Inhaltsverzeichnis vom 02.12.2010

Zu den raren sächsischen Charakterfehlern zählt die Unterwerfungsfreude. So empfand ich, als ich am 20. November 2010 in Leipzig aus dem Zug stieg, begrüßt von einer leuchtenden Video-Botschaft: KLINSMANN KOMMT!Und Matthäus und Brehme... - das komplette Fußball-Weltmeisterteam 1990, gecoacht von Berti Vogts. Warum?Zum Spiel gegen die "DDR-Legenden" von dunnemals. Nach 20 Jahren Fußball-Einheit wollte man endlich den gesamtdeutschen Weltmeister küren. Ich bin ja bloß ein Harzer Waldmensch, doch als sächsischer Bahnhofs-Videot würde ich verkünden: KIRSTEN KOMMT!Und Marschall und Rösler ... und Trainer Ede Geyer: Sachsens Gloria plus Verstärkung.

15000 Sporthistoriker strömten ins Zentralstadion. Zur Halbzeit ...

Heute lehrt Michael Bochmann, wie man durch Armdrücken eine Diagnose stellen kann. Vor 20 Schülern liegt eine Frau rücklings auf der Patientenliege und streckt ihren rechten Arm angespannt zur Decke. Auf einem Tisch stehen Pillen, Salben und Tropfen. "Wenn wir eine der Ampullen auf den Bauch der Patientin legen", sagt Bochmann mit sonorer Stimme, "können wir prüfen, ob sie auf den Inhalt reagiert."Ihr Arm, erklärt er, ließe sich dann leicht nach unten drücken. Willkommen in der Deutschen Heilpraktikerschule zu Leipzig.

Kinesiologie heißt die alternative Diagnosemethode; sie ist wohl Glaubenssache. Eine Schülerin fragt, warum eine Ampulle, deren Inhalt später als ...

Herr Kardinal Marx, kennen Sie persönliche Krisen?

Innere Kämpfe kenne ich seit der Studienzeit. Aber die letzten Monate waren die schlimmsten meines Lebens. Was wir da erlebt haben an Auseinandersetzung, auch an Entdeckung, was die Schuld der kirchlichen Institutionen angeht. Der entscheidende Punkt ist für mich: Was will Jesus uns damit sagen?

Haben die Missbrauchsfälle Ihren Glauben berührt?

Nur in dem Sinne, dass die Verborgenheit Gottes stärker wurde. Das ist nicht ungewöhnlich, dass es für einen geistlichen Menschen Phasen der Trockenheit gibt, Phasen des Aushaltens ohne Tröstungen. Ich habe schon als Kind die Erfahrung gemacht, dass Gott existiert, das war ...

Im Ruf, jegliche Gefahr zu verachten, stand seine Familie schon seit Jahrhunderten. Es war auch seine hervorstechendste Eigenschaft. Als sein Vater von einer Kanonenkugel getroffen wurde, war er zwei Jahre alt, mit 13 Jahren war er Vollwaise. Seine Mutter hatte gewollt, dass er eine ordentliche Schulbildung erhielt, aber ein Jahr später befand er sich im Rang eines Offiziers auf der Militärakademie. Mit 17 mehrte eine arrangierte Ehe den Reichtum des Erben eines der größten Vermögen des Landes und brachte ihm zudem ein Regimentskommando ein.

Der Schwiegervater hatte viel mit ihm vor, jedoch geriet schon sein erster öffentlicher Auftritt zum Fiasko: M ...

Wolfgang Schmidbauer ist einer der bekanntesten deutschen Paartherapeuten. Die Fragen dieser Kolumne werden in seinem neuen Buch "Paartherapie: Konflikte verstehen, Lösungen finden" vertieft, das beim Gütersloher Verlagshaus erschienen ist.

Anke hat Peter auf einem Fest kennengelernt und ist begeistert. Er sieht gut aus, liest ihr die Wünsche von den Augen ab, ist längst nicht so verklemmt wie ihr letzter Freund, von dem sie sich vor einem halben Jahr getrennt hat, weil sie fürchtete, neben ihm selber langweilig zu werden. Der ging kaum vor die Tür, und wenn sie ihn einmal überredet hatte, ein Konzert zu besuchen, verdarb ihr sein kaum ...

Das Schöne an Benzin ist eigentlich, dass man irgendwann anhalten muss, um es zu tanken. Denn Benzingeruch beschwört die Erinnerung an früher, als Autos innen noch nach Teppich rochen und die Kinder an der Tankstelle ihre Köpfe aus dem heruntergekurbelten Fenster streckten, um ein bisschen teilzuhaben an der Welt der Erwachsenen, am Geruch von Schnelligkeit und Gefahr, am Rausch.

Dass es heute noch kein massentaugliches Elektroauto gibt, liegt vielleicht daran, dass wir alle viel zu gerne schnüffeln.

Ich bin also voller Vorfreude mit dem Citroen C3 auf dem Weg von Hamburg nach Berlin, denn er ist ein Benziner. Nach Teppich ...

Weihnachten ist, wie jeder weiß, die Zeit der Wunder: das Wunder von Bethlehem. Das Wunder der jungfräulichen Geburt. Das Kabeljau-Wunder. Jawohl: Dieser Fisch (der auch Dorsch heißt, so er aus der Ostsee kommt) galt als stark gefährdet. Doch zurzeit wird er wieder überall angeboten, und man darf ihn mit gutem Gewissen essen, wenn er das Unbedenklichkeitssiegel des Marine Stewardship Council trägt oder sonst in der richtigen Gegend gefangen wurde (in der Nordostarktis zum Beispiel, in der östlichen Ostsee oder im Nordostpazifik).

Die Eigenschaften des Kabeljaus, der dabei noch nicht einmal teuer ist, müssten ihn eigentlich zum edelsten aller Edelfische machen: E ...

Ich freue mich jede Nacht beim Einschlafen auf meine Träume, ich kann sie kaum erwarten. Seit mein Vater gestorben ist, das war 2004, begegne ich ihm manchmal im Traum, kurz nach seinem Tod noch sehr häufig, inzwischen sind seine Besuche seltener geworden.

