Inhaltsverzeichnis vom 01.07.2010

Der Ball war drin, wie 1966. Damit ist klar: Auch diese Ostkurve behandelt den beliebten Fußballsport. Doch worin besteht der Ost-Bezug?Die deutsche Nationalelf präsentiert sich ja als "Kombination Westdeutschland/Westberlin", wie das einst im SED-Jargon hieß. Ohnehin verweigere ich die Fußball-Volksgenossenschaft, seit dem Wembley-Tor im 66er Finale England gegen BRD. Ich sah das Spiel im Gemeinschaftsraum eines lutherischen Erholungsheims, mit einer Kompanie von Pfarrern der Frontgeneration, die Engelland nichts Gutes wünschten. Hurst bombte an die Lattenunterkante. Ich krähte: "Der Ball war drin!"Die Frontgeneration schoss, äh, schiss mich mörderisch zusammen. Nur dank entschlossenen Losheulens durfte ich bis zum Schlusspfiff gucken. I ...

DIE ZEIT: Herr Eckert, geht es Ihnen nicht auf die Nerven, jedes Mal die Stimme Erich Honeckers zu hören, wenn Sie ins Büro gehen?

Rainer Eckert: Ja, unser Fahrstuhl im Forum wurde lange Zeit mit Stimmen deutscher Politiker beschallt, so auch mit Honeckers Spruch "Die Mauer wird noch in hundert Jahren stehen". An manchen Tagen konnte ich das nicht mehr hören. Nun wird die Beschallung unserer jeweiligen Wechselausstellung angepasst. Gerade zeigen wir Humor und Politik in Deutschland, und im Fahrstuhl sind, in sächsischem Dialekt, politische Witze aus der DDR zu hören.

ZEIT: Keinen Spaß verstehen Sie, wenn mit Blick auf ...

Frau Neshat, Sie haben, wenn ich das denn so sagen darf, sehr poetische Augen. Was ist Poesie für Sie?

Schönheit ist für mich visuelle Poesie. Sie gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, egal was in der Welt da draußen passieren mag.

Woher kommt Ihr starkes Bedürfnis nach Sicherheit?

Ich bin ein extrem nervöser, unsicherer Mensch. Deshalb bin ich wohl auch Künstlerin geworden. Es gibt eine so starke Angst in mir, dass ich wahrscheinlich verrückt geworden wäre, wenn ich nicht einen Weg gefunden hätte, durch meine Arbeit damit umzugehen.

Wovor haben Sie denn Angst?Sie sind eine international anerkannte Künstlerin.

Ruhm ...

So können Sie gewinnen: Finden Sie im Kreuzworträtsel auf der gegenüberliegenden Seite das Lösungswort der Woche (heute 31 waagerecht)!Es ergibt sich, wenn Sie die Buchstaben des Vornamens der in der Mitte des Kreuzwortgitters abgebildeten Person (in der richtigen Reihenfolge!) mit den Buchstaben in den getönten Feldern kombinieren. Ein Beispiel: Aus PF, dem Vornamen IRIS im Bild und CHBAUM ergibt sich PFIRSICHBAUM

Entweder Sie teilen uns diese Lösung per Internet mit unter:

www.zeit.de/sommerpreisraetsel

Oder Sie senden sie auf einer Postkarte an:

DIE ZEIT, Postfach 106808, 20045 Hamburg

Teilnahmeschluss ist in jedem Fall: Dienstag, der 13. Juli 2010 ...

Sein Elternhaus bestärkte ihn schon in zartem Alter, eine ehrenvolle Laufbahn einzuschlagen. Da er die Voraussetzungen nicht erfüllte, wurden kurzerhand sein Geburtstag korrigiert und ein Namensprädikat aufgefrischt, das seine Vorfahren abgelegt hatten. So wurde er blutjung aus nächster Nähe Zeuge eines dramatischen Umbruchs. Die Konsequenzen aus diesen Erfahrungen zog er Jahre später. Sechs Jahre öden Alltags in der Provinz überstand er dank seiner "Neigung zum Denken, zur Literatur", hatte er doch in Werken der Aufklärung den "äußerst philosophischen Ehrgeiz" zur "Perfektibilität" entdeckt. Die Begegnung mit einem Reformer, der die "Tendenz" seines Lebens "mit einem Male in Übereinstimmung mit meinem Tun ...

Wolfgang Schmidbauer, 69, ist einer der bekanntesten deutschen Paartherapeuten. Die Fragen dieser Kolumne werden in seinem neuen Buch "Paartherapie: Konflikte verstehen, Lösungen finden" vertieft, das beim Gütersloher Verlagshaus erschienen ist.

Annette und Markus

sind bei einem befreundeten Ehepaar zum Abendessen eingeladen. Dort treffen sie auch andere Paare. Als sie am Ende des Abends nach Hause fahren, sagt Annette: "Hast du dir die Frau neben mir mal angeschaut, mit diesen übergroßen Brüsten?Ich bin sicher, die sind aus Silikon."Markus weiß darauf nichts Rechtes zu antworten. Einige Wochen später treffen sie die besagte Dame bei einem anderen Anlass wieder. Markus erklärt auf ...

"Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt, es ist niemals gutzumachen", lautet die berühmte Warnung Kafkas. Daran dachte ich nicht, als es an der Pforte klopfte, es war ja auch nicht Nacht. Ich trat an die Brüstung und rief nach unten: "Wer da?"Ein Mann erschien und rief: "Ich bringen Griel!"

O Gott!Da war er, der Grill. Ich hatte mich wirklich nicht danach gedrängt. Viele Leser wissen, und die Kollegen von der Redaktion natürlich auch, dass ich immer wieder gegen das Grillen, dieses Kennzeichen der Primitivküche, polemisiert habe. Wo zum Garen von Lebensmitteln ein blecherner Fußabstreifer genügt, habe ich argumentiert, d ...

