Rechtsstaatsmarketing Rechtsanwalt Tobias Freudenberg, ZRP-Redaktion, Frankfurt a. M. Wenn man aufmerksam in Zeitungen und im Internet liest, beschleicht einen gerade ein ungutes Gefühl. Ständig steht dort geschrieben, dass der Rechtsstaat "unter Druck geraten" und "gefährdet" ist, dass er gar "erodiert" oder "zerfällt", jedenfalls aber "auf dem Rückzug" ist. Das sagt nicht irgendwer, die Zitate stammen auch von hohen Repräsentanten dieses Rechtsstaats, darunter etwa der Präsident des BVerfG Andreas Voßkuhle und die Bundesjustizministerin Katarina Barley. Sie haben mit ihren Befunden Recht. Und man muss akute Probleme auch beim Namen nennen. Aber das ständige Alarmschlagen wird langsam zum Teil ...221
Rechtsanwalt Dr. Johann-Frederik Schuldt(*)Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Greenberg Traurig LLP in Berlin. Die Gewährleistung des Zugangs breiter Bevölkerungsschichten zu bezahlbarem Wohnraum steht seit Jahren im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Die Bundesregierung hat kürzlich den Regierungsentwurf für das Mietrechtsanpassungsgesetz vorgelegt, das dem Problem mit einer Verschärfung der Mietpreisbremse und einer Begrenzung der Modernisierungsumlage begegnen will. Der Beitrag stellt die geplanten Änderungen vor und unterzieht sie einer kritischen Würdigung. (I.) Ausgangslage und Stand des Gesetzgebungsverfahrens I. Ausgangslage und Stand des Gesetzgebungsverfahrens Die vom Gesetzgeber im Jahr 2015 eingeführte Mietpreisbremse ist ...222
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer(*)Der Autor ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Arbeitsrecht in Bühl; er ist Mitglied im Ausschuss RVG und Gerichtskosten des DAV. Knapp fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes haben die Präsidenten des DAV und der BRAK der Bundesjustizministerin den gemeinsamen Forderungskatalog mit dem Titel "Vorschläge zur regelmäßigen Anpassung, strukturellen Änderung und Ergänzung und Klarstellung des RVG" übergeben. Nachfolgend werden die Vorschläge vorgestellt und erläutert. (I.) Regelmäßige Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung I. Regelmäßige Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung Mit einem Blick auf die in der Vergangenheit erfolgten Gebührenanpassungen, zuletzt durch ...225
Zukunftsoffene und verbraucherfreundliche Justiz Überlegungen zu einem Beschleunigten Online-Verfahren für geringe Streitwerte Leitender Regierungsdirektor Jakob Nicolai und Richterin am AG Dr. Jill Wölber(*)Der Autor Nicolai ist Leiter der Abteilung "Zivilrecht, Öffentliches Recht und Rechtsprüfung" in der Justizbehörde Hamburg; die Autorin Wölber ist dort Referentin für Prozess-, Gerichtsverfassungs- und Richterrecht. Seit vielen Jahren stark zurückgehende Eingangszahlen in der Ziviljustiz sowie die rapide fortschreitende Digitalisierung weiter Bereiche der Gesellschaft legen es nahe zu untersuchen, ob und in welcher Form die Justiz auf solche Entwicklungen reagieren sollte. Dementsprechend befasst sich auf Initiative Hamburgs die Länder-Arbeitsgruppe "Legal Tech" in ...229
Künstliche Intelligenz und die Rolle des Rechts für Innovation Rechtliche Rationalitätsanforderungen an zukünftige Regulierung Professor Dr. Stephan Meyer(*)Der Autor ist apl. Professor an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt und Inhaber einer Professur für Öffentliches Recht an der Technischen Hochschule Wildau. Die Bundesregierung kündigt mit einem Eckpunktepapier vom 18.7.2018 eine "Strategie Künstliche Intelligenz" (KI) an, die voraussichtlich Anfang Dezember beim "Digital-Gipfel" vorgestellt wird und eine günstige Innovationslandschaft bereiten soll. Der bisherige europäische Umgang mit neuen Technologien begründet Zweifel, ob dies gelingt. Der Beitrag diskutiert deshalb rechtliche Rationalitätsanforderungen, die erfüllt sein müssen, damit eine zukünftige ...233