Mein Vater hat am Schluss in meinem Haus gewohnt, ich habe ihn in seinen letzten Lebensmonaten gepflegt, ihn angezogen, ihm den Hintern abgewischt. Kurz vor dem Augenblick seines Todes war ich in der unteren Etage - ich kam nach oben, als er kaum mehr bei Bewusstsein war. Trotzdem hoffe ich, dass er in seinen letzten Momenten wahrgenommen hat, d ...

Wer Sarah Illenberger fragt, was sie gerade so macht, bekommt schon mal zur Antwort, dass sie gerade einen Käfer aus einem Käfer baut. Weil sie an diesem kleinen, verwunschenen Modellbauladen vorbeigekommen war, dort unbedingt hineingehen musste und ihr beim Anblick eines VW-Käfer-Modellbausatzes der Gedanke kam, ob man vielleicht aus dessen Einzelteilen auch ein Krabbeltier bauen könnte. Also sitzt sie da, stundenlang, und fügt ausgestanzte Plastikteilchen zusammen, bis ein Insekt daraus wird. Das sei wie Meditation, sagt sie.

So wie dem Käfer geht es vielen Dingen, wenn sie in Sarah Illenbergers Hände geraten. Sie verwandeln sich. Mal windet sie eine Häkelwurst ...

Ein Hotel in Graz, Steiermark, Österreich: kein Luxus, kaum Komfort, stattdessen hellgrüne Billigdesign-Sofas. Christine Neubauer dreht hier die ARD-Produktion "Hannahs Entscheidung". Wenn Quoten der Maßstab für Erfolg sind, dann ist sie Deutschlands erfolgreichste Schauspielerin (die neben Veronica Ferres), ihre Filme ("Wer zu lieben wagt", "Ein Sommer auf Sylt") sehen bis zu acht Millionen Zuschauer. Natürlich ist es mutig, dass sie sich hier zum Interview einfindet, die seriösen Zeitungen mögen sie ja nicht besonders (zu erfolgreich). Neubauers Spezialgebiet ist das aller Quotenköniginnen: das Gefühl. Kaum eine kann am Strand oder auf der Bergwiese so schön den Mann stehen lassen, der sie ...

Und auf einmal trauen sie sich doch: Paare, die schon ein, zwei Jahrzehnte zusammen sind, ein, zwei Kinder haben und gern auch bereits ein, zwei Lebenskrisen hinter sich. In meinem Freundeskreis sind es in diesem Jahr fünf solcher Paare, die jetzt doch noch heiraten, die späten Hochzeiter, scheint mir, sind auf dem besten Weg, zur neuen sozialen Bewegung zu werden. Sogar Julio Iglesias hat es endlich getan: Mit 66 Jahren hat er im August der Mutter seiner fünf Kinder das Jawort gegeben. Werden die auf einmal alle sentimental?

Beim Statistischen Bundesamt sagen sie: Ja, der Eindruck stimmt, die Menschen lassen ...

Eine Frau läuft spätabends eine Straße in Berlin entlang. Es ist kurz nach 23 Uhr, eben war sie noch mit einer Freundin beim Italiener um die Ecke. Es war ein heiterer Abend, zum ersten Mal konnte man draußen sitzen nach dem harten Winter. Frühling liegt in der Luft, es ist der 29. April 2010. Auch woanders sitzen Gäste draußen, man hört ab und zu ein Lachen in der Nacht. Die Frau läuft entschlossen den Gehweg entlang, sie kennt die Straße gut, es ist der Schulweg ihrer Tochter, der Weg zum Kindergarten ihres Sohnes. Dies ist ihr Viertel, Wilmersdorf, hier lebt ...

Sollen Männer schön sein?Klar!Warum denn nicht, lautet die spontane Antwort. Stellen wir die Frage mal ein wenig anders: Gereicht Schönheit Männern eher zum Vorteil oder zum Nachteil?

Die Schauspielerin Maria Furtwängler beantwortete die Frage kürzlich mit einem bemerkenswerten Satz. Sie sagte, sie sei "keine Frau für aalglatte und schöne Männer". Der Satz bringt also Charakterarmut, um die es bei dem Wort aalglatt wohl gehen dürfte, mit Schönheit in Verbindung. Ja, er läuft auf ein logisches Verhältnis der beiden Kategorien hinaus. Hieraus nun ergibt sich der Verdacht, dass äußerlich perfekte Männer innerlich etwas hohl sind. Dass von ihrer Persönlichkeit ...

Bern ist nicht das harte Brot jedes Essliebhabers, Bern ist nicht einmal das. Es ist ein Nicht-Ort, um den man wohlweislich einen Bogen macht, so auch Wolfram Siebeck, der deutsche Doyen der Esskritik, während seiner jüngsten Schweizreise für die ZEIT. Darum muss ich mich über diesen Blechnapf beugen, in dem es ja durchaus einiges auszutupfen gibt. Man kann hier sogar sehr gut essen, aber nur an wenigen Adressen: Dem neuen Michelin- Guide fallen drei Restaurants ein, mir immerhin eines (das "Schöngrün" im Zentrum Paul Klee). Wenn andererseits der Gault-Millau in Bern vierzehn, ja, vierzehn "sehr gute" Beizen entdeckt, muss der ...

Für den Touristen in seinem Mercedes ist Zürich nicht zu verfehlen. Es wimmelt von Verkehrsbehinderungen durch Baustellen und Geschwindigkeitsbegrenzungen, welche mit Kriechförderungsmaßnahmen besser bezeichnet wären. Ab und an hört der Ankömmling Karabinersalven von den Militärspielplätzen, und wenn er vergeblich versucht, einen Parkplatz zu finden, weiß er, dass er sein Ziel erreicht hat.

Die Bescheidwisser haben festgestellt, dass in Zürich die Lebensqualität höher ist als sonst wo. Wenn es denn stimmt - woran ich nicht zu zweifeln wage -, liegt der Grund dafür an der Kneipendichte der Stadt und wird untermauert von der Tatsache, dass die meisten Kneipen ordentliche Restaurants sind ...

