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Bekleidungsexporte - Politische und wirtschaftliche Krisen erschweren die Geschäfte

TEXTIL | GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 10.10.2016


Deutsche Modehersteller sind exportgetrieben

Der Export ist für deutsche Modehersteller ein überaus wichtiges Geschäftsfeld. 2015 erwirtschafteten sie 36,6 Prozent ihres Umsatzes in Höhe von knapp 15 Milliarden Euro im Ausland. Ein Blick auf den Weltmarkt zeigt die internationale Bedeutung der deutschen Modeindustrie. 2015 stiegen laut der World Trade Organisation (WTO) die globalen Bekleidungsexporte um fünf Prozent auf 483,3 Milliarden Dollar. Der größte Bekleidungsexporteur mit einem Weltmarktanteil von 38,6 Prozent ist China, das Land exportierte Mode im Wert von 187 Milliarden Dollar. Auch die EU spielt ein bedeutende Rolle, sie führte Mode im Wert von 127 Milliarden Dollar aus.

Der hohe Ausfuhranteil an den Gesamterlösen macht die Bekleidungshersteller jedoch abhängig von wirtschaftlichen und politischen Faktoren in den Exportländern. In den vergangenen Jahren war vielfach von Krise die Rede, zum Beispiel in Russland, Spanien oder Italien. Doch wie sieht die aktuelle Lage aus? Im Folgenden soll die Situation der Modemärkte in wichtigen Exportländern der deutschen Modehersteller beleuchtet werden. (1), (2), (3)


Spanien: unsichere Zukunftsaussichten gefährden Exporte

Aus Spanien kommen gute Nachrichten. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Zahl der Touristen steigt, der Konsum wächst. Davon profitiert auch der Modesektor. Nach Angaben des Verbands der spanischen Textil- und Accessoires-Händler (Acotex) erhöhte sich der Modeumsatz allein im Juni 2016 um 6,5 Prozent. Die spanische Modeindustrie ist von Optimismus geprägt. 2015 wuchsen ihre Ausfuhren um über 14 Prozent auf fast 600 Millionen Euro. Laut dem spanischen Kreditversicherer Cesce ist im vergangenen Jahr die Zahl der Modeunternehmen erstmals nach 13 Jahren wieder gestiegen, die Zahl der Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Schuhunternehmen im Land legte um ein Prozent auf 19 494 zu.

Auch die Modeexporte deutscher Hersteller profitieren von dieser positiven Entwicklung. Gerry Weber verzeichnete sowohl auf den eigenen Concession-Flächen in der spanischen Kaufhauskette El Corte Inglés als auch bei den Großhandelspartnern einen stabilen, einen leicht positiven Trend. Betty Barclay sieht die Talsohle durchschritten. Insgesamt erhöhten die deutschen Modehersteller laut Statistischem Bundesamt im ersten Halbjahr dieses Jahres den Wert der Ausfuhren um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Doch dies zeigt, dass das Wachstum nicht nachhaltig ist. Denn verglichen mit 2015, in dem sich die Exporte um über 14 Prozent auf 597 Millionen Euro erhöhten, ist dies ein Rückschritt. (3), (4), (5), [Abb. 1]


USA: die Discounter sind die Wachstumskönige

In den USA erwirtschaftet der heimische Bekleidungs- und Schuhhandel einen Umsatz von rund 343 Milliarden Dollar. Die Branche hat jedoch ein großes Problem. Die Händler hatten infolge der Wirtschaftskrise 2008 die Preise gesenkt, um die Umsätze anzukurbeln. Damit wurden die Kunden aber zu Schnäppchenjägern erzogen, die von ihrer Gewohnheit nicht mehr lassen wollen. Laut der NPD Group kaufen rund 75 Prozent der Verbraucher Mode nur zu reduzierten Preisen, Tendenz weiter steigend. Infolgedessen feiern Discountspezialisten wie TJX Companies (TJ Maxx) und Internetanbieter wie Amazon Erfolge, die Warenhäuser dagegen haben schwer zu kämpfen. Angesicht der dauerhaften Sonderangebote sank ihre Flächenproduktivität in den vergangenen zehn Jahren um rund 25 Prozent auf durchschnittlich 1 590 Euro pro Quadratmeter. Schließungen sind die Folge, Macys will im laufenden Jahr 100 Läden dicht machen. Sears, JC Penney, Kohls und Branchenprimus Nordstrom wollen dem Beispiel folgen. Die Discounter dagegen expandieren massiv, allein TJX will in den kommenden Jahren in den USA 1 400 neue Läden eröffnen.

Diese Entwicklung zu einem Sales-geprägten Markt hat Auswirkungen auf die deutschen Exporteure. 2015 exportieren sie Waren im Wert von 181 Millionen Euro in die USA, ein Plus von über 18 Prozent. Doch im ersten Halbjahr 2016 drehten die Zahlen ins Minus, die Ausfuhren reduzierten sich um 13 Prozent auf 81 Millionen Euro. Die Unternehmen reagieren entsprechend. Beispielsweise wollen Hugo Boss, Michael Kors und Coach angesichts der Schwäche der US-Warenhäuser ihre Zusammenarbeit mit ihnen künftig entweder auf Concessions-Flächen beschränken oder stark zurückfahren. (3), (4), (5), [Abb. 1]


Russland: Tal der Tränen scheint durchschritten

Russland ist einer der strategischen Exportmärkte deutscher Modehersteller. Umso härter hat sie die Krise in dem Land getroffen. Angesichts der schwachen Währung und der hohen Lebensmittelpreise werden die Modeausgaben hinten angestellt. Allein 2015 brachen die Exporte um 31 Prozent auf 463 Millionen Euro ein. Doch angesichts der hohen Bedeutung des Marktes wollen die deutschen Unternehmen den Markt nicht verlassen, viele verfuhren nach der Devise Augen zu und durch. Sie sind ihren russischen Kunden weit entgegengekommen, zum Beispiel durch verlängerte Zahlungsziele.

