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Finanzkrise - die Auswirkungen auf die Immobilienbranche

BAU & IMMOBILIEN | GENIOS BranchenWissen Nr. 10/2008 vom 30.10.2008

Beitrag

Die Immobilienbranche ist in zweierlei Hinsicht von der Finanzkrise betroffen. Einerseits stellt sich die Frage, wie krisenfest die Immobilie als Wertanlage in diesen unsicheren Zeiten ist. Andererseits wirken sich die Verwerfungen an den Finanzmärkten auch auf die Immobilienwirtschaft selbst aus. So ist das Transaktionsvolumen in der Branche zuletzt deutlich zurückgegangen. Im dritten Quartal gab es praktisch keine großen Transaktionen mehr. Darüber hinaus sind auch mehrere offene Immobilienfonds in Liquiditätsnot geraten.


Die Immobilie in der Finanzkrise

Die Finanzkrise verunsichert die Anleger. Dies führt dazu, dass Anlageformen, die in Zeiten der Hausse nur ein Schattendasein gefristet haben, auf einmal gesucht sind. Dazu zählen Tagesgeldkonten, die klassische Lebensversicherung oder auch die Immobilie. Diese gilt als relativ sicher, da es sich dabei um einen Sachwert handelt, mit dem man weitgehend vor Inflation geschützt ist. Darüber hinaus versprach die Immobilie in der Vergangenheit relativ stabile Wertsteigerungen. Allerdings hat der Ruf eine sichere Geldanlage zu sein, Risse bekommen. Zunächst sind in den neunziger Jahren in Ostdeutschland die Häuserpreise zurückgegangen, dem folgt nun der Einbruch der internationalen Märkte vor allem in den USA, Großbritannien oder Spanien. Mit der aktuellen Finanzkrise sind die Unsicherheiten für die Branche nochmals gestiegen. Experten raten daher zu einem selektiven Vorgehen. Interessant könnten etwa Konzeptimmobilien, Immobilien in innerstädtischen Lagen oder auch Sanierungsobjekte sein. (1), (6)


Finanzkrise schwappt auf Immobilienwirtschaft über

Die Finanzkrise beeinträchtigt mittlerweile auch die Immobilienwirtschaft. Dies lässt sich an den jüngst von den Immobiliendienstleistern Atisreal und Jones Lang Lasalle veröffentlichten Zahlen ablesen. In den ersten neun Monaten 2008 ist Atisreal zufolge das Transaktionsvolumen auf dem Gewerbemarkt gegenüber dem Vorjahr um 61 Prozent auf 17,5 Milliarden Euro zurückgegangen. Im Gesamtjahr dürfte das Investitionsvolumen bei 25 Milliarden Euro liegen. Das wäre ein Rückgang von rund 50 Prozent. Da die Zahlen vor der jüngsten Zuspitzung der Finanzkrise errechnet wurden, könnte die Schätzung zu optimistisch sein. (5)

Nach Angaben von Jones Lang LaSalle wurden in den ersten neun Monaten 2008 Objekte für 16 Milliarden Euro umgesetzt, 62 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr dürften es 20 Milliarden bis 23 Milliarden Euro sein. 2007 wurden 55 Milliarden Euro erlöst, dies war zugleich ein Rekordwert. Bei Büro-, Handels- und Logistikgebäuden gibt es zurzeit nur noch Transaktionen, die kaum über der Marke von 100 Millionen Euro liegen. Für größere Summen ist derzeit bei den Banken keine Fremdfinanzierung zu erhalten. (7)


Offene Immobilienfonds machen dicht

Die Finanzkrise macht auch vor den offenen Immobilienfonds nicht halt. Aufgrund von Liquiditätsproblemen mussten mittlerweile die Anbieter SEB Asset Management, Axa Investment Managers, TMW Pramerica und KanAm fünf Fonds mit einem Gesamtvolumen von mehr als 16 Milliarden Euro schließen. Offene Immobilienfonds fallen nicht unter die Garantie, die die Bundesregierung den Sparern gegenüber ausgesprochen hat. Experten hatten schon gemutmaßt, dass offene Immobilienfonds zu den Gewinnern der Finanzkrise gehören könnten, da sie vorwiegend mit Eigenkapital arbeiten. Den Verschuldungshebel, um die Renditen nach oben zu treiben, hat diese Branche nie eingesetzt. (4), (9)



Fallbeispiele



Die Zeit der milliardenschweren Portfoliokäufe ist seit gut einem halben Jahr vorbei. Beim größten Deal im dritten Quartal hat die Quantum Immobilien AG einen historischen Gebäudekomplex mit rund 18 800 qm Fläche in der Ludwigstraße in der Münchener Innenstadt erworben. Verkäufer und Hauptmieter ist die Hypo Real Estate. Das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich auf rund 130 Millionen Euro. Der zweitgrößte Deal fand in Pinneberg bei Hamburg statt. Die kreiseigenen Regio-Kliniken verkauften die Immobilien ihrer Krankenhäuser für 25 Jahre an eine Leasinggesellschaft und mieten sie für knapp neun Millionen Euro im Jahr zurück. Das Volumen des Deals beziffert sich auf 102 Millionen Euro. (3)

