Inhaltsverzeichnis vom 16.12.2010

Alle zwei Jahre stellt Sachsen seinen Etat auf, und keiner war bisher so umkämpft wie der Doppelhaushalt 2011/12.

Denn das Land muss mit immer weniger Geld auskommen - und verzichtet gar auf neue Schulden.

Was hat sich die Regierung Tillich geleistet?Wer sind die Verlierer?Und wie geht es weiter?Eine Bilanz

Ausgaben.

Variabler Posten, kleiner werdend, mit großem Panikpotenzial. Nach knapp 16,5 Milliarden Euro Ausgaben in diesem Jahr ist für 2011 schon etwa eine Milliarde weniger vorgesehen. Erstaunlich nur: Im Januar war ein noch heftigeres Minus von 1,7 Milliarden Euro angedroht worden. Fehlkalkulation oder auch politisches Kalkül?

Bilanztrickserei.
...

Pardon, schon wieder Fußball. In Cottbus wird der Energie-Trainer Claus-Dieter Wollitz als "Wessi-Arschloch" beschimpft. Wollitz, aus Osnabrück gekommen, beklagt "Diskussionen im Umfeld", die ihn "ernsthaft nachdenken lassen: Hat es Sinn, weiterzumachen?"Die Fans wüten, weil Wollitz "die Strukturen hier weiter professionalisieren" will. Im Klartext: Der Name des Stadions der Freundschaft soll meistbietend verhökert werden. Prompt regen sich die Ossis auf und bejaulen Identitätsverlust.

Die Ossis?Vielleicht die Lausitzer Halbpolen. Die Sachsen sind heller. Dynamo Dresden wirtschaftet ja seit je mit Augenmaß und Perspektive. Optimierungschancen erkennt man dort beizeiten. So wird Dynamos Spielstätte künftig GLÜCKSGAS-STADION heißen, für 300000 Euro pro Jahr. G ...

Die Gegenbewegung des Felix Ringel begann im Januar des Jahres 2008. Er zog nach Hoyerswerda, als Umzüge eigentlich nur eine Richtung kannten: die andere, westwärts, fort. Die Hälfte der einst 70000 Einwohner ist seit der Wende abgewandert; aus der am schnellsten schrumpfenden Stadt Deutschlands.

Für Ringel war genau dies der Grund, nach Hoyerswerda zu kommen. Denn er ist Anthropologe. Für seine Doktorarbeit in Cambridge untersuchte er das Leben in der Stadt. Ihn interessiert, was der rapide Wandel mit den Menschen macht. Und was die Menschen aus dem Wandel machen.

Dazu musste Ringel ein Jahr lang in seinem Forschungsfeld leben; Sozialwissenschaftler ...

Herr Hacke, humorvoll schreiben, ist das ein mühsames Handwerk, oder werden Sie beim ersten Hahnenschrei von der Muse geküsst?

Eher nicht. Ich habe, was meine Arbeit angeht, kein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Etwas herzustellen, was andere Leute lachen lässt, finde ich ziemlich anstrengend. Vielleicht bevorzuge ich aus diesem Grund Kurzgeschichten. Wenn man die kurze Form schreibt, kriegt man sehr schnell Bestätigung. Das ist etwas völlig anderes, als wenn einer sieben Jahre einsam an einem Roman schuftet. Das könnte ich nicht, da würde ich unter Selbstzweifeln unterwegs zusammenbrechen.

Ist die Anerkennung Ihre Motivationsquelle?

Ohne sie würde ich nicht schreiben. Aber der tiefere ...

Wolfgang Schmidbauer ist einer der bekanntesten deutschen Paartherapeuten. Die Fragen dieser Kolumne werden in seinem neuen Buch "Paartherapie: Konflikte verstehen, Lösungen finden" vertieft, das beim Gütersloher Verlagshaus erschienen ist.

Maria und Tommy sind seit Kurzem zusammen. Tommy arbeitet als selbstständiger Eventmanager und kommt nur über die Runden, weil ihm seine Eltern eine Eigentumswohnung geschenkt haben. Seine Freundin Maria hat ein festes Einkommen als Studienrätin und einen Bausparvertrag. Wenn sie beim Italiener oder Griechen essen gehen, wo meist der Mann angesprochen wird, wenn es darum geht, den Wein zu kosten oder die Rechnung zu bezahlen, steckt ihm Maria ihre Kreditkarte zu. S ...

Die deutsche Sitte des Plätzchenbackens lässt sich auf emotionale und sachliche Gründe zurückführen. Zunächst gibt es den Wunsch, den Lieben zum Fest etwas Persönliches, Selbstgemachtes zu überreichen, so wie Kinder den Kitsch in der elterlichen Vitrine unbedingt um niedliche Laubsägearbeiten vermehren müssen. Sachlich richtig ist dagegen die von der Hausfrau gemachte Feststellung, dass Weihnachtsplätzchen beim Konditor zu teuer sind, um die benötigte Menge zu kaufen, und dass die selbst gemachten besser schmecken als die vom Bäckermeister.

Da stellt sich die berechtigte Frage: Warum kann es die Hausfrau besser?Woran hapert es beim Fachmann?

Die Antwort ist ganz einfach: Es hapert ...

tatsächlich gehöre ich zu diesen Menschen, denen die Oberfläche der Dinge vollkommen egal ist. Bei den Wohnungen, die ich in meinem Leben bereits gemietet habe, interessierte mich weder die Fassade, noch das Treppenhaus - für mich zählte allein die Wohnung, deshalb wohnte ich bereits in hässlichen Häusern. Mein Argument lautete stets: Ich lebe ja nicht vor der Wohnung, sondern in der Wohnung - da ist es mir wurscht, wie es draußen aussieht.

Wenn ich mich über Autos informiere, zum Beispiel im Internet, dann schaue ich mir als Allererstes den Innenraum an. Denn der Innenraum ist ja das, was ich als ...

