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Spaniens Sparkassen - am Immobilien-Monopoly die Finger verbrannt

BANKEN | GENIOS BranchenWissen Nr. 06 vom 29.06.2012


Spaniens Banken brauchen Geld

Nach langem Zögern hat Spanien um Hilfe für seinen schlingernden Bankensektor ersucht. Die Europäische Union wird hundert Milliarden Euro zur Verfügung stellen, die aber wahrscheinlich nicht komplett aufgebraucht werden müssen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Rekapitalisierungsbedarf von 40 bis 80 Milliarden Euro. Madrid und Brüssel betonen, dass es sich bei der Geldspritze um eine nur minimal-invasive Maßnahme handele, da in Spanien - anders als in Griechenland - nur die Banken gestützt werden müssten. An dieser Lesart haben viele Experten allerdings Zweifel, denn auch die spanische Volkswirtschaft ist in keinem guten Zustand. Aktuell diskutiert man in der Euro-Zone Spanien einen Teil der Zinslast abzunehmen, weil das Land seit einiger Zeit am Kapitalmarkt vor geschlossenen Türen steht. (1)


Hohe Verschuldung lähmt die Volkswirtschaft

Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und steht mit einem Bein in der Insolvenz. Käme es dazu, wäre es wohl endgültig aus mit der europäischen Gemeinschaftswährung. Experten sind sich einig, dass nicht nur die Banken, sondern ganz Spanien ein Hilfsprogramm bräuchte. Jedoch würde die Rettung eines so großen Landes die Rettungsschirme endgültig überfordern. Hauptproblem ist die hohe Verschuldung der öffentlichen wie der privaten Haushalte. Die gesamtwirtschaftlichen Zahlungsverpflichtungen betragen derzeit mehr als das Dreifache des Bruttoinlandsprodukts. Die hohen Verbindlichkeiten der Unternehmen und der Privathaushalte lassen die Wirtschaftsleistung schrumpfen, was die Staatsschulden noch mehr in die Höhe treibt. (2), (3)


Bankensektor - noch immer im Griff der geplatzten Immobilienblase

Bis zum Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 hatten Spaniens Banken mit billigen und oft kaum besicherten Krediten einen Immobilienboom entfacht. Die damalige Praxis ähnelte stark der der US-Banken, die erst in die Subprimekrise und später zur Insolvenz der Lehman-Bank sowie der Hypothekenbanken Fanny Mae und Freddie Mac führte. Seit dem Platzen der spanischen Immobilienblase leiden die Banken an den Spätfolgen der freigiebigen Kreditvergabe, was sich auch am hohen Leerstand neuer Häuser und Apartments ablesen lässt. Der hohe Kapitalbedarf, der Spaniens Banken besonders gierig nach billigem EZB-Geld greifen ließ und nun zum Bittgang nach Brüssel zwingt, resultiert immer noch aus den hohen Abschreibungen, die die Institute vornehmen müssen, weil die damals vergebenen Immobilienkredite nicht zurückgezahlt werden können. (2)