Auch der jüngste WikiLeaks-Sturm wird sich wieder legen. Aber sieben Konsequenzen werden bleiben.

1. Privatisierung des Krieges: Was Julian Assange entfacht hat, ist Teil der neuen Kriegführung; nennen wir sie die nicht staatliche. Er wollte nicht der Wahrheit dienen, sondern den amerikanischen Staat treffen. Das wollen auch al-Qaida und Co. - nicht im Frontalangriff, sondern seitwärts und von unten mit der Waffe des Schwachen. Der klassische Staatenkrieg verblasst zugunsten des asymmetrischen Krieges mit Selbstmordbombe, Geheimnisbruch und Internet. Für diesen Krieg braucht man keine Armeen, aber er wird das 21.Jahrhundert so beherrschen wie einst der Massenaufmarsch. 250000 Seiten hätte früher ...

DIE ZEIT: Nach 27 Jahren kehrt Kottan, der Serienheld von einst, in einem neuen Kinofilm an die Öffentlichkeit zurück...

Peter Patzak: Moment!Er war nie verschwunden. Er war, mal auf größerer, mal auf kleinerer Flamme, immer da und hat bei Wiederholungen in der Nacht mehr Zuschauer gehabt als so mancher Film im Hauptabendprogramm.

ZEIT: Was ist aber in der Zwischenzeit aus diesem Major Kottan geworden?

Patzak: Der hat sich inzwischen dieses kleine Grundstück an der Donau, das er schon in der zweiten Folge besaß, zum Hauptwohnsitz ausgebaut. Seine Genossenschaftswohnung hat er verloren, weil er die Miete nicht mehr bezahlen ...

Als forensische Koordinatorin des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes bin ich seit Juni für ganz Lateinamerika zuständig. Dabei unterstütze ich all jene Organisationen und Behörden, die mit der Suche nach verschwundenen Personen und der Identifizierung von Toten befasst sind. Dass wir eines Tages nicht mehr gebraucht werden, ist unwahrscheinlich. In politischen Konflikten und Drogenkriegen verschwinden und sterben Menschen; Migranten kommen beim Versuch, ein anderes Land zu erreichen, ums Leben; in Haiti war es eine Naturkatastrophe, die ihre Opfer gefordert hat. Am meisten zu tun habe ich derzeit in Kolumbien, Mexiko, Guatemala und Peru.

Nach meinem Studium der Anglistik und der ...

Bassena-Blues.

Eine düstere Mietskaserne, in der Missgunst, Zank und Vorurteile hausen. Eine herbe Hausbesorgerin wartet hier auf ein bisschen Liebe. Es gibt da ja noch einen Geldbriefträger, der zu jedem Monatsbeginn die Rente bringt. Die Spülungen der Gangklos rauschen. Die Bassena tropft. Meist lauern die Nachbarn argwöhnisch hinter dem Türspion, wenn einer der Bewohner durch das Treppenhaus schlurft. Es sieht feucht aus und so, als hätte sich nichts verändert in all den Nachkriegsjahrzehnten. Wahrscheinlich riecht es hier fettig und schwer, wenn die Bewohner ihr Essen kochen. In einer Wohnung im Erdgeschoss liegt eine Leiche. Eine alte Frau wurde erstochen.

So ...

Wenn Banken pleite gehen, geschieht dies immer ohne ersichtlichen Grund. Ein unerbittliches, blindwütiges Naturgesetz ist dafür verantwortlich. Alle Logik verliert bei einem derart irrationalen Ereignis ihre zwingende Macht. Einzig die Regel ist erkennbar, dass es, wie stets, die anderen waren, welche die Schuld für das Unheil trifft. Das sind anonyme Finsterlinge aus dem Schattenreich des Bösen, das meist hoch im Norden angesiedelt ist. Diese Missetäter sind verantwortlich dafür, wenn im Süden die Dinge aus dem Ruder geraten sind. Zumindest bei der Kärntner Hypo, wo der bislang einzige Angeklagte seine Unschuld mit einem entwaffnenden Bekenntnis bekräftigt: "Ich weiß nicht einmal, wo ...

Noch drei Wochen lang, bis das Budget endlich im Parlament beschlossen sein wird, werden im ganzen Land rhetorische Jongleure die Abermillionenbeträge der einzelnen Posten des Staatshaushaltes durch die Luft wirbeln lassen. Der Finanzminister und seine Freunde in der Regierungskoalition werden versuchen, das Flickwerk solide aussehen zu lassen. Die Opposition wird es in der Luft zerfetzen, als hätte der Staat plötzlich Zuflucht beim Raubritterwesen genommen. Alle erdenklichen Interessensvertreter werden weiterhin Zeter und Mordio schreien, als hätte man ihrer Klientel die Zukunft gestohlen. Kein einziger neuer Gedanke wird zu hören sein, nur die alte Leier. Die einen werden das griechische (oder irische ...

Nach stundenlangem Putzen erschöpft in den Sessel fallen und am geöffneten Terrassenfenster beobachten, wie die Schleierwolken den hellblauen Himmel durchziehen. Sich das Gesicht von der warmen Herbstsonne wärmen lassen, und das einzige Geräusch ist die Zwölfuhrglocke der Dorfkirche.

Susanne Schneider, Neuenbürg, Nordschwarzwald

"Ich bin Ali!"Wie vor 24 Jahren meldet er sich unten an der Tür, als er noch Asylbewerber war. Er möchte sich für meine Hilfe bedanken. Auch sein Freund Mazood ist dabei. Der stellt mir sein Töchterchen vor und erklärt ihm: "Sieh mal, das ist die Frau, die uns geholfen hat, Deutsch zu lernen."

Margareta Pesch, Zülpich

Nasskaltes ...

Supermarktkassen sind ideale Orte, um das Verhalten von Menschen zu studieren. Man trifft höfliche, zuvorkommende Kunden, aber oft genug leider auch das Gegenteil.

