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Musikindustrie - die Talfahrt setzt sich fort

MEDIEN & VERLAGE | GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 29.04.2011


Musikmarkt schrumpft weiter

Die Musikbranche befindet sich auf Talfahrt, rund vierzig Prozent der Erlöse gingen in den vergangenen zehn Jahren verloren. In Deutschland sank der Umsatz 2010 um 4,6 Prozent auf rund 1,7 Milliarden Euro. Beim Verkauf von CDs gab es ein Minus von 4,1 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Die Zahl der Beschäftigten fiel um 0,6 Prozent auf 8 100. Binnen zehn Jahren sind gut die Hälfte der Arbeitsplätze in der Musikindustrie weggefallen. Die Entwicklung 2010 war unter dem Strich enttäuschend. Der Bundesverband der Musikindustrie hatte ursprünglich mit einer Bodenbildung gerechnet, da sich der Schrumpfungsprozess in den Jahren zuvor spürbar verlangsamt hatte. 2009 etwa waren die Erlöse nur um 2,1 Prozent zurückgegangen. Die Musikindustrie macht für ihren Niedergang vor allem das illegale Herunterladen von Musik verantwortlich. Zudem sind die Margen beim Onlineverkauf niedriger als bei den CDs. (1), (6)


Deutschland drittgrößter Musikmarkt

Deutschland ist nach den USA und Japan der drittgrößte Musikmarkt der Welt. Marktführer hierzulande ist Universal, auf Platz zwei folgt Sony. Im internationalen Vergleich steht die deutsche Musikindustrie sogar noch recht gut da. In vielen anderen Ländern sind die Rückgänge in den vergangenen Jahren noch stärker ausgefallen. 2010 etwa schrumpfte der Branchenumsatz weltweit um 8,3 Prozent auf 15,9 Milliarden Dollar. In Deutschland betrug der Rückgang nur vier Prozent. Grund dafür ist, dass bei den deutschen Konsumenten das Herunterladen von Musik aus dem Internet nur wenig beliebt ist. Noch immer stammen 81 Prozent der Umsätze aus dem Verkauf von CDs und DVDs. Der Digitalanteil am Gesamtmarkt beträgt nur 12,6 Prozent. In den USA sind es 48,7 Prozent. (1), (5), [Abb. 1]


Zwei Musikkonzerne stehen zum Verkauf

Die Musikindustrie steht weltweit vor einer Neuordnung. Bislang haben vier Konzerne den Weltmarkt dominiert: Sony, Universal, Warner und EMI. Mit der amerikanischen Warner Music und der britischen EMI stehen nun zwei Unternehmen vor dem Verkauf. Es geht um rund ein Viertel des globalen Tonträgermarktes und ein Drittel des globalen Geschäfts mit Musikrechten. Die hochverschuldete EMI wurde im Februar von ihrer Gläubigerbank Citigroup gepfändet. Diese sucht nun nach einem Käufer. Bei Warner Music ist der Bieterstreit bereits im Gange. An den Amerikanern ist unter anderem der Medienkonzern Bertelsmann interessiert. (1), (2)


Deutsche Content Allianz gegen "Gratiskultur"

Die deutsche Musikindustrie hat sich derweil mit der Film-, Fernseh- und Verlagsbranche verbündet, um bei der Politik gegen die "Gratiskultur" im Internet zu Felde zu ziehen. Ziel der sogenannten Deutschen Content Allianz ist es, den Wert der Inhalte zu stärken, wie Jürgen Doetz, Präsident des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sagte. In Berlin tagt regelmäßig im Auftrag des Bundestages eine Enquetekommission, die die Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung untersucht. Dabei geht es um Urheberrechte und Datenschutz. Bis Sommer 2012 soll die Kommission dem Bundestag Ergebnisse und Empfehlungen für Gesetze vorstellen. Vor diesem Hintergrund formieren sich die verschiedenen Lobbygruppen. (4), (6)



Trends

Ein neues Fundament für die Musikindustrie könnten die Musikverlage werden. Diese verwalten die Musikrechte und kassieren die Lizenzeinnahmen. Mittlerweile ist hier die Rentabilität deutlich höher als beim Tonträgerverkauf. Das Geschäftsmodell ist zwar kleiner als das frühere, dafür aber auch tragfähiger. Dennoch bleibt auch hier die Frage ungeklärt, wer in junge Musiker investiert und damit künftig für Einnahmen sorgt. Ohne diese haben auch die Verlage auf Dauer keine Zukunft. (2)