Kaum eine Marke ist so geübt darin, sanfte Hysterie auszulösen, wie Chanel. Jahrelang konnten Frauen sich die Fingernägel so lackieren, wie sie wollten - oder es auch einfach lassen. Dann brachte Chanel im vergangenen Jahr den Nagellack Jade 407 auf den Markt, und die Farbe löste einen solchen Hype aus, dass viele Frauen ihre Nagellack-Entscheidung plötzlich einem Modediktat unterwarfen. Das Fläschchen mit dem mintgrünen Lack kostete zwar nur 22 Euro, war aber auf etwa 1000 Stück limitiert. Mittlerweile kann man es nur noch bei eBay kaufen, für mehr als das Zehnfache des ursprünglichen Preises.

Einen Massenartikel in einer mikroskopischen Stückzahl ...

Dass diese STEHLAMPEN von Kartell tatsächlich stehen, macht noch nicht glücklich. Wie sie aber dann stehen und wie sie leuchten - da geht einem nicht nur ein Licht, sondern auch das Herz auf (www.kartell.com)Dieses BUCH heißt "Achtung Weihnachten", Tomi Ungerer hat gezeichnet, die Geschichten stammen von Erich Kästner, T. C. Boyle, Doris Dörrie und anderen. Achtung: Toll!(Diogenes)Die Kunst, Kunstbücher zu verkaufen, beherrschen die Macher des Wiener LADENS "Salon für Kunstbuch": Die Bücher sind hier nach Farben sortiert (www.salon-fuer-kunstbuch.at)Müssen denn jetzt auch wirklich noch WERKZEUGE hübsch anzuschauen sein?Nein, müssen sie natürlich nicht, aber wenn sie ...

An jenem Abend hatte ich HORROR in mein Tagebuch geschrieben. Zweimal hintereinander stand das Wort auf der ansonsten leeren Seite. Ich setzte es in Versalien und ließ jeweils einen großen Abstand zwischen den Buchstaben. Ich hätte es noch fett unterstreichen oder zehnmal hintereinander aufschreiben können. Verglichen mit meinem Gefühl jedoch, war das alles noch immer so gut wie nichts.

Was passiert war?

Ich bin mit unserem dreijährigen Sohn Zug gefahren.

Von Frankfurt am Main nach Berlin, fast fünf Stunden dauerte die Fahrt. Es war ein Sonntag, das ICE-Kinderabteil ist an solchen Tagen schon Wochen vorher ausgebucht, und so nahmen wir ...

WikiLeaks droht, noch vor Weihnachten auf seiner Website 250000 Wunschzettel aus aller Welt zu veröffentlichen. Unsere Redaktion hat fünf Monate lang die Dokumente auf ihre Echtheit überprüft. Demnach wünscht sich der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle einen neuen Büroleiter zum Weihnachtsfest, Angela Merkel einen neuen Außenminister und der amerikanische Botschafter in Berlin neue Socken und ein paar neue Informanten.

Julian Assange hingegen, der Gründer von WikiLeaks, hat sein Geschenk schon bekommen: einen neuen Look. Während die auf seiner Website veröffentlichten Geheimdokumente amerikanischer Diplomaten die Welt in Atem halten, stellte sich der wegen eines immer undurchsichtiger werdenden Vergewaltigungsvorwurfs von Interpol gesuchte Assange am ...

Schauen Sie, ich kann Ihnen dieses Unbehagen erklären, ein gewisses Unbehagen an der Gegenwart, viele Leute spüren das ja. Ich brauche dazu nur einen Rasierapparat, einen Braun mit Bartschneidefunktion. Der elektrische Rasierapparat ist eine sinnvolle Erfindung, obwohl ich mich lieber nass rasiere. Es gibt bessere und schlechtere Apparate, je nach Klinge und Motor. Von Zeit zu Zeit nehme ich zur Kenntnis, dass die Rasierapparateindustrie eine Neuerung bekannt gibt. Die Klingen stehen in einem anderen Winkel, es gibt mehr Klingen oder sonst was. Ich habe einige dieser Erfindungen ausprobiert und verbürge mich dafür, dass Rasierer neuester Bauart sich in ihrer Leistung ...

Nach Taiwan zu gehen war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich liebe das Land, die Leute, die Kultur und das Essen. Seit Anfang des Jahres bin ich hier, um Wirtschaft zu studieren und Chinesisch zu lernen. Anfangs mietete ich ein Zimmer für mich alleine. Wenn aber kein Mensch Englisch spricht, zieht jedes noch so kleine Alltagsproblem einen Riesenaufwand nach sich. Man kann sich kaum vorstellen, wie schwierig es unter solchen Umständen ist, die Stromrechnung zu bezahlen. Mitte des Jahres bin ich daher in ein Studentenheim übersiedelt.

Ich teile das Zimmer mit einer Taiwanesin und einer Japanerin. Es ist ...

In Hamburg angekommen, will ich ein Fahrrad nehmen. Ein öffentliches. ec-Karte in den Automaten zum Bezahlen. Welche PIN?Kontonummer?Telefonnummer?Handynummer?E-Mail-Adresse?Jetzt reicht′s!Karte raus. In Arhus angekommen, will ich ein Fahrrad nehmen. 20 Kronen rein in den Schlitz. Losfahren. Die 20 Kronen gibt′s anschließend wieder zurück. Die Welt kann so einfach sein!

Christof Becker, Kiel

Sehr geehrter Herr Sopp, in der vorletzten Ausgabe von Das regt mich auf haben Sie sich über eine Dame an der Supermarktkasse beschwert. Sie hatte eine falsche Preisauszeichnung moniert und sich hinterher nicht für die Geduld bedankt, mit der Sie und andere Kunden ...

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas

Auf dem Markt: An einer Mauer lehnen zwei Rinderköpfe. Auf dem Tisch daneben liegen die Eingeweide der Tiere. Sie werden zu Spießen, Filets und Suppenzutaten verarbeitet. Unten am Tischbein stehen die Füße der Rinder, sicher besondere Leckerbissen. Das Blut ist in einer Schüssel erstarrt.

Da kaufe ich mir doch lieber ein paar fett gebackene Puffpuffs und gucke nach schicken Schuhen. Oft findet man secondhand gut erhaltene Markenware zu ...

