzug ist, ob er Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien hat.
Sie erinnert sich, wie ein als Helfer eingeteilter ...
Wie du mir, so ich dir
Nichts lässt Menschen so sehr zusammenwachsen wie eine gemeinsame Bedrohung. Mit Corona schnellte die Solidarität im Land nach oben. Nachbarn, die sich kaum kannten, helfen einander jetzt, im gemeinsamen Ringen mit der Pandemie ist neues Vertrauen entstanden. Doch die Gegenbewegung der Enttäuschten und Zornigen lässt nicht auf sich warten. Menschen, die sich ausgeschlossen fühlen von der neuen Solidarität. Menschen, die sich zu den Verlierern zählen. Menschen, die den Konsens der Mehrheit für eine Lüge halten. Extreme Individualisten. Systemgegner. Wutbürger aus Prinzip. Am Wochenende gingen sie in Berlin auf die Straße und zeigten: Der Zusammenhalt ist brüchig, soziale Spaltung und Misstrauen ...
Solidarität ist ansteckend
Als ein paar wohlerzogene Jungs auf einer einsamen Insel gestrandet sind, geraten sie in einen heftigen Streit, der immer stärker eskaliert. Am Ende foltern sie einander sogar, und es gibt Tote. Nicht weil es ihnen an Essen fehlt, sondern wegen der "Finsternis in des Menschen Herz". Das ist die Geschichte, die William Golding in seinem Roman
Herr der Fliegen
aus dem Jahr 1954 erzählt. Der Schriftsteller bekam für seine "realistische Erzählkunst" und die anschauliche Darstellung des "menschlichen Zustands" den Literaturnobelpreis.
Unverdient, findet Rutger Bregman, ein Historiker aus den Niederlanden. Der Wissenschaftler, dem auf Twitter fast 400.000 Menschen folgen, hat ...
Freundlichkeit siegt
DIE ZEIT:
Professor Hare, gerade haben Sie ein Buch mit dem Titel
The Survival of the Friendliest
veröffentlicht - das Überleben der Freundlichsten. Klingt wie eine Gegenrede zu Charles Darwins
survival of the fittest.
Brian Hare:
Nun, als Darwin diese Redewendung prägte, bezog sich
"fittest"
wirklich nur auf die Fähigkeit, Nachwuchs hervorzubringen.
ZEIT:
Aber bald wurde das stark verallgemeinert. Den Sozialdarwinisten galt es sogar für menschliche Gesellschaften als Leitgedanke, die Natur wolle das Überleben des Stärkeren.
Hare:
Wenn man die Geschichte des Lebens betrachtet und jene großen Sprünge, die zum Erfolg einer Spezies beigetragen haben, dann ...
Japan: Geht mit Premierminister Shinzo Abe auch seine Wirtschaftspolitik?
Als am vergangenen Freitag die ersten Gerüchte die Runde machten, sackte der japanische Leitindex Nikkei abrupt um zwei Prozent ab. Die alles bestätigende Pressekonferenz hielt der Regierungschef dann erst nach dem Schließen der Tokioter Börse ab, sonst wären die Einbrüche wohl noch heftiger gewesen. Wegen gesundheitlicher Probleme tritt Shinzo Abe als Premierminister von Japan zurück. Er wird sein Amt übergeben, sobald in seiner Partei ein Nachfolger gefunden ist.
Für Anleger sind das schlechte Nachrichten. Abes Wirtschaftspolitik hat Japans Aktienmärkten in den vergangenen Jahren zu einem beeindruckenden Aufschwung verholfen. Seit der Rechtskonservative Ende 2012 zum Premier gewählt wurde, hat sich der ...
Börse: Wie "böse" ist die amerikanische Datenfirma Palantir?
Schon der Name ist geheimnisvoll: Palantir. So heißen die magischen Steine aus Tolkiens
Herr der Ringe,
mit denen sich Freund und Feind über weite Distanzen beobachten lassen. Dahinter verbirgt sich ein ebenso faszinierendes wie undurchsichtiges Datenunternehmen - das jetzt aber das Rampenlicht sucht. Es will an die Börse.
Vergangene Woche reichte Palantir die Anmeldung bei der US-Börsenaufsicht ein. Sein Wert wurde von Investoren auf über 20 Milliarden Dollar taxiert. Damit ist es das größte Firmendebüt aus dem Silicon Valley nach der Taxi-App Uber im Mai vergangenen Jahres. Doch Palantir, das riesige Datenbestände aufbereitet und zu analysieren hilft, gehört zu ...
Mietendeckel: Stehen jetzt mehr Wohnungen leer?
