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Transportbranche - die Stimmung trübt sich ein

TRANSPORT & LOGISTIK | GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 28.10.2014


Schlechte Stimmung trotz ordentlicher Lage

Bei den deutschen Transportunternehmen trübt sich die Stimmung derzeit spürbar ein. Laut einer aktuellen Umfrage durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und das Forschungsunternehmen Prognos erwartet die Transportbranche Rückgänge bei der Frachtmenge insbesondere im Verkehr nach Osteuropa. Noch schlechter als für den Straßengüterverkehr sind die Aussichten für den Schienengüterverkehr und die Binnenschifffahrt. Optimistisch in die Zukunft blicken damit aktuell nur die See- und die Luftfracht.

Die insgesamt schlechte Stimmung ist die Folge der aktuellen Konjunkturabkühlung und der weltweiten Krisenherde, wobei die Sanktionen gegenüber Russland die Hauptrolle spielen. Nach Aussage des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) beurteilt die deutsche Logistik ihre Lage derzeit erstmals seit Mitte 2013 wieder besser als die Aussichten. Die sich eintrübende Stimmung ändert allerdings immer noch nichts daran, dass die wichtigsten Logistik-Indikatoren weiterhin Wachstumsperspektiven signalisieren. Die Bundesvereinigung für Logistik (BVL) ermittelt derzeit für Logistikdienstleistungen einen Stimmungsindikator von 130,6 Punkten; für die Logistik in Industrie und Handel liegt der Stimmungswert bei 119,2 Punkten. Da alle Werte oberhalb der 100-Punkte-Marke eine Wachstumserwartung ausdrücken, sind Transport und Logistik augenscheinlich immer noch weit davon entfernt, tatsächliche Einbußen einkalkulieren zu müssen.

Hierfür spricht auch die derzeit immer noch gute Auslastung der Unternehmen, die im dritten Quartal sogar leicht zulegte. Vorboten für eine schwierigere Zukunft gibt es dennoch. So kamen insbesondere aus dem Inland weniger Aufträge herein als im Vorquartal. Gleichwohl ist noch nicht zu beobachten, dass die Logistik-Unternehmen ihre Investitionspläne merklich nach unten korrigieren. (1)


Fahrermangel wird zum Problem

Eine zunehmende Belastung für die Speditionen ist der Fahrermangel. Die meisten Experten gehen jetzt schon davon aus, dass die Personalressourcen zur Neige gehen. Derzeit ist jeder vierte Berufskraftfahrer älter als 55 Jahre und wird darum in absehbarer Zeit in Rente gehen. Für die Unternehmen bedeutet dies die ungewohnte Herausforderung, sich eine eigene Personalstrategie zuzulegen. Dabei ist die Branche nach Ansicht von Experten insbesondere in der Pflicht, mehr Berufskraftfahrer auszubilden und das Image des Berufs zu verbessern - also Employer Branding zu betreiben. Nachholbedarf besteht darüber hinaus bei der Entwicklung moderner Arbeitszeitmodelle, die es dem Kraftfahrer ermöglichen, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Ein weiterer Punkt ist die Bezahlung, die in Zukunft üppiger ausfallen müsste, um den Nachwuchs für den anstrengenden Beruf zu interessieren.

Neue Arbeitszeitmodelle müssten gleich zwei Ziele unter einen Hut bringen. Zum einen sollen sie die Attraktivität des Berufs steigern, zum anderen muss das vorhandene Fahrerpotenzial effektiver eingesetzt werden. Experten sagen darum voraus, dass auf den Berufskraftfahrer noch längere Lenkzeiten zukommen als bisher - die aber intelligenter organisiert werden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die notwendige Entkoppelung der Fahrzeiten von den Be- und Entladearbeiten. Hiermit wäre die Aufgabe verbunden, dass Umschlagsplätze sowie zu beliefernde Firmen zusammen mit den Spediteuren Modelle und Abläufe entwickeln, die die Wartezeiten der Fahrer beim Be- und Entladen verkürzen.

Für eine aussichtsreiche Zukunft der Speditionen und ihrer Fahrer wird zudem vonnöten sein, neueste Technik in die LKW einzuführen. Besonders für den Langstreckenbetrieb sind Technologien in der Entwicklung, bei denen der LKW praktisch selbst fährt und der Fahrer nur noch eine Überwachungsfunktion übernimmt. (2)


Mindestlohngesetz verbreitet Unsicherheit

Eine weitere Belastung für die Transport- und Logistikbranche ist der ab dem 1. Januar 2015 geltende Mindestlohn. Durch die neue Gesetzeslage haften Spediteure und Transportunternehmer dafür, dass auch die eingesetzten Subunternehmer ihren Mitarbeitern den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Um der Haftung gerecht zu werden, empfehlen Fachjuristen den Transporteuren, die Zahlung des Mindestlohns als Voraussetzung in den Auftrag mit hineinzuschreiben. Die Beschäftigung mit dem Thema ist damit aber noch nicht erledigt. Auf jeden Fall bedeutet das neue Gesetz für die Unternehmen ein deutliches Mehr an Bürokratie. (3)