WikiLeaks begeht keinen Datendiebstahl, sondern stellt Whistleblowern, also jenen, die Informationen nur unter dem Schutz der Anonymität preiszugeben bereit sind, ein Forum zur Verfügung. Auch die umfassende journalistische Aufbereitung der Informationen gehört nicht zu ihrem Geschäftsmodell, sondern sie stellt die Informationen zusammen und Journalisten und der interessierten Öffentlichkeit gleichsam zur Verfügung. Der Journalismus ist also nicht bedroht, sondern bekommt eine Möglichkeit aufgezeigt, wie Qualitätsjournalismus auch in Zeiten kostenloser Informationsflut aus dem Internet zu erbringen wäre: in der Analyse und Aufbereitung Hunderttausender Dokumente, wie sie WikiLeaks vorlegt.

Frank Odenthal Inzlingen

Bisher hat uns WikiLeaks nichts anderes gezeigt, als dass wir im Irak ...

Flughafen mit Bücherei.

Reisen und lesen gehören zusammen. Für diejenigen, die ihr Buch vergessen haben, wurde nun auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol die weltweit erste Flughafenbibliothek eröffnet. Reisende können hier Bücher in 29 Sprachen lesen, Musik hören, Filme sehen und im Internet surfen. Die Bücher, CDs und DVDs stammen aus dem Angebot der öffentlichen Büchereien. Standort der Bibliothek ist der frisch renovierte Holland Boulevard direkt hinter den Passkontrollen. In dieser Passage können Reisende die Niederlande kennenlernen, ohne den Flughafen zu verlassen. Hier findet sich auch eine Dependance des Amsterdamer Rijksmuseum, das bei freiem Eintritt wechselnde Ausstellungen mit je zehn Meisterwerken ...

An Angst lässt sich gut Geld verdienen. Und kaum etwas weckt bei Reisenden so viele Ängste wie die Fliegerei. Sind nicht erst neulich die Passagiere des Qantas-Airbus A380 über Indonesien nur durch Zufall dem Tod entgangen, als Teile des Triebwerks Löcher in die Tragfläche schlugen?

Da müssen wir was tun, mögen sich die Gründer von Flightsurance Flugreiseschutz gedacht haben. Seit Kurzem bietet das Frankfurter Unternehmen eine ganz spezielle Versicherung für ängstliche Naturen an. Eine Million Euro bekommen die Hinterbliebenen, sollte man während einer Flugreise oder beim Boarding ums Leben kommen. Ein "neuartiges Versicherungsprodukt für Privat- und Geschäftsreisende", das auch "mit ...

Die Schneckensuppe hat Monsieur am Ende zum Glück vergessen. Gleich am ersten Tag hatte ich auf dem Markt die Körbe mit den lebenden Kriechtieren bemerkt und den Fehler gemacht, danach zu fragen. "Morgen müssen Sie probieren", sagte Monsieur Lazrak, und er sagte es noch zwei weitere Tage, doch nie war genügend Zeit. So ist mir der dickliche Sud aus Schleimgetier erspart geblieben. Er hätte auch nicht mehr in meinen Magen gepasst.

Allah nehme deine Eltern ins Paradies auf, sagt Monsieur, sei ein islamischer Segen. Man spricht ihn aus, wenn jemand sich wohlerzogen benimmt. Allah also nehme Monsieur Lazraks Eltern ins ...

An Weihnachten gehe ich in die Kirche. Gerne auch an Ostern. Ich freue mich, wenn Freunde kirchlich heiraten, auch Taufen sind klasse. Man könnte sagen: An herausgehobenen Tagen des Jahres bin ich ein freudiger Kirchgänger. Doch im kalendarischen Einerlei, wo die Mühen der Ebene lauern, ist auf mich kein Verlass. Ich bin ein typischer Weihnachtskirchgänger. Aber einer ohne schlechtes Gewissen.

Die über die Weihnachtskirchgänger die Nase rümpfen, müssen ein seltsames Weltbild haben. Für sie scheint Religion eine Pflichtübung zu sein, deren sittlicher Wert in dem Maße steigt, in dem man sich am Riemen reißt und den inneren Schweinehund überwindet. Für ...

Dies ist die Geschichte von Jesus und seinem Bruder Christus: wie die beiden geboren wurden, wie sie lebten und wie einer von ihnen starb. Der Tod des anderen gehört nicht zur Geschichte.

Zu jener Zeit war Maria sechzehn Jahre alt, und Joseph hatte sie nie berührt. Eines Abends hörte sie ein Flüstern am Fenster. "Ich bin ein Engel. Lass mich zu dir, und ich verrate dir ein Geheimnis."Sie öffnete das Fenster und ließ den Engel eintreten. Um sie nicht zu erschrecken, hatte er die Gestalt eines jungen Mannes angenommen. "Du wirst ein Kind empfangen", sagte der Engel. - "Aber ...

Im jüdischen Kalender ist Hanukkah, das Lichterfest, ein relativ unbedeutender Festtag. Denn er wurde recht spät eingeführt und war eher rabbinischen als biblischen Ursprungs. Im Grunde eine einfache und bescheidene Angelegenheit, wird dieses achttägige Fest zu Hause gefeiert und nicht so sehr in der Synagoge. Es gibt also keine großen Hanukkah-Oratorien. Jede Familie entzündet selbst die Lichter der Hanukkia, des besonderen Leuchters mit einer Kerze für jeden Abend, sie sagt die Segenssprüche und singt Herr, mein Fels, meine Burg - einen hebräischen Choral, der im 13. Jahrhundert in Deutschland entstand.

Hanukkah ist ein familiäres Fest. Im Westen hat es jedoch ...

Meine Tochter glaubt an den Weihnachtsmann, und ich finde das nicht gut. Es tröstet mich nicht, dass alle Kinder in ihrer Kindergartengruppe an den Weihnachtsmann glauben, seitdem die Erzieherinnen ihnen erzählt haben, dass er mit einem Schlitten durch den Himmel fährt, um ihnen an Weihnachten Schokolade zu bringen, viel Schokolade, wie die Tochter immer wieder mit glückstrahlendem Lächeln betont. Denn die Vorstellung, dass das Jahr schon für eine Zweijährige in den ganz großen Konsum mündet, irritiert mich zutiefst - Schokolade ist ja wohl nur ein frühkindliches Synonym für all die Dinge, die noch kommen werden, Computerspiele, Stereoanlagen, Markenklamotten. Doch was ...