Was passiert, wenn Wohnungsmieten in einem begehrten Immobilienmarkt gesetzlich begrenzt werden - dieses Experiment läuft in Berlin seit dem 22. Februar. Damals trat in der Hauptstadt ein Mietendeckel in Kraft: Die Miete bei Häusern bis Baujahr 2014 darf einen festgelegten Betrag nicht überschreiten. Noch gilt das nur für Neuvermietungen, ab November aber auch für Bestandsmieten. Nun gibt es Berichte über eine unerwünschte Nebenwirkung: Lassen Immobilienbesitzer ihre Wohnungen lieber leer stehen, statt nach den neuen Vorschriften zu vermieten?
"Empirisch ist Leerstand nur sehr schwer zu messen", sagt Ralph Henger, Immobilienökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Es gebe keine systematisierte ...
"Das Ende meiner Träume"
Es war eine einfache Wahrheit, nur wurde sie von der falschen Person ausgesprochen. Nachdem Vorstandschef Markus Braun freigestellt worden war, sich sein Kollege Jan Marsalek ins Ausland abgesetzt hatte und klar wurde, dass bei Wirecard einiges an Vermögen nicht existierte, wandten sich die verbliebenen Vorstandsmitglieder per Videobotschaft an die Mitarbeiter. "Wir sind zu fett", sagte die für den Produktbereich verantwortliche Susanne Steidl. Viele Abteilungen müssten kleiner werden.
Das Video wurde mittlerweile aus dem Intranet gelöscht. Doch mehrere Wirecard-Mitarbeiter bestätigen gegenüber der
ZEIT
diese Worte. Am vergangenen Dienstag folgten ihnen dann Taten: Das Amtsgericht München eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen ...
Der Eisladen soll bleiben
Stellen Sie sich vor, Sie sind Inhaber eines Eisladens. Ihre Spezialität ist ein besonders leckeres Himbeereis, das sie selbst herstellen. Sie beschäftigen zwei Mitarbeiter. Die Geschäfte liefen gut, aber wegen der Corona-Krise bleiben die Kunden aus. Ihrem Laden droht die Pleite und Ihren Mitarbeitern der Jobverlust.
Wie soll sich der Staat verhalten? Soll er Ihnen helfen? Oder besser nicht?
Sie hoffen natürlich auf Unterstützung - und tatsächlich hat sich die Regierung für diese Variante entschieden. Der Bund übernimmt über die Kurzarbeitsregelung einen Teil der Lohnkosten und der Sozialversicherungsbeiträge für die Mitarbeiter. Die Pflicht, bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anzumelden, ist ...
Die Entdeckung der Macht
Sie mussten zuerst verstehen, wie mächtig sie sind. Heute scheinen sie darüber selbst zu staunen, aber sie hatten das nicht gewusst. Cool waren sie gewesen, reich sowieso und logischerweise begabt, darum waren sie ja berühmt. Doch mächtig?
In der nordamerikanischen Basketballliga, der NBA, hatten Machtfragen, wie im sonstigen amerikanischen Leben, stets mit der Hautfarbe zu tun gehabt: Die zumeist afroamerikanischen, in den USA "schwarz" genannten Spieler waren zwar die Stars ihrer Städte, aber ihre Trainer machten ihnen klar, was sie zu tun und zu lassen hatten. Diese Trainer wandten militärische Disziplin an, inklusive scharfer Bestrafungen, falls ein Spieler zu spät ...
Labor der Hoffnung
Etwas Erstaunliches ist geschehen. Mitten in der Pandemie, die eine ganze Welt aufrührt,
trotzen ausgerechnet die deutschen Hochschulen der Krise. Fast geräuschlos hat der akademische
Apparat seinen Lehrbetrieb umgestellt: Studierende klicken sich durch Online-Vorlesungen,
Professorinnen drehen Video-Botschaften. Uni-Präsidenten dehnen Prüfungsfristen ins gefühlt
Unendliche und mieten Messehallen, um Klausuren mit Hygiene-Abstand durchzuführen.
An alles ist gedacht: wie viele Personen ins Audimax passen, wie man die "Erstis" persönlich auf dem Campus begrüßen könnte. Ach ja, und: Wird die klassische Vorlesung die Pandemie überleben? Auch vor diesen großen Fragen drückt sich niemand mehr.
Und die Forschung an deutschen Hochschulen erfährt ungewohnte ...
