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Europäische Logistikmärkte - lahme Konjunktur dämpft die Aussichten in den Nachbarländern

TRANSPORT & LOGISTIK | GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 27.02.2013


Schwächere Prognosen für Europa

Die deutsche Logistikwirtschaft weiß im laufenden Geschäftsjahr nicht genau, wohin die Reise geht, rechnet aber dennoch mit einem Gesamtplus von etwa einem Prozent. Damit orientiert sich die Branche an den Voraussagen zur allgemeinen Konjunkturentwicklung. Die Experten gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft 2013 ebenfalls ein kleines Plus erreichen wird. Schwächer fallen die Prognosen für den europäischen Logistikmarkt aus. Da die Länder der Eurozone 2013 insgesamt wohl bestenfalls ein kleines Minus erreichen werden, wird auch die europäische Logistikwirtschaft leicht schrumpfen. In den Benelux-Ländern und in Skandinavien zieht der Markt zwar wieder an, Sorgen bereiten allerdings nach wie vor die Länder im Süden Europas. Sie haben aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage große Probleme. Besonders stark wird vermutlich auch die französische Logistik in Mitleidenschaft gezogen, denn die Aussichten für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung unseres Nachbarlandes sind alles andere als rosig. (1), (10)


Frankreichs Logistik im Bann der Wirtschaftskrise

Im vierten Quartal 2012 ist die französische Wirtschaft um 0,1 Prozent geschrumpft, was den Aussichten der Logistiker einen weiteren Dämpfer verpasst hat. Die größte Logistikmesse Frankreichs, die im März die Tore öffnen wird, startet daher unter grauen Vorzeichen. Probleme bereiten der heimischen Logistikwirtschaft insbesondere die Absatzprobleme der französischen Maschinenhersteller und der Automobilindustrie. Beide Branchen kämpfen mit Absatzproblemen und leiden unter veralteten Prozessen in der Logistik. Im Gegensatz zu deutschen Herstellern verfügen die französischen Maschinen- und Autobauer zudem über weniger Geld, das sie für die langfristige Entwicklung der Lieferketten investieren könnten. Die Ursache hierfür liegt insbesondere in den höheren Arbeitskosten und der in Frankreich weit niedrigeren Produktivität. Logistikexperten attestieren den französischen Lieferketten darüber hinaus fehlende Effizienz. Man habe in den guten Jahren versäumt, Supply Chains zu optimieren, was sich in der derzeitigen Wirtschaftskrise besonders negativ bemerkbar mache. Bei Planungsprozessen sollen viele französische Mittelständler fünf bis zehn Jahre hinter der deutschen Konkurrenz zurückliegen. Gar nicht schlecht steht die französische Logistikbranche hingegen bei den Lieferketten des Handels da. Hier finden sich durchaus Unternehmen, die hinsichtlich ihres Supply-Chain- und Prozessmanagements zur europäischen Spitze gehören. Unternehmen wie Danone, Carrefour oder Vente-Privée haben in den letzten Jahren viel Geld in ihre Prozessketten investiert. Der Grund dafür sind die im französischen Handel vergleichsweise geringen Margen, die durch effiziente Logistiklösungen kompensiert werden mussten. (2)


Italien: Handel mit Deutschland als Lichtblick

Auch die italienische Logistik hat derzeit stark unter der lahmen Gesamtkonjunktur des Landes zu leiden. Seit 2011 befindet sich Italien in der Rezession, was sich stark auf die Transportvolumina auswirkt. So sank die Wirtschaftsleistung alleine im zweiten Quartal 2012 um 0,8 Prozent, das Bruttoinlandprodukt sogar um 2,6 Prozent. Ein derartig schlechtes Ergebnis hatte die italienische Wirtschaft zuletzt im Krisenjahr 2009 verzeichnen müssen.