Wir glauben nicht, dass es Gott gibt. Trotzdem feiern wir Jahr für Jahr die Geburt seines Sohnes. "Das ist seltsam, nicht wahr?", hat der Schriftsteller Axel Hacke in einer dieser typisch ironischen Weihnachtserzählungen mit dem Titel Alle Jahre schon wieder geschrieben. Schon wieder!Ohne Ironie lässt sich nicht mehr über Weihnachten reden. Deshalb liegen auf den Adventstischen der Buchläden viele Kuriosa, und die beliebtesten Buchcover zeigen so peinliche Szenen wie die mit dem Weihnachtsbaumverkäufer, der versehentlich in eine rotierende Baumverpackungsmaschine gerät.

Axel Hacke war nicht der Erste, der sich über unsere Weihnachtssehnsüchte lustig gemacht hat. Aber er beschrieb am ...

In Amerika hat "Made in Germany" einen hervorragenden Klang. Jedenfalls wenn von Autos die Rede ist. Wenn es um Unterhaltung geht, findet man die Deutschen im History Channel. Die "Mach schnell"-Typen aus dem Zweiten Weltkrieg. Es würde einem aber schwerfallen, wollte man den durchschnittlichen New Yorker dazu bringen, nur einen Cent für deutsche Unterhaltung auszugeben.

Anders bei Rammstein. Diese Jungs brauchten dreißig Minuten, dann war ihr Konzert im Madison Square Garden ausverkauft. 12000 Tickets in dreißig Minuten. Warum diese Begeisterung?Wer könnte das besser sagen als Richard Kruspe, der Leadgitarrist von Rammstein. Also setzen wir uns vor dem Konzert auf ...

In der neuen Serie von David Simon, dem wohl größten Erzähler des zeitgenössischen Fernsehens, geht es wieder um eine Stadt. In dem Polizei-Drama The Wire - das Simon zur Legende gemacht hat - war das arme Baltimore, geschlagen mit Drogen, Korruption und Verbrechen, die eigentliche Heldin. So ist es diesmal New Orleans, genauer gesagt Treme (Tre-mäy gesprochen), das älteste schwarze Viertel Amerikas, ganz nahe am berühmten French Quarter gelegen. Der Jazz, die erste genuin amerikanische Kunst, Amerikas Geschenk an die Weltkultur, hat dort seine tiefsten Wurzeln.

Es geht aber um mehr als New Orleans, so tief Simon auch diesmal wieder ...

Früher führten Kriminalromane und -filme uns Kleinbürger in die verschlossenen Sphären der Gesellschaft; unten und oben, Rotlichtmilieu und Unternehmervilla. Heute sind die Verhältnisse komplizierter. Alles ist offener und verborgener zugleich. Die Täter störten einst die Ordnung. Welche Ordnung?, fragen sich Detektiv und Verbrecher nun gegenseitig. Ihr Zorn tendiert zur Maßlosigkeit, kein Wunder. Schlechte Krimis tun so, als wäre nichts geschehen. Gute Krimis wissen, wo sie hinmüssen. Ins Herz der Finsternis.

Der Autor Soren Sveistrup versteht die Kunst, sich ihm von unterschiedlichen Orten aus zu nähern, wenn auch mit sehr eigener Methode. In Kommissarin Lund (Edel/ZDF) entwickelte er mit seinen ...

Eben haben die Engel noch den Hirten verkündet, wohin sie pilgern sollen, jetzt fahren sie gen Himmel. Wirklich?Im Dunkel schimmert es silbrig-golden, feinste Winde streichen uns um die Ohren, rasches körperloses Filigran aus Sechzehnteln von Flöten und Geigen, rauf und runter, unisono, leuchtende Nachtluft. Sie sind noch da, die Himmlischen. So klingt es jedenfalls in dieser Neuaufnahme, so hat man das noch nie gehört. Ein Lasset uns nun gehen, als hätte Mendelssohn den Thomaskantor bei seinem Weihnachtsoratorium beraten. So artikuliert, durchsichtig, vibratoarm in Streichern wie Bläsern, so an Rhetorik und Gestik, Affekt und Wortausdeutung orientiert konnte man das Leipziger ...

Elvis, Marilyn, Madonna - geschafft hat man es im Pop, wenn bereits die Nennung des Vornamens jegliche Verwechslung ausschließt. Verstehen wir es also als Geste der Reverenz, dass das erste posthume Michael-Jackson-Album unter dem schlichten Namen Michael erscheint: Mehr Michael als er war schließlich keiner. Bleibt die Frage: Ist, wo Michael draufsteht, auch Michael drin?Die Antwort ist ein klares Jein. Michael wird Jackson insofern gerecht, als er schon immer eine Hülle war, aus der die jeweils angesagten Produktionstechniken der Zeit heraufklangen - und bleibt doch ein grausliges Retortenprodukt, weil mithilfe diverser Großproduzenten allein das exekutiert wird. Zu Lebzeiten lag ...

Je weiter die Töne in die Tiefe hinabsteigen, desto mehr verdunkelt sich ihr Klang. Immer stärker treten unbestimmbare Schwingungen hervor, bis man irgendwann das Gefühl hat, es sei der ganze Boden, die ganze Erde, die zu vibrieren beginnt. Joseph Daley ist seit langen Jahren ein Spezialist für die tiefen Töne, in den Bands von Gil Evans oder Carla Bley oder in der New Yorker Band Hazmat Modine spielt er Baritonhorn, Euphonium, Posaune und Tuba. Alles weit unten. Mit The Seven Deadly Sins, seiner Komposition für das Earth Tones Ensemble, eine mit Kontrabassklarinette, Kontrabasssaxofon, Bassposaune und bis zu fünf Tuben etwas ...