Unter all den Revivals der letzten Jahre fehlte eigentlich nur eine Dekade. Die neunziger Jahre. Nun sind sie da. Und allen anderen Comebacks haben die neuen Neunziger eines voraus. Es müssen nicht die Designer von heute in Vintage-Shops die Marken von gestern neu entdecken - vielmehr entdecken sich die Marken von gestern und die Designer von gestern selbst neu - und zwar, indem sie sich zusammentun.

So ist es geschehen zwischen Jean Paul Gaultier und Levi′s. Gaultier hat für die Jeansmarke eine Kollektion geschaffen - und dafür die eigene Vergangenheit wieder belebt. Für Madonnas Blonde Ambition- Tour designte Gaultier einen ...

Ich sehne mich nach einem Ort, an dem meine ganze Familie willkommen ist. Ein großes Heim, in dem wir alle kommen und gehen dürfen, wie wir wollen. Eigentlich müsste ich glücklich sein, denn ich bin mit einem tollen Mann zusammen, wir haben ein Anwesen in einer guten Gegend von Los Angeles gekauft und einen Sohn bekommen. Wir haben nur ein Problem: Meine Mutter ist in diesem Land nicht willkommen, und mein Vater und meine Geschwister sind es auch nicht.

Mit den USA verbindet mich eine Art Hassliebe. Ich mag die Menschen, aber nicht die Einwanderungspolitik. Ich bin in Sri Lanka ...

"Du hast recht, so habe ich das noch nicht gesehen."

Ich bin komplett anderer Meinung, wir beide wissen das, aber ich will jetzt meine Ruhe.

"In dem Moment hab ich das auch so empfunden."

Es ist mir selbst ein großes Rätsel, was für einen Scheiß ich damals geredet habe.

"Es wäre ja auch stressig für dich, meine Eltern kennenzulernen."

Meine Eltern wissen nichts von dir und werden nie etwas von dir erfahren.

"Ich finde heiraten spießig."

Ich bin doch nicht verrückt und binde mich rechtlich an dich.

"Klar will ich irgendwann Kinder."

Auf jeden Fall nicht jetzt und nicht mit ...

Der Tisch im Erker ihrer Wohnung im Berliner Stadtteil Pankow ist bereits gedeckt. Kuchen gibt es, der Kaffee steht bereit. Das ist ein Markenzeichen des Ehepaars Wolf, für Essen und Trinken wird immer reichlich gesorgt. Als wir vor fünf Jahren auf ihrem Landsitz in Mecklenburg mit Christa Wolf sprachen, hatte ihr Mann eine Auswahl geräucherter Fische aus dem angrenzenden See vorbereitet. Auch diesmal sitzt Gerhard Wolf zeitweise mit am Tisch, freundlich zurückhaltend. In den letzten Jahren musste man sich Sorgen machen um Christa Wolf, sie litt lange an den Folgen einer Knieoperation. Doch jetzt wirkt sie wieder ziemlich fit, ein ...

rgane hat jeder, und wenn er tot ist, braucht er sie nicht mehr. Der Mut, den man benötigt, um sich öffentlich als Organspender zu bekennen, ist also ungefähr mit dem zu vergleichen, den man aufbringen muss, um in Stuttgart über eine grüne Fußgängerampel zu laufen. Was kann einem da schon passieren?, denken sich Prominente und geben ihren Namen und ihr Gesicht (auch im wörtlichen Sinn) für die gute Sache, natürlich in der Hoffnung, dass sich das Gute mit ihrem Image paart. Der Beobachter soll denken: "Ach, der Gysi, leiden kann ich ihn ja nicht und seine Partei schon gar ...

Kurz vor der Eröffnung des Kindergartens im Mai 2009 kam der Willkommensgruß. Er zerschmetterte die Frontscheibe und blieb inmitten der Scherben auf dem Esszimmerboden liegen, da, wo jetzt die niedrigen Tische mit den Zwergenstühlen stehen. Grau und kiloschwer kündete der Pflasterstein davon, was manche in der bürgerlichen Hamburger Wrangelstraße vom Zuzug des Kindergartens SterniPark hielten. Wenige Tage später hat die leitende Pädagogin im Briefkasten einen Zeitungsbeitrag gefunden, in dem es unter eindrucksvollen Flammenfotos um eine abgebrannte Kindertagesstätte ging. Es war kein Kommentar dabei, doch verstanden hat sie auch so.

Jene Eltern aus dem Stadtteil Eimsbüttel, die ihre Kleinkinder in die ...

Leute, die ein Fußballspiel "lesen" können, erfahren etwas über das Spiel; Menschen, die auf die Trikots achten, lernen etwas über den Fußball. Eines der interessantesten Themen dieser WM: Die Trikots der deutschen Nationalmannschaft sind so eng wie noch nie. Der Trend ist nicht ganz neu, genau genommen etwa acht Jahre alt, und das Freundlichste, was manchen Fans noch zur italienischen Nationalmannschaft einfällt, ist, dass sie die erste war, die - 2002 - in engen Dressen spielte, von Kappa. Zwei Jahre später wollte Kamerun sogar in Einteilern antreten, wogegen die Fifa eine Regel fand, woraufhin Puma allen afrikanischen Mannschaften die Hemden ...

Was ist eigentlich der umstrittenste Artikel gewesen, den ich in letzter Zeit geschrieben habe?Ich habe den Islam verteidigt. In dem Artikel stand sinngemäß, dass man in einem freien Land auch das Recht besitzen sollte, Muslim zu sein. Man darf ja auch Leistungssport betreiben, obwohl es ungesund und gefährlich ist. Prostitution ist ebenfalls erlaubt. Ist Prostitution wirklich so viel besser als der Islam?

Außerdem kann man nicht alles verbieten. Wenn sie heute den Islam verbieten, dann verbieten sie morgen womöglich den Alkohol, und das will ich nicht.

Echt, viel mehr habe ich nicht gesagt, es war nicht gerade der tiefgründigste ...