Bittere Pointe am Polarkreis
Die Schlagzeilen des Jahres? Voller Corona, Corona, Corona. Leider kann man sich heute bereits ziemlich gut ausmalen, was den Rückblick auf das Jahr 2020 dominieren wird. Ebenso augenfällig ist, was dabei kaum Beachtung findet. Dabei wäre der zurückliegende Sommer auch ganz ohne Pandemie keineswegs normal gewesen. Er war katastrophal.
Im Frühjahr meldeten australische Forscher, dass die Korallen im Weltnaturerbe Great Barrier Reef zum dritten Mal binnen fünf Jahren von einer großen Bleiche betroffen seien, und diesmal war eine größere Fläche davon betroffen als je zuvor beobachtet. Um sich zu erholen, braucht ein Riff rund 15 Jahre - und das ohne ...
Wer hat das Virus im Gepäck? Eine Spurensuche
Das Virus ist geblieben, die Krankheit ist noch dieselbe - und doch scheint Deutschland jetzt eine andere Pandemie zu erleben als noch vor Kurzem. Nicht nur, dass die Zahl der Infizierten seit Mitte Juli wieder steigt, sie werden auch immer jünger. Bis zu zwanzig Jahre beträgt der durchschnittliche Altersunterschied im Vergleich zum Beginn der Pandemie; jetzt sind es vor allem die 15- bis 34-Jährigen, die sich infizieren. Die meisten Übertragungen des Virus finden innerhalb Deutschlands statt. Neue Sorgen macht den Behörden aktuell aber etwas anderes: Fast die Hälfte aller Neuinfizierten hat sich im Ausland angesteckt. Ihre Zahl dürfte weiter zunehmen, w ...
Die dunkle Seite
Per definitionem untersuchen die Altertumswissenschaften Angejahrtes. Deswegen muss es in diesem Fach aber nicht verstaubt oder betulich zugehen. So erhitzte jahrtausendealtes Gemäuer die professoralen Gemüter so sehr, dass hierzulande der "Troja-Streit" entflammte. Monatelang stritten im Jahr 2001 Archäologen mit Althistorikern über ein paar Siedlungsstrukturen im Boden Kleinasiens: War Troja eine antike Großstadt oder eher ein uraltes Kaff?
In dieser Woche könnte ein neuer Streit entbrennen, erste persönliche Anfeindungen gehen ihm voraus. Diesmal geht es um das wohl bekannteste archäologische Fundstück Deutschlands: die Himmelsscheibe von Nebra. Jene geschmiedete, goldverzierte Bronzeplatte hat seit ihrer Entdeckung Ende des 20. Jahrhunderts mehr Aufmerksamkeit erregt ...
Ein Fahrrad, das selbst denken kann. Der Fortschrittsbericht
So spricht der Fahrradpurist: Ein Fahrrad, das sind zwei Räder, ein Lenker, ein Sattel plus der Rahmen. Anno 1978 fuhr der Fahrradpurist 1000 Kilometer durch Skandinavien mit einem NSU-Rad Baujahr 1949, einzige Sonderausstattung: eine Dreigang-Torpedo-Schaltung. Wenn der Fahrradpurist von einer Fahrradmesse kommt, ist er enttäuscht. "Nur Gedöns."
Was übersieht der Purist? Was ist neu in der Evolution des Fahrrads? Versuchsweise basteln wir jetzt mal ein Rad, dessen Komponenten Prototypen oder eben erst auf dem Markt sind.
Das
ZEIT
-FutureCycle hat keinen Kettenantrieb mehr, dafür eine elektronisch gesteuerte, saubere und reibungsarme Antriebswelle (von CeramicSpeed aus dem dänischen Holstebro). Ein "aktives Fahrwerk" ...
Um Eierstockkrebs früh zu erkennen, bieten Ärzte einen Ultraschall an. Und das soll helfen?
Das Angebot klingt so einfach, geradezu elegant: Hier ist eine Untersuchung, mit der man einen Tumor entdeckt, bevor er Schaden anrichtet.
Die Rede ist von einem transvaginalen Ultraschall, den Ärzte zur Früherkennung von Eierstockkrebs anbieten. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen ihn nicht, er ist eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) - aber die Frauen sind schon ab zehn Euro dabei! Auch wenn sie meist zwischen 20 und 50 Euro loswerden, vielen ist es das wert: Diese Früherkennungsuntersuchung gehört zu den meistverkauften IGeL überhaupt. Ärzte suchen dafür bei symptomfreien Frauen nach einem Tumor, der sich unbemerkt ausbreiten kann und dann oftmals tödlich endet. E ...