Auf wenige Hollywood-Erzeugnisse trifft der Begriff "Kultfilm" so vorbehaltlos zu wie auf Tron. 1982 war Disney noch mit dem ehrgeizigen Versuch gescheitert, einen ganzen Plot im Inneren eines Computers anzusiedeln. Es war ein rührend bemühter, doch kommerziell gescheiterter Film über den Cyberspace, bevor es den Cyberspace überhaupt gab. Im Januar wird nun eine zeitgemäße 3-D-Fortsetzung in die Kinos kommen. Da möchte man es für einen popkulturhistorischen Glücksfall halten, dass nicht der notorische Hans Zimmer den Soundtrack beigesteuert hat. Sondern Daft Punk.

Seit mehr als zehn Jahren bereitet das Duo aus Paris hochverdichteter Tanzmusik den Weg, Daft Punk waren die Pioniere ...

Techniker auf Montage, Emigranten oder Seefahrer wissen, wie bitter es sich anfühlt, Weihnachten ohne die Lieben fern der Heimat verbringen zu müssen. Künstler können diesen Schmerz verarbeiten, sie schreiben ihn sich von der Seele oder fassen ihn in sternenklare Novellen, Bilder, Fotos, Songs. Die Weihnachtsgedichte von Joseph Brodsky wurden umso bohrender, weltanschaulicher, je länger der 1972 ausgebürgerte russische Autor bereits im US-amerikanischen Exil lebte. Dabei galt seine wahre Liebe Venedig. Dorthin ist er alljährlich zu Weihnachten gereist, dort liegt Brodsky begraben.

Venedig vermisste auch Baldassare Galuppi (1706 bis 1785), der vortreffliche maestro di cappella am Markusdom. Im Jahr 1765 war ...

Wie kann man sich Geschichte vergegenwärtigen, da doch die Rekonstruktion ihres Verlaufes ein umso verwirrenderes Unterfangen ist, je genauer man sich die vielen Geschichten anschaut, die sich erst zur Geschichte versammeln?Seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind nicht zuletzt angesichts dieser Frage Geschichtserzählungen anhand der lieux de mémoire, der "Erinnerungsorte" entstanden. Deren Pionier, der französische Historiker Pierre Nora, begründete seine damalige Idee: "Mein Vorhaben bestand darin, an die Stelle einer allgemeinen, thematischen, chronologischen oder lineareren Untersuchung eine in die Tiefe gehende Analyse der >Orte< - in allen Bedeutungen des Wortes - zu setzen, in denen sich das Gedächtnis ...

Jean-Philippe Toussaint ist ein zuverlässiger Schriftsteller, wie sich in seinem jüngsten Roman Die Wahrheit über Marie erneut bestätigt: zuverlässig ausgefuchst. Da wäre beispielsweise das "Paar klassischer Richelieus", das im Halbdunkel auf dem Boden von Maries Schlafzimmer zurückbleibt, ein wertvolles Leder, fest und geschmeidig, dessen "beste Exemplare wie Handschuhe am Fuß anliegen", die Farbe undefinierbar, "etwas zwischen karamell und chamois, mit jenen haarfeinen, aber fischleinenharten Schnürsenkeln, ein flaumweiches, leicht pelziges, aufgerautes Oberleder, versteift durch eine Vielzahl kleiner dekorativer Lochungen, mit betont unauffälligen, leicht gesteppten Nähten, und im Futter (...) war eine höchst diskrete und gleichsam subliminale goldene Signatur eingraviert". N ...

Aby Warburg, der wohlhabende Bankierssohn aus Hamburg, der hochkomplexe Mensch und Privatgelehrte, der die Kunstgeschichte um die Dimension der Kulturwissenschaft erweiterte, hat über sich selber und seine Situation oft Auskunft gegeben in heiteren, gleichwohl selbstbewussten Sentenzen. Der "alte jüdische Leuchtturmbeschließer von der Nordsee" war er, schrieb aber auch: "Ich bin wissenschaftlicher Privatbankier, dessen Credit so gut ist wie der der Reichsbank."Und seinen Brüdern, denen er für den Verzicht auf Rechte an der Bank die Zusage eines unbegrenzten Etats für Bücheranschaffungen und Studienreisen abgehandelt hatte, schrieb er ins Stammbuch: "Andere reiche Familien haben ihren Rennstall, Ihr habt meine Bibliothek - ...

In diesen Tagen der Veröffentlichungen US-amerikanischer Diplomaten-Korrespondenz durch WikiLeaks dominieren zwei Reaktionen die öffentliche Debatte. Erstens: Die Stellungnahmen aus den US-Botschaften solle man nicht allzu ernst nehmen ("Party-Geschwätz", so Seehofer, oder "Sofern nicht gefälscht, weithin irrelevant für die Außenpolitik der USA", so Hillary Clinton). Zweitens: Der Schaden für die diplomatische Praxis sei immens, wenn die Gesprächspartner nicht mehr davon ausgehen können, dass ihre Mitteilungen vertraulich bleiben.

Beide Reaktionen haben ihre Berechtigung, gehen aber am Kern der Problematik vorbei. Dieser ist an anderer Stelle zu suchen. Die Aufgeregtheit der politischen Akteure, die nur mühsam von zur Schau gestellter Gelassenheit, ja Indifferenz ...

Was für ein Gebäude!Schwungvoll der Treppenaufgang, von mediterraner Anmut die Fassade. Schlanke Säulen verleihen dem Ensemble das Aussehen eines antiken Tempels, die eigentliche Überraschung jedoch wartet drinnen. Kaum hat das Auge sich an das Dämmerlicht gewöhnt, erhebt sich aus dem Halbdunkel drei Ränge hoch ein Art-déco-Theater, mit Schnürboden, Logen und einer kunstvoll bemalten Decke, auf der barbusige Musen Ringelreihen tanzen. Es ist, als sei Christoph Schlingensiefs Traum von einem Opernhaus in Afrika doch noch wahr geworden. Der Bau aber steht schon fast 100 Jahre. Und von einem Mann namens Schlingensief hat man in Asmara nie gehört.

Dass die Uhren ...