Es war einer der kuriosesten Auftritte der Schweizer Politikgeschichte: links der Präsident der Sozialdemokraten, rechts der Chef der SVP, in der Mitte Nicolas G. Hayek, alle brav vereint. Der kleine Mann mit dem Bart hatte wieder mal eine Brücke geschlagen. Es war Hayek, der in den Wochen zuvor an diesem Bündnis gezimmert hatte. Er schickte Briefe an alle Parteien, führte Gespräche mit allen Branchen - er wollte die Verhältnisse in der Schweizer Wirtschaft umkrempeln: Das Land, so sein wütender Glaube, muss befreit werden vom Druck der Banken.

Aber selbst mächtige Industrievertreter wollten sich nicht mit den Großbanken anlegen, die Mitteparteien ...

DIE ZEIT: Herr Hayek, was braucht es, damit sich der Finanzplatz Schweiz erneuern kann?

Nicolas G. Hayek: Zuerst muss die Mentalität, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Finanzwirtschaft ausgebreitet hat, zurückgebunden werden. Also diese Geisteshaltung der Wall Street, die da lautet: "We must make very much money immediately, and with everything."

ZEIT: Das ist doch ein Klischee.

Hayek: Nein, ich selber wurde oft genug damit konfrontiert. Sie ahnen gar nicht, wie viele derartige Vorschläge ich in meiner Karriere erhalten habe. Amerikanische Fondsmanager teilten mir mit, dass sie 300 Millionen Franken in mein Unternehmen investieren ...

Es ist ein schöner Sommerabend, keine einzige Wolke trübt den Berghimmel im Kanton Obwalden, im "Herzen der Schweiz", wie man sich hier brüstet. Ein weißes Zeltdach in einer Waldlichtung in der Nähe von Giswil: Die Leute auf dem Festplatz Gsang, eher in der zweiten Halbzeit ihres Lebens, essen, trinken, sprechen, lachen. Vor allem aber schauen sie auf die Bühne, auf der sich das Festival Obwald abspielt. Gegründet wurde die Veranstaltung vor fünf Jahren von Martin Hess, dem Musikmanager und Kulturimpresario: Schweizer und exotische Volksmusik sollen hier für jeweils vier Tage im Sommer aufeinandertreffen. Diesmal wurden Musiker und Tänzer aus Westafrika ...

DIE ZEIT: Herr Botschafter Berg, erklären Sie uns doch bitte mal die Schweiz.

Axel Berg: Die Schweiz ist ein Land, das mit Deutschland lange, intensive Beziehungen hat. Die Schweiz nimmt eine besondere Rolle in Europa ein, weil sie nicht Mitglied der EU ist und doch über eine Vielzahl von Verträgen eng mit ihr verbunden ist. Sie beruft sich dabei vor allem auf demokratische Traditionen und eigene Erfahrungen.

ZEIT: Ist die Schweiz also etwas Spezielles?

Berg: Nein. Sie ist ein demokratisch engagierter Staat, der mitten in Europa steht.

ZEIT: Herr Botschafter Guldimann, erklären Sie uns doch bitte mal Deutschland.

Tim Guldimann: E ...

Genau genommen, ist dieses Gebot ein Verbot. Es gehört zu den Erbsünden europäischer Hausfrauen, ein angeblich essbares Produkt mit einem schussfesten Panzer aus Bröseln zu ummanteln. Ich weiß auch nicht, warum Panier, die zweifellos eine zürnende Gottheit sein muss, nach der die Panik benannt ist, die uns angesichts der Speisekarten in Berlin befällt, warum diese Wütende die gebröselte Geißel auf die Menschheit losgelassen hat.

Präziser muss es heißen: auf die Berliner. Denn verschont hat er eindeutig nur die Wiener und alle, die im Wiener Umfeld Wiener Schnitzel braten. Hingegen haben Berliner Köche das Wiener Schnitzel heimgeholt ins Reich. So wurde ...

Meinen ersten Vornamen, Ndubueze, suchte meine Mutter aus. Er bedeutet: Das Leben ist König. Den zweiten wählte der irische Priester, der mich getauft hat. Der katholische Glaube verbreitete sich rasch in meiner Heimat. Meine Mutter wurde mit acht, mein Vater mit 15 Jahren getauft. Sogar meine Großmutter ließ sich mit 80 noch bekehren. Diese Spätgetauften kombinieren den Glauben oft mit traditionellen Riten: Wer einen Hahn schlachtet, lässt Blut in die Erde sickern und zieht einen Kreis um die Lache, damit die Ahnen das Opfer segnen können.

Im Burgenland ist das zumindest ähnlich. Viele, die sonntags die Kommunion empfangen, beschäftigen sich ...

Der Himmel zeigt wenig Erbarmen mit der katholischen Kirche in Österreich. Seitdem vor Ostern die ersten Missbrauchsvorwürfe laut wurden, ist sie in den Strudel immer neuer Anschuldigungen geraten. Nichts von dem, was Kirchenführung und Klerus unternehmen, um den angeschlagenen Ruf ihrer Institution wieder aufzupolieren, scheint die empörte Öffentlichkeit beschwichtigen zu können. Enttäuscht verlassen die Gläubigen in Scharen den Schoß der Mutter Kirche: Weitere 80000 könnten es zu Jahresende sein (nach 53000 im Rekordjahr 2009), fürchten nun die Bischöfe. In den Medien wird das Ansehen der Österreich-Filiale des Vatikans nahezu täglich zerzaust, so als würden sich hinter frömmlerischen Weihrauchschwaden ausschließlich Päderasten, S ...

Viele ehemalige Politiker beweisen erst in ihrem neuen Leben, welch großartige Qualitäten in ihnen schlummern. So auch Andrea Kdolsky, die einst von der ÖVP wie eine ungelenkte Rakete losgelassen worden war und ein wenig Turbulenz und Lebensfreude in das verschlafene Gesundheitsministerium brachte. Seitdem hält sich dort in den Korridoren der schwere Duft von Bioschweinebraten. Nun verfolgt die umweltbewusste Dame ein neues Ökoprojekt: Sie will BP mithilfe von Facebook stoppen und empfiehlt, in diesem sozialen Netzwerk den Boykott von BP-Tankstellen zu propagieren. Ganz klar, das trifft die Verantwortlichen für die Umweltkatastrophe am Golf von Mexiko mitten ins Herz. Ebenso wird auf ...

