Von Evelyn Finger Journalisten weinen nicht, jedenfalls nicht, wenn eine Sache wirklich zum Weinen ist. Tränen vergießen kann man als Rezensent im Theater oder im Kino, nicht aber bei einer Recherche. Wer echten Betroffenen gegenübertritt, sollte sich zusammenreißen, statt sie mit der eigenen Rührseligkeit zu belasten. Deshalb schäme ich mich ziemlich, dass mir an jenem Februartag, als die Missbrauchsopfer der katholischen Kirche vor der Engelsburg in Rom demonstrierten, sofort die Tränen kommen, kaum dass der erste survivor, wie sie sich selbst nennen, zu reden beginnt. Man muss sich einen gleißend hellen Wintermorgen vorstellen, die marmornen Engel auf der Ponte Sant′Angelo ...