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Open Skies - Die Liberalisierung des transatlantischen Luftverkehrs

TOURISMUS | GENIOS BranchenWissen Nr. 07 vom 13.07.2010


Der transatlantische Flugverkehr

Der Flugverkehr auf beiden Seiten des großen Teichs hat eine lange Geschichte. Für die Passagierluftfahrt war der erste Alleinflug über den Atlantik von Charles Lindberg von New York nach Paris 1927 ein Meilenstein, der allerdings kaum ahnen ließ, welche Bedeutung den Flugzeugen im 21. Jahrhundert zukommen würde. Noch vor dem zweiten Weltkrieg entstanden Fluggesellschaften sowohl in Europa als auch in den USA, die den Liniendienst über den Atlantik aufnahmen. Über Jahre hinweg war es für Viele der Reisetraum schlechthin, mit dem Flugzeug den atlantischen Ozean zu überqueren. Heute stehen die Märkte in den USA und Europa für rund zwei Drittel des gesamten Flugaufkommens der Welt und den Transatlantik-Strecken kommt eine besondere Bedeutung zu.(1), [Abb. 1]

Da sich die amerikanischen Behörden den Zugriff auf ihre nationalen Fluggesellschaften für Transportzwecke im Kriegsfall erhalten wollten, ist die gesamte Luftfahrt in den USA - und zu großen Teilen auch noch in Europa - stark reglementiert. Sie unterliegt besonderen Vorschriften, die anderen Wirtschaftszweigen erspart geblieben sind. Aus dieser Motivation heraus stammt die Limitierung von ausländischen Investoren in US-Fluggesellschaften auf 49 Prozent des Kapitals und 24,9 Prozent der Stimmrechte. Diese Einschränkung wird mittlerweile nicht nur von Investoren, sondern auch von den US-Fluggesellschaften selbst als störend beklagt.(2)

Zumindest in Fragen der Start und Landerechte ist man aber durch Open Skies schon ein gutes Stück weiter gekommen.


Open Skies Vereinbarungen

Bis zum Jahr 2007 war es den europäischen Fluggesellschaften nicht erlaubt, Flugstrecken in USA zu bedienen, die nicht in ihrem Heimatland begannen oder endeten. So konnte die Lufthansa beispielsweise nur Flüge von deutschen Flughäfen aus, die British Airways nur von britischen Städten aus in die USA anbieten. Andererseits war es amerikanischen Fluggesellschaften sehr wohl erlaubt, Weiterflüge innerhalb Europas in ihr Streckennetz aufzunehmen. Von gleichen Marktbedingungen konnte also nicht gesprochen werden. (6)

Schon seit Jahren versuchten die EU-Verkehrsverantwortlichen deshalb, mit den USA Vereinbarungen zu treffen, die den Marktzugang auf beiden Seiten des Atlantiks vereinfachen. In 2007 konnte man sich endlich auf ein erstes Open-Skies-Abkommen einigen. Seit März 2008 ist es den EU-Fluggesellschaften erlaubt, von jedem Flughafen in der EU aus jede beliebige Stadt in den USA anzufliegen, sofern die notwendigen Landerechte und Slots vorhanden sind. Inneramerikanische Flüge wurden allerdings noch ausgeklammert. Das Abkommen war zeitlich befristet bis November 2010 - bis dahin musste eine Folgevereinbarung geschlossen werden, wollte man eine Rückkehr zu den vorhergehenden Einschränkung verhindern. (3), (4), (5)

Der Luftfahrt geht es schon seit Jahren nicht gut. Nach Einbrüchen durch 9/11, SARS, Vogelgrippe und Terroranschlägen, immer schneller steigenden Kerosinpreisen und schließlich der letzten Wirtschaftskrise schreibt die Mehrheit der Fluggesellschaften rote Zahlen. Im Jahr 2009 summierten sich die weltweiten Verluste laut Luftfahrtverband IATA auf 9,9 Milliarden Dollar. Dieses Jahr werden zwar Gewinne von 2,5 Milliarden Dollar erwartet, allerdings nicht in Europa. Hier rechnet man mit weiteren Verlusten von 2,8 Milliarden Dollar im laufenden Jahr. Die US-Gesellschaften erholten sich zwar schneller von der Krise, da sie aber in den vorangegangenen Jahren Verluste anhäuften und dringend Geld für die Erneuerung der Flugzeugflotten brauchen, hoffen auch sie auf eine weitere transatlantische Liberalisierung. Allgemein gilt es als zwingend erforderlich, dass die schlechte wirtschaftliche Situation der Fluggesellschaften beidseits des Atlantik durch Konsolidierung - sprich Fusionen und Beteiligungen - vorangetrieben wird. Deshalb war es vor allem den EU-Vertretern ein Anliegen, dass die Beteiligungsgrenze von 24,9 Prozent des stimmberechtigten Kapitals fällt. (1), (7), (8)