Professor Dr. Albrecht v. Graevenitz(*)Der Autor ist Professor für Wirtschaftsrecht an der VWA-Hochschule (Stuttgart) und Counsel bei Clifford Chance (Frankurt a. M.). Das Zitat in der Überschrift stammt von Heinz v. Foerster in v. Foerster/Pörsken, Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, 11. Aufl. 2016. Autonome Systeme liegen im Fokus der politischen Befassung und ihre Rechtsfragen werden zunehmend rechtspolitisch diskutiert. Dies betrifft auch computergestützte Anwendungen, die menschlich-juristische Beurteilungs- und Entscheidungsvorgänge ersetzen sollen. Die folgende maschinen-theoretische Betrachtung macht deutlich, dass eine vollständige Übertragung abschließender juristischer Entscheidungen auch dann nicht empfehlenswert sein wird, wenn sich menschliche und maschinelle Entscheidungen ...238
Wider die Bekämpfung der Mehrehe Professor Dr. Sebastian A. E. Martens(*)Der Autor, M. Jur. (Oxon.), ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Römisches Recht, Europäisches Privatrecht und Europäische Rechtsgeschichte an der Universität Passau. Der bayerische Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Mehrehe soll die in Deutschland geltenden Werte schützen. Bei näherer Betrachtung erweist sich das Verbot der rechtlichen Begründung einer Mehrehe indes als kaum mit der Werteordnung des Grundgesetzes vereinbar. Die willkürliche Aufhebung des zweiten Eheschlusses bei einer Mehrehe verstößt zudem gegen Art. 3 GG. (I.) Einleitung I. Einleitung ...242
Verhüllungsverbot im Gericht Richter am AG Dr. Lorenz Leitmeier(*)Der Autor ist hauptamtlicher Dozent an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern (HföD), Fachbereich Rechtspflege. Der Gesetzentwurf des Bundesrates vom 19.10.2018 (BR-Drs. 408/18 [B]), mit dem es Verfahrensbeteiligten verboten würde, im Gericht Gesichtsverschleierungen zu tragen, wird nachfolgend untersucht. Die Regelung wird an der Religionsfreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten mit der Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsfindung und Aufklärung des Sachverhalts abgewägt. Im Ergebnis geht der Gesetzentwurf zu weit und ist unverhältnismäßig. Die Vorschrift kann nur auf methodisch fragwürdige Weise verfassungskonform ausgelegt werden. ...246
Richterin am OLG Yvonne Gottschalk(*)Yvonne Gottschalk ist Richterin im 1. Familiensenat des OLG Frankfurt a. M. Die Fragen stellte Rechtsanwältin Dr. Monika Spiekermann, NJW-Redaktion. Jedes Jahr sind Tausende Kinder in Gerichtsverfahren involviert, etwa in Trennungs- und Scheidungsverfahren der Eltern oder als (Opfer-)Zeugen in strafrechtlichen Verfahren. Studien deuten darauf hin, dass die Justiz in Deutschland noch kinderfreundlicher gestaltet werden kann. Auch die Justiz selbst sieht Verbesserungsbedarf, insbesondere bei der Qualifikation der Richter. ZRP: Wie kinderfreundlich bzw. kindgerecht ist das OLG Frankfurt a. M.? Gottschalk: Aus meiner Sicht werden kinderfreundliche und kindgerechte Rahmenbedingungen den Familiensenaten zur ...249
Richter am BVerwG a. D. Prof. Dr. Harald Dörig, Jena (Echo zu Klaus/Mävers/Offer, ZRP 2018, 197) Der Beitrag der Anwälte Klaus, Mävers und Offer geht davon aus, dass für die Gewinnung ausländischer Fachkräfte die Verbesserung verfahrensrechtlicher Regelungen von besonderer Bedeutung ist. Dem ist zuzustimmen, allerdings sind in einigen Bereichen auch materielle Neuregelungen erforderlich. Ein entsprechender Änderungsbedarf wird jetzt auch im Eckpunktepapier der Bundesregierung vom Oktober 2018 beschrieben. 1. Gewinnung von Fachkräften durch Standortwerbung. Eine typisch deutsche Antwort auf ein erkanntes Defizit lautet: Wir müssen Gesetze ändern. Aber Fachkräfte aus dem Ausland gewinnt man nicht durch ein juristisches ...251