Manche Vorstellungen halten sich besonders zäh in den Köpfen der Österreicher. Dazu zählt die Annahme, mit harter Hand ließen sich all die Übel, welche die moderne Welt heimsuchen, von dem beschaulichen Ländchen fernhalten, in dem bekanntlich ein besonders argloser Menschenschlag siedelt. Fragen Sozialforscher nach autoritären Tendenzen, erfahren sie etwa, dass dort eine Mehrheit härteres Vorgehen gegen "Außenseiter und Unruhestifter" gutheißt. Das ist nicht neu, ebenso wenig, dass weiterhin jeder Dritte glaubt, Österreich sei einst den Nazis zu Opfer gefallen (diese nationale Lebenslüge war noch vor Kurzem mehrheitsfähig). Für die rauen Sitten, die dann jene zu spüren bekamen, die damals als ...

Am Abend des letzten WM-Vorrundenspiels, Deutschland gegen Ghana. Noch drei Stunden bis zum Anpfiff. Ich radle nach Hause und muss an einer Ampel warten. Ich beobachte eine Frau auf ihrem Balkon: Mitte fünfzig, Kopftuch, an der Wand die blauen Glasaugen zur Abwehr des bösen Blicks. Hingebungsvoll schmückt die Frau ihren Balkon mit großen und kleinen Fahnen. Mit Deutschlandfahnen!Hier, scheint mir, ist die Integration gelungen. Und Deutschland steht im Achtelfinale.

Florian Egger, München

Vergangene Woche las ich das Buch Ist Altern eine Krankheit? von Rüdiger Dammann und Reimer Gronemeyer. Der Untertitel: Wie wir die gesellschaftlichen Herausforderungen der Demenz bewältigen. Der ...

In diesen dramatischen Sparwochen ist vom Gesundheitssystem nichts zu hören. Die Lobbyisten des medizinisch-industriellen Komplexes können mit ihrer Werbemaschinerie jede Einsparung zur Bedrohung hochstilisieren. Die Gunst der Wähler könnte schwinden. Nur Teures wird entwickelt, konstruiert und verkauft, und das ganze Volk muss zahlen. Jeder muss sich versichern, und den Versicherungen geht es umso besser, je teurer alles ist. Beiträge steigen und steigen, Leistungen werden gekürzt.

Viele ältere Stadtbewohner konsultieren ständig drei bis vier Fachärzte. Diese verschreiben ihnen vier bis sechs Medikamente und kümmern sich selten um deren Verträglichkeit. Treten Nebenwirkungen auf, gibt es das nächste Medikament. Zum Glück landen viele ...

Ich lese: "Wieder einmal streiten Eltern und Lehrer darüber, was unsere Kinder klüger macht." -Warum fragt niemand, was sie glücklich, zukunftsfähig und demokratietauglich macht?Klugheit jedenfalls ist kein Garant für Vorgenanntes.

Bernd Gebert, Hamburg

Es geht um die Kompetenzen der Lehrenden und darum, dass das Lernen von Beginn an - und dann ein Leben lang - so begleitet wird, dass junge Menschen Freude am Lernen erfahren und behalten bis hin zum selbstständigen, professionellen Lernen mit Verstehen, Anwenden und in manchen Fällen sogar bis hin zum erfindenden Denken und Handeln. Die Leistung im Lernen kommt dann von selbst dazu, oder sie ...

Im System der Integrationskurse fehlt die Zeit für die in vielen Fällen notwendige individuelle Lernberatung, für das Erstellen von Lernplänen, für eine gezielte Unterstützung und für den Austausch zwischen den Kolleginnen und Kollegen. Den Lehrkräften werden nur die vorgeschriebenen Unterrichtseinheiten bezahlt, und die Honorare sind extrem niedrig. Auch wenn die Lehrkräfte meist Idealisten sind, wie die Autoren schreiben, können sie über ein bestimmtes Zeitbudget hinaus nicht unentwegt unbezahlte Arbeit leisten.

Qualitative Arbeit wird in den Integrationskursen auch durch das System oft konkurrierender Träger behindert. Wie die Autoren erwähnen, ist eine Industrie entstanden. In dieser Industrie beziehungsweise auf diesem Markt konkurrieren ...

Irgendwann hatte Felix Hofmann die Nase gestrichen voll. Er pendelte zwischen Berlin, wo er gerade mitten im BWL-Examen steckte, und St. Gallen, dem Ort seines Zweitstudiums. Immerzu musste er kiloweise Bücher mitschleppen und aufpassen, dass er kein Rückgabedatum verpasste. Oft befand sich natürlich das Buch, das er gerade am dringendsten brauchte, genau am anderen Ort. Das kann′s doch nicht sein, dachte der 27-Jährige. Und suchte nach einer Lösung.

Was ihm einfiel, passt zum permanenten Mobil-und-online-Sein. Denn in einer Zeit, in der die ersten digital natives, diejenigen, die ins Internetzeitalter geboren und mit dem Medium aufgewachsen sind, an die Unis kommen, w ...

Frau Baumeister, Sie haben eine Woche lang ein Betriebspraktikum für Lehrer absolviert. Was haben Sie konkret gemacht?

Ich habe drei Tage bei der BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) in der Bildungsabteilung hospitiert und dort mit den Referenten darüber diskutiert, wie man den Austausch zwischen Schule und Unternehmen fördern kann. Die übrigen zwei Tage war ich bei einer Textiltechnik-Firma in Wolfstein. Das Unternehmen stellt unter anderem Binden für die Medizin her - diesen Prozess habe ich begleitet und Auszubildenden über die Schulter geschaut.

