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Deutsche Werften - erfolgreich in der Nische, doch China ist auch hier im Kommen

TRANSPORT & LOGISTIK | GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 30.09.2019


Deutsche und europäische Werften trotzen der Konkurrenz

Die europäische maritime Wirtschaft und insbesondere die Werften stehen seit Jahren in einem harten Wettbewerb mit den Konkurrenten aus Ostasien. Trotzdem gelingt es den deutschen Werften zuverlässig, sich gegen die oft billigeren Anbieter aus China, Südkorea und Japan zu behaupten. Dies gelingt insbesondere mit Spezialschiffen wie etwa Kreuzfahrtschiffen. Doch auch diese letzte Bastion des europäischen Schiffbaus ist in Gefahr, denn die asiatischen Wettbewerber versuchen gerade, auch in diesem Segment Fuß zu fassen. Japan fühlt sich durch diese neuerliche Markteroberung so bedroht, dass das Land vor der Welthandelsorganisation ein Schlichtungsverfahren gegen Südkorea initiiert hatte. Aber auch die deutschen Werften werden diesen Angriff noch zu spüren bekommen. Besonders zielstrebig ist derzeit China dabei, nun auch im Kreuzfahrtschiffbau Fuß zu fassen. (1), (2)


Ostasiatischer Schiffsbau sucht nach Auswegen

Dass die ostasiatischen Wettbewerber nun auch nach bisher vernachlässigten Segmenten greifen, hat seinen Grund: Auch die Werften am Pazifik leiden unter den weltweit immer geringeren Schiffsbestellungen. So hat sich Nachfrage in den asiatisch dominierten Märkten immer noch nicht von den Spätfolgen der Weltwirtschaftskrise vor zehn Jahren erholt. Auch heute noch liegt die Produktion um 40 Prozent niedriger als im letzten Rekordjahr 2010. Viele Regierungen versuchen daher, ihre Schiffsbausparten mit Subventionen und durch Protektionismus zu schützen.

Hieraus resultiert ein in Teilen unfairer Wettbewerb, der es den hiesigen Werften besonders schwer macht, weiter Aufträge zu erhalten. So werden mittlerweile neue Fährschiffe für die Ostsee fast nur noch in China bestellt. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) moniert, dass die chinesischen Anbieter hier nur Fuß fassen, weil sie infolge staatlicher Unterstützung mit Niedrigstpreisen antreten können. Schon für das nächste Jahr befürchten die Experten, dass die ersten Kreuzfahrtschiffe Made in China auf den Markt kommen - und damit der deutschen Werftindustrie das Leben schwerer machen.

Trotzdem schlagen sich die deutschen Werften angesichts der ostasiatischen Marktmacht bisher erstaunlich gut. Die erfolgreiche Konzentration auf High-Tech-Nischenmärkte hat dazu geführt, dass die deutschen Schiffsbauer in sieben der letzten acht Jahre mehr Aufträge erhalten haben, als produziert werden konnte. Der Auftragsbestand ist daher derzeit dreimal so hoch wie 2010. Zum Vergleich: In Ostasien liegen die Aufträge in diesem Jahr zum fünften Mal in Folge unter dem Produktionsvolumen.

Die erfolgreiche Nischenpolitik der deutschen Werften schlägt sich auch auf die Beschäftigung nieder. 2018 stieg die Zahl der Mitarbeiter um acht Prozent. In ähnlicher Lage wie die Werften sind auch die industriellen Schiffsbauzulieferer. Sie bekommen zwar die Baisse der asiatischen Märkte zu spüren, stehen insgesamt aber gut da. (1), (2)


Appelle an die Politik

Auch in der deutschen maritimen Wirtschaft weht infolge der subventionierten Konkurrenz insbesondere aus China derzeit ein neuer Wind. Wie in anderen Industriebranchen schon länger zu verzeichnen, wird China jetzt nicht mehr nur als Wirtschaftspartner und Absatzmarkt gesehen, sondern als Systemgegner. So fordert beispielsweise die IHK Nord von der Bundesregierung, den deutschen Marineschiffbau als Schlüsseltechnologie einzustufen, was zur Folge hätte, das wichtige Aufträge nicht mehr europaweit ausgeschrieben werden müssten. Die deutsche Werftindustrie steht nämlich nicht nur durch China, sondern auch durch europäische Konkurrenten unter Druck: Viele Länder haben ihre Werften zu Staatskonzernen zusammengezogen, während die deutsche Schiffsindustrie traditionell mittelständisch geprägt ist. Marineschiffe für die Bundesmarine könnten bei einer Einstufung als Schlüsseltechnologie direkt bei deutschen Werften bestellt werden.