Zuwachsraten kann hingegen der deutsch-italienische Handel präsentieren. Trotz der Wirtschaftskrise auf dem Stiefel floriert der Austausch derartig, dass die Alpenpässe an die Grenzen ihrer Kapazitäten gelangen. 2011 haben deutsche Unternehmen Waren im Wert von 63 Milliarden Euro nach Italien verschickt, die gegenüber 2010 ein Plus von 6,2 Prozent bedeuteten. Die Importe aus dem drittgrößten Euroland wuchsen 2011 sogar um über zehn Prozent. 2012 soll der Handel zwischen den beiden Ländern nach vorläufigen Zahlen weiter angewachsen sein.

Enttäuschung hat bei den italienischen Logistikern die Interesselosigkeit der gerade zur Wahl angetretenen Parteien an ihrer Branche ausgelöst. Bei einer Anhörung des Transport- und Logistikdachverbandes Confetra in Rom war deutlich geworden, dass die Politik für die Wünsche der Logistikwirtschaft kaum Antworten parat hat. Zu den Desideraten der italienischen Transporteure gehört insbesondere die Neu-Schaffung eines eigenen Verkehrsministeriums, das es so in Italien nicht mehr gibt. (3), (4)


Niederlande: Internationale Distributionsdrehscheibe als Ziel

Die Niederlande besitzt derzeit das leistungsstärkste europäische Drehkreuz für den Überseehandel und zeichnet sich durch einen insgesamt starken Transport- und Logistiksektor aus. Allerdings nahm zuletzt die Dynamik in der Branche etwas ab, so dass für 2012 von einem Rückgang beim Umsatz von 0,5 Prozent ausgegangen wird und beim Volumen von rund 1,1 Prozent. Weiterhin im Aufwärtstrend blieb das Segment der logistischen Dienstleistungen. Für 2013 wird mit einer Erholung des Gesamtsektors gerechnet, auch das Volumen des Transport- und Logistiksektors soll 2013 wieder um 0,8 Prozent ansteigen. Der Global Logistics Performance Index 2012 der Weltbank vergab für die Niederlande den fünften Platz. Bis 2020 strebt das Land eine globale Spitzenposition an. (11)


Türkei: Auf dem Weg zum Logistik-Champion

Auf dem Weg zu einem vielversprechenden Logistikstandort ist die Türkei. Das Land am Bosporus präsentiert seit einigen Jahren Wachstumszahlen, von denen die europäischen Nachbarn nur träumen können. Durchschnittlich legte die türkische Wirtschaft seit 2002 jährlich um satte fünf Prozent zu, was sich im Warenumschlag deutlich niederschlägt. Dabei profitiert die Türkei auch von ihrer geostrategischen Lage als Bindeglied zwischen Europa, dem Nahen Osten, Asien und Afrika. Der Logistics Performance Index 2012 führt die Türkei auf Platz 27 der Rangliste (Deutschland auf Platz vier), doch will das Land schnell nach vorne kommen. Bis zum 100. Geburtstag der modernen Türkei - der im Jahr 2023 gefeiert wird - will das Land seinen Logistiksektor umfangreich modernisieren. Experten attestieren Ankara anerkennend, bei ihren Logistikplänen etliche Entwicklungsphasen, durch die sich andere Länder mühsam durchkämpfen mussten, einfach zu überspringen. Deutsche Logistikexperten bescheinigen der Türkei, bei Dynamik und Marktpotenzial für deutsche Logistikanbieter schon heute auf Platz eins zu stehen. Zur Chefsache hat der türkische Ministerpräsident den Luftverkehr erklärt. Sieben Milliarden Euro will die Regierung in einen neuen Flughafen bei Istanbul investieren. Die Kapazitäten im Containerumschlag sollen in den nächsten zehn Jahren verdreifacht werden. Schon heute wichtigster Handelspartner der Europäischen Union ist die Türkei bei der Seefracht. (6)





Fallbeispiele


Absatzeinbruch bei Frankreichs Automobillogistikern

Im Vergleich zum Vorjahr sind in Frankreich 2012 13,9 Prozent weniger PKW und acht Prozent weniger Transporter zugelassen worden. Die Neuwagenlogistiker reagieren auf den Einbruch mit einschneidenden Maßnahmen zur Kostensenkung. Marktführer Gefco wurde bereits zu 75 Prozent von der russischen Staatsbahn übernommen und wird die Einbrüche beim Transport von Peugeot und Citroen innerhalb Westeuropas durch Transporte nach Russland zu kompensieren versuchen.

