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Textildiscounter im Modehandel - verschiedene Strategien für den Erfolg

TEXTIL | GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 18.10.2012


Kosten: Textildiscounter sparen im Laden und in der Produktion

Um günstiger sein zu können, kalkulieren Textildiscounter anders als der Durchschnittshändler in der deutschen Modewelt. Zwar redet in der Discounterbranche niemand über Preise, Kostenstrukturen und Kalkulationen, doch der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) gibt einige Schätzungen bekannt. So sollen bei den Discountern die Personalkosten nach Angaben des BTE mit einem einstelligen Prozentsatz vom Umsatz zu Buche schlagen. Grund ist, dass es kein beratendes Fachpersonal gibt. Damit sind sie allenfalls halb so hoch wie bei Textilfachhandelsunternehmen, die rund 20,7 Prozent des Umsatzes für Personal, inklusive Unternehmerlohn, ausgeben. Da die Belegschaft von Discountern auch die Räumlichkeiten reinigt, werden gleichzeitig die Raumnebenkosten gesenkt. Der BTE schätzt diese auf rund zwei Prozent des Umsatzes, sonst geben die Textilunternehmen dafür rund 7,6 Prozent aus. Dazu entfallen die Werbekosten, die im Handel sonst weitere rund drei Prozent vom Rohertrag aufzehren. Darüber hinaus sind Logistik und Hierarchien bei den Discountern extrem schlank. Die Textildiscounter sparen aber nicht nur im Laden, sondern vor allem bei der Produktion. Im Modefachhandel entfallen rund 45 Prozent des Umsatzes auf den Einkauf, für die Textildiscounter gibt es dazu aber keine Angaben. So ist kommt es immer wieder zu Schlagzeilen über schlechte Arbeitsbedingungen, unzureichende Bezahlung oder Missachtung von Umweltstandards bei der Herstellung von Textilien. Dass die Modeindustrie insgesamt mittlerweile massenweise Produktionskapazitäten von China nach Bangladesch verlagert, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen sind die Löhne dort noch zehnmal billiger als in der Volksrepublik, zum anderen gibt es keine nennenswerten Umweltauflagen. Und vor allem Letzteres wird ausgenutzt. (1), [Abb. 1]


Unternehmen: H&M ist die Benchmark

Wer sind die wichtigsten Einzelhändler bei den Textildiscountern, ohne Lebensmittelunternehmen wie Aldi oder Lidl? Als Benchmark in diesem Segment gilt H&M mit einem Deutschland-Umsatz von rund 3,4 Milliarden Euro in 2011. Dies entspricht einem Plus von vier Prozent gegenüber 2010. Die Zahl der Filialen in Deutschland belief sich Ende vergangenen Jahrs auf 394. Das Unternehmen ist mittlerweile der größte Modehandels-Filialist Deutschlands. Zum Stichtag Ende November 2011 hat H&M 2 470 Stores weltweit betrieben, der weltweite Umsatz betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr rund 14,6 Milliarden Euro. (2)

Es folgt C&A, das Unternehmen hat den Umsatz von 2010 auf 2011 um 2,6 Prozent auf etwa 3,1 Milliarden Euro gesteigert. Die Zahl der Filialen beläuft sich auf 394. Da der Gesamtmarkt in 2011 mit einem Pari abgeschlossen hat, hat C&A Marktanteile gewonnen. (2)

Die Tengelmann-Tochter Kik erhöhte von 2010 auf 2011 den Umsatz in Deutschland um 0,3 Prozent auf 1,35 Milliarden Euro. Europaweit stieg der Umsatz um 1,6 Prozent auf 1,69 Milliarden Euro. Ende 2011 betrieb der Discounter in Deutschland 2 591 Filialen, europaweit waren es 3 164. (3), (4)

Takko betreibt konzernweit über 1 700 Filialen in 16 Ländern, davon rund 1 055 In Deutschland. Der Umsatz erhöhte sich von 2010 auf 2011 um 13,6 Prozent von 1,1 auf 1,25 Milliarden Euro. Keine Angaben macht Takko zum Umsatz in Deutschland. Stattdessen bezieht sich das Unternehmen auf eine GfK-Analyse, der zufolge Takko den Marktanteil von 2,3 Prozent in 2010 auf 2,7 Prozent in 2011 ausgebaut hat. (5), (6)

Die NKD-Gruppe betreibt knapp 2 000 Filialen in Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Polen und der Schweiz. 2011 eröffnete das Unternehmen 170 neue Stores, 2012 soll die Zahl sogar noch gesteigert werden. Der Umsatz lag 2011 bei 599 Millionen Euro. Zahlen für Deutschland gibt das Unternehmen nicht bekannt. (9)

Der US-Bekleidungsfilialist TJX Companies hat seinen Europa-Umsatz im ersten Halbjahr des Geschäftsjahrs 2012/13 (Stichtag: 28. Juli) um 10,5 Prozent auf rund 1,11 Milliarden Euro gesteigert. Flächenbereinigt war es plus zehn Prozent. TJX Companies führt in Europa derzeit 338 TK Maxx- und 24 Home Sense-Filialen. Seit 2007 ist der amerikanische Bekleidungsfilialist in Deutschland aktiv und hat aktuell 56 Filialen. (7)

Mit mehreren Marken ist die spanische Inditex-Gruppe vertreten. Aktuell betreibt Inditex in Deutschland 86 Filialen der Ketten Zara (68), Massimo Dutti (zehn), Zara Home (sechs) und Bershka (zwei). Im vergangenen Geschäftsjahr 2011/12 stieg der weltweite Umsatz um zehn Prozent auf 13,79 Milliarden Euro. Für Deutschland sind keine Zahlen bekannt. (2), (15)