Bei seinem heiteren Beruferaten Was bin ich? erbat Robert Lemke von seinen Gästen stets eine typische Handbewegung. Die typische Geste in Der Tourist ist ein Wenden des Kopfes. Auf der Straße, dem Bahnsteig, in Zug, Hotel, Restaurant, Polizeistation oder Ballsaal - wo immer Elise Ward auch auftaucht, drehen die Männer ihre Häupter und starren ihr hinterher, gierig, geblendet. Eigentlich soll sie im Hauptberuf eine britische Steuerpolizistin mit geheimer Beziehung zu einem europaweit gejagten Gangster sein. Doch bei jedem Auftritt ist sie immer nur eins: Superstar.

Wie auch anders?Elise Ward ist Angelina Jolie. In einer normalen Filmkritik müsste es natürlich ...

Das vierte Kerzlein auf dem Adventskranz brennt noch nicht, da hat das Bilanzierungsvirus das Jahr 2010 schon dahingerafft, jenes Leck-, Protest-, FDP- und EU-Absturz-Jahr, das Sarrazin-, Özil-, Tolstoj-Jahr, das Jahr, in dem die TV-Talkshow im afghanischen Kriegsgebiet angekommen ist, mit unserem obersten Feldherrn ganz entspannt im Regiestuhl. Erinnert sich da jenseits von Oer-Erkenschwick noch jemand an Ruhr.2010, die Kulturhauptstadt Europas 2010?Da wird jetzt das Licht ausgemacht, an diesem Wochenende gibt′s die letzte große Sause bei der Wiedereröffnung des Dortmunder U, der alten Union-Brauerei, die in ein Kulturzentrum umgewandelt wird.

Wollte man all den kapitalen Anstrengungen nur annähernd gerecht ...

Sie hatten die gleichen Ansichten, wenn Bouvard vielleicht auch liberaler war. Gustave Flaubert, "Bouvard und Pecuchet"

Wenn zwei Männer in einem Alter, da der menschliche Verkehr, in dem sie sich bewegen, etwas nachläßt, aneinander festhalten, zu Freunden werden, so ist das eine große Seltenheit und eine Wahl der Erfahrung und des geprüften Affekts. Nirgends ist man so frei wie in der Wahl seiner Freunde - sofern sie nicht von beruflichen Interessen oder Vorteilssucht beherrscht wird. Dann enthält auch die späte Freundschaft im Kern etwas von der ersten, überschwenglichen, von Treueschwüren erhitzten, wenn zwei Spielkameraden sich gegen alle übrigen verbünden.

Es ist ...

Peter Härtling erwähnt in seinem Vorwort zu diesem Kalender eigentlich schon alles, was programmatisch nötig ist, danach können Lyrik und Illustrationen für sich selbst sprechen. "Kinder suchen nicht unbedingt nach ihren Gedichten", schreibt Härtling, "sie finden sie. Ein Kalender mit Gedichten kann helfen, kann die Neugier auf neue Verse, neue Reime rhythmisieren. Alle Woche wieder ein paar Sätze, die vergnügen oder ein Rätsel aufgeben..."

Japanische, spanische, russische, französische, natürlich deutsche und viele andere Gedichte hat die Internationale Jugendbibliothek in München ausgewählt, eines für jede Woche des Jahres. Das birgt die Gefahr, dass der Kalenderbesitzer sich sieben Tage lang mit ...

Still, stiller, sprachlos. So sitzt man da nach der Lektüre des Bilderbuchs Papas Arme sind ein Boot - und hat plötzlich viel mit den beiden Figuren der Geschichte gemein. "Papa hört kein Radio. Er sitzt im Wohnzimmer."Der Sohn liegt nebenan im Bett, einen Wollpullover unter dem Schlafanzug, Socken an den Füßen. Im Haus von Vater und Sohn ist es "stiller, als es je zuvor hier gewesen ist". Und doch kann keiner der beiden Schlaf finden. Der Sohn krabbelt wieder aus seinem Bett und klettert auf den Schoß des Vaters. "Ich bin ein kleines Knäuel in Papas Armen."Sie stützen ...

Für Jan-Henrik gibt es in diesem Jahr kein Lebkuchenhaus, nicht einmal ein kleines. Honig, Gewürze, Mehl und Eier für den Teig brauchte man, um eins zu bauen. Und natürlich müsste ein solches Haus mit Zuckerguss verziert und mit vielen Süßigkeiten geschmückt werden, damit es toll aussieht. Dafür aber hat Jan-Henriks Mutter in diesem Winter nicht genug Geld.

Kirsten Schmitz und ihr Sohn bekommen Hartz IV (siehe unten). Dabei ist Frau Schmitz nicht einmal arbeitslos. Nur verdient sie mit ihrer Tätigkeit (vier Stunden arbeitet sie jeden Tag) nicht so viel, dass sie und Jan-Henrik davon leben könnten. Der Vater wohnt nicht ...

Multanova ist lateinisch und bedeutet neue Strafe. Multanova ist auch der Name einer kleinen Firma aus dem Zürcher Oberland. Ihr Produkt verärgert derzeit Schweizer Autofahrer, verzückt die Polizei und sorgt für erregte Berichterstattung: "Jetzt wird scharf geschossen", "Für Temposünder gibt es bald keine Schlupflöcher mehr" oder "Kantonspolizei hat Superradare bestellt". Hier feiert eine Radarfalle Weltpremiere, die auch an deutschen Straßen zum Einsatz kommen könnte - und deren Fähigkeiten jene der bekannten Starenkästen weit übersteigen.

Dem TraffiStar S590 entgeht nichts: Raserei, rote Ampel überfahren, unerlaubte Spurwechsel, verbotene Abbiegemanöver, Drängelei. Dabei kann er nicht wie üblich nur ein oder zwei, sondern 22 ...

"Die Traumzeit entspricht im Prinzip der Echtzeit, auch wenn die Übereinstimmung nicht hundertprozentig ist", sagt Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.

Geforscht wird an diesem Zusammenhang schon ziemlich lange. Im Jahr 1957 machten William Dement und Nathaniel Kleitman von der University of Chicago ein Experiment: Sie weckten ihre Probanden in jener Phase des Schlafs, in der wir träumen (der sogenannten REM-Phase). Und zwar entweder nach fünf Minuten oder nach 15 Minuten. Die Testschläfer sollten dann einschätzen, wie lange sie schon geträumt hatten - und 83 Prozent von ihnen tippten richtig. Das bewies zum ersten Mal eine Korrelation ...