Was der Fluss weiß
***
***
Was ist das, ein Fluss? Vor der Abreise zunächst nicht mehr als eine sich schlängelnde Linie auf einer Landkarte, die den Norden der USA mit dem Meer im Süden verbindet, darin in kleinen Buchstaben geschrieben: Mississippi. Folgt man dem Hauptstrom, sind es 3778 Kilometer von der Quelle bis zur Mündung, einmal quer durch den Mittleren Westen der USA, von der Grenze Kanadas bis an den Golf von Mexiko.
Diese Strecke will eine Gruppe von Studierenden, Wissenschaftlern und Künstlerinnen abfahren, nicht auf Straßen, sondern in Kanus - dem Rhythmus des Flusses folgend. Drei Monate dauert die Reise, ich bin etappenweise dabei. O ...
"Ich habe kein Problem damit, mich zu irren"
DIE ZEIT:
Frau Ciesek, am kommenden Dienstag werden Sie zum ersten Mal im
Coronavirus-Update
des NDR zu hören sein, dem wichtigsten deutschsprachigen Podcast zur Pandemie. Sie wechseln sich dann wöchentlich mit Christian Drosten ab. Warum tun Sie sich das an?
Sandra Ciesek:
Tue ich mir damit etwas an?
ZEIT:
Sie haben bestimmt verfolgt, was Christian Drosten passiert ist. Zu Beginn ist er fast uneingeschränkt gelobt, beinahe schon verehrt worden für seine nüchterne, verständliche Art zu erklären. Aber dann wurde er schnell hart kritisiert, sogar angefeindet. Irgendwann bekam er weißes Pulver in einem Briefumschlag zugeschickt, und am Wochenende ...
Vor Dinosauriern wird gewarnt
Bereits vor Corona-Zeiten kursierte auf Facebook ein Meme, das die Rolle der Geistes- und Sozialwissenschaften unterstreicht: Das Bild zeigt einen Forscher mit weißem Kittel, der dank hochinnovativer Technologien erneut einen Dinosaurier auf die Erde bringen möchte - doch der will ihn fressen. Darunter steht die Zeile: "Naturwissenschaftler können vielleicht Dinosaurier wiederbeleben, aber Geisteswissenschaftler die Gründe erörtern, warum das keine gute Idee ist."
Geistes- und Gesellschaftswissenschaftlerinnen sind systemrelevant. Zwar können sie keine Impfstoffe entwickeln, doch nur sie haben Expertise darin, zu analysieren, wie Pandemien Gesellschaften verändern, welche politischen Konsequenzen sie haben und wie negative Folgen eingehegt werden können. Sie können davor ...
Grimassen und Gewusel
Wenn Nina Dulleck morgens unter der Dusche steht, denkt sie oft: "Bleib hier, bleib hier, ich bin gleich abgetrocknet ..." Dann hat sie eine Idee. Wenn kurz darauf "Oh, Mist, weg!" folgt, dann ist ihr diese Idee entwischt. Und leider passiere das häufiger, erzählt sie. Aber zum Glück gelingt es Nina Dulleck oft genug, ihre Ideen festzuhalten. Aus diesen Ideen werden Bilder, und die kennen viele, viele Kinder in Deutschland.
Nina Dulleck ist Illustratorin von Kinderbüchern. Das bedeutet, sie fertigt die Bilder zu den Geschichten anderer an. Und zwar gleich für mehrere erfolgreiche Reihen: Am bekanntesten ist der ...
Auftauchen, Luft holen
Nehmen wir an, wir befänden uns im Herbst des Jahres 2023, ein Impfstoff gegen das Virus wäre noch immer nicht gefunden, Deutschland zerfiele in lauter Lockdown-Fürstentümer und Quarantäne-Grafschaften mit jeweils eigenen Abstandsregeln, und es rollte die achte, neunte oder vierzehnte Corona-Welle über uns hinweg. Was für ein Theater fände dann auf unseren Bühnen statt? Vermutlich wäre es von genau der Art, wie wir es derzeit in Weimar, beim Kunstfest, sehen. Nämlich ein Monolog-Theater, in dem unter freiem Himmel ein einziger Mensch sich von einem Podest herab an sein kleines, verstreut in der Nacht sitzendes Publikum wendet. Er tut das mit ...
Ich staune, also bin ich
Eine Meldung vom Wochenende: Elon Musk, der Tesla-Chef, bekannt durch Expeditionen zum Mars und in die brandenburgischen Wälder, war auf Stippvisite bei seinem Schwein Gertrude. Gertrude trägt in ihrem Kopf einen Chip, den Musk ihr implantieren ließ, weil er schon bald selbst einen solchen Neurolink tragen will. Er hofft, damit sein Gehirn steuern zu können: um besser zu hören oder um seine Gedanken und Träume aufzuzeichnen und natürlich um sich mit seinem Smartphone zu verbinden, ohne noch irgendwelche Tasten drücken zu müssen. In Musks schöner neuer Welt werden alle gechipt sein, die Dinge genauso wie die Menschen, und es erfüllt ...