Sortimentsstrategie: Textildiscounter verramschen Markenware

Die Textildiscounter haben ihre Sortimentsstrategie geändert und bieten als Sonderposten auch Markenware an. Den Anfang machte Kik mit Ware von Esprit, die im Mai 2012 bundesweit in die Läden kam. Die Aktion wurde mit Anzeigen in der Bild-Zeitung, im Internet und in den Kik-Filialen beworben. Angeboten werden unter anderem Jeans, Cargo-Hosen, Blusen, Hemden, Tops und T-Shirts zum Preis ab 7,99 Euro. Genaue Angaben zum Volumen der Esprit-Aktion machte der Discounter nicht, es sollen weniger als eine Million Teile gewesen. Woher die Ware stammt, gibt Kik nicht preis. Mit Esprit in Ratingen hat Kik eigenen Angaben zufolge nicht verhandelt. Für mögliche juristische Schritte von Esprit hat Kik sich gewappnet, bei den Verhandlungen über den Kauf der Ware wurden Rechtsanwälte eingeschaltet.

Laut Kik soll es nicht bei der einen Aktion bleiben. Geplant ist es, das eigene Angebot künftig mehrmals jährlich um Sonderposten zu ergänzen. Mitte August war es dann wieder soweit. Erneut hat Kik eine Postenaktion mit Esprit-Ware gestartet. Für kurze Zeit und nur solange der Vorrat reicht gab es in ausgewählten Filialen des Discounters in Deutschland und Österreich unter anderem Langarm-Shirts, Pullover und Jacken von Esprit.

Das Modell scheint Schule zu machen. Woolworth bot im Juli in allen 204 Woolworth-Läden Markenkleidung zum Schnäppchenpreis an. Leidtragender dieses Mal war die Modemarke S.Oliver. S.Oliver-Klamotten und Accessoires gab es teilweise um 80 Prozent reduziert. Allerdings stammen diese aus der letzten Saison. Woolworth hat sie nach eigenen Angaben über einen Zwischenhändler angekauft. (10), (11), (12)





Fallbeispiele


Primark: Neuling bringt H&M das Fürchten bei

Vor allem H&M und C&A könnten auf lange Sicht vom Markteintritt des jüngsten Mitbewerbers auf dem Preismarkt betroffen sein: Primark. Landesweit betreibt der irische Textildiscounter derzeit acht Filialen. Doch dort, wo Primark an den Start gegangen ist, spüren die Wettbewerber das bereits deutlich. Im Juli hat Primark im Schloss-Straßen-Center seinen ersten Store in Berlin eröffnet. Der zweite Standort in der Hauptstadt steht bereits fest, allerdings wird sich die ursprünglich für Herbst geplante Eröffnung am Alexanderplatz auf Frühjahr 2013 verschieben. Die nächsten Filialen folgen Ende November in Karlsruhe und Anfang nächsten Jahres in der Zeil-Galerie in Frankfurt am Main. Auch in Düsseldorf ist Primark nach eigenen Angaben kurz vor Vertragsabschluss. (2), (13)


NKD: wirbt in der Fußballbundesliga

Gerade rechtzeitig zum Bundesliga-Start am 24. August hat Sportfive dem 1. FC Nürnberg einen neuen Hauptsponsor vermittelt. Auf den Trikots der Franken prangt nun das Logo der NKD Vertriebs GmbH. Der Textildiscounter sichert sich außerdem ein umfassendes nationales und regionales Kommunikationspaket. Die Zusammenarbeit wurde für vier Jahre vereinbart, das Unternehmen soll jährlich rund drei Millionen Euro in den Club investieren. Das Unternehmen mit Sitz im fränkischen Bindlach möchte durch das Sponsoring bekannter werden. (14)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Die Kosten der Händler

Entnommen aus: Welt am Sonntag, 32/2012, S. 29, (1)

Weiterführende Literatur:

(1.) Der Trick mit den billigen T-Shirts
aus Welt am Sonntag, 05.08.2012, Nr. 32, S. 29

(2.) Die Preisdrücker
aus TextilWirtschaft 17 vom 26.04.2012 Seite 018 bis 021

(3.) Discounter Kik wächst nur durch Expansion
aus TextilWirtschaft 29 vom 19.07.2012 Seite 022

(4.) Kik: Flächenleistung sinkt
aus www.textilwirtschaft.de vom 13.07.2012

(5.) Takko will kräftig expandieren
aus TextilWirtschaft 26 vom 28.06.2012 Seite 058

(6.) Takko plant europaweit 150 Filialen
aus Immobilien Zeitung Nr. 19 vom 10.05.2012 Seite 8

(7.) TJX: Wieder schwarze Zahlen in Europa
aus www.textilwirtschaft.de vom 14.08.2012

(8.)TK Maxx zieht es an den Alexanderplatz
aus TextilWirtschaft online vom 01.08.2012

(9.) NKD: Richtfest in Bindlach
aus www.textilwirtschaft.de vom 27.09.2012

(10.) Kik verramscht Esprit-Ware
aus www.textilwirtschaft.de vom 15.05.2012

(11.) Kik verramscht wieder Esprit-Ware
aus www.textilwirtschaft.de vom 16.08.2012

(12.) Mit fünf Euro sind Sie dabei: Woolworth verramscht S.Oliver
aus W&V Online-Magazin vom 11.07.2012

(13.) Primark eröffnet erste Berliner Filiale
aus www.textilwirtschaft.de vom 11.07.2012

(14.) NKD und Wöhrl sponsern den 1. FC Nürnberg
aus TextilWirtschaft 36 vom 06.09.2012 Seite 036

(15.) Zara setzt auf München
aus TextilWirtschaft 31 vom 02.08.2012 Seite 036

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 18.10.2012
Dokument-ID: s_tex_20121018

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