Wie ein Virus verbreitet sich der Verdacht des Kindesmissbrauchs in der Schullandschaft und bewahrheitet sich leider allzu oft. Der Verdacht keimte im vergangenen Dezember an einem Jesuitenkolleg in Berlin auf, sprang schnell über auf andere katholische Einrichtungen, dann auf die Reformpädagogik und einige ihrer Vordenker. Nach einem Jahr spricht nichts dafür, dass man das Übel unter Kontrolle hat. Weil es so bösartig ist. Weil man es nicht radikal genug bekämpft hat und so Schäden anrichtet, wo man es bis vor Kurzem nicht vermutet hätte.

Nun müssen sich die Bosch-Stiftung und die Jury des von ihr verliehenen Deutschen Schulpreises gegen den ...

Das Publikum wollte seinen Augen nicht trauen. Der Mann, der kürzlich in Berlin auf einem Kongress über die Ganztagsschule das Lob der "neuen Lernkultur" sang, ähnelte auf verblüffende Weise dem Ex-Ministerpräsidenten von Hessen. Von diesem hatte man bis dahin ganz andere Worte über die Ganztagsschule gehört. Ein Blick ins Programm räumte alle Zweifel aus: Es war tatsächlich Roland Koch, der auf dem siebten Ganztagsschulkongress die Zusammenarbeit von Bund und Ländern lobte. Jener Roland Koch, der stets gegen das vom Bund angeschobene Programm der Ganztagsschulen gekämpft und diese noch kürzlich als "überflüssig" bezeichnet hatte; jener Politiker, der wie kein Zweiter dafür ...

DIE ZEIT: Herr Willmann, warum führen Sie Selbstgespräche?

Urs Willmann: Ich unterhalte mich gerne mit intelligenten Menschen.

ZEIT: Was erfährt, wer sich selber Fragen stellt?

Willmann: In erster Linie, wie es einem geht. Das teilen einem Körper und Geist auch ungefragt mit, aber wenn Sie sich gezielt erkundigen, ist die Informationsdichte am Ende stets höher. Außerdem gewinnen Sie im Alltag Klarheit.

ZEIT: Bei welchen Gelegenheiten?

Willmann: Wenn Sie in komplexen Situationen Entscheidungen fällen müssen. Die amerikanische Psychologin Dolores Albarracin hält das Selbstgespräch für eines der wichtigsten Werkzeuge, um das eigene Verhalten zu steuern. Sie hat das in Tests untersucht. Probanden ...

Grün, gelb rot, die Plaketten erregen die Gemüter seit ihrer Einführung. Die Ampelfarben regeln, wer in die Umweltzonen hineindarf. Fast jeder Fahrer einer Feinstaubschleuder drückt sich vor dem Anbringen eines roten Aufklebers und fährt sein betagtes Auto einfach weiter, solange es eben geht. Solche Zeitgenossen freuen sich dann diebisch über Schlagzeilen wie jüngst in der Welt am Sonntag : Umweltzonen sind teuer - und wirkungslos. Mehr noch: "Die Belastung mit Feinstaub nimmt teilweise sogar zu."Eine Nachrichtenagentur verbreitete die Botschaft, selbst die taz druckte sie . Sind die Zonen (und alle Investitionen in Partikelfilter) für die Katz?

Die Feinstaub-Debatte ist ...

Der Streit um die Spiegelneuronen beginnt mit einer Erdnuss. Denn ihr verdanken Giacomo Rizzolatti und Vittorio Gallese jene aufsehenerregende Entdeckung, mit der alles anfängt.

Im Jahre 1995 wollen die italienischen Neurologen untersuchen, wie das Gehirn eines Affen arbeitet, wenn das Tier nach Futter greift. Dabei stellen sie zu ihrer Überraschung fest: Bestimmte Nervenzellen (Neuronen) im Affenhirn feuern nicht nur, wenn das Tier selbst mit seiner Hand nach einer Erdnuss greift - sondern auch, wenn der Makake nur dabei zusieht , wie ein anderes Tier oder einer der Forscher die Hand nach der Nuss ausstreckt. Die Zellen, folgern Rizzolatti und Gallese, " ...

Spiegelneuronen sind Pop. Wenn der Fußballfan auf dem Sofa beim Schuss des Stürmers ebenfalls mit dem Bein ausschlägt, ruft er: "Meine Spiegelneuronen!"Steckt in einer Sitzung jemand die anderen mit seinem Gähnen oder Lachen an, können sie entschuldigend auf ihr Gehirn verweisen. Richtig, die Spiegelneuronen!

Die Nervenzellen erklären angeblich Warum ich fühle, was du fühlst und Woher wir wissen, was andere denken und fühlen , wie einschlägige Buchtitel suggerieren. Kultur, Kunst und Sprache, unsere Fähigkeit zu helfen und Gesellschaften zu bilden - all dies beruht offenbar auf den raffinierten Schaltern im Oberstübchen.

Der Hype begann bereits vor etwa fünfzehn Jahren: D ...

Microsoft ist der größte Softwarekonzern der Welt. Seinen Hauptsitz hat er in Redmond im Bundesstaat Washington, ganz im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Im Geschäftsjahr 2010 (das bei Microsoft bereits im Juni endete) erzielte der Konzern, der 1975 unter anderem von Bill Gates gegründet wurde, einen Umsatz von 62 Milliarden Dollar, das bedeutet ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Verantwortlich war dafür vor allem die Einführung des neuen Betriebssystems Windows 7. Das Geschäft mit Software ist hochprofitabel, unterm Strich stand ein Reingewinn von fast 19 Milliarden Dollar, etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr.

Seine Deutschland-Zentrale (Foto) hat der ...

