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Werbefilmproduktionen - Der Markt ist im Umbruch

MARKETING & WERBUNG | GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 01.09.2011


Die Top 30 haben sich vom Krisenjahr 2009 erholt

Die deutschen Top-30-Werbefilmproduzenten sind guter Stimmung. 2010 verlief nach dem Krisenjahr 2009 für die meisten positiv. Nach einem Rückgang von durchschnittlich 5,6 Prozent in 2009 stieg der Umsatz 2010 um 11,9 Prozent an. Die Top 30 setzten insgesamt 309,7 Millionen Euro und produzierten 1 595 Filme. Die Mitarbeiterzahlen gingen gegenüber 2009 um 3,8 Prozent zurück.

Branchenprimus Markenfilm lag mit einem Gesamtumsatz von 52,2 Millionen Euro wieder mit großem Abstand an der Spitze des Rankings. Allerdings verzeichnete die Nummer eins ein vergleichsweise bescheidenes Wachstum von 1,2 Prozent. Der Grund ist laut Unternehmensangaben, dass der Nachholbedarf der Gruppe nicht allzu hoch gewesen ist. Man habe eine Größe erreicht, bei der ohne Zukäufe nicht mehr viel Spielraum nach oben ist. Und an einer Expansion bestehe zurzeit kein Interesse.

Erstmals die 30-Millionen-Euro-Hürde hat Tempomedia mit einem diversifizierten Angebot geknackt, das Unternehmen landete damit auf Rang drei. Mood and Motion blieb mit 34 Millionen Euro Umsatz auf Platz zwei. Allerdings sind bei der börsennotierten Holding auch Auslandstöchter in den Umsatzzahlen berücksichtigt. Aus deutscher Sicht dürfte Tempomedia also inzwischen die Nummer zwei sein.

Nennenswert unter den Top 30 ist noch Trigger Happy, die Agentur hat 2010 mit gleicher Mannschaft einen Wachstumssprung von mehr als 110 Prozent auf 6,5 Millionen Euro hingelegt. Damit findet sich die Firma erstmals unter den Top 15. Auch Bigfish erhöhte den Umsatz in ähnlichen Dimensionen, dieser stieg um 80 Prozent auf 13 Millionen Euro. (1), (2), [Abb. 1]


Trend hin zum 360-Grad-Ansatz

Nach Ansicht vieler Produzenten bleibt TV das Leitmedium. Aber es sind unzählige neue Formate hinzugekommen, in die allmählich auch höhere Budgets fließen. So kommt auch eine Studie der Münchner Produktionsfirma E+P Commercial zu dem Ergebnis, dass interdisziplinäres Denken und Arbeiten für Produzenten immer wichtiger wird.

Dementsprechend geht der Trend bei den Werbefilmproduktionen hin zur 360-Grad-Produktion. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, stellt sich breiter auf, holt sich Spezialisten ins Haus oder kooperiert mit Dienstleistern aus anderen Bereichen. Dies betrifft nicht nur größere Unternehmen wie Tempomedia, Embassy of Dreams und Bakery, sondern auch Firmen mit Boutique-Charakter wie Trigger Happy Productions und Schokolade. Die zunehmenden 360-Grad-Ansätze haben gravierende Auswirkungen auf die Werbefilmproduktionen.

Zum einen werden die Präsentationen aufwendiger. So unterhält Markenfilm ein sechsköpfiges Art-Department, das Regisseure beim Erstellen der Präsentation unterstützt, Storyboards zeichnet oder Locations sucht. An der Herangehensweise an Pitches hat auch Bigfish gearbeitet. Das Regie-Portfolio wurde "umgestülpt", erstmals ein Regie-Scout fest angestellt.

Zudem werden die Strukturen verändert. So hat Markenfilm die Tochter BM8 in Markenfilm Crossing umbenannt und BM8-Chef in die Markenfilm-Geschäftsführung berufen. Das Portfolio von BM8, die ihre Wurzeln im Bereich Unternehmensfilm hat, reicht heute vom interaktiven Werbebanner über Dokumentationen bis hin zu Kurzfilmen. Rund zehn Prozent zum Gesamtumsatz steuert die 20 Mitarbeiter zählende Crossing heute bei. Partizan bietet integrierte Projekte, Installationen oder App-Lösungen über die Division The Darkroom an. Tempomedia bringt bei 360-Grad-Projekten Community Film ins Spiel, ein Joint Venture mit Ziggy Mediahouse. Die Zielsetzung dabei ist, das Profil der Werbefilmproduktion Tempomedia nicht zu verwässern. Film Deluxe gründete 2010 die auf Web-Content spezialisierte Unit Click Deluxe. (1), (2), (6)


Markt für Postproduktion sortiert sich neu

Auch wenn sich das Geschäft mit der Werbefilmproduktion wieder erholt hat, so haben doch Wirtschaftskrise, der Umbruch in der Kommunikation und die neuen technologischen Möglichkeiten tiefe Spuren hinterlassen. In der Folge ordnet sich auch der Markt der Postproduktionen neu. Die beiden Postproduktionen Condor Digital Media in Berlin und Locomotion in Düsseldorf werden diese Phase in ihrer jetzigen Aufstellung nicht überleben. Sie mussten Antrag auf Insolvenz stellen.