Politische Interventionen wünschen sich die maritimen Verbände auch für den zivilen Schiffbau, wobei hier die Bekämpfung der unfairen Handelsmethoden Chinas im Mittelpunkt steht. Adressaten für offizielle Beschwerden könnten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als auch die Welthandelsorganisation (WTO) sein.

Unzufrieden ist die maritime Wirtschaft auch mit den Infrastrukturmaßnahmen des Bundes. So ist die stark verbesserbare Anbindung der Häfen an das Hinterland schon seit Jahrzehnten ein Thema. Dass es hier schleppend vorangeht, liegt an den in Deutschland mittlerweile üblichen und auch von vielen anderen Branchen beklagten langen Genehmigungsverfahren.

Die an die Politik gerichteten Forderungen sind also vielzählig. Allerdings ist Berlin kaum der Vorwurf zu machen, die Bedeutung der maritimen Wirtschaft nicht begriffen zu haben. Immerhin hat die Bundesregierung 2016 ein Nationales Hafenkonzept beschlossen, das zwar nicht so sehr den Werften, dafür umso mehr den Häfen und Reedern zugutekommt. So wurden vor drei Jahren alleine für die Verbesserung der Hinterlandanbindung der Seehäfen 350 Millionen Euro bereitgestellt. Für die Förderung innovativer Schiffsneubauten flossen 25 Millionen Euro, zudem wurden die Reeder von der Zahlung der Lohnsteuer befreit. Werften und maritime Wirtschaft in Deutschland werden damit wahrscheinlich zwar lange nicht so großzügig mit Hilfen bedacht wie die asiatische Konkurrenz. Gleichwohl erhalten auch sie Subventionen, was man trotz der vorgetragenen Wünsche an die Politik nicht vergessen sollte. (3)





Fallbeispiele


Streit um die Einstufung als Schlüsseltechnologie

Die Einstufung des deutschen Marineschiffbaus von Überwasserschiffen als Schlüsseltechnologie liegt den Werften besonders am Herzen, würde sie doch dazu führen, dass Aufträge der Bundesmarine ausschließlich unter deutschen Werften ausgeschrieben würden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die deutschen Werften werden gestützt, Milliarden an Steuergeldern bleiben im Land und würden helfen, Arbeitsplätze zu sichern. Trotzdem ist in Berlin um die Einstufung ein Streit entbrannt.

Stand der Dinge ist, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat, dass es ihr Wille sei, die Einstufung vorzunehmen. Trotzdem hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr den Bau eines neuen Kampfschifftyps namens MKS 180 europaweit ausgeschrieben. Unterstellt ist das Beschaffungsamt dem Bundesverteidigungsministerium, hat bei Auftragsvergaben aber auch mit dem Bundeswirtschaftsministerium zu tun. Die beiden Ministerien sind sich hinsichtlich der Einstufung augenscheinlich nicht einig: Während das Verteidigungsministerium die rein innerdeutsche Ausschreibung schon jetzt für angezeigt hält, pocht das Wirtschaftsministerium auf das EU-Vergaberecht - das, solange die Einstufung als Schlüsseltechnologie fehlt, die europaweite Ausschreibung verlangt.

Der VSM vermutet hinter dem Wirrwarr das politische Kalkül, die Option für einen europäischen Rüstungsgütermarkt offenzuhalten - der dann auch den deutschen Markteilnehmern nützen würde. Allerdings droht hier eine Einbahnstraße: Bisher ist es in erster Linie Deutschland, das Rüstungsaufträge europaweit ausschreibt, während es Frankreich, den Niederlanden oder Italien im Traum nicht einfallen würde, ein teures Rüstungsprojekt in ein anderes EU-Land zu vergeben. (6), (8)



Zahlen & Fakten




Weiterführende Literatur:

(1.) Neue Dimensionen
aus Schiff & Hafen, Nr. 02 vom 01.02.2019

(2.) Deutsche Werften fürchten China-Tsunami
aus Täglicher Hafenbericht, Heft 25/2019, S. 3

(3.) Marineschiffbau als Spitzentechnologie
aus Täglicher Hafenbericht, Heft 98/2019, S. 2

(4.)Deutsche Werften sammeln Aufträge
aus Delmenhorster Kreisblatt vom 15.05.2019, Seite 21

(5.)Gegen den Trend: Deutsche Werften gut ausgelastet
aus Lübecker Nachrichten vom 15.05.2019, Seite 7

(6.) Neue Chance für deutsche Werften
aus Kieler Nachrichten - Kieler Zeitung vom 27.07.2019 Seite 8

(7.)Deutsche Werften brauchen mehr Personal
aus Täglicher Hafenbericht Nr. 179/2019, Seite 1

(8.) SPD und CDU fordern: Marineaufträge sollen im Land bleiben
aus Welt online vom 19.09.2019

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 30.09.2019
Dokument-ID: s_tra_20190930

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