Sparkassen sind besonders betroffen

Nicht alle spanischen Banken sind von der Schieflage betroffen. Derzeit sieht es noch so aus, dass die Großbanken Santander und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) keiner EU-Geldspritzen bedürfen. Hohen Rekapitalisierungsbedarf haben jedoch Sparkassengruppen wie Bankia, Catalunya Caixa oder Nova Caixa Galicia sowie mittelgroßen Institute wie Banco Popular oder Banco de Valencia. Besonders stark angeschlagen ist die erst 2010 neu gegründete Bankia, die aus dem Zusammenschluss von sieben Einzelsparkassen hervorging. Da sich die spanischen Sparkassen am Immobiliengeschäft bis 2008 besonders engagierten, hat die Bankia nun auch deren Kreditausfälle in den Büchern stehen. Die durch die Fusion zum viertgrößten Kreditinstitut Spaniens herangewachsene Bankia wird im Juli vom spanischen Staat 23 Milliarden Euro Kapitalhilfe erhalten, ist dann aber wohl immer noch lange nicht über den Berg. Experten sehen in der 23-Milliarden-Spritze einen deutlichen Hinweis darauf, dass die bisher verbreiteten Zahlen zum Rekapitalisierungsbedarf der Bankia und der übrigen Pleiteinstitute geschönt ist. Zusammen mit zwei weiteren Sparkassen, der Catalunya Caixa und der Nova Caixa Galicia, wird die Bankia nach Ansicht des IWF rund 80 Prozent der bereitgestellten Hilfskredite in Anspruch nehmen. Was die übrigen Ex-Sparkassen noch an faulen Krediten in den Büchern haben, ist nicht bekannt, doch ist unangenehmen Überraschungen fest zu rechnen. Laut der spanischen Zentralbank Banco de Espana lauern in den Bilanzen spanischer Geldhäuser faule Kredite in Höhe von 184 Milliarden Euro. Der internationale Bankenverband IIF schätzt die Höhe der Darlehen mit Zahlungsverzug sogar auf bis zu 260 Milliarden Euro. Ebenso problematisch ist die Lage der Banco Cam. Die Großsparkasse hat infolge des Immobilienbooms ihr Bilanzvolumen zwischen 2005 und 2010 verdoppelt und sitzt nun Schätzungen zufolge auf Immobilien im Wert von 3,5 Milliarden Euro, für die sich kein Käufer mehr findet. Mit Finanzspritzen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro hat die Banco Cam bisher den höchsten Hilfsbeitrag aus den spanischen Bankenrettungsfonds in Anspruch genommen. Ebenfalls am Trudeln ist die den deutschen Volksbanken vergleichbare Banco Popular. In einer Analyse der Citigroup wird der Kapitalbedarf der fünftgrößten Bank Spaniens auf fünf Milliarden Euro geschätzt, um nach Berücksichtigung der Kreditverluste auf eine harte Kernkapitalquote von 9,5 Prozent zu kommen. Zudem wird für 2012 ein Verlust von 558 Millionen Euro aus dem regulären Geschäftsbetrieb erwartet. Weiteres Hilfsgeld wird an die Kreditinstitute Sabadell und Banesto gehen. Sabadell benötigt nach Berechnungen von Analysten 3,5 Milliarden Euro, bei der Banesto-Bank sind es 2,5 Milliarden Euro. (6), (7)


Spaniens Caixas - nach der Deregulierung in den Abgrund

Ähnlich den deutschen Sparkassen haben die spanischen Caixas für über zwei Jahrhunderte ausschließlich Privatkunden- und Kleingeschäft betrieben. Unternehmensfinanzierungen im großen Stil waren ihnen verboten, zudem mussten Teile ihrer Profite für gemeinnützige und wohltätige Zwecke abgeführt werden. Ein Großteil dieser Restriktionen wurde in den achtziger Jahren aufgehoben. Seitdem durften die Sparkassen über ihre Regionen hinaus tätig werden, konnten sich an den Finanzmärkten Geld besorgen, Milliardenkredite vergeben und mit Wertpapieren auf eigene Rechnung spekulieren. Der Handel mit Subprime-Kreditderivaten aus den USA, die in Deutschland den Landesbanken, der Commerzbank, der Hypo Real Estete und vielen anderen das Genick brachen, blieb den Caixas jedoch von der spanischen Zentralbank untersagt. Stattdessen stürzten sie sich auf den heimischen Immobilienmarkt, wo sie mit Krediten bald um sich warfen. Zwischen 2000 und 2005 wuchs die Kreditvergabe an Immobilienentwickler von zwölf Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts auf 29 Prozent. Zeitweilig wurden 56 Prozent aller Immobiliendarlehen von den spanischen Sparkassen vergeben. Als 2008 die Nachfrage nach Wohnungen und Grundstücken einbrach, gingen erst die Baulöwen bankrott. Später wackelten auch die Sparkassen, weshalb sie von der Regierung zu Massenfusionen gezwungen wurden, wie der heutigen Großbank Bankia. Welche Sparkassen zusammengehen sollten, wurde jedoch häufig nicht entsprechend der wirtschaftlichen Lage festgelegt, sondern richtete sich nach der Parteizugehörigkeit der Regionalfürsten. Als die Regierung bemerkte, dass die Wertberichtigungen der Neugründungen geschönt waren, forderte sie realistischere Abschreibungen - dem die Caixas nun auch nachkommen und damit endgültig ihre verheerende Lage preisgeben müssen. Unbebaute Grundstücke wurden um bis zu 80 Prozent, fertige Gebäude um bis zu 35 Prozent abgeschrieben, so dass vom Eigenkapital bald nichts mehr übrig blieb. Doch anders als noch 2009 kann der spanische Staat die beim Immobilien-Monopoly gescheiterten Kassen nun nicht mehr mit Steuergeldern retten. Es folgte der Gang nach Canossa - das heute freilich Brüssel heißt. (4), (5)





