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Gerangel um den Masterplan - die Wirtschaft probt den Straßenkampf

TRANSPORT & LOGISTIK | GENIOS BranchenWissen Nr. 08/2007 vom 16.08.2007

Beitrag

Wirtschaft und Logistik beklagen den schleichenden Verfall des Straßennetzes und fordern mehr Mittel für seine Pflege und den weiteren Ausbau. Die Bundesregierung scheint sich aber auf eine stärkere Förderung von Schiene und Wasser festlegen zu wollen.



Der Schwerpunkt liegt auf der Straße

70 Prozent der Güterverkehrsleistung werden zurzeit von Lastwagen bewältigt. Die Bahn übernimmt 17 Prozent, die Binnenschiffe 13 Prozent. Die Wirtschaft befürchtet, dass eine Vernachlässigung des Straßennetzes den weiter steigenden Gütertransport und damit das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnte.



Verbände warnen vor Vernachlässigung des Straßennetzes

Große Wirtschaftsverbände haben vor einem schleichenden Verfall der Verkehrsinfrastruktur gewarnt und fordern Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zum Gegensteuern auf. In einer gemeinsamen Erklärung von sieben Verbänden - darunter der BDI, der DIHK und die großen Verbände der Speditions- und Logistikbranche - wird eine Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans bemängelt. Die Verbände wollen mit ihrer Erklärung erreichen, dass die Verkehrsinfrastruktur im "Masterplan Güterverkehr und Logistik", den der Verkehrsminister im Herbst vorlegen will, stärker berücksichtigt wird. (1), (3)



Forderung nach mehr Geld für den Straßenbau

Auch der Interessenverband "Pro Mobilität" hält die bisherigen Anstrengungen für Erhalt und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen für nicht ausreichend. Angesichts des starken Wachstums der Wirtschaft und zunehmender Staus auf Autobahnen müssten die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur deutlich aufgestockt werden, fordert "Pro Mobilität". Der Investitionsbedarf liege bei sieben Milliarden Euro, die vom Bund veranschlagten 4,7 Milliarden Euro seien daher viel zu wenig. Wenn sich der wirtschaftliche Aufschwung fortsetzen solle, müsse mehr Geld für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden. Bis 2030 rechnet der Interessenverband mit einer Zunahme des Güterverkehrs auf Schiene und Straße um zwei Drittel. (6)



Steigendes Verkehrsaufkommen

Ein weiterer Anstieg des Verkehrsaufkommens wird auch in anderen Prognosen erwartet. Man geht davon aus, dass der Güterverkehr bis 2015 im Vergleich mit 1997 um voraussichtlich gut 60 Prozent zulegen wird. Die Befürworter eines stärkeren Engagements für die Straße führen ins Feld, dass Schiene und Wasserstraße schon jetzt an die Grenzen ihrer Kapazitäten stießen. (1)



Kritik am Gießkannenprinzip

Unzufriedenheit wird auch darüber geäußert, wie die Gelder für den Straßenbau verteilt werden. Die Verbände kritisieren, dass der Bund nicht in erster Linie dort investiere, wo durch Engpassbeseitigung die Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes am nachhaltigsten gesteigert werden könnte. Vielmehr würden die Investitionsmittel nach einem politisch ausgehandelten Schlüssel verteilt, der die besondere Dringlichkeit einzelner Maßnahmen aber nicht berücksichtige. Zudem behinderten lange Planungs- und Genehmigungsverfahren den Ausbau. Die Wirtschaft fordert überdies, die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Verwaltung der Fernstraßen zu entflechten. (1)



Schwerpunkte statt Gleichrangigkeit

Hamburgs Verkehrssenator Axel Gedaschko hält die bisherige Verteilung der Mittel ebenfalls für falsch. Lange Jahre habe der Bund die Verkehrsinfrastruktur so geplant, dass alle Bundesländer gleichmäßig zum Zuge kommen. Die durch einzelne Schwerpunktprojekte erreichbare Wertschöpfung sei dabei nicht gesehen worden. Norddeutschland müsse wegen seiner Häfen im Masterplan eine zentrale Rolle spielen, so der Senator. (3)