Fallbeispiele

Der Medienkonzern Bertelsmann ist an Warner Music interessiert. Zusammen mit dem Finanzinvestor KKR sind die Gütersloher bereit, 2,5 Milliarden bis drei Milliarden Dollar zu zahlen. Bertelsmann ist zusammen mit KKR über BMG Rights Management vor zwei Jahren wieder in das Musikverlagsgeschäft eingestiegen. Seither hat BMG die Rechte an mehr als 250 000 Musikwerken erworben. Der jüngste Coup war die Übernahme der Musikfirma Chrysalis (Blondie, David Bowie) für 130 Millionen Euro. (1)

Warner Music ist stark verschuldet. In den vergangenen zehn Jahren hat das Unternehmen nur in einem Jahr einen Nettogewinn ausgewiesen. Deswegen will Warner-Chef Edgar Bronfman das Unternehmen veräußern. Die Perle des Unternehmens ist die Sparte Warner Chappell, der drittgrößte Musikverlag der Welt. Er verwaltet die Rechte an mehr als einer Million Kompositionen und verdient jedes Mal einige Cent, wenn eine CD verkauft wird oder ein Lied im Radio läuft. Früher galt das Geschäft dieser Verlage, die für Komponisten die Tantiemen eintreiben, als langweilig. Dies hat sich geändert, seitdem der Verkauf der Tonträger schrumpft. Die operative Umsatzrendite bei Warner Chappell ist mit 15 Prozent mehr als dreimal so hoch wie die in der Tonträgersparte. Der größere Musikverlag von EMI erreicht sogar eine Marge von rund 30 Prozent. (2)

Der britische Plattenkonzern EMI ist hochverschuldet. Deswegen ging das Unternehmen im Februar an die Gläubigerbank Citigroup über. Lange hatte sich der britische Großinvestor Guy Hands gegen den Verlust der Plattenfirma gesträubt. Hands hatte EMI 2007 über sein Private-Equity-Vehikel Terra Firma gekauft. Womöglich hatte Hands die branchenspezifischen Risiken unterschätzt. Die Citigroup wird wohl einen raschen Weiterverkauf anstreben. Mit der Umwandlung der Schulden in Eigenkapital (Debt to Equity Swap) hat die Großbank bereits über zwei Milliarden Pfund abgeschrieben und EMI damit für potenzielle Käufer interessant gemacht. (3)

Eines neues Geschäftsfeld für die Plattenfirmen könnte Abonnementdienste sein. In Europa ist Spotify des schwedischen Jungunternehmers Daniel Ek beliebt. Statt Musik zu kaufen, kann man gegen eine monatliche Nutzungsgebühr auf eine Sammlung von Liedern und Alben im Internet zugreifen (Streaming). Der Großteil der zehn Millionen Spotify-Nutzer hat sich allerdings für die Gratisversion entschieden, die über Werbung finanziert wird. Nur 750 000 Personen haben den kostenpflichtigen Dienst abonniert. Die geringe Quote war es denn auch, was die vier großen Plattenkonzerne bislang davon abgehalten hat, Spotify für den wichtigen US-Markt mit Lizenzen auszustatten. (3)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Die größten Tonträgermärkte weltweit
Umsatz 2010 in Mrd. DollarGesamtPhysischDigital
USA4,082,052,03
Japan3,872,890,98
Deutschland1,321,140,18
Großbritannien1,270,920,35
Frankreich0,790,640,15

Quelle: International Federation of Phonographic Industry (Ifpi) Entnommen aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.04.2011, Nr. 89, S. 19 (2)

Weiterführende Literatur:

(1.) Umsatz sinkt - Die Leiden der Musikindustrie
aus Handelsblatt online vom 16.04.2011, 09:52:39

(2.) Popstars im Schlussverkauf - Zwei der vier größten Musikkonzerne der Welt stehen vor dem Verkauf. Die bevorstehende Konsolidierung könnte die Initialzündung für einen Neuanfang in der krisengeschüttelten Branche auslösen
aus Handelsblatt online vom 16.04.2011, 09:52:39

(3.) Trügerische Hoffnung in der Musikbranche - Umsatzrückgang auch 2010 - Wachstum der digitalen Verkäufe schwächt sich ab - Citigroup sucht Käufer für EMI - Von Aktieninvestition ist abzuraten
aus Finanz und Wirtschaft vom 09.02.2011, Seite 29

(4.) Medien verbünden sich gegen Kostenloskultur im Internet - Allianz aus Sendern, Musikbranche und Verlagen gegründet
aus Finanz und Wirtschaft vom 09.02.2011, Seite 29

(5.) Umsätze der Musikindustrie sinken dramatisch
aus Kontakter Online vom 29.03.2011

(6.) Die CD lebt - Musikindustrie setzt weniger um. Klassische Tonträger sind unentbehrlich
aus Der Tagesspiegel Nr. 20948 VOM 15.04.2011 SEITE 017

Thomas Trares

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 29.04.2011
Dokument-ID: s_med_20110429

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