Und was haben Sie gelernt?

Es war spannend, hinter die Kulissen des Arbeitgeberverbandes zu sehen, um besser zu ...

Wenn am Abend die letzte Vorlesung endet und die Studenten der anderen Fächer nach und nach den Campus verlassen, geht Philipp Böhm-Christl noch einmal ins Atelier. "Am Montag war ich bis 3 Uhr nachts an der Uni, Dienstag bis 12, heute bleibe ich bis 10", sagt er. Seit sieben Monaten studiert der 21 Jahre alte Berliner Architektur an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) - an die späten Arbeitszeiten hat er sich schon gewöhnt. Architekten seien Nachtschwärmer, heißt es. Besonders bevor sie Pläne und Modelle abgeben müssen, arbeiten Philipp Böhm-Christl und seine Studienkollegen bis tief in die Nacht, "aber eigentlich drängt ...

DIE ZEIT: In Berlin hat ein Gericht entschieden, dass eine Schule einem muslimischen Schüler das Beten verbieten darf. Was halten Sie davon?

Taoufik: Ich finde das nicht in Ordnung. Wir leben in einem freien Land, da darf jeder seine Religion ausleben und praktizieren. Wenn es den Unterricht nicht stört, ist es falsch, zu sagen, man darf das nicht.

Bilge: Generell finde ich so ein Verbot auch nicht richtig, solange es den Schulalltag nicht stört. Wenn einer in seiner Pause beten möchte, ist das doch okay.

Merve: Ich denke auch, dass es den Unterricht natürlich nicht stören darf, aber dass es ...

Der Raum ist eng und staubig. Schachteln stapeln sich auf schiefen Regalen bis unter die Decke. Hinter dem Tresen steht ein bärtiger Mann in einer langen Robe und blickt streng über den Rand seiner Brille auf einen sommersprossigen Teenager. Lindsey heißt das Mädchen. Es ist gekommen, um einen Zauberstab zu finden, der zu ihm passt.

Der alte Mann probiert es mit einem Eichenstab. "Versuch mal, damit die Türglocke zum Läuten zu bringen."Kurz darauf ertönt ein ohrenbetäubendes Geschepper, das gar nicht mehr aufhören will. Das war wohl nichts. Zweiter Versuch: Eibe - mit einem Kern aus Drachenherzfaser. Eine ganze Reihe ...

Kunstpause.

Wie man sich das so vorstellt. Picasso an der Côte d′Azur, Gauguin in der Südsee, Hemingway beim Fischen in Key West. Während wir Jahr für Jahr den Sommerferien entgegenfiebern, scheinen die Künstler schon längst da zu sein, wo wir erst noch hinwollen: an einem schönen Ort, in einem Leben ohne Zwänge. So weit das Bild, das natürlich schon immer schief war. Künstler mögen ein Gespür für malerische Landschaften haben, sie kommen auch mehr rum als unsereins, aber sie kommen eben nicht zur Ruhe. Selbst Picasso hat am Mittelmeer wie ein Besessener gearbeitet. Und wer nicht ganz so gut im ...

Kann denn Hinsehen Sünde sein?In der antiken Fabel von der entblößten Diana und dem neugierig schauenden Aktäon wird der hemmungslose Blick sogar mit dem Tode bestraft. Es ist natürlich kein Zufall, dass diese Fabel, die vom Sehen handelt, von der gefräßigen Neugier der Augen, im 16. und 17. Jahrhundert so überaus florierte und erregte, denn das eindringliche Hinschauen gehört zu den entscheidenden, aber auch höchst brisanten Faktoren in der Kulturgeschichte der frühen Neuzeit. Und natürlich haben sich besonders die Künstler mit dieser Fabel beschäftigt.

Mit ihren neugierigen Blicken, die auch Zweifel auslösen, Befremden, wenn nicht gar Ablehnung, nimmt die ...

Dass sich für die deutschen Museen schnell ein eigenes Forschungs- und Berufsfeld ergeben würde, war den meisten Direktoren kaum klar, als im Dezember 1999 die "Gemeinsame Erklärung zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz" verabschiedet wurde. Bund, Länder und Kommunen bestätigten darin noch einmal für die Bundesrepublik, wozu sich das Land gemeinsam mit 43 anderen Nationen ein Jahr zuvor bereits in Washington verpflichtet hatte: Sammlungen in öffentlicher Trägerschaft sollten nach Werken, Büchern und Dokumenten durchsucht werden, die ihren Eigentümern in der Zeit des Nationalsozialismus gestohlen oder enteignet worden sind. Abgelaufene Fristen sollten ignoriert und bei berechtigten ...

Über vier Jahre lang haben wir daran gearbeitet, die große Film- und Videosammlung des Museums Ludwig für unsere aktuelle Ausstellung aufzuarbeiten. Dabei stellten wir zu unserer eigenen Überraschung fest, dass viele der Künstlerfilme lange fast vergessen waren. Video schien Ende der siebziger Jahre das Medium der Stunde zu sein, es sollte als kunsthistorische Gattung etabliert werden, was ja auch gelungen ist. Seither wird zum Beispiel Nam June Paik immer wieder als Pionier der Videokunst gepriesen. Dabei hat er sich für die Gattung gar nicht so sehr interessiert und mindestens ebenso gern mit Super-8-Filmen gearbeitet. Ihm waren elektronische Medien wichtig, egal ...

Wozu braucht es noch Museen?Ist nicht das Internet längst das viel größere, viel bessere, viel demokratischere Archiv der Bilder und Dinge?Spätestens wenn Google alle Bibliotheken dieser Welt in sich aufgesogen hat, werden auch die Museen von oben bis unten abgescannt und ins Reich des Digitalen verlegt werden. Schon heute lassen sich viele Gemälde des Prado in Madrid am heimischen Bildschirm besser, detaillierter und in weit größerer Ruhe betrachten als im Museum.