"Ich bin immer da!"
Nachricht von Karin Graf, schmetterlingszart auf die Mailbox gehaucht. Ja, schon möglich, wir könnten uns treffen, nur sei sie demnächst auf Sizilien und schlage vor, dass wir unser Gespräch dort führten. Ihre Handynummer zum Mitschreiben, herzliche Grüße, tschüss. Und
buon giorno.
Ein paar Tage, einen EasyJet-Flug und eine verschwitzte Atemmaske später drückt die Literaturagentin auf den Türsummer ihrer Wohnung in Ortigia, der vom Mittelmeer umspülten und dieser Tage fast touristenfreien Altstadt von Syrakus. Alles barock. Die beiden oberen Etagen des Hauses an der Piazza del Precursore gehören, plus Dachterrasse, Karin Graf und ihrem Mann, den die Agentin aber nicht ...
Distanz schaffen
VON ANDREAS BERNARD
Zu den Wirtschaftsbereichen, die im letzten halben Jahr auffällig hart getroffen wurden, gehört bekanntlich die
"Sharing-Economy".
Airbnb wird den für 2020 vorgesehenen Börsengang verschieben und hat angekündigt, ein Viertel seiner Mitarbeiter zu entlassen. Carsharing-Unternehmen wie Share Now oder WeShare haben die geplante Ausweitung des Angebots verworfen und ihre Dienste in einigen Städten komplett eingestellt. Ein Gutteil der kleineren Start-up-Firmen, die in den vergangenen Jahren den Verleih von Fahrrädern, Elektrorollern, Kleidungsstücken, Werkzeugen oder Haushaltsgeräten zu ihrem vielversprechenden Geschäftsmodell gemacht haben, mussten aufgeben.
Es liegt auf der Hand, dass ein Dienstleistungssektor, der auf dem Teilen von
bereitgestellten oder sogar ...
Monolog für einen Toten
Das Licht dieses Films erfasst alles und auch uns. Es scheint keine Quelle zu haben, es ist einfach da - dramatisch und sachlich zugleich. Es wirft seinen Schein auf karge unverputzte Wände, auf ein Tischchen mit zwei Porträtfotos und die zwei davor flackernden Kerzen. Und natürlich auf das Gesicht der Titelheldin. Ihr Name ist Vitalina Varela, im Film wie im Leben. Sie ist 55 Jahre alt. Sie kommt von den Kapverdischen Inseln nach Lissabon, und sie kommt zu spät. Vor drei Tagen ist ihr Mann gestorben.
Jahrzehntelang haben sich die beiden nicht gesehen. Als sie seine spärlich eingerichtete Unterkunft betritt, s ...
Der Leviathan unserer Tage
Die Macht der Religion geht ihrem Ende zu. Wie oft las man die Floskel schon in Gedankenwerken der Moderne (etwa in Canettis
Masse und Macht)
! Und dann wiederersteht die Macht der Religion noch im selben Jahrhundert, da man sie totsagte. Erhebt sich über die Zeit, nur eben an ungeahnter Stelle. Entgegen der Prognose gewinnt ihre Weltherrschaft neue Bedeutung.
In islamisch theokratischen Ländern wie dem Iran sind es wenige (Gelehrte), die den meisten, den Massen, Weisung geben. Bei uns bestimmt das Populäre das Niveau der politischen Repräsentanten, die allesamt Ungelehrte in jeder Richtung sind, nicht zuletzt weil Parteizugehörigkeit zwangsläufig Wissen ...
Im Radio klingt′s besser
Im Tiergarten stapeln sich die Absperrgitter, im Regierungsviertel laufen die ersten Wasserwerfer Spalier, und vor der Philharmonie stehen am frühen Freitagabend Menschen, die wirken, als hätten sie sich todesängstlich ein allerletztes Mal in Schale geworfen. Start der Konzertsaison und Demo-Wochenende in Berlin. Die eine Wirklichkeit leugnet jede Pandemie, was zweifellos bequem ist. Die andere unterliegt dem aktuellen "Hygienerahmenkonzept" des Landes, das in der praktischen Umsetzung (und im internationalen Vergleich) absurde Züge trägt. Eine "Großveranstaltung" wie ein klassisches Sinfoniekonzert ist in Corona-Zeiten gewiss ein Hochrisiko-Unternehmen, auf dem Podium wie im Saal. Bliebe es bei den aktuellen Regularien, hätte das drastische Folgen ...