Heute stand ich in der Schlange vor der einzigen geöffneten Kasse eines Supermarktes. Vor mir eine Kundin, die beim Eingeben der Preise bemerkt hatte, dass der Preis eines Artikels offenbar nicht mit dem Preis am Regal übereinstimmte. Es handelte sich um eine Packung Käse, die Preisdifferenz betrug angeblich zehn Cent, und die Kundin bestand darauf, dass der Preis korrigiert werden sollte. Also wurde eine Kollegin der Verkäuferin an das Käseregal beordert, um die Preisdifferenz zu ermitteln. Ja, e ...

Die Hupe ist hier der wichtigste Teil an einem Auto. Wenn auch sonst alles rostet und klappert, wenigstens die Hupe sollte funktionieren. Wer ein Ziel hat, hupt und fährt einfach los. Denn der kamerunische Straßenverkehr ist ein großes Durcheinander. Alle fahren kreuz und quer, mitunter auf der falschen Seite oder nebeneinander sich unterhaltend. Motorräder schieben sich knatternd zwischen Autos, Busse und Lastwagen, und wenn man eine Kreuzung unbeschadet überquert hat, kann man eigentlich immer froh sein. Oft scheint keine Briefmarke mehr zwischen zwei Fahrzeuge zu passen, die noch dazu üppig beladen sind. In einen Kleinwagen passen locker bis zu zehn ...

In jedem anderen europäischen Land hätte Silvio Berlusconi aufgrund seiner zahlreichen Sex- und Korruptionsskandale längst von der politischen Bühne abtreten müssen. In Italien dagegen nicht, und dies ist nicht allein der Linken zuzuschreiben, sondern dem Versagen der Zivilgesellschaft insgesamt, die nach Jahrzehnten des Berlusconismus abgestumpft ist gegenüber jeder Form von Machtmissbrauch. Hier müssten sich die Linksintellektuellen wie D′Arcais die Frage gefallen lassen, ob sie nicht selbst dazu beigetragen haben, indem sie den Medienzaren jahrelang unterschätzt und verlacht haben. Es wird wohl Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis sich Italien vom Berlusconismus erholt haben wird, so tief ist er in die Gesellschaft ...

Jürgen Enninger, 41, ist Kulturwirt und Religionspädagoge. Zuletzt war er Geschäftsführer des Plattenlabels und Musikverlags Enja. Seit März ist er "Regionaler Ansprechpartner" des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes für Bayern.

Was machen Sie den ganzen Tag?

Ich reise durch Bayern und biete Orientierungsberatungen für Kreative - also etwa Musiker, Bildhauer oder Designer - hinsichtlich einer unternehmerischen Tätigkeit an. Dabei entstehen ganz neue Netzwerke für einen Wirtschaftsbereich, der in Bayern bisher kaum wahrgenommen wurde.

Was hatten Sie von Ihrer Stelle erwartet?

Genau das. Vom Erfolg des Angebots war ich allerdings überrascht: fast 300 Beratungen in sieben Monaten!Da ist man ...

.. und Ihr Gewinn:.

Ein junger Mann, schwer verliebt, kam zu Sokrates: "Soll ich heiraten?"Der Philosoph grübelte und sagte: "Heirate oder heirate nicht, du wirst beides bereuen."Sokrates zeigte sich als Zweifler. Nicht an Schwarz oder Weiß glaubte er, sondern an Grautöne. Jede Entscheidung würde ihren Preis haben und den versäumten Weg ins Licht der Verklärung tauchen.

Was einen Philosophen ausmacht - Abwägen und Grübeln -, kann im Business ein Hemmschuh sein: Während die einen (oft die Klugen, wie Russell sie nennt) noch am Zweifeln sind, während sie um ihre Standpunkte ringen, nach Worten suchen und Inhalte grammgenau ...

Die deutsche Wirtschaft brummt, und ich komme gerade von der Uni: Kann ich jetzt mit dem Traumjob rechnen?

Karriereberaterin Maren Lehky: "Mit dem frischen Hochschulabschluss in der Tasche ist weiterhin viel Geduld gefragt. Die ersten guten Zahlen für die Wirtschaft sind zwar gerade erschienen: Unbefristete Festanstellungen gibt es deshalb aber noch lange nicht. Die Profiteure sind im Moment Zeitarbeitskräfte. Den Unternehmen geht es nur deshalb gut, weil sie entsprechend gespart haben. An dieser Politik wird sich zunächst kaum etwas ändern. Wer nicht Medizin oder Ingenieurwissenschaften studiert hat, muss versuchen, über Absolventenpraktika einen Fuß in die Tür zu bekommen. Extrem viel ...

DIE ZEIT: Herr Schleicher, Sie gelten als Erfinder der Pisa-Studie. Vor 15 Jahren haben Sie für die OECD, die Denkfabrik der Industrieländer, das Konzept dieses weltumspannenden Schülertests entwickelt. Hat Sie die Karriere der Studie überrascht?

Andreas Schleicher: Ja, es fing ja ganz klein an. Die Bildungsminister der OECD-Staaten wollten herausfinden, was in der Bildungspolitik überhaupt machbar ist, und sich deshalb gegenseitig in die Karten schauen. Mein erstes Konzept war recht schlank, doch letztlich entschied man sich für einen umfassenderen Test.

ZEIT: OECD heißt auf Deutsch Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ist nicht der enge Blick auf die ökonomische Verwertbarkeit ...

Frühe Förderung.

Auf den Anfang kommt es an: Diese pädagogische Erkenntnis hat sich mittlerweile durchgesetzt. Obwohl Pisa die Leistungsfähigkeit der Schulen testet, hat sich keine andere Institution - vor allem im Bewusstsein, aber auch in der Praxis - so verändert wie die Kita. Nicht nur spielen, basteln und toben sollen Vorschulkinder, sondern auch experimentieren, erste Erfahrungen mit Zahlen und Buchstaben machen und die deutsche Sprache erlernen. In allen Bundesländern müssen die Kitas ihre Arbeit an Bildungsplänen ausrichten; keine andere pädagogische Profession bildet sich so bereitwillig fort wie die Erzieher; die Zahl der betreuten Kinder ist stark gestiegen.

Einschulung.

Innerhalb weniger ...