Seltsam nur, dass bei aller Begeisterung fürs Digitale die Zahl der kultur- und naturhistorischen, volks- und heimatkundlichen Sammlungen stetig wächst und sich allein in Deutschland binnen weniger ...

Kaum hundert Schritte von der Metro-Station Majakowskaja entfernt steht ein Wohnhaus, in dem einst die Nomenklatura in weitläufigen Quartieren residierte - zur Belohnung für ihren einwandfreien Staatsdienst, etwa als Sowjetdiplomaten an der kapitalistischen Westfront. Im fünften Stock macht eine alte Dame die Tür auf und bittet mich herein. Wir treten ins Vorzimmer, wo antike Möbel für Gemütlichkeit sorgen. Einige stammen aus Frankreich, wo Galina Jerofejewa, 89, mit ihrem Mann mehrere Jahre verbrachte. Er war dort zunächst sowjetischer Botschafter und bekleidete später einen hohen Posten bei der Unesco. Noch heute kann man sich gut vorstellen, dass Frau Botschafterin im Paris der ...

Nicht nur Dissidenten, auch Zensoren leben gefährlich. Die russische Geschichte jedenfalls lehrt, dass man leicht unter sein eigenes Fallbeil geraten kann. Drastischstes Beispiel war Sergej Ingulow, von 1935 an Direktor der Stalinschen Zensurbehörde für Drucksachen. Die sogenannte Glawlit kooperierte eng mit der sowjetischen Staatssicherheit, und Ingulow tat sich früh schon als Bluthund hervor. Über die Kritiker der Sowjetmacht schrieb er: "Kritik muss Folgen haben!Verhaftungen, juristische Abrechnungen, strenge Urteile, physische und moralische Erschießungen!"Pech für Ingulow, dass auch er als Staatsfeind denunziert wurde. Verhaftung wegen "konterrevolutionärer Tätigkeit" 1937, Hinrichtung 1938. Es war die Zeit von Stalins Großem Terror, doch die ...

Zu den letzten Tabus unserer fortschrittlichen Tage gehört zweifellos das Bodenturnen älterer Mitbürger. Dabei spricht nichts dagegen, dass der rüstige Achtziger, nachdem er sich mit ein paar Liegestützen locker gemacht hat, beherzt eine Flugrolle vorwärts in Angriff nimmt, aus der in den einfachen Salto überzuwechseln lediglich eine Frage der Übung ist. "Üben übt!", wusste schon Turnvater Jahn, und sein Nachfahr Oswalt Kolle hat eben ein neues Buch veröffentlicht: So bleibt die Liebe jung!Wenn wir der vertrauenswürdigen SZ glauben dürfen, so empfiehlt er darin ein straffes Vaginalmuskeltraining, hält die Missionarsstellung für ebenso unbefriedigend wie riskant und plädiert stattdessen für ...

nschuldig ist der Androgyne. Seine Gesichtszüge durchkreuzen das Spiel des Begehrens. Seine unklare Geschlechtszuordnung ist kein Makel. Im Gegenteil. Es ist der eindeutig Männliche, die klar Weibliche, die rastlos einen Gegenpart zur Vervollkommnung suchen. Der Androgyne, ein Engel, so scheint es uns, nicht. Er ist die Vollkommenheit schlechthin. Nichts, dass er wollte; nichts, wonach er sich sehnte. Alle aber wollen etwas von ihm.

Die Fotografin Marianne Breslauer, deren Bilder derzeit in der Berlinischen Galerie zu bewundern sind, war eine Meisterin darin, das irritierend Unklare intim aufzufangen. Sie reiste im offenen Sportwagen mit der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, die sie für "das ...

War es vielleicht doch nur eine Fata Morgana?Ein allzu kühner Tagtraum?Ein - freilich virtuos ausgeführtes - Zauberkunststück gar, wie manche Stimmen von Anfang an gelästert haben?Geht man in diesen Tagen über den Grabbeplatz in Düsseldorf, kommt man unweigerlich auf solche Gedanken. Ob die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen mit ihrer atemberaubenden, die Augen berauschenden Idealgalerie der Moderne am Ende nur ein überaus reizvoller, aber eben völlig unmöglicher Traum war.

Denn diese Sammlung, die in den frühen sechziger Jahren durch das Land Nordrhein-Westfalen gleichsam aus dem Nichts gegründet wurde, als eine Art inoffizielle Staatsgalerie, und die vor ein paar Jahren den ...

Das Ende des 19. Jahrhunderts war auch deshalb eine kulturell äußerst produktive Zeit, weil sich damals die Frauen erstmals in Massen organisierten. Die Männer bekamen es mit der Angst zu tun. Strindberg, Ibsen, Shaw oder Huymans entwerfen Protagonistinnen (oft sind sie Prostituierte), die wie sie gegen die bürgerliche Moral aufbegehren - aber so ganz geheuer ist ihnen die Sache nicht. Oscar Wilde spitzt das ambivalente Verhältnis der Künstler zum gar nicht mehr schwachen Geschlecht dramatisch zu: Seine Salomé ist zugleich Sinnbild sexueller Befreiung und Femme fatale.

Wie Wilde hatte auch der norwegische Künstler Edvard Munch ein nicht eben entspanntes Verhältnis ...

Das erste Bild dieses Spielfilms gleicht einem abstrakten Gemälde: ein weißes Flachdach, auf dem sich eine tiefschwarze, Licht schluckende Form abzeichnet. Man könnte den Film jetzt anhalten, das Standbild mitnehmen und zu Hause aufhängen. Schnitt. Das weiße Dach von unten, eine Ecke ragt kühn in die Bildmitte. Schnitt. Ein Blick vom Dach auf die einsame Straße hinunter, auf der sich ein Schatten diagonal durchs Bild zieht, als hätte ihn ein russischer Konstruktivist fotografiert. Schnitt. Erst jetzt erkennt man, dass die tiefschwarze Form eine Frau ist. Es kommt Leben ins Bild, die Frau macht ein paar Schritte auf dem Dach, zögert, g ...