Andere Player nutzen die Chance, ihre Stellung auszubauen. Ein Beispiel sind Pirates n Paradise, Chamaeleon Digital Vision und Südlicht-t, die sich zusammengetan haben. An Südlich-t, deren Stärke im 3D-Bereich liegt, sind nun alle drei Partner zu gleichen Teilen beteiligt. Vereint wollen die Unternehmen nun alle Facetten der Postproduktion abdecken. 75 Mitarbeiter beschäftigen sie insgesamt. Zudem hat Pirates n Paradise ehemalige Agenturkreative eingestellt, da Bewegtbildprojekte immer komplexer werden und so die Postproduktionen mehr Beratungskompetenz anbieten müssen.

Konkurrenz machen den Post-Spezialisten aber auch Werbefilmhäuser wie Bakery. Bakery hat gemeinsam mit Jo!Schmid die Postproduktion Slaughterhouse etabliert. Markenfilm gründete die Tochter Infected Postproduction. Darauf reagieren wiederum die Posthäuser. Einige, etwa Schönheitsfarm, realisieren bereits komplette Drehs. So gesehen verschwimmen die Grenzen zusehends. (3)


3D - Die Werbetreibenden sind noch nicht soweit

Die Zahl der Kinofilme in 3D steigt rapide. 2009 waren es zehn Filme, Ende 2011 werden allein in diesem Jahr über 40 Filme angelaufen sein. Mitte 2010 konnten bereits 310 Kinos in Deutschland die 3D-Technik einsetzen. Doch die meisten Werbungtreibenden scheuen den Aufwand und beschränken sich auf Spots in 2D.

Ein Grund dafür ist, dass der Zeitaufwand und damit die Produktionskosten um 40 bis 50 Prozent höher sind als bei einem konventionellen Dreh. Wer billiger zu einem Commercial mit Tiefenwirkung kommen will, kann seinen zweidimensionalen Markenauftritt für rund 10 000 Euro auch umrechnen lassen. Doch das macht nur bedingt Sinn. Denn 3D verlangt in der Regel eine eigene, maßgeschneiderte Story. Die Schnitte müssen länger sein, damit das Auge die Effekte überhaupt wahrnehmen kann. Bei Szenen ohne Tiefe kann auch die Dreidimensionalität nichts aufpeppen. Diese Haltung wirkt sich auch auf die Werbefilmproduktionen aus. Denn je geringer die Nachfrage auf Seiten der Werbungtreibenden, desto geringer ist deren Bereitschaft, in das nötige Equipment zu investieren.

Doch je mehr Hollywood aufwendige Kinoproduktionen in 3D produziert, desto höher wird hierzulande der Druck auf die Werbungtreibenden, mit dem Hauptfilm mithalten zu müssen. Manche Unternehmen betreiben derzeit schon den finanziellen und den zeitlichen Mehraufwand. So hat Microsoft sein Office-2010-Paket in 3D beworben. Vodafone zeigt eine 3D-Version seines Zeitbeschleuniger-Spots, die wurde allerdings im Nachhinein kostengünstig umgerechnet. Zum Starttermin von Harry Potter hat der Elektronikkonzern Panasonic einen dreidimensionalen Spot in die Kinos gebracht. (4)



Trends


Klimaschutz hält Einzug bei Werbefilmproduktionen

BBDO Proximity macht Ernst in Sachen Umweltschutz. Die Agentur hat angekündigt, ein White Paper zur Reduktion von CO2-Emissionen bei der Produktion von Werbefilmen zu erarbeiten. Unterstützt wird sie dabei von Thema 1, einem Berliner Carbon-Footprint-Experten. Im Rahmen dieser Initiative wurde jetzt das Pilotprojekt "Carbon Film Quote" ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um ein Kalkulationstool, das maßgebliche Emissionsquellen einer Werbefilmproduktion aufdeckt. Bald will BBDO es gemeinsam mit Pilotpartnern in der deutschen Werbefilmszene einsetzen und somit erste Erfahrungswerte sammeln. Das Projekt sorgt für kontroverse Diskussionen. Kritiker werfen der Agentur vor, sie springe mit der Initiative auf das Trendthema Nachhaltigkeit auf. Doch BBDO Proximity und seine Projektpartner halten mit der Aussage dagegen, dass viele Unternehmen zurzeit mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie an die Öffentlichkeit gehen und die Werbeindustrie reagieren muss. (5)