Ein anderer großer Logistikanbieter Frankreichs ist Cat. Das Unternehmen war ursprünglich 1957 als Logistiktochter des Automobilkonzerns Renault gegründet worden, wurde 2001 aber abgetrennt und verkauft. Der Autotransport macht bei Cat rund 70 Prozent des Umsatzes aus. Dritter im Bunde der französischen Spitzenanbieter ist die Gruppe STVA. Diese ist eine 100-prozentige Tochter der Staatsbahn SNCF und befasst sich ausschließlich mit Serviceleistungen rund um die Automobillogistik. (5)


Mega-Deal geplatzt

Der amerikanische Logistikanbieter UPS hat sein Angebot zur Übernahme der holländischen TNT Express überraschend zurückgezogen. Begründet wurde die Rücknahme damit, dass die EU-Wettbewerbshüter signalisiert hätten, einer Übernahme nicht zuzustimmen. Als Profiteure des geplatzten Deals gelten die Deutsche Post DHL und Fedex, während für TNT nun harte Zeiten anbrechen. (7)


DPD investiert in Polen

Die international tätige Dynamic Parcel Distribution GmbH - früher bekannt als Deutscher Paket Dienst - hat in Polen für 32 Millionen Euro ein neues Paketsortierzentrum errichtet. Die neue Zentrale soll ab sofort das Rückgrat für internationale und nationale Pakettransporte bilden. Das Sortierzentrum steht auf einer Fläche von 90 000 Quadratmetern. Zu den technischen Highlights gehören vier Hochleistungs-Scanner, die fünf Seiten jedes Pakets automatisch erfassen können. (8)



Zahlen & Fakten



China und Indien haben das größte Potenzial

Laut dem kürzlich veröffentlichten Agility Emerging Markets Logistics Index bleiben die Schwellenländer China, Indien und Brasilien auch bei der Logistik die Länder mit dem größten Potenzial. Die 375 für die Studie befragten Industrieexperten verweisen allerdings auch auf die wachsenden Probleme der BRIC-Staaten wie etwa steigende Lohnkosten und überbordende Bürokratie. Unter die Top Ten der aussichtsreichsten Logistikstandorte sind in diesem Jahr die Türkei und Mexiko gerückt. Zu den aufsteigenden Sternen am Logistik-Himmel gehören überdies die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Vietnam und Südafrika. Von den europäischen Transformationsstaaten hat die Ukraine den größten Sprung nach vorne geschafft und belegt in der Liste der besonders aussichtsreichen Logistikländer jetzt Rang 20. (9)



Weiterführende Literatur:

(1.) Ein Wachstum mit Pferdefuß
aus Verkehrs Rundschau, Heft 03/2013, S. 20

(2.) Zwischen Handel und Industrie - Frankreichs Logistik im Dilemma
aus MM Nr. 005 vom 28.01.2013

(3.) Schlechte Infrastruktur in der Kritik
aus DVZ, Nr. 15 vom 19.02.2013

(4.) Italien braucht engere Anbindung
aus DVZ, Nr. 136 vom 11.12.2012

(5.) Markt in Frankreich wird eng
aus DVZ, Nr. 07 vom 22.01.2013

(6.) Türkei baut Hubfunktion aus
aus DVZ, Nr. 12 vom 08.02.2013

(7.) Mega-Deal geplatzt
aus Verkehrs Rundschau, Heft 04/2013, S. 20

(8.) Neuer Zentral-Hub in Polen
aus "medianet" Nr. 1595/2012 vom 23.11.2012 Seite: 43

(9.)Asien bleibt Wachstumsmotor
aus DVZ Deutsche Logistik-Zeitung Nr. 06 vom 18.01.2013

(10.) "Italien und Spanien haben riesige Probleme"
aus Verkehrs Rundschau, Heft 25/2012, S. 26

(11.) Transport und Logistik - Niederlande
aus de.init.bfai.fachdb.model.Mkt

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 27.02.2013
Dokument-ID: s_tra_20130227

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