Gelsenkirchen: Lehrer sind in erster Linie Dienstleister, schärft Schulleiter Andreas Lisson dem Kollegium ein

Um kurz vor neun haben sich die 26 Schüler einer achten Klasse der Gerhart-Hauptmann-Realschule in Gelsenkirchen-Erle langsam beruhigt. Es ist die zweite Stunde an einem Mittwochmorgen. Während es draußen noch dämmert, steht Chemie auf dem Stundenplan. "Lasst uns noch einmal den Versuch aus der letzten Stunde wiederholen", sagt Andreas Lisson, ihr Chemielehrer.

Der 41-Jährige leitet seit eineinhalb Jahren die Realschule in Gelsenkirchen. Er unterrichtet Biologie, Informatik und Chemie. Heute hat er ein Wasserbad aufgebaut, in dem ein Teelicht schwimmt. Nachdem Lisson es angezündet hat, stülpt er ...

Hildesheim: Von der Schulverschönerung bis zur Feedback-Runde - das Scharnhorstgymnasium wurde runderneuert

Als Pisa über Deutschland kam, war Jasmin Hagemann gerade acht Jahre alt. Heute steht sie kurz vor ihrem Abitur am Scharnhorstgymnasium in Hildesheim, schwärmt von Smartboards und Lehrern, die Hausaufgaben per E-Mail verschicken, und sagt: "Was sollen wir Schüler mit Pisa anfangen?Uns schlechter fühlen als die in Finnland oder anderswo?Das ist doch Quatsch. Ich glaube, die meisten hier haben das Gefühl, dass uns die Schule gut aufs Leben vorbereitet."Das sind schöne Sätze für Schulleiter Reinhard Sell, der neben Jasmin sitzt und ein wenig staunt, wenn ...

Bremen: Mit einer Bildungsoffensive kämpft die Hansestadt um ihre schwächsten Schüler

Sogar das Kind des Pfarrers aus Findorff kommt neuerdings zu uns."Schulleiter Thomas Bendlin lässt den Satz etwas wirken. So als müsste man jetzt sagen: Wow, das Kind vom Pfarrer!Und dann noch aus Findorff!Doch da die Reaktion ausbleibt, holt Bendlin etwas aus: Er erzählt, in welcher Verfassung er seine Schule vor fünf Jahren vorgefunden hat. Was seitdem alles passiert ist. Und warum die Anmeldung eines Bildungsbürgerkindes aus einem Nachbarviertel eine kleine Sensation ist. Schließlich messen sich Erfolge nicht daran, wo einer steht, sondern daran, woher er kommt.
...

Brooklyn Bridge/City Hall" - bislang war es so, dass sich der Zug schnell leerte, wenn der krächzende Lautsprecher die Endstation der Linie 6, des Lexington Local, ankündigte. Höchstens ein paar schlafende Obdachlose blieben in den Waggons zurück. Das hat sich jetzt geändert: Seit Kurzem ist es erlaubt, auf seinem Platz sitzen zu bleiben, während die Bahn nach der Haltestelle eine Schleife dreht und wieder zurückfährt. Und seit in der New York Times zu lesen stand, dass sich dort hinten am Ende des Schachts die älteste U-Bahn-Station der Stadt verbirgt, bleiben immer mehr Passagiere an Bord.

Angestrengt starren sie in das ...

Dann sehe ich plötzlich ein rostiges Metallplättchen, durchbohrt und an einer Seite abgebrochen. Es liegt auf dem Sand, zwischen vertrockneten Gräsern, als hätte es erst kürzlich jemand hier fallen lassen. Eher unspektakulär. Ich stecke dennoch eine lila Flagge in den Boden. Wir sollen alles markieren, was uns ungewöhnlich erscheint, hat Joan gesagt. Sie ist Archäologin und meist in den kalifornischen Wüsten Sonora und Mojave unterwegs, 63 Jahre alt, die Weste vollgestopft mit Kompass, GPS-Gerät, Feldbuch, auf dem Kopf ein khakifarbener Wüstenhut mit Nackenschutz. Auf ihr Kommando suchen wir die Steppe ab: 14 Leute in langer Reihe, alle fünf Meter einer. S ...

1. DezembER. Morgens kurz nach sieben Uhr an der Bushaltestelle Sent Posta. Es schneit. Andri, unser Treuhänder, kommt durch die Flocken. Er trägt einen grauen Hut mit Krempe. Er fährt nach Scuol ins Büro. Ich bin auf dem Weg nach St. Moritz: Sent-Scuol mit dem Bus, dann mit dem Ersatzbus bis Ardez (ein Tunnel wird erneuert), dann von Ardez bis Sagliains. Umsteigen in den Zug nach Samedan. Umsteigen in den Zug nach St. Moritz. Es sind etwa zwei Stunden, aber die Anschlüsse klappen. Der Bus fährt langsam die schönen, gefährlichen Kurven nach Scuol hinunter. Schnee, alles noch nachtweiß. Ein Leuchten ...

Christliche Publizistik ist der täglich gelebte Konflikt von Liebe und Zorn. Zwar wird die christliche Presse vom weltlichen Teil der Zunft gerne als Hort des arglos Guten belächelt. Tatsächlich jedoch müssen die über hundert christlichen Medien in Deutschland, kirchliche wie unabhängige, eine denkbar große Spannung aushalten: Dogma und Zeitung, geht das zusammen?Institutionalisierter Glaube und institutionalisierter Zweifel, lässt sich das verbinden?

Die Spannung ist nur scheinbar auf die konfessionelle Presse beschränkt. Tatsächlich rührt sie an ein unausgesprochenes Dilemma jedes Journalismus: Kann ich das Objekt meiner Beobachtung lieben - und bin trotzdem frei, es zu kritisieren?Können politische Reporter für Politik ...