Der SEB Immoinvest ist mit 6,3 Milliarden Euro der bislang größte Fonds, der keine Anlegergelder mehr zurückzahlt. Auch die Töchter der Versicherer Axa und Prudential sind betroffen. Der Axa Immoselect bringt rund 3,6 Milliarden Euro auf die Waage und der TMW Immobilien Weltfonds rund eine Milliarde Euro. "Wir sind ein Opfer der Panik nach den Fondsschließungen an den beiden Vortagen", sagte Oliver Weinrich, Axa-Vertriebsleiter für Immobilienprodukte. Allein an einem Tag seien 117 Millionen Euro aus dem Axa-Fonds abgeflossen. Zuvor hatte die Fondsgesellschaft KanAm den 610 Millionen Euro schweren Immobilienfonds "KanAm US-Grundinvest" sowie den "KanAm Grundinvest" im Umfang von 4,9 Milliarden Euro einfrieren müssen. (4)

Bisher gibt es mit der Alstria und Fair Value erst zwei deutsche Real Estate Investment Trusts (Reits). Als Grund für die schwache Entwicklung nannten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion auf der 8. Fachkonferenz der Initiative Immobilien-Aktie in Frankfurt die Finanzkrise. "Wir gehen nicht an die Börse, weil wir dort im Moment keine faire Bewertung erhalten", sagte Alexander von Cramm, Vorstandsmitglied des Vor-Reit Prime Office AG. Mit dem ursprünglich viel gescholtenen Reit-Gesetz könne man hingegen leben. (10)

Zahlen & Fakten

In Zuge der Finanzkrise ist vor allem der Aspekt der Sicherheit der Vermögensanlage in den Fokus geraten. Dazu eine Aufstellung über immobilienrelevante Vermögenswerte.



Immobilienaktien: Diese weisen ein hohes Risiko auf. Keinesfalls sollte man einen zu großen Anteil des Portfolios in Aktien veranlagen und nicht darauf angewiesen sein, sie kurzfristig verkaufen zu müssen. In guten Zeiten kann man mit den volatilen Wertpapieren aber auch hohe Renditen einstreichen.



Immobilienfonds: Offene Immobilienfonds ermöglichen es, sich mit wenig Geld an einem ausgewählten Bündel an Immobilien zu beteiligen, darüber hinaus bleibt der Anleger flexibel. Im Unterschied zu Immobilienaktien wird der Preis der Fonds nicht an der Börse gebildet, sondern ergibt sich aus dem Wert der verschiedenen Immobilien, welche im Fonds enthalten sind. Daher ist ein Risiko vorhanden, aber nicht hoch.



Wohneigentum: Ist eine langfristige und wertbeständige Anlageform. Im Wert steigen vor allem Wohnungen in sehr guten Lagen mit guter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. Für Zwei-Zimmer-Einheiten zwischen 50 und 70 qm finden sich am leichtesten Mieter. Das Risiko ist eher gering.



Wohnbauanleihen: Sind geeignet für risikoaverse Sparer. Bei der fix verzinsten Variante kann man während der gesamten Laufzeit mit dem vereinbarten Zinssatz rechnen. Er liegt zurzeit etwa bei vier Prozent, bis zu dieser Grenze sind die Erträge steuerbefreit. Das Risiko: läuft gegen null. (2)





Argumente pro und kontra den Kauf einer Immobilie in Zeiten der Krise:



Niedrige Preise: Die deutschen Immobilienpreise sind im europäischen Vergleich eher niedrig, Spekulationen wie etwa in Großbritannien oder Spanien sind in den vergangenen Jahren ausgeblieben. Ob sich allerdings das deutsche Preisniveau dem internationalen annähert und wenn ja wie weit, ist offen.



Inflationsschutz: Die selbst bewohnte oder vermietete Immobilie hat den Ruf, Schutz vor Inflation zu bieten. Da es sich um einen Sachwert handelt, steigt im Zuge der Inflation prinzipiell auch der Wert der Immobilie.



Schonvermögen: Wie kein anderes Vermögen ist die selbst genutzte Immobilie in Notlagen geschützt, sofern die Größe angemessen ist. Wird der Eigentümer etwa wegen längerer Arbeitslosigkeit bedürftig, kann die Sozialbehörde nicht fordern, dass die Wohnung oder das Haus verkauft und der Erlös verbraucht wird. Vielmehr besteht sogar ein Anspruch darauf, dass bei einer noch nicht abbezahlten Immobilie zumindest teilweise die Raten vom Staat weitergezahlt werden.



Kreditzins: Wer einen Teil der Anschaffungskosten finanzieren muss, hat jetzt wieder Chancen, sehr günstig Baugeld zu bekommen. Die Kreditzinsen sind in den vergangenen Wochen abgerutscht, auch langfristige Zinsbindungen liegen mittlerweile deutlich unter der Marke von fünf Prozent.