Staus behindern die Logistik

Immer mehr Staus machen den Spediteuren das Leben schwer. Einer neuen Untersuchung zufolge ist allein auf der wichtigen Ost-West-Achse A 6 der Transitverkehr um 181 Prozent angewachsen. "Der Alltag der Verkehrs- und Logistikunternehmen wird immer schwieriger", beklagt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). (4)



Mautgebühren versickern im Bundeshaushalt

Auch das Bundesverkehrsministerium selbst geht davon aus, dass das Güteraufkommen in Deutschland von derzeit etwa 3,7 Milliarden Tonnen bis zum Jahr 2050 auf 5,5 Milliarden Tonnen anschwellen wird. Aus der Sicht der Logistikbranche reichen die Anstrengungen dafür, das steigende Aufkommen bewältigen zu können, aber nicht aus. Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), fordert weitere zwei Milliarden Euro jährlich für die Instandhaltung und den Ausbau des Wegenetzes. Insbesondere kritisiert der DSLV, dass die Maut-Einnahmen von netto etwa 2,5 Milliarden Euro nicht der Finanzierung des Straßennetzes zur Verfügung stehen. Der Betrag werde "vom Bundeshaushalt kassiert". (4)



Knappheit auch bei Rasthöfen

Auf Rasthöfen und Parkplätzen herrscht in Deutschland zunehmendes Gedränge. So fehlen laut DSLV-Chef Rogge schon heute 10 000 Parkplätze für Lastwagen. Bis 2015 werde der Mangel auf 35 000 Parkplätze anwachsen. Der Grund liege nicht nur im steigenden Verkehrsaufkommen, sondern auch in den neuen EU-Vorschriften über längere Ruhezeiten und kürzere Fahrzeiten für die Lastwagenfahrer. Überdies haben die etwa 60 000 Spediteure in Deutschland ein Nachwuchsproblem. Derzeit fehlen etwa 15 000 Fahrer, in den nächsten Jahren werde sich die Zahl verdoppeln, prognostiziert Rogge. (4)



Fallbeispiele

Bundesregierung will die Schiene fördern

Das Bundeskabinett hat den Haushaltsentwurf 2008 vorgelegt, der sinkende Mittel für die Straße und steigende Investitionen für Schiene und Wasserstraße vorsieht. Auf die Straße entfallen mit 4,7 Milliarden Euro etwa 0,8 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Die Schiene erhält 3,594 Milliarden Euro (2007: 3,485 Milliarden), für die Wasserstraße sind 800 Millionen Euro eingeplant (2007: 737,5 Millionen). Insgesamt will der Bund im nächsten Jahr 9,376 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Damit liegen die Investitionen gegenüber 2007 um 221 Millionen Euro oder 2, 4 Prozent höher. Mittelfristig wird der Anteil der Straße noch weiter sinken. Für 2011 plant der Bund Investitionen in Höhe von nur noch 4,516 Milliarden Euro. Dagegen sind für die Schiene 3,688 Milliarden Euro und für die Wasserstraße 850 Millionen Euro vorgesehen. Verkehrs-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup sagte, mit dem zusätzlichen Geld solle dem Boom des Schienengüterverkehrs Rechnung getragen werden. (5)


Milliardenschweres Bahnprojekt in Stuttgart

Die Bundesregierung hat dem Großprojekt "Stuttgart 21" grünes Licht gegeben. Hierbei wird der Stuttgarter Hauptbahnhof, der bisher ein Kopfbahnhof ist, durch einen unterirdischen und um 90 Grad gedrehten Kopfbahnhof ersetzt. Die Einigung über das milliardenschwere Bahnprojekt hat bei Politikern und in der Wirtschaft die Hoffnung auf die zügige Umsetzung weiterer großer Infrastrukturprojekte befeuert. Die Einigung gebe dem Transrapid in Bayern Rückenwind, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber. Der Bund habe ein klares Signal gegeben, Großprojekten in die Verkehrsinfrastruktur künftig wieder mehr Bedeutung einzuräumen. Der Einigung zwischen Bund, Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart und der Deutschen Bahn AG war eine zehnjährige Diskussion vorausgegangen. (2)

