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Public Private Partnerships - Bauwirtschaft hofft auf mehr Projekte

BAU & IMMOBILIEN | GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 31.10.2011


Trendwende bei den Public Private Partnerships erwartet

Die Bauwirtschaft rechnet mit einer Belebung auf dem Markt für Public Private Partnerships (PPP). Bei diesen finanziert der Staat das Vorhaben, das private Unternehmen ist für Planung, Bau und Betrieb zuständig. Die Baubranche verspricht sich davon langfristig stabile Einnahmen. Infolge der Finanzkrise gab es jedoch kaum neue Abschlüsse. Die Kommunen waren vielmehr damit beschäftigt, die Gelder aus den Konjunkturpaketen auszugeben. 2010 wurden im öffentlichen Hochbau lediglich 14 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 342 Millionen Euro vergeben. Im bisherigen Spitzenjahr 2007 waren es 33 Projekte mit insgesamt 887 Millionen Euro. Nun sieht die Bauwirtschaft gute Chancen, dass 2011 die PPP-Investitionen wieder das Niveau der Jahre 2008 und 2009 erreichen. (1) , (5), [Abb. 1]


Bilfinger Berger geht ungewohnte Wege

Der Baukonzern Bilfinger Berger will 19 seiner 30 PPP-Projekte in einem börsennotierten Fonds bündeln und an der Londoner Börse listen. Der Verkauf soll bis zu 270 Millionen Euro einbringen. Die Mannheimer wollen mindestens 19,9 Prozent des Fondskapitals selbst übernehmen. Das Listing ist für November geplant. Das Portfolio umfasst den Bereich soziale Infrastruktur (Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse und öffentliche Verwaltungsgebäude) sowie fünf Straßenprojekte. Einzige deutsche Immobilie ist die Justizvollzugsanstalt Burg in Sachsen Anhalt. Bilfinger-Bergers Konkurrent Hochtief wollte Ende 2009 gar seine ganze Betreiber-Sparte mittels eines Börsengangs abstoßen. Wegen des schwachen Umfelds wurde dieser aber abgesagt. Anders als Bilfinger Berger hat Hochtief aber relativ konjunkturanfällige Flughäfen im Portfolio. (3)


PPP in der Kritik

Die PPP-Projekte sind allerdings umstritten. Kritiker monieren den "Ausverkauf öffentlichen Eigentums". Zwar komme es kurzfristig zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte, langfristig seien die Kosten für die Kommunen aber oft deutlich höher als bei Betrieb in Eigenregie. Zudem fürchtet man, dass die privaten Betreiber an Qualität und Sicherheit sparen könnten. Kritisiert wird auch die mangelnde Transparenz, denn PPP-Verträge sind für die Öffentlichkeit nicht einsehbar. Zumindest beim letzten Punkt will die Bauwirtschaft einlenken. Verbandspräsident Thomas Bauer sprach sich für eine Offenlegung der Verträge aus. (2)





Fallbeispiele

PPP könnte auch beim Bau der von der Europäischen Union geplanten Trans europäischen Verkehrsnetze (TEN) zum Einsatz kommen. Dies wurde im September auf dem Treffen der EU-Verkehrsminister im polnischen Seebad Sopot deutlich. Nicht zuletzt angesichts knapper öffentlicher Kassen sei die Beteiligung privater Investoren in Infrastruktureinrichtungen erforderlich, sagte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. Jetzt soll ein Katalog mit europäischen PPP-Erfolgsgeschichten verfasst werden, um für das Modell zu werben. Große Erwartungen richten Politik und Industrie an die Rolle der TEN in der nächsten EU-Finanzperiode 2014 bis 2020. (4)

Die Beratungsgesellschaft Partnerschaften Deutschland (PD) sieht eine Trendumkehr am PPP-Markt. Da die Mittel aus dem Konjunkturpaket II demnächst auslaufen, entstünden wieder Planungskapazitäten bei den Kommunen, die der wichtigste Auftraggeber von PPP-Projekten sind. Allerdings, so schränkt die PD ein, hat sich die "deutliche Belebung des PPP-Markts" noch nicht in einer gestiegenen Projektanzahl niedergeschlagen. Nur sechs Verträge, davon fünf mit kommunalen Auftraggebern, wurden in den ersten sechs Monaten 2011 unterschrieben. Das Investitionsvolumen wuchs um 43 Prozent auf 288 Millionen Euro, was jedoch allein auf den Abschluss eines Großprojekts, den Klinikbau im hessischen Bad Homburg, zurückzuführen ist. (5)