Fallbeispiele


Doity Produktion - Bewegtbilder für das Internet

Die vor rund einem Jahr gegründete Produktion Doity, Berlin, hat einen fliegenden Start hingelegt. Die Agentur hat Facebook-Filme für Mercedes-Benz Small Repair gedreht und erste Preise für Virals der Deutschen Bahn gewonnen. Ein Grund für den Erfolg ist, dass Doity sich von Anfang an auf Bewegtbilder fürs Internet konzentriert hat. Große Produktionen sind für diese kleineren Etats oft zu unflexibel. Bevor sich die beiden Geschäftsführer Till Strauss und Sascha Pollack im Juni 2010 selbstständig gemacht haben, arbeiteten sie bei Jo!Schmidt. (7)


Gruner+Jahr Corporate Editors - Kooperation für Unternehmensfilme

Unternehmensfilme sind laut Gruner+Jahr Corporate Editors ein zukunftsträchtiger Markt. Die Agentur kündigte deswegen eine Kooperation mit dem Bewegtbildspezialisten Pictorion an. Durch ihre Kooperation wollen die beiden Unternehmen ihre Schlagkraft in den Bereichen Redaktion, Gestaltung, Bearbeitung und Produktion von Bewegtbildinhalten erhöhen. G+J Corporate Editors produziert seit 2009 Image-, Produkt- und Lehrfilme für Unternehmen. Die Corporate Publishing-Sparte von Gruner+Jahr arbeitet für Kunden wie Audi, Bayer, Deutsche Bahn, Deutsche Bank oder Lufthansa. Im vergangenen Jahr gewann G+J über zwanzig Neukunden im Firmengeschäft hinzu und verzeichnete laut Geschäftsbericht "ein starkes Umsatz- und Ergebnisplus". Pictorion Das Werk ist seit zwanzig Jahren im Bereich Werbefilme aktiv. (8)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Top 15 Werbefilmproduzenten
20102009
UmsatzVeränderung
RangUnternehmenin Millionen Euroin Prozent
1MARKENFILM GMBH & CO KG52,251,61,2
2MOOD AND MOTION AG *3429,714,5
3Tempomedia Ralf Schipper Filmproduktion GmbH30,428,37,4
4Embassy of Dreams/Gap Films, München, Berlin **18,618,12,8
5E+P Commercial, Hamburg, München1615,53,2
6Twin Film ***13,211,712,8
7Bigfish, Berlin137,280,6
8Radical Media, Berlin12,71027
9Soup Film, Berlin11,310,57,6
10COBBLESTONE Filmproduktion GmbH9,18,112,3
11Bakery Films, Hamburg87,82,6
12Stink, Berlin7,66,320,6
13Palladium, Köln7,36,119,7
14Five Three Double Ninety, Hamburg6,66,34,8
15Trigger Happy Productions, Berlin6,53,1110,6

* Internationale Gruppe mit Deutschland-Niederlassungen in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf; entstanden aus der Übernahme von Telemaz (gegründet 1986) durch Neue Sentimental Film (gegründet 1988) im April 2008. ** Kumulierte Ergebnisse aufgrund des Zusammenschlusses im März 2010 / inkl. Nerdfilms in Berlin / Gründung Embassy: 1996; Gründung Gap: 1991. *** Internationale Gruppe mit Deutschland-Niederlassungen in Düsseldorf, Hamburg, München. Quelle: Angaben der Produktionsfirmen, Horizont Entnommen aus: HORIZONT, 25/2011, S. 17, (1)

Weiterführende Literatur:

(1.)Breitere Aufstellung ein Muss
aus HORIZONT - Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Nr. 25 vom 24.06.2011, Seite 17

(2.)Markenfilm verteidigt die Pole-Position
aus W&V Werben & Verkaufen Nr. 25 vom 23.06.2011, Seite 26

(3.) Ein Markt sortiert sich neu
aus werben & verkaufen Nr. 14 vom 07.04.2011, S. 32

(4.) Verhaltener Start in die dritte Dimension
aus werben & verkaufen Nr. 29 vom 21.07.2011, S. 26

(5.) BBDO stößt Klimadebatte an
aus HORIZONT 17 vom 28.04.2011 Seite 006

(6.) Auf den Inhalt kommt es an
aus HORIZONT 29 vom 22.07.2010 Seite 021

(7.) Vermutlich Deutschlands jüngste Produktion
aus werben & verkaufen Nr. 19 vom 12.05.2011, S. 29

(8.) Corporate Publishing: G+J setzt auf Firmenvideos
aus W&V Online-Magazin vom 12.05.2011

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 01.09.2011
Dokument-ID: s_mar_20110901

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