Zahlen & Fakten

Die LKW-Maut soll steigen

Der Bundesverkehrsminister will die Autobahnbenutzung für schwere LKW verteuern. "Die Maut wird steigen", so Wolfgang Tiefensee kürzlich in einem Interview. Er wolle die Gebühr ökologisch nach dem Verbrauch staffeln, sagte der Politiker. Wer viel verbraucht, soll viel zahlen, und umgekehrt. Es werde bereits europaweit diskutiert, Umweltschäden in die Maut mit einzubeziehen. Eine Sprecherin Tiefensees räumte allerdings ein, dass dies kurzfristig gar nicht umzusetzen ist. Europarechtlich sei derzeit keine höhere Maut als 15 Cent pro Kilometer möglich. Die Bundesregierung hat bereits beschlossen, dass die Maut ab September im Schnitt auf 13,5 Cent von 12,4 Cent pro Kilometer steigt. Im ersten Halbjahr 2007 spülte die Maut 1,6 Milliarden Euro in die Staatskasse, zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. (7)





+Weichenstellung für die Bahn

Die Bundesregierung hat die Weichen für eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn gestellt. In einem ersten Schritt könnten bis Ende 2008 etwa 20 bis 25 Prozent der komplett beim Bund liegenden Anteile an Investoren verkauft werden, verkündete Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nach der Entscheidung des Bundeskabinetts. Erwartet würden Erlöse von etwa drei Milliarden Euro, die zwischen Bund und Bahn geteilt werden sollen. Einige Bundesländer haben allerdings Bedenken angemeldet. Eine zentrale Kritik an dem Entwurf des Bundesverkehrsministeriums ist der befürchtete Verlust an Einfluss des Bundes auf die Schieneninfrastruktur. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag und Unions-Verhandlungsführer bei den Bahn-Gesprächen, Hans-Peter Friedrich, hat darum angemahnt, dass der Bund bei der Gestaltung der Eisenbahninfrastruktur unbedingt handlungsfähig bleiben müsse. Er warnte vor einem möglichen Konflikt zwischen der im Grundgesetz verankerten Infrastrukturverantwortung des Staates und den betriebswirtschaftlichen Interessen der Deutschen Bahn. Hintergrund dieser Diskussion ist die Befürchtung, dass ein privater Investor sich nur an Renditezielen orientieren werde. (8)

Weiterführende Literatur:

(1.) O.V., Verbände mahnen Straßenausbau an, Handelsblatt, 09.08.2007, Nr. 152, S. 5
aus Handelsblatt Nr. 152 vom 09.08.07 Seite 5

(2.) Reinhard, Peter / Siegmund, Thomas, Investitionen in Infrastruktur stärken Aufschwung, Handelsblatt, 20.07.2007, Nr. 138, S. 3
aus Handelsblatt Nr. 138 vom 20.07.07 Seite 3

(3.) Kopp, Martin, "Der Fernverkehr muss raus", Welt am Sonntag, 08.07.2007, Nr. 27, S. HH4
aus Handelsblatt Nr. 138 vom 20.07.07 Seite 3

(4.) Bauchmüller, Michael / Thiede, Meite, Auf den Straßen wird es eng, Süddeutsche Zeitung, 16.07.2007, Ausgabe Deutschland, Bayern, München, S. 19
aus Süddeutsche Zeitung, 16.07.2007, Ausgabe Deutschland, Bayern, München, S. 19

(5.) O.V., Weniger Mittel für die Straße, Verkehrs Rundschau, Heft 28/2007, S. 14
aus Verkehrs Rundschau, Heft 28/2007, S. 14

(6.) O.V., Pro Mobilität fordert mehr Investitionen, Deutsche Verkehrs-Zeitung, 10.07.2007, Nr. 082
aus DVZ, Nr. 082 vom 10.07.2007

(7.) O.V., Tiefensee kündigt höhere LKW-Maut an, Handelsblatt, 26.07.2007, Nr. 142, S.3
aus Handelsblatt Nr. 142 vom 26.07.07 Seite 3

(8.) O.V., Der Teilprivatisierung der Bahn steht noch ein steiniger Weg bevor, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.07.2007, Nr. 170, S. 11
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.07.2007, Nr. 170, S. 11

R.Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 08/2007 vom 16.08.2007
Dokument-ID: s_tra_20070816

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