Die guten Studenten von Minsk
Bewegende Bilder, schockierende Augenzeugenberichte, Solidaritätsaufrufe. Entschlossene, besonnene, von ihrem plötzlichen Mut selbst überraschte Menschenmassen in Belarus. Eine andere Zeit (der Herbst 1989) scheint in die Gegenwart eingebrochen. Die selbstzufriedenen westlichen Politikbeobachter sind überrascht, geradezu schockiert. Ausgerechnet Belarus? Wo liegt das überhaupt? Als ich im Frühling 2018 mit deutschen Freunden, deren Vorliebe für ausgefallene Reiseziele notorisch ist, von meinem damaligen Wohnort Minsk aus zu einer vierzehntägigen Autoreise zwischen Witebsk, Gomel, Pinsk und Brest aufbrach, erreichten uns aus Deutschland WhatsApp-Nachrichten, die ironisch der Vermutung Ausdruck gaben, dass wir jetzt ja wohl endgültig verrückt geworden seien. Ob wir demnächst auch Nordkorea bereisen wollten?
...
Es kribbelt im Schritt
Die Erzählungen des jungen Dänen Jonas Eika sind beides: welthaltig und phantasmagorisch. Seine Figuren nehmen so grenzenlos wahr, dass sie jede herkömmliche Kategorie von Realität hinter sich lassen. "Der Strand hat etwas Besonderes an sich, denn ich bin ein Beach Boy, etwas wird passieren am Strand", beginnt
Bad Mexican Dog,
die zentrale, aus zwei Teilen bestehende Erzählung des knapp 160 Seiten schmalen Bandes
Nach der Sonne,
für den Eika als bislang jüngster Autor mit dem Literaturpreis des Nordischen Rates ausgezeichnet wurde.
Ein Junge arbeitet als "Boy" am Strand einer Hotelanlage in Mexiko. Den Gästen Wasser bringen, sie mit ...
Jedem seine Wahrheit
Gerade ist der neue Roman
Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
der Superstar-Schriftstellerin Elena Ferrante erschienen, und aus diesem Anlass kam ein neapolitanischer Buchhändler in einem jener Neapel-Erkundungstexte zu Wort, mit deren Hilfe regelmäßig versucht wird, der neapolitanischen Schriftstellerin auf elegante, also nicht stalkerhafte Weise irgendwie näherzukommen, weil Ferrante ihre Identität, das heißt, ihren bürgerlichen Namen und das dazugehörige Gesicht, seit fast 30 Jahren geheim hält und natürlich weil der in Ferrante-Zusammenhängen zuverlässig formulierte Literatur-Small-Talk-Satz, dass die heimliche Hauptrolle in Ferrantes Büchern eigentlich die Stadt Neapel spiele, in diesem journalistischen Annäherungsversuch seinen Ausdruck findet.
Der genannte Buchhändler aus Neapel wurde also ...
Der Öko-Messias und seine brutalen Jünger
Wie einer ein Buch nass macht, ohne dass es sich wellt, macht Lukas Jüliger so leicht keiner nach: Immer regnet es irgendwo in dieser Graphic Novel, tropft, matscht. Der Held trägt noch den Urschlamm in seinen Kleidern, und konsequenterweise hat der Berliner Reprodukt Verlag für dieses Buch ein beschichtetes Umschlagmaterial gewählt, das den Leser die schwüle Feuchte spüren lässt.
Unfollow
erzählt von einem Weltretter, einem jungen Mann mit langen Haaren, der sich später über und über mit Abbildungen ausgerotteter Tiere tätowieren lässt und sich Earthboi nennt. Er wird zum Star einer Öko-Bewegung, zum Umwelt-Messias. Das ist Jüligers großartige Idee: Er ...
Browns Tierleben
DIE ZEIT:
Mister Brown, bei Ihnen zu Hause gibt es viele Tiere: Pferde, einen Hund, eine Katze. Wie steht′s mit Mäusen?
Dan Brown:
Oh, wir haben eine Menge, und ich finde sie niedlich. Aber meine Katze sieht das anders. Deshalb gibt es hier sehr viele lebendige und sehr viele tote Mäuse.
ZEIT:
Haben Sie Ihrer Katze schon erklärt, dass in Ihrem ersten Bilderbuch
Eine wilde Symphonie
ausgerechnet eine Maus der Chef ist?