Im Autohandel liegen die Nerven blank. Durch deutsche Straßen wuselt fröhlich der Citroen Picasso und wirft einmal mehr die Frage auf, wo denn der Ford Rubens oder ein Opel Rembrandt bleiben, die dem welschen Kleinwagen im Weihnachtsgeschäft Konkurrenz machen könnten. Auch auf den dringenden Wunsch nach einem Mercedes Spitzweg lautet die Antwort bisher nur: Fehlanzeige. "Es gibt eine Pisa-Katastrophe bei den deutschen Autobauern", grämt sich Verkäufer-Urgestein Heinz-Joachim Welske (54), "die haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt. In einer Wissensgesellschaft wie der unseren wollen die Kunden wissen, wer ihr Auto gemalt hat."

Bevor sich ein Leser jetzt über den Anglizismus ...

In den vergangenen Wochen war viel vom Comeback der alten Männer die Rede, die nicht nur als gesellschaftliche Instanzen gefragt sind, sondern neuerdings auch im Pop, der ewigen Jugendsphäre, den Ton angeben. Wer nach Gründen für diese Entwicklung sucht, findet die besten Antworten noch immer bei Johnny Cash. Der Mann mit der Gitarre verkörpert rohes, authentisches Handwerk, und wo hat man das heute noch?Die Musik puristisch, die Kleidung stets schwarz wie ein letztes Bild von Ad Reinhardt, dazu eine Lebensgeschichte von alttestamentarischer Wucht: Cash zog aus, berühmt zu werden, doch mit dem Erfolg kam die Sünde - am Ende ...

Wann sind eigentlich gute Zeiten für die Operette?Wenn sich in Stuttgart aufmüpfige Bürger an ihren überirdischen Bahnhof ketten?Wenn die schöne Schweiz per Volksabstimmung das "Ausschaffrecht" für kleinkriminelle Ausländer verschärft?Oder wenn vor der Komischen Oper Berlin die Vertreter des Orchesters gelbe Zettel verteilen, auf denen der Premierengast das Neueste zum Tarifkonflikt der Musiker mit der Opernstiftung erfährt?Eisig fegt der Ostwind über den Boulevard Unter den Linden, der Euro bröckelt, Terror droht, die Strompreise sollen steigen, das Klima kippt weiter, und was WikiLeaks jetzt über die hohe Diplomatie ans Licht der Weltöffentlichkeit gezerrt hat, stärkt auch nicht gerade ...

Woody Allen ist so berühmt, dass er offenbar jeden Schauspieler kriegen kann, und sei er noch so berühmt. Das Geheimnis besteht aber darin, dass er die bekannten Namen dazu bringt, über sich selbst hinauszuwachsen. Er scheint die Gabe zu besitzen, das Eigentümliche an ihnen zur Geltung zu bringen. Das gilt auch für den grandiosen neuen Film Ich sehe den Mann deiner Träume .

Anthony Hopkins zum Beispiel spielt ja sonst eher den Charakter des unheimlich stillen und tiefen Wassers (man erinnere sich nur an den undurchdringlichen Butler in dem Film Was vom Tage übrig blieb). Hier scheut er sich nicht, d ...

Die Nachricht, daß mir der Thomas-Mann-Preis zuerkannt wurde, hat mir einen Thomas-Mann-Sommer beschert. Zu Thomas Mann ist alles gesagt. Ich versuche, mich ihm über Erinnerungen zu nähern.

Schwere Stunde hieß die kleine Erzählung, die im Herbst 1950 uns Studenten des dritten Semesters für Germanistik an der Universität Jena im Seminar für Sprecherziehung als Übungstext aufgegeben war. Ihr Autor war Thomas Mann, ihr Gegenstand Friedrich Schiller. Wir saßen, etwa zwanzig Studenten, in einem der kleineren Seminarräume, der auf eine Straße und jenseits davon auf den botanischen Garten hinausblickte. Dort sind, meine Damen und Herren, sagte unsere Sprecherzieherin, vor hundertfünfzig Jahren unsere ...

Die Einsicht in die traurige Tatsache, dass die Menschen nicht alle gleich sind, hat sich inzwischen weltweit durchgesetzt. Von ein paar kommunistischen Reststaaten abgesehen, deren diktatorische Praxis die Theorie der Gleichheit aber nicht glaubhaft macht.

Man könnte die Ungleichheit in drei Hauptkategorien fassen: reich/arm, schön/hässlich, mächtig/machtlos. Momentan geistert aber noch eine vierte Kategorie herum, nämlich: intelligent/dumm. Die Sarrazin-Debatte ist ja halbwegs ausgestanden. Doch irgendwas bleibt halt immer hängen. Und im Fall Sarrazin ist es die Sache mit der Intelligenz. Man sitzt in der U-Bahn, schielt zum Nachbarn und überlegt, ob sein Blick Verschlafenheit oder Blödheit ausdrückt, obwohl man so was ...

Ich setzte im Schlafanzug die dritte Kanne Espresso auf und steckte mir meine fünfte Zigarette an."Zwölf Uhr mittags, wir sind zu Hause bei Anna. Anna will ein Buch schreiben. Nebenbei muss sie in, ja, Hildesheim ihren Abschluss machen. Beides Tätigkeiten, für die man nicht bezahlt wird. Deshalb nimmt Anna Nebenjobs an, die sie zum Espresso und in den Wahnsinn treiben: Sie kellnert, sortiert Post, wird Hiwi, lächelt als Hostess, schreibt Märchen, macht Pressearbeit, rückt zur Eventmanagerin auf. Endlich schafft sie ihr Diplom, aber ach: Es geht so weiter. Mit Nebenjobs und zweifelhaftem Sozialversicherungsstatus. Wie es ist, wenn die Improvisation ...

Weltkind und einstiges Mündel des Papstes, Feind der Kirche und der Päpste, ein Christ zum Schein, ein Religionsverächter, ein Ketzer, Epikuräer, Gotteslästerer, apokalyptische Bestie und Vorläufer des Antichristen: Wer immer sich Kaiser Friedrich II. in biografischer Absicht zuwendet, hat weit auszuholen, einen großen Bogen abzuschreiten, mit Realitäten, Heroisierung, Dämonisierung und Mythen zu kämpfen. Dieser letzte Staufer, der Sizilianer, der als deutscher Kaiser Deutschland dauerhaft den Rücken kehrte und im Süden lebte, fand wie kaum ein zweiter Herrscher des Mittelalters Freunde, Feinde, Bewunderer und Verächter. Er fand sie zu Lebzeiten und nach dem Tod, bei Zeitgenossen und kritischen Historikern. In die ...