Am 24. Juni 2010 unterzeichneten Vertreter aus den USA und der Europäischen Union das Open-Skies-Abkommen Nr. 2 in Luxemburg. Nach acht zähen Verhandlungsrunden gibt es zwar dieses Folgeabkommen, die Hoffnungen der Wirtschaft wurden aber nicht wirklich erfüllt. Wohl sind die gegenseitigen freien Landerechte nun dauerhaft festgeschrieben, in allen weiteren strittigen Punkten gibt es aber nur vage Absichtserklärungen.(5), (6)

Das Abkommen nennt zwar die Abschaffung der 24,9 Prozent Investitionsschranke als Ziel, schränkt aber ein, dass die Verwirklichung von der entsprechenden Zustimmung des US-Kongresses abhängig ist. Ob und wann diese Zustimmung je erfolgen wird, ist mehr als fraglich. Denn protektionistisch denkende Kongresspolitiker und vor allem amerikanische Gewerkschafter befürchten mehr Wettbewerb und damit verbundene Arbeitsplatzverluste und blockieren weiter. (2), (3), (4)

EU-Politiker feierten die Aufnahme der vagen Absichtserklärung als großen Sieg. Diesen mussten sie aber mit schwerwiegenden Zugeständnissen erkaufen. So sollen die Europäer künftig ihre Maßnahmen zur Kohlendioxid-Verminderung mit den Amerikanern abstimmen. Damit schafft man ein Mitspracherecht für in Amerika unbeliebte Werkzeuge wie Emissionshandel oder Kerosin-Steuer. Und auch in Sachen Nachtflugverbote und Lärmbeschränkungen will Amerika künftig mitreden. In dieser Hinsicht kann man nur hoffen, dass sich die US-Kongress-Zustimmung und das darauf folgende Votum des Europaparlaments noch länger auf sich warten lassen. (1), (4), (6)





Fallbeispiele

Die Lufthansa nutzte das erste Open Skies Abkommen schon im Jahr 2008 und beteiligte sich mit 15,6 Prozent an der amerikanischen Billigfluglinie Jet Blue. Da sich die Lufthansa von der Beteiligung eine höhere Marktdurchdringung im Raum New York - Boston verspricht, würde sie ihren Anteil an Jet Blue gerne erweitern. (9)

Kurz bevor die Verhandlungen zu Open Skies in die Endrunde gingen, erhielt die British Airways von den US-Verkehrsbehörden im dritten Versuch endlich die Erlaubnis zur weitgehenden Zusammenarbeit mit American Airlines. Die Freistellung von der Anti-Kartellgesetzgebung bedeutet für die BA einen lang erhofften Sieg, da nun Strecken, Preise und Zeitpläne aufeinander abgestimmt werden können. Im Gegenzug musste sich BA nur verpflichten 4 Slotpaare in Heathrow an Konkurrenten abzugeben - ein vergleichsweise geringer Preis für die erhofften Einsparmöglichkeiten von bis zu 400 Millionen Pfund pro Jahr. (10)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Acht der zehn größten Fluggesellschaften der Welt kommen aus den USA oder Europa

FAKT Markt- und Wirtschaftsinformationen, Tabelle: Top 10 Fluggesellschaften nach Verkehrsleistung und Umsatz 2009 Quelle: Airline Business, Unternehmensangaben Entnommen aus: Wirtschaftswoche, 19/2010, S. 9

Weiterführende Literatur:

(1.) Ein erster Hauch von Freiheit
aus DIE WELT, 27.03.2010, Nr. 73, S. 12

(2.) Bitte mehr davon - Airline-Fusionen
aus Financial Times Deutschland vom 09.04.2010, Seite 27

(3.) Vager Kompromiss
aus Süddeutsche Zeitung, 27.03.2010, Ausgabe Deutschland, Bayern, München, S. 27

(4.) EU/US: Easing of Airline Ownership Rules Unlikely in Short Term
aus Süddeutsche Zeitung, 27.03.2010, Ausgabe Deutschland, Bayern, München, S. 27

(5.) US-EU 2nd Stage Deal Avoids Ownership/Control
aus Süddeutsche Zeitung, 27.03.2010, Ausgabe Deutschland, Bayern, München, S. 27

(6.) Tarifstreit bei Lufthansa beendet - Mehr Freiheit im Luftverkehr
aus Süddeutsche Zeitung, 25.06.2010, Ausgabe Bayern, Deutschland, S. 19

(7.) Haben wir uns gut erholt?
aus fvw Nr. 13 vom 25.06.2010 Seite 016

(8.) "Konsolidierungen sind ein Muss"
aus HANDELSBLATT online 12.04.2010 12:28:53

(9.) Die Reise für Fluggesellschaften geht Richtung Osten
aus Börsen-Zeitung, 01.05.2010, Nummer 83, Seite 8

(10.) The Clouds Are Lifting For BA
aus Börsen-Zeitung, 01.05.2010, Nummer 83, Seite 8

I.Zeilhofer-Ficker

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 07 vom 13.07.2010
Dokument-ID: s_tou_20100713

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