Brown:
Ich konnte meine Katze bisher überhaupt nicht davon überzeugen, dass meine Bücher irgendeine Bedeutung für ihr Leben haben. Sie macht, was sie will ...
"Wir müssen uns auch von Kirchengebäuden trennen"
DIE ZEIT:
Herr Sobbeck, als Sie vor einem Jahr Finanzchef des Erzbistums Köln wurden, schrieb man dort eine schwarze Null. Ihr Haushaltsplan für 2020 sah sogar ein Plus von zehn Millionen Euro vor. Jetzt rechnen Sie mit einem Minus von mindestens 50 Millionen. Sind Deutschlands Kirchen trotz hoher Kirchensteuereinnahmen doch nicht krisensicher?
Gordon Sobbeck:
Leider nein. Wir schweben ja nicht über den Dingen, deshalb
bringt die Corona-Pandemie auch uns ins Defizit. Die Kirchensteuer macht etwa 75 Prozent
unserer Einnahmen aus. Da sie von der Lohn- und Einkommensteuer abhängt, schlägt der
derzeitige Einbruch der Wirtschaftskraft massiv auf uns durch. I ...
Wer glaubt denn so was?
Ich kann die Sorge nicht leugnen, künftig als der verspulte Eso-Trottel der Redaktion
dazustehen
Weil es im Folgenden um große Dinge gehen wird - um die Sterne und den Menschen, das All und das Nichts -, brauchen wir nicht bescheiden zu tun und dürfen mit Shakespeare beginnen.
"Wahrlich", sagt also dessen Prinz Hamlet, "mein Zustand ist so traurig, dass mir dieser herrliche Bau, die Erde, ein kahles Vorgebirge scheint; seht, dies herrliche Dach, die Luft, dies prächtig darüberhängende Firmament, dieser majestätische Thronhimmel mit goldnen Sternen besät, scheint nichts anderes mir als ein Zusammenfluss fauler, verpesteter Dünste."
Was Hamlet da formuliert, ist ...
"Jeder blamiert sich, so gut er kann"
1 Welches Tier ist das politischste?
Ich bin ja geneigt, die Eichhörnchen zu nominieren, weil die instinktiv vorsorgen und mich immer gut draufbringen. Aber eigentlich gibt′s kein freiheitsliebenderes Tier als unseren elf Monate alten Hund, der bereits neun Leinen durchgebissen hat.
2 Welcher politische Moment hat Sie geprägt - außer dem Kniefall von Willy Brandt?
Die Kubakrise. Ich war damals in einem Internat in der Eifel, und die großen Jungs tuschelten irgendwas von "Atomkrieg". Wir Kleinen hatten furchtbare Angst, wenn′s losgeht, nicht bei unseren Eltern zu sein. In einer ausführlicheren Fassung dieser Geschichte käme auch mein an der Zensur des ...
Nur noch ein kleines Stück
Und dann liegt es da auf meinem Teller, das große Stück Käsekuchen, und noch vor der ersten Gabel rattert die kleine Rechenmaschine im Kopf schon wieder los. Bevor ich gestern zu meiner ersten Wanderung im Pfälzerwald aufgebrochen war, hatte ich nie darüber nachgedacht, mittlerweile aber kommt mir die Frage bei jeder Rast in den Sinn: Macht Wandern womöglich dick? Nimmt man zu, während man denkt, man nehme ab? Und dieser Hype, der seit Wochen und Monaten ums Wandern und seine gesundheitsförderlichen Nebenwirkungen gemacht wird - treibt der uns alle ins Übergewicht?
Die Sonne zwinkert zwischen den Bäumen an der Edenkobener ...
Radicchio
Am Ende der Sommerferien hat mich der Nachbar von gegenüber auf dem Wochenmarkt dabei erwischt, wie ich mit meinem Sohn auf einer schattigen Bank eine mittelgroße Kiste Erdbeeren vertilgte. "Soso", sagte der Nachbar, "die Gartenkolumnistin kauft also Erdbeeren." Das riecht natürlich nach Skandal. In einer idealen Welt kauft eine Gartenkolumnistin keine Erdbeeren, im Frühsommer nicht, weil sie genug eigene hat, im Spätsommer erst recht nicht, weil sie noch in der Erinnerung an ihre köstliche Ernte schwelgt und außerdem damit beschäftigt ist, ein neues Erdbeerbeet anzulegen oder ein altes zu verjüngen. Der frühe September ist dafür die beste Zeit, weil ...