Erstaunlich an den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist nicht nur die Unverwüstlichkeit, mit der sie sich als Goldenes Zeitalter des Pop behaupten. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, wie gut sie dokumentiert sind. Immer, wenn man glaubt, die letzten Schätze seien gehoben, taucht von irgendeinem Dachboden neues Material auf. Der Mythos, der das Jahrzehnt umweht, adelt sämtliche Arten von Fundstücken zu historisch bedeutsamen Zeugnissen, und stets versprechen sie uns sensationelle Einblicke ins Innere der Epoche. Das Allererstaunlichste: Manchmal stimmt das sogar.

Als Tom DiCillo seinen Film über die Doors begann, schwebte ihm noch eine gängige Dokumentation vor, mit Zeugenbefragung, Rückblenden ...

Das Schiff schiebt sich in den Morgendunst über der Lagune. "Pianissimo mit Empfindung" schreibt der Komponist in Takt 24 vor, die Geigen steuern auf ihren vorerst höchsten Ton zu. Fünf Takte weiter hat der Dampfer mit rauchendem Schlot die Bildmitte erreicht, beim Fortissimo ist er ganz nah, und dann kommt Gustav von Aschenbach vor die Kamera. Vom Deckstuhl aus über die Lagune blickend und schon seinen Tod in Venedig ahnend, grundiert vom Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie. Lucino Viscontis Film kam 1971 ins Kino und war das sichtbarste Zeichen des fulminantesten Comebacks der Musikgeschichte: dem des Komponisten Gustav Mahler. N ...

DIE ZEIT: Welche Rolle spielt heute Gustav Mahler in unserem Konzertleben?

Riccardo Chailly: Er ist einer der interessantesten und am meisten verehrten Komponisten der Gegenwart. Wenn wir hier am Leipziger Gewandhaus eine Mahler-Sinfonie aufs Programm setzen, grenzt die Begeisterung ans Euphorische. Das hat natürlich in Leipzig auch etwas mit den Qualitäten des Gewandhaus-Orchesters zu tun. Der Klang passt perfekt zum spätromantischen Repertoire und zu Mahlers Stil. Das ist hier so, seit Václav Neumann von 1964 bis ′68 Gewandhaus-Kapellmeister war. Er hat die Mahler-Tradition begründet.

ZEIT: Und was ist der Grund für diese übergroße gegenwärtige Liebe des Publikums zu Mahler, die ...

Wir sind hier weit entfernt von den Talenten der Verzweiflung, wie man sie etwa bei Tschechow findet. Figuren, die mit bitterem Hohn auf das Scheitern ihres Lebens, die Verkümmerung ihrer einstigen Ideale blicken. Weit entfernt auch von Handkes bohrender Suche nach einer "Stunde der wahren Empfindung". Eine ganze Stunde, das ist sehr viel verlangt. In den Geschichten von Annette Pehnt gibt es nur kurze anfallartige Momente wahrer Empfindungen, die von den überanstrengten Körpern gleichsam unter Ausschluss des Bewusstseins erzwungen werden. Zu mehr als diesen kurzen wiederbelebenden Zusammenbrüchen reichen die Kräfte nicht.

Nehmen wir Pars pro Toto die Geschichte der Zugbegleiterin. S ...

So viel vorweg: Der Freundeskreis um Anton - Jan, Bernd und Alix - war schon in dem vorangegangenen Roman von Katharina Hacker Alix, Anton und die anderen exemplarisch gewesen für jene mehr oder weniger ungebundenen Vierziger, die die Vorstellungen ihrer Eltern - Beruf, Kinder, Haus - nur in Teilen erfüllen und daher nicht das Gefühl haben, ein erfülltes Leben zu leben. Denn: Zwar macht man kaum noch etwas so, wie es die Eltern hätten haben wollen, aber der Referenzpunkt des Daseins bleiben sie offenbar doch, auch wenn man immer ein schlechtes Gewissen hat, weil man sich nicht genügend um sie ...

Wenn die alte Bundesrepublik eine Suhrkamp-Republik war, dann hatte sie in ihren letzten Jahren einen klandestinen Staat im Staate, der sich Merve nannte. Rhizom von Deleuze/Guattari, Foucaults Mikrophysik der Macht , Baudrillard, Virilio, Lyotard: Die kleinen Bändchen mit der minimalistischen Gestaltung und dem Direkt-aus-der-Schreibmaschine-Layout gehörten in den achtziger Jahren in die Taschen eines jeden, der sich nicht nachsagen lassen wollte, bei Habermas hängen geblieben zu sein. Und als Harald Fricke Anfang der neunziger Jahre im Kulturteil der Berliner Tageszeitung zu schreiben begann, gehörte die Merve-Kultur, verbunden mit einer kräftigen Prise der gerade aus dem Angelsächsischen herübergeschwappten Cultural Studies, zu seiner ...

ür den Dichter Gottfried Benn war Nietzsche "das größte Ausstrahlungsphänomen der Geistesgeschichte". Aber das "Phänomen" Nietzsche erschöpft sich nicht in der enormen Ausstrahlung, die von seinem Werk ausgeht, sondern zeigt sich vor allem darin, dass es wie kein anderes die unterschiedlichsten und kontroversesten Reaktionen ausgelöst hat. Rezeptionsgeschichtlich bleibt der Röckener Pastorensohn Friedrich Nietzsche bis heute ein Stein des Anstoßes, an dem sich viele die Zähne ausgebissen haben.

Um es vorweg zu sagen: Die gut tausendseitige Studie des italienischen Philosophen Domenico Losurdo, 2002 in Italien erschienen und nun im Land Nietzsches angekommen, ist ein intellektuelles Ereignis sondergleichen und dürfte für lange ...

Zuerst erschien das Buch mir als ideales Geschenk: Karl-Heinz Göttert, Schwätzer. Ohne viele Worte kann man es einem Menschen schenken, den man für einen Schwätzer hält.