Am Anfang von Le Mépris - Die Verachtung. Eine Kamera fährt einer anderen voraus, die eine junge Frau begleitet, die durch Cinecitta geht. Das Bild eines Bildes. Ein Travelling eines Travellings. Die Titel werden gesprochen. Am Ende ein Zitat. Ein Satz von André Bazin.

Ich habe mir diesen Satz nie merken können, obwohl oder gerade weil er mir immer wahnsinnig einleuchtend und klar war. Eben habe ich ihn nachgeschlagen. Im Netz ist ja alles. Irgendwo.

Bazin sagt: "Das Kino schafft für unseren Blick eine Welt, die auf unser Begehren zugeschnitten ist. Die Verachtung ist die Geschichte dieser Welt."

Schon ...

Es sollte möglich sein, Anträge auf ewiges Leben zu stellen. Und einige davon müssten bewilligt werden. Der von Godard zum Beispiel (wenn er überhaupt einen stellen wollte). Er dürfte dann auf immer unter uns wandern, und zwar abwechselnd mal als Dreißig-, Vierzig-, Fünfzig- oder Siebzigjähriger. Je nachdem, wie es Situation des Weltkinos gerade erfordert. Truffaut und Rohmer und Eustache hat man uns bereits ungefragt geklaut. Godard hat zu bleiben.

Seine Nouvelle Vague war von Anfang an eine andere Bewegung als die der Kollegen. Er war der Feuerkopf unter den Feuerköpfen, der Eisenstein der Neuen Welle. Der Eros seiner Filme war ...

Der kommende Aufstand, jenes viel diskutierte, im Spiegel teilabgedruckte, in den Feuilletons gewürdigte Manifest eines französischen "Unsichtbaren Komitees" hat, bei aller Revolutionsrhetorik, einen konservativen Kern: Beklagt wird der Verlust an tradierter Geselligkeit, an Volksfesten, an guten Manieren. Radikal links assoziierbares Gedankengut - der Aufruf zur Errichtung von Kommunen, die Feier eines subversiven Protests, der Antikapitalismus - wird mit der Trauer um vergangene Alltagsgewohnheiten verzahnt.

Der kommende Aufstand wird auch deshalb so rege rezipiert, da er die Wutbürgeraufstände abzubilden scheint, die diesen Herbst das Land nicht nur in Stuttgart bewegten. Das jedenfalls behauptet der Spiegel in dieser Woche. Und verkennt dabei, d ...

Ich hatte im vergangenen Jahr angeregt, eine allmähliche Umstellung des bestehenden Steuersystems von einem bürokratisierten Ritual der Zwangsabgaben zu einer Praxis freiwilliger Beiträge zum Gedeihen des Gemeinwesens in Erwägung zu ziehen. Sollte ein Hauch von Ironie an meinen ernst gemeinten Thesen zu bemerken gewesen sein, so wäre diese dadurch bedingt, dass ein Autor normalerweise selbst ziemlich gut einschätzen kann, wann er etwas von sich gibt, was aller Wahrscheinlichkeit nach in den Wind gesprochen ist. Zumindest schien es mir so: Ohne den Beweis durch die Tatsachen hätte es niemand für möglich gehalten, dass eine Wortmeldung zu dem seit Jahrzehnten monoton diskutierten ...

Mama und Papa wollten ausgehen, und wir brauchten einen Babysitter. "Was ist ein Babysitter?", fragte Kiki. "Jemand, der böse Kinder zerquetscht", sagte Papa, und Mama schimpfte mit ihm. "Unsinn!", sagte sie. "Das ist jemand, der nach euch schaut, wenn wir ausgehen." - "Wann geht ihr denn aus?", fragte Kiki. "Gute Frage", sagte Papa. "Nächsten Freitag", sagte Mama. "Wir gehen ins Theater, erinnert ihr euch?Wir haben die Karten schon vor ewigen Zeiten reserviert. Und danach gehen wir in das hübsche französische Restaurant essen." - "Was kriegt ihr da zu essen?", fragte Kiki, als wolle ...

Belgien liegt ja gar nicht weit weg von uns. Es ist das Land gleich links von Deutschland, unterhalb der Niederlande. Die Pommes wurden dort erfunden, worauf die Belgier ziemlich stolz sind. Aber um die geht es jetzt nicht, denn bald ist Weihnachten, und wer denkt da schon an Pommes?

Interessant an Belgien ist, dass, obwohl wir Nachbarn sind, es dort in der Weihnachtszeit ganz anders zugeht. Wir Deutschen feiern Weihnachten ja ganz dicke und Nikolaus eher klein. In Belgien (und auch in den Niederlanden) ist das umgekehrt. Weihnachten wird zwar auch in Belgien als Familienfest gefeiert. Aber das Fest der ...

Das sogenannte Phasendiagramm eines Stoffs gibt an, welchen Aggregatzustand er bei einer gegebenen Temperatur und einem gegebenen Druck annimmt. Schaut man auf das Diagramm für Wasser, dann bestätigt das die Alltagserfahrung: Bei normalem Luftdruck ist es unter 0 Grad Celsius fest, zwischen 0 und 100 Grad flüssig und darüber gasförmig.

Wieso kann Wäsche unterhalb von 100 Grad dann überhaupt trocknen?Das liegt daran, dass die Temperatur die durchschnittliche Bewegungsenergie der Wassermoleküle darstellt. Es gibt jedoch immer einige, die schneller sind. Eine gewisse Menge dieser flotten Moleküle kann die Luft aufnehmen. Erst wenn die Luftfeuchtigkeit 100 Prozent erreicht, ist Trocknen nicht ...