Schienengüterverkehr leidet unter den Streiks der GDL

Ebenfalls nicht stimmungsfördernd ist der von der Kleingewerkschaft GDL rücksichtslos betriebene Ausstand der Lokomotivführer. Immer mehr Auftraggeber sind die Arbeitskämpfe leid und wenden sich darum von der Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn ab. DB Schenker Rail hat dies bereits eingeräumt, jedoch ohne den Umfang der Auftragsverluste zu beziffern. Hauptprofiteur scheint aber die Straße zu sein. So ist bekannt geworden, dass sich die großen Automobilhersteller mit zusätzlicher LKW-Kapazität eingedeckt haben. Die Hoffnung von DB Schenker Rail, dass diese Kunden nach den Streiks zurückkommen werden, scheint trügerisch. Viel mehr war in den letzten Jahren zu beobachten, dass ein abgewanderter Kunde meist bei seinem neuen Transporteur bleibt. (4)





Fallbeispiele


Gute Prognosen für die Gesamtlogistik

Dass die Lage am Transportmarkt derzeit noch deutlich besser ist als die Stimmung, zeigen auch aktuelle Prognosen für die Logistikbranche. Diese sind von der Russlandkrise noch weitgehend unberührt und fallen darum relativ hoch aus. So rechnen die Transporteure derzeit noch mit einem Jahreswachstum von drei Prozent. 2013 hatte die Verkehrsleistung nur um zwei Prozent zugelegt. Für 2015 steht die Prognose bei plus 3,3 Prozent, mit denen aber nur zu rechnen sein dürfte, wenn sich die konjunkturelle Abkühlung in Deutschland schnell wieder verflüchtigt. Der Straßengüterverkehr wird nach aktueller Prognose 2014 um 2,1 Prozent wachsen, im nächsten Jahr sollen es 2,2 Prozent sein. Deutlich schneller als die deutschen Speditionen werden indessen ausländische Wettbewerber auf dem deutschen Transportmarkt zulegen. Ihnen wird von den Experten ein Plus von 5,8 Prozent im laufenden und 6,2 Prozent im nächsten Jahr vorausgesagt. (7)


Weltweite Logistikbranche floriert

Laut einer aktuellen Marktanalyse von Roland Berger und Barclays wird der weltweite Logistikmarkt bis 2020 um jährlich drei Prozent wachsen. Zulegen werden insbesondere Schwellenländer wie Indonesien, Thailand, Malaysia, die Philippinen und Vietnam, die mit jährlichen Wachstumsraten von sogar zehn Prozent rechnen können. Ein weiterer Wachstumstreiber - auch in Deutschland - ist der Onlinehandel. (6)



Zahlen & Fakten



Weniger Insolvenzen, mehr Liquidationen

Die Zahl der Insolvenzen ist bei Transportunternehmen und Logistikern bereits seit fünf Jahren rückläufig. Im ersten Halbjahr 2014 nahmen die Pleiten noch einmal ab, nämlich um 27 Prozent. Damit mussten in der ersten Hälfte dieses Jahres 112 Speditionen die Pforten schließen. In der deutschen Gesamtwirtschaft machten im selben Zeitraum 8 883 Unternehmen dicht.

Was auf den ersten Blick gut aussieht, verbirgt allerdings die wahre Zahl der Betriebsschließungen. So wird eine erkleckliche Zahl von Betrieben liquidiert, ohne jedoch in der Statistik der Insolvenzen aufzutauchen. Liquidiert werden Betriebe beispielsweise, wenn sich kein Nachfolger findet. Der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen hat ermittelt, dass 90 Prozent der Verbandsaustritte auf solche Liquidationen zurückgehen. Damit liegt die Zahl der vom Markt verschwindenden Transportunternehmen vermutlich deutlich höher als die Zahl der Insolvenzen. (1)


Weniger Güterverkehr in der Europäischen Union

Der Güterverkehr innerhalb der Europäischen Union (EU) ist neusten Berechnungen zufolge seit 2007 um 11,7 Prozent zurückgegangen. 2012 wurden demnach 2 186 Milliarden Tonnenkilometer erreicht und damit 229 Milliarden Tonnenkilometer weniger als 2007. Der Anteil des Straßengüterverkehrs am Gesamtaufkommen sank marginal von 75,4 Prozent auf 74,5 Prozent. Die Güterbahn weitete ihren Anteil von 18,3 auf 18,8 Prozent aus. Bei den Binnenschiffen stieg der Transportanteil von 6,3 auf 6,9 Prozent. (5)



Weiterführende Literatur:

(1.) Den Pleitegeier stets im Blick
aus DVZ, Nr. 82 vom 14.10.2014

(2.) Industrialisierung in der Logistik schreitet voran
aus "Medianet" Nr. 1872/2014 vom 17.10.2014 Seite 62

(3.) Mindestlohngesetz beunruhigt Logistikbranche
aus DVZ, Nr. 70 vom 02.09.2014

(4.) Kunden suchen Alternative zur DB
aus DVZ, Nr. 80 vom 07.10.2014

(5.)Straße verliert in 15 Ländern Marktanteile
aus Verkehrs Rundschau Nr. 41/2014, Seite 12

(6.) Gute Aussichten für die weltweite Logistikbranche
aus "Medianet" Nr. 1848/2014 vom 05.09.2014 Seite 68

(7.) Es geht weiter aufwärts
aus Verkehrs Rundschau, Heft 37/2014, S. 36-37

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 28.10.2014
Dokument-ID: s_tra_20141028

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