Das ist mein Strand
Wenn der Richter* in die Ferien fährt, erholt er sich wie der Bürger im Karneval: Er macht Urlaub von der wohltemperierten Sachlichkeit, dem Salomonischen, der Äquidistanz, seiner ganzen anstrengend simulierten Weisheit.
Wir waren am Vitter Strand, Insel Hiddensee, nahe Buhne 11. Eine kühle Brise wehte auflandig. Der dünennahe Streifen war durch bunte Windschutze - auf der nahen Promenade erhältlich in bis zu zehn Meter Länge - parzelliert wie eine deutsche Kleingartenanlage. Aber nur auf den ersten Blick wirkte der Strand bevölkert, denn bloß hinter wenigen der windumtosten Wälle tummelten sich Menschen. Es überwogen vielmehr die "Reserviert"-Schilder, für die Dauer eines Urlaubs ...
... in einer Gemeinde zu leben, der das Wasser ausgeht
Zuerst dachte ich, es sei ein Unfall, weil die Sirenen so laut waren. Wir saßen auf der Terrasse, als die Feuerwehr durch den Ort fuhr. Die Durchsagen konnten wir erst gar nicht verstehen. Dann hielt ich es für einen Scherz. Wasser sollten wir sparen, hieß es. Trinkwasser im Supermarkt kaufen, Nutzwasser von der Feuerwehr holen und aufhören, den Rasen zu sprengen, Pools zu befüllen, Blumen zu gießen. Die Wasserversorgung stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Nur Gemüsebeete zu gießen war noch erlaubt. Mit so einer Situation rechnet man als Mitteleuropäer nicht. Einige Nachbarn haben sofort ihre Badewannen volllaufen lassen. Wir hatten ...
Was mein Leben reicher macht
Das morgendliche Schnuppern an der Packung, bevor das Kaffeepulver im Herdkännchen landet. Und manchmal schnuppere ich nachmittags ein zweites Mal.
Marita Fischer,
Leipzig
Vor einem Supermarkt spricht mich ein Obdachloser an. Während ich ein paar Münzen für etwas zu essen hervorkrame, kommt mir sein Gesicht plötzlich bekannt vor. Er ähnelt jemandem, den ich - an einem früheren Wohnort - als kleinen Jungen kannte. Ich spreche ihn probeweise mit seinem Namen an. Erst schaut er erstaunt, fragt, woher ich seinen Namen weiß, dann erkennt auch er mich.
Und das nach so vielen Jahren. Welche Freude!
Susanne Lohmann,
Bad Salzuflen
Drei wunderbare ...
Impressum
Gründungsverleger:
Gerd Bucerius (1906-1995)
Herausgeberrat:
Prof. Jutta Allmendinger, Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Zanny Minton Beddoes, Florian Illies, Dr. Josef Joffe
Ehemalige Herausgeber:
Dr. Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) Helmut Schmidt (1918-2015)
Vorsitzender der Chefredaktionen des Zeitverlags und Chefredakteur:
Giovanni
di Lorenzo
Stellvertretende Chefredakteure:
Moritz Müller-Wirth (Managing
Editor), Sabine Rückert, Holger Stark, Bernd Ulrich
Mitglieder der Chefredaktion:
Malin Schulz, Jochen Wegner, Dr. Stefan Willeke (Chefreporter)
Chef/in vom
Dienst:
Iris Mainka (verantwortlich), Mark Spörrle
Textchef:
Dr. Christof Siemes
Geschäftsführende Redakteure:
Patrik Schwarz, Andreas Sentker
Chefkorrespondentin:
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Internationaler Korrespondent:
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Leitender Redakteur:
Hanns-Bruno Kammertöns
Redaktionsleiter Digitale Ausgaben:
Götz ...
Harald Martenstein
Ein Rezipient hat mich gebeten, hin und wieder über Sujets zu schreiben, die ich mag, weniger oft über
deplorables.
Die meisten meiner Vorlieben sind leider total langweilig, Sonnenuntergänge, nette Menschen, Cocktails am Pool, plötzlicher Geldsegen und so. Aber ich mag auch bizarre Fremdwörter, zum Beispiel das dem Französischen entlehnte "Galimathias". Galimathias wird allgemein für "wirres Gerede" verwendet, speziell aber dafür, dass man in spielerischer Absicht Fremdwörter verballhornt, etwa "Beethovens Erotica" sagt statt "Eroica" oder "Gang nach Casanova" statt "nach Canossa". Dass es im Deutschen auch ein Fremdwort für falsch verwendete Fremdwörter gibt, finde ich schön. Ein Fremdwort für "Fremdwort" ...
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> 03.09.2020
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