Als Montes horribiles galten die Alpen in der Römerzeit, als schreckliche Gesteinsmassen, in denen höchstens "Barbaren" lebten und die zu überqueren gefährlich war. Später dichteten Romantiker und Aufklärer des 18. Jahrhunderts das Gebirge zu einer "Idylle" um. Dieses idealisierte Bild einer schroffen Natur als Gegenwelt zur industrialisierten und urbanisierten Landschaft hielt bis in die 1980er. Spätestens da aber war nicht mehr nur jener Ruf der Berge zu hören, der abenteuerlustige Kletterer und Naturfreunde lockte. Die Ökobewegung vernahm nun auch einen Schmerzensschrei und machte die Berge als Opfer von Tourismus, Verkehr und Klimawandel aus. Sicht- bar an schmelzenden Gletschern, Seil- und ...

Aus den grauen Wolken zwischen Piz Tasna und Futschölpass fällt eiskalter Regen. Der Archäologiestudent Daniel Möckli ist froh, wenigstens im Trockenen arbeiten zu können, beschützt vom Steindach, das ein riesiger Felsbrocken über die Grabungsstelle spannt. Mit der Kelle kratzt er vorsichtig schwarzen Staub weg. Es ist die Holzkohle eines Feuers, das vor 7500 Jahren hier glimmte und alpine Jäger wärmte. Von deren Mahl in der Steinzeit finden sich noch verbrannte Knochen. Vermutlich die Gebeine einer Gämse. Oder die Überreste einer Steinbock-Keule.

Auch in den Schichten darüber sind die Forscher fündig geworden. Keramikreste kamen zutage und die Bruchstücke einer Bronzenadel. Ganz ...

Da gibt es diesen Traum: dass man in allen Büchern, die je in deutscher Sprache erschienen sind, nach Begriffen suchen kann, so einfach wie mit Google im Netz. Man gibt ein Wort in ein Suchfeld ein, lässt sich die besten Treffer dazu anzeigen und kann dann postwendend in dem jeweiligen Buch auf jener Seite lesen, auf der die gesuchten Begriffe vorkommen.

Nun soll dieser Traum wahr werden. Im vergangenen Jahr beschlossen Bund und Länder die Einrichtung einer Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), am Dienstag dieser Woche hat sich ihr "Kompetenznetzwerk" in Berlin konstituiert, Ende 2011 soll die erste Version online gehen. E ...

Den offenen Wettbewerb zwischen Schulen haben deutsche Kultusbehörden bislang immer zu Recht verweigert. Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner plant die Zurückhaltung nun aufzugeben. Künftig möchte er die Resultate der jährlichen Vergleichsarbeiten (Vera) öffentlich machen. Bisher dienten sie den Kollegien nur zur internen Information. Die neue Transparenz soll Eltern bei der Schulwahl helfen und schlechte Lehranstalten anspornen, den guten nachzueifern.

In England lässt sich beobachten, wozu ein solcher Zwang zur Ehrlichkeit führt: zu Schulrankings. Auf der Insel werden in Kürze wieder die Ergebnisse des nationalen Leistungstests bekannt gegeben. Seitenlang werden britische Zeitungen die "League Tables" ausbreiten und wie beim Fußball strahlende Sieger ...

Man kommt als Normalbürger nur selten in die Verlegenheit, sich fragen zu müssen: Wohin mit all dem Geld?Da ich weder zu den Großverdienern gehöre noch reich geheiratet habe, hatte ich eigentlich nicht vor, mich mit dieser Frage jemals zu befassen. Das hat sich gerade geändert. Und das kam so:

Vor zwei Wochen bekam ich es mit der Angst zu tun. Auslöser war der rasante Anstieg des Deutschen Aktienindex (Dax). Der war immer steiler auf mehr als 6800 Punkte geklettert, und irgendwie hatte ich das dringende Gefühl, meine Gier bremsen zu müssen. Im Krisenfrühjahr 2009 hatte ich nämlich etwas Geld ...

Daten mögen heute vor allem in Form von digitalen Informationen gespeichert sein, schnell verfügbar, beliebig kopierbar und bisweilen unkontrollierbar. Das heißt aber nicht, dass Bürger an ihren Daten keine Rechte hätten - im Gegenteil.

Zu den wichtigsten Rechten zählt das Recht auf Benachrichtigung. Demnach muss man grundsätzlich informiert werden, wenn Daten über einen erhoben werden. Die Theorie kann aber schnell zur Farce werden: Ein Internetanbieter aus Sonstwo-Land schert sich für gewöhnlich nicht um deutsche Datenschutzbestimmungen. Und wie alle Rechte steht auch dieses erst einmal nur auf dem Papier. Es durchzusetzen ist die große Kunst.

Wer wissen will, welche Daten von ...

Erst kam die Pflicht, jetzt kommt die Kür - so fasste Gesundheitsminister Philipp Rösler kürzlich zusammen, wie viel Spaß er bisher an den Reformen seines Ressorts hatte und was er sich für 2011 erhofft. Pflicht - damit meinte er vor allem die Einführung einer Gesundheitsprämie und Einsparungen von rund neun Milliarden Euro. Kür - so sieht Rösler unter anderem die geplante Pflegereform, die für 2011 verabredet ist.

Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Versicherten künftig nicht nur Abgaben für die gesetzliche Pflegeversicherung zahlen müssen, sondern zusätzlich auch noch zum Sparen für den Fall der Pflegebedürftigkeit gezwungen werden. "Verpflichtend, individualisiert und ...

DIE ZEIT: Herr Streibich, in der nächsten Woche sehen Sie Kanzlerin Angela Merkel auf dem Informationstechnik-Gipfel. Was werden Sie ihr sagen?

Karl-Heinz Streibich: Die vergangenen Gipfel befassten sich größtenteils mit Telekommunikation. Das war richtig und wichtig, weil Breitbandnetze ebenso ausgebaut werden müssen wie Autobahnen oder das Schienennetz. Aber jetzt muss die Softwarepolitik hierzulande ein größeres politisches Gewicht bekommen.

ZEIT: Warum das?

Streibich: Software ist der Maschinenbau des 21. Jahrhunderts und somit auch entscheidend für den künftigen Wohlstand unseres Landes. Aber es gibt leider kein politisches Konzept, wohin sich der Softwarestandort Deutschland entwickeln soll. Wir müssen Strukturen aufbauen und brauchen dafür ...