Dann dachte ich, wer weiß, warum es mir der Verlag geschickt hat. Reclam zählt zu meinen Lieblingsverlagen, gerade habe ich ein Exemplar des Ödipus, antik und doch handlich, erstanden, und ich kann mich erinnern, wie froh Ernst Jandl darüber war, dass Laut und Luise bei Reclam erschien. Das Höchste der Dichtkunst und der Philosophie erschien bei Reclam, und mir schickt der Verlag ein aggressives Buch gegen Schwätzer.

Als ich darin zu lesen begann, hatte ...

Es ist Blindheit, wenn wir uns für unschuldig halten. Das Bild, das wir von uns haben, ist Täuschung. Wir können vieles erkennen, aber nicht uns selbst. Geraten wir in eine Situation, in der wir uns bewähren müssen, erfahren wir sehr schnell unsere Grenzen. Dann tun wir das, von dem wir dachten, dass wir es nie tun würden. Danach aber erinnern wir uns nicht mehr an das, was wir getan haben, weil wir es nicht ertragen würden, ein Bild von uns zu haben, das nicht schmeichelhaft ist. -Etwa so könnte man die Lehren oder Einsichten zusammenfassen, die Javier Marias′ Dein Gesicht ...

Seit über 20 Jahren ist Klagenfurt das Zentrum der Langeweile. Heißt es. Sagt man. Jetzt, eine Woche nachdem die Autorin das erste Mal die Tage der deutschsprachigen Literatur beobachtete, muss sie sagen: Es stimmt nicht. Dennoch wird Jahr für Jahr der Vorwurf erhoben, es handele sich bei Autoren und Jury um einen ausgenommen schlechten Jahrgang. Eine Zeitung schrieb schon 1987: "Ja, damals, als Marcel Reich-Ranicki noch der Klagenfurter Jury vorsaß und den Kampf der Wagen und Gesänge um den Ingeborg-Bachmann-Preis streitlüstern steuerte, da gab′s noch Skandale, mit Rasiermessern an der Stirn und Tränenausbrüchen am Lesepult, und die gegnerischen Literaturkritiker wurden ...

Nina, deine Zukunft sieht finster aus."Vernichtender hätte der erste Satz, den ich zum Abschluss meines Studiums zu hören bekam, nicht sein können. Überbracht wurde mir die schlechte Nachricht von meinem Patenonkel Wolfgang, einem graubärtigen Soziologieprofessor. "Du musst dir da einfach mal etwas vor Augen führen", sagte Wolfgang ernst, "du bist ′ne Frau, dein Einkommen liegt seit Jahren unter der Armutsgrenze. Und dann haste auch noch Migrationshintergrund", er seufzte erst, doch dann prustete er los und rief: "Theoretisch!"Wenn ich mich in die demografischen Tabellen einordne, die Jahr um Jahr die Gesellschaftsstruktur der Bundesrepublik abbilden, dann spricht die Statistik klar ...

Nullam certam linguam Germanice habeo, sed ut me intellegere possint ex superiori et inferiori Germania. Ich rede nach der Sechsischen cantzley, quam imitantur omnes duces reges Germaniae; alle reichstette, fürsten höfe schreiben nach der Sechsichen cantzeleien. "

Martin Luther:Tischreden, 1532

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Neulich sagte einer zu mir / banus vesper Domine Simplicè, ich bin advertirt worden / er werde Morgen in deß Römischen Imperii Lilien Statt abripirn, habe ihn derowegen depraecariren wollen / ohnschwer gegenwärtig Misiv in das aromatorium an der Cerere Marckt zu praesentirn: die medicamenta / die man ihme daselbst praestarirn wird / zu acceptirn / vnd mir großgünstig zu deferrirn ...

Immer wieder machen besorgte Geister den Vorschlag, Deutsch als Landessprache in der Verfassung zu verankern. Angenommen, es käme dazu: Welches Deutsch wäre das?Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel war kürzlich der Bericht über ein Treffen von Verlagsleuten zu lesen, wo es unter anderem "um den zwischenmenschlichen Workflow" gegangen sei, und die Überschrift dazu lautete: Der Wind of Change bläst durch die Branche. Kann schon sein - vor allem aber bläst der Wind of Change durch die deutsche Sprache. In ihrem alten Gehäuse, wo wir uns halbwegs kommod eingerichtet hatten, wird es immer zugiger. Von allen Seiten verschaffen sich die ...

1. Kugelschreiber

Vorab eine Erklärung: Ich bin ein amerikanischer Schriftsteller, dessen Bücher sich in den USA nicht verkaufen. Die Menschen dort sind zu sehr damit beschäftigt, Sex mit Tiger Woods zu haben, und kommen nicht zum Lesen. Die deutschsprachige Leserschaft hingegen hat meine Romane mit offenen Armen aufgenommen, was in mir - einem zutiefst einsprachigen Produkt des amerikanischen Schulsystems - den Wunsch weckte, Deutsch zu lernen. Was natürlich keineswegs leicht ist. "Kugelschreiber" steht beispielhaft dafür, wie schwer es mir mitunter fällt, Deutsch zu sprechen, verglichen mit Englisch, wo ich schlicht und einfach pen sagen würde. Aus meinen einsilbigen Wörtern werden ...

Ja, es ist heiß, der Sommer ist sehr groß, die Fußball-WM auch, und man hat das Gefühl, dass über die Frage, wie der Schlossplatz in Berlins Zentrum gestaltet werden soll, nicht nur schon alles gesagt ist, sondern sogar von jedem. Man spürt regelrecht den Unwillen der Medien, der Bevölkerung, der Stadt Berlin, sich mit dieser Frage noch einmal zu beschäftigen, nachdem der Baubeginn im Rahmen des Sparpaketes drei Jahre nach hinten geschoben wurde ( ZEIT Nr. 24/10). Ende der Debatte also?Auch in diesem Fall gilt die goldene konservative Regel: Yes, but no.

Würden Amerika und New York die Diskussion, w ...