Den Neubau der Kliniken in Usingen und Bad Homburg übernimmt ein privates Konsortium aus Hannover Leasing, dem Baukonzern BAM und dessen Immobilientochter. Das PPP-Projekt hat ein Volumen von 200 Millionen Euro, die Laufzeit beträgt 25 Jahre. Das Vorhaben war dem Land Hessen einen außergewöhnlich hohen Zuschuss von 70 Millionen Euro wert, der Hochtaunuskreis sichert das Vorhaben über Bürgschaften ab. Der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) bezifferte das Einsparvolumen auf 26 Prozent. (7)

Der neue Amtssitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird ebenfalls auf PPP-Basis gebaut. Den Auftrag für das 155 Millionen Euro schwere Projekt in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs erhält ein Konsortium unter der Führung der Unternehmen BAM Deutschland und Amber. Damit wird zum ersten Mal in Deutschland ein ziviles Bundesgebäude als PPP gebaut und betrieben. Die öffentliche Hand spare gegenüber der Errichtung in eigener Regie in den kommenden 30 Jahren gut 28 Millionen Euro, hieß es aus dem BMBF. (6)

Ein PPP-Vorzeigeprojekt ist der Ausbau der Autobahn A1. Ausgerechnet dieses Projekt steht stark in der Kritik. Grund sind die hohen Unfallzahlen auf dem ersten Teilstück zwischen Bremen und Hamburg. Seit dem Start des sechsspurigen Ausbaus hat es dort fast zwanzig Tote und 3 000 Unfälle gegeben. Den Baufirmen wurde vorgeworfen, Effizienz vor Sicherheit zu stellen. (2)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Public Private Partnerships in Deutschland
JahrInvestitionsvolumen
in Millionen Euro
2002/0365
2004345
2005455
2006570
20071.515
20081.365
20091.235
2010530
2011*1.270

* Schätzung Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Entnommen aus: Börsen-Zeitung, 06.10.2011, Nummer 192, Seite 10 (1)

Weiterführende Literatur:

(1.) Bauindustrie hebt Prognose kräftig an - Umsatz wächst um "mindestens" 7 Prozent - Normalisierung bei PPP-Projekten - Finanzierung bleibt öffentlich
aus Börsen-Zeitung, 06.10.2011, Nummer 192, Seite 10

(2.) Die Bauwirtschaft legt die Karten auf den Tisch - Die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit privaten Bauunternehmen ist unpopulär. Um der Kritik an PPP-Projekten den Wind aus den Segeln zu nehmen, spricht sich Verbandspräsident Thomas Bauer nun für eine Offenlegung der Verträge aus.
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.09.2011, Nr. 223, S. 18

(3.) Fonds für 19 PPP-Projekte - Bilfinger Berger plant einen börsennotierten Fonds, in den der Bau- und Dienstleistungskonzern 19 seiner derzeit 30 Public-Private- Partnership-Projekte (PPP) einbringen will. Der Verkauf soll dem Unternehmen einen Nettoerlös von bis zu 270 Mio. Euro bescheren.
aus Immobilien Zeitung Nr. 38 vom 22.09.2011 Seite 10

(4.) TEN sollen mehr mit PPP finanziert werden
aus DVZ, Nr. 112 vom 17.09.2011

(5.) Positive Signale am PPP-Markt
aus Immobilien Zeitung Nr. 34 vom 25.08.2011 Seite 6

(6.) BMBF wird als PPP-Projekt gebaut - Für den neuen Amtssitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Bima vergangene Woche den Zuschlag für den 115-Mio.-Euro-Bau am Kapelle-Ufer erteilt.
aus Immobilien Zeitung Nr. 32 vom 11.08.2011 Seite 17

(7.) Erstes PPP-Modell für kommunale Kliniken - Die Hochtaunuskliniken erhalten Neubauten an beiden Standorten. Sowohl in Bad Homburg als auch in Usingen wird schon gebaut.
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2011, Nr. 235, S. 38

Thomas Trares

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 31.10.2011
Dokument-ID: s_bau_20111031

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