Klumpenrisiko: Wenn das gesamte Vermögen oder ein Großteil davon in eine Immobilie gesteckt wird, geht man ein Klumpenrisiko ein. Eine Fehlinvestition kann somit schnell die wirtschaftliche Existenz bedrohen. Die Faustregel: Vor allem auf eine gute Lage achten, Ausstattung lässt sich nachträglich noch verbessern.



Wertentwicklung: Auf stetige Wertsteigerungen bei Immobilien sollte man nicht unbedingt setzen. In den vergangenen Jahren haben Immobilienbesitzer teilweise sogar Verluste hinnehmen müssen. So ist in den neunziger Jahren im Zuge der Wiedervereinigung das Preisniveau in spekulative Höhen gestiegen, was ab Mitte der neunziger Jahre zu Preisstillstand oder - vor allem in Ostdeutschland - zu Preisrückgängen führte. Sollte es aufgrund der Finanzkrise zu einem längeren Konjunkturabschwung kommen, wären für die nächsten Jahre wegen geringer Nachfrage weitere Einbußen möglich.



Geringe Liquidität: Eine Immobilie wieder zu verkaufen, kann einige Zeit dauern. Wer dringend Geld braucht, kann in die Klemme geraten. Kommt es wegen schlechterer Wirtschaftslage als Folge der Finanzkrise zu einem Konjunktureinbruch, wird es schwer werden, seine Immobilie zu einem angemessenen Preis loszuwerden. Der Immobilienkauf sollte daher als Langfristinvestition gesehen werden, nicht allein als vorübergehender Schutz fürs Vermögen.



Kreditrisiko: Wie es mit der Finanzbranche weitergeht, ist derzeit nicht absehbar. Wahrscheinlich aber ist, dass die Institute mit schlechten Kreditkunden weniger Geduld zeigen werden als bisher. Bleiben Kreditraten aus, könnte die Zwangsvollstreckung viel schneller kommen als bisher. (8)

Weiterführende Literatur:

(1.) O.V., Wo ist das Geld noch sicher? - Immobilien - Kein Selbstläufer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2008, Nr. 234, S. 27
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2008, Nr. 234, S. 27

(2.) O.V., Wie sicher sind Immobilienveranlagungen?, "TOP-Gewinn" Nr. 10a/08 vom 07.10.2008 Seite: 40, Ressort: Geld & Börse
aus "TOP-Gewinn" Nr. 10a/08 vom 07.10.2008 Seite: 40

(3.) O.V., Quantum Immobilien hat einen historischen Gebäudekomplex mit ca. 18.750..., Immobilien Zeitung Nr. 35 vom 04.09.2008 Seite 16
aus Immobilien Zeitung Nr. 35 vom 04.09.2008 Seite 16

(4.) Röbisch, Karsten, Vorübergehend geschlossen - Immobilienfonds machen illiquide Anlagen leicht handelbar. Vier Anbieter brechen das Versprechen, Financial Times Deutschland vom 30.10.2008, Seite 24
aus Financial Times Deutschland vom 30.10.2008, Seite 24

(5.) Wiktorin, Anne / Reichel, Reiner, Investmentmarkt für Immobilien liegt brach - Volumen der Transaktionen bricht im dritten Quartal um 76 Prozent ein, Handelsblatt Nr. 194 vom 07.10.08 Seite 34
aus Handelsblatt Nr. 194 vom 07.10.08 Seite 34

(6.) Waldrich, Markus M., Immobilien bleiben trotz Krise attraktiv, Handelsblatt Nr. 208 vom 27.10.08 Seite 36
aus Handelsblatt Nr. 208 vom 27.10.08 Seite 36

(7.) O.V., Deutscher Investmentmarkt bricht ein - Jones Lang LaSalle: Transaktionsvolumen sinkt um fast zwei Drittel, Börsen-Zeitung, 23.10.2008, Nummer 205, Seite 2
aus Börsen-Zeitung, 23.10.2008, Nummer 205, Seite 2

(8.) Lehmann, Marc, Der Kauf einer Immobilie schützt nur eingeschränkt vor der Finanzkrise - Häuser und Wohnungen schirmen vor Auswirkungen der Inflation ab - Aber entscheidend ist die Lage des Objekts, Börsen-Zeitung, 24.10.2008, Nummer 206, Seite 2
aus Süddeutsche Zeitung, 27.08.2008, Ausgabe München, Deutschland, Bayern, S. 26

(9.) Frank, Wiebe, IMMOBILIENFONDS - Schwankender Beton, Handelsblatt Nr. 210 vom 29.10.08 Seite 8
aus Handelsblatt Nr. 210 vom 29.10.08 Seite 8

(10.) List, Thomas, Finanzkrise lähmt deutsche Reits - Vorläufig keine neuen Börsengänge - Alstria verzichtet auf Wachstum - Alleinstellungsmerkmal fehlt, Börsen-Zeitung, 23.10.2008, Nummer 205, Seite 2
aus Börsen-Zeitung, 23.10.2008, Nummer 205, Seite 2

T.Trares

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 10/2008 vom 30.10.2008
Dokument-ID: s_bau_20081030

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