Fallbeispiele


Zyperns Bankensektor braucht Hilfe

Als nächstes Pleiteland hat sich Zypern unter den europäischen Rettungsschirm begeben. Die Mittelmeerinsel benötigt rund vier Milliarden Euro zur Rekapitalisierung ihres Kreditsektors. Die Staatsanleihen Zyperns sind derzeit ähnlich unverkäuflich wie die Anleihen Spaniens. Zypern fehlen darum die Mittel, um die Banken aus eigener Kraft vor dem Absturz zu bewahren. (8)


Horror-Szenario im Fall des Euro-Crashs

Das Bundesfinanzministerium hat eine Studie darüber erstellt, was in Deutschland passieren würde, wenn der Euro zusammenbricht. Das Szenario erschreckt: Den Verfassern der Studie zufolge würde die Wirtschaft um zehn Prozent schrumpfen, die Arbeitslosigkeit könnte auf mehr als fünf Millionen ansteigen. (9)



Zahlen & Fakten



Milliardenhilfen und kein Ende

Schon vor dem Hilferuf in Richtung Brüssel haben Spaniens Banken vom Staat großvolumige Kredithilfen erhalten. Spitzenreiter bei der Inanspruchnahme von Hilfsgeldern aus dem landeseigenen Rettungsfonds Frob ist die Banco Cam mit 5,2 Milliarden Euro. 4,4 Milliarden Euro erhielt bisher die Bankia, die überdies im Juli eine weitere Spritze von 23 Milliarden Euro erwartet. Die Novacaixa Galicia erhielt 3,6 Milliarden Euro, die Catalunya Caixa benötigte knapp drei Milliarden Euro. Rund eine Milliarde Euro wurden der Banco Valencia und der Civica zugeschossen. (10)



Weiterführende Literatur:

(1.) Spanien bleibt auf Banken sitzen
aus Finanz und Wirtschaft vom 13.06.2012, Seite 19

(2.) Spaniens Banken unterm Schirm, Euro-Finanzminister sagen Unterstützung bis zu 100 Mrd. Euro zu
aus Finanz und Wirtschaft vom 13.06.2012, Seite 19

(3.) Einstürzende Neubauten
aus Manager Magazin, 22.06.2012, Nr. 7, Seite 100

(4.) Keinen Schritt weiter
aus Capital vom 21.06.2012, Seite 62-68

(5.) Jetzt Vermögen retten!
aus EURO, 20.06.2012, Nr. 7, S. 48 - 63

(6.) EZB-Milliarden versickern in Bankbilanzen
aus manager-magazin.de vom 16.05.2012

(7.) Spanien-Krise spitzt sich zu
aus Handelsblatt online vom 13.06.2012

(8.) Europa erwartet Hilferuf Zyperns
aus Spiegel Online, 25.06.2012

(9.) Finanzministerium zeichnet düsteres Euro-Crash-Szenario
aus Spiegel Online, 24.06.2012

(10.)Spaniens Banken fürchten Auflagen
aus Börsen-Zeitung Nr. 110 vom 12.06.2012, Seite 4

Andreas Menzen

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 06 vom 29.06.2012
Dokument-ID: s_ban_20120629

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