Was hat Tom Sawyer mit unserem Weihnachtseinkauf zu tun?Eine ganze Menge. Einmal ist Mark Twains Held mit der unangenehmen Aufgabe konfrontiert, den Zaun seiner Tante zu streichen. Dann kommen auch noch seine Freunde vorbei, um sich über ihn lustig zu machen. Also tut Tom so, als streiche er den Zaun mit großem Vergnügen. Am Ende bezahlen die Freunde nicht nur dafür, dass sie auch einmal streichen dürfen - sie genießen es auch noch. Und Tom hat ein Prinzip des Konsumentenverhaltens entdeckt. Damit eine Sache begehrt wird, muss man sie wünschenswert erscheinen lassen und schwer erreichbar machen. Oder anders: Oft ...

Es sind schwere Wochen für die geldpolitischen Entscheidungsträger. Ihre jüngsten Beschlüsse sind im Inland auf heftige Kritik gestoßen. Der Zentralbank wird eine verfehlte Geldpolitik unterstellt. Fast noch härter sind die Vorwürfe aus dem Ausland, die die jüngsten Maßnahmen als Sprengsatz für die internationale monetäre Zusammenarbeit werten.

Diese Sätze scheinen auf den ersten Blick klar auf die US-Notenbank und ihre jüngste Entscheidung gemünzt, Staatsschuldtitel im Wert von 600 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Gemeint ist jedoch der Zinsbeschluss der Bundesbank vom Juli 1992. Damals, auf dem Höhepunkt des Wiedervereinigungsbooms, glaubte die Bundesbank ihrem Mandat, Preisniveaustabilität in Deutschland zu sichern, nur dadurch gerecht ...

Schöner können die neuen Zahlen kaum sein: Mercedes, BMW, VW/Audi, sie alle haben nach elf Monaten dieses Jahres schon mehr Autos verkauft als im gesamten Vorjahr. Einen besseren November, das bekunden die deutschen Markenhersteller übereinstimmend, hat noch keiner erlebt. Und die Auftragsbücher deuten daraufhin, dass es ähnlich gut weitergehen wird. Die Fabriken sind in den nächsten Monaten sehr gut ausgelastet. Wo vor einem Jahr noch kurz gearbeitet wurde, werden jetzt Sonderschichten vereinbart. Wurden in Sindelfingen, Wolfsburg, Ingolstadt, Dingolfing oder Leipzig im Katastrophenwinter 2008/09 noch die Weihnachtsferien verlängert, so werden nun sogar die üblichen Umbauphasen verkürzt. Und nicht nur Absatz und ...

Wollten Sie schon mal Ihre Bank wechseln?Und haben es dann gelassen, weil es Ihnen zu aufwendig erschien?Ich habe es gerade gemacht - und kann Ihnen nur sagen: Fürchten Sie sich nicht!

Die Sache begann, als mir mein Finanzberater mitteilte, er werde einen anderen Job in der großen deutschen Bank übernehmen, und an seiner Stelle solle mich Frau Z. betreuen. Die eröffnete mir, sie dürfe nur noch über jene Finanzprodukte reden, die andere Fachkräfte vorab ausgewählt hätten; sie könne mich also nicht umfassend beraten und möglicherweise meine Fragen nicht beantworten. Selbstverständlich, sagte Frau Z., könne ich in eine ...

Der Feldwebel der Reserve Beitz begünstigt Juden."So stand es in der Anzeige, handgeschrieben, darunter eine Liste von Unterschriften. Eine solche Anzeige konnte ein Todesurteil sein im deutsch besetzten Polen der vierziger Jahre. Zumal die Behauptungen über den jungen Berthold Beitz zutrafen.

Beitz war von 1941 an kaufmännischer Direktor der Karpaten-Öl AG in Boryslaw, ein wichtiger Posten in der Kriegswirtschaft. Er nutzte diese Position allerdings dazu, Hunderte von Juden zu retten, indem er sie für betrieblich unverzichtbar erklärte. Er gab aber auch zahlreiche Juden als Mitarbeiter des Unternehmens aus, die es nicht waren, und rettete sie so vor dem Abtransport ...

Erst die Sache mit dem Feuer und jetzt auch noch das Gift. Beides hat der glänzenden Fassade der Solarindustrie zwei schwere Kratzer verpasst. Zwar war die Branche schon ins Gerede gekommen, weil ihr rasantes Wachstum hohe Kosten zulasten der Stromverbraucher verursacht. Aber zumindest in einem konnte sie sich immer sonnen: in ihrem untadeligen Ruf. Solaranlagen sind Zukunftstechnologien und liefern saubere Energie, da waren sich fast alle einig. Doch jetzt kommen Zweifel auf, und das gleich doppelt. Manche sprechen schon von einer unkalkulierbaren Gefahr auf dem Dach.

Da ist die Sache mit dem Gift: Unter großem Medienecho hat das europäische Parlament ...

Bernd das Brot, Grimme-Preis-gekrönter Star des Kinderfernsehens, ist für seine klugen Sprüche bekannt, aber selten passten sie so gut wie in diesen Tagen. Mit seinen Klassikern "Mist!" und "Holt mich hier raus!" dürften sich in Erfurt derzeit einige Mitarbeiter bei MDR und Kinderkanal identifizieren können.

Insgesamt etwa vier Millionen Euro soll der zweite Mann des Kika in den vergangenen fünf Jahren mit fingierten Rechnungen auf die Seite gebracht haben. Das ist eine erste vorsichtige Schätzung, es könnte weniger, allerdings auch deutlich mehr sein. Einigermaßen sicher ist, dass es sich um einen der größten Betrugsfälle in der Geschichte des ...

Vom 1. Januar an könnten Hartz-IV-Empfänger nicht wie bisher 359 Euro im Monat erhalten, sondern 400 Euro. Oder 340 Euro oder 379 oder 500. So könnte es kommen, wenn die Bundesregierung sich nicht rechtzeitig mit der Opposition über neue Hartz-IV-Sätze einig wird, sagt der Berliner Rechtsprofessor Johannes Münder. "Dann hätten wir einen verfassungswidrigen Zustand. Dann gilt Richterrecht."Entscheidend sei dann, was die Richter an den Sozialgerichten im Einzelfall entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Februar erklärt, die Pauschalen, die für knapp sieben Millionen Menschen gelten, seien fehlerhaft und grundgesetzwidrig. In dem Urteil wurde der Gesetzgeber dazu verpflichtet, bis zum Anfang ...