Für die deutschen Anbieter läuft das Russland-Geschäft noch immer nicht gut, doch die Talsohle scheint durchschritten zu sein. Es wird schon als Erfolg gesehen, dass sich im ersten Halbjahr 2016 die Modeexporte nur noch um rund 16 Prozent reduzierten. (3), (4), (5), [Abb. 1]


Großbritannien: Zahl der einheimischen Modehersteller wächst stark

Der starke Tourismus, der durch die Pfundschwäche getrieben wird, wirkt sich positiv auf den Modemarkt aus. Der Bekleidungsumsatz 2015 erhöhte sich um 4,6 Prozent auf rund 66 Milliarden Pfund. Profiteur des Wachstums ist die heimische Bekleidungsindustrie, die Zahl der Modehersteller inklusive der Textilproduzenten ist laut dem britischen Modeverband UKFT in 2015 um fast acht Prozent auf 7 800 gestiegen. Sie erhöhte ihre Exporte um rund 1,8 Prozent auf 8,5 Milliarden Pfund.

Auch die deutschen Modehersteller profitieren von der guten Entwicklung in Großbritannien, für sie ist das Land der fünftwichtigste Exportmarkt. Sie führten 2015 waren im Wert von knapp über 900 Millionen Euro in das Vereinigte Königreich aus, ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2014. Doch das Wachstum hat sich deutlich abgeschwächt, im ersten Halbjahr 2016 belief sich das Exportplus nur noch auf zwei Prozent. Ein Grund ist, dass die Händler verunsichert sind, dass die Folgen des Brexit für sie noch nicht absehbar sind. (3), (4), (5), (6), [Abb. 1]


Niederlande: Modemarkt kämpft mit Rabatten

Laut dem niederländischen Bekleidungsverband Modint gibt ein niederländischer Haushalt im Schnitt jährlich 1 800 Euro für Bekleidung und Schuhe aus. Das sind zehn Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. In diesem Zeitraum ist die Zahl der durchschnittlich verkauften Artikel pro Haushalt auf 52 gestiegen, was heißt, dass der Preis pro Kleidungsstück gesunken ist. Dies zeigt, dass in den Niederlanden wie auch in Deutschland Rabatte ein wichtiges Thema sind.

Die Niederlande sind mit einem Volumen von 1,67 Milliarden Euro in 2015 der zweitwichtigste Exportmarkt der deutschen Modeindustrie. Damit erhöhte sich der Wert der ausgeführten Waren um 2,2 Prozent. Doch nicht nur die Rabatte machen den deutschen Herstellern zu schaffen, auch die Bereinigung des Modemarktes ist ein wichtiges Thema. So wurde die Kaufhauskette Vroom & Dreesmann, mit 62 Filialen ein bedeutender Vertriebskanal der deutschen Modeindustrie, abgewickelt. Entsprechend gingen im ersten Halbjahr 2016 die Exporte leicht um 0,14 Prozent zurück. Die deutschen Hersteller wie auch die heimischen Anbieter setzen nun große Hoffnung auf die 20 geplanten Hudsons Bay-Filialen, auch wenn keiner weiß, wie das Modesortiment aussehen soll. (3), (5), (7), (8)


Schweiz: der starke Franken macht zu schaffen

Wie auch andere Exportindustrien kamen die Schweizer Modehersteller durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses Anfang 2015 unter einem starken Preisdruck. Dies hatte negative Auswirkungen sowohl auf den Wert der Ausfuhren als auch auf die Margen. Im Bekleidungssektor reduzierte sich der Wert der exportierten Waren um 8,9 Prozent auf 727 Millionen Franken. Die Firmen reagieren mit Effizienzsteigerungen, neuen Produkten und der verstärkten Erschließung neuer Märkte.

Aber auch die Importeure sind betroffen, die Bekleidungseinfuhren sanken 2015 um 4,3 Prozent auf 5,4 Milliarden Franken. Die deutschen Hersteller konnten sich dieser Entwicklung noch entziehen, sie erhöhten ihre Exporte um 5,7 Prozent auf 1,43 Milliarden Euro. Doch bereits im ersten Halbjahr 2016 wurde ein leichter Rückgang um 0,85 Prozent verzeichnet. (3), (5), (9), [Abb. 1]





Fallbeispiele


Maier Sports: will britischen Markt erobern

Der Skibekleidungs- und Outdoor-Hersteller Maier Sports expandiert erstmals in den britischen Markt. Partner der Vertriebsaktivitäten ist Hej International. Das Größenkonzept mit rund 57 verschiedenen Passformen soll den Markteintritt erleichtern. Dieser Schritt ist Teil des strategischen Ausbaus des internationalen Geschäfts. Bislang ist Maier Sports vorwiegend in der DACH-Region sowie in den Benelux-Staaten und Russland aktiv. (10)


Bugatti: expandiert in Touristenzielen

Die Bugatti Holding will das eigene Retail-Geschäft stärken. Im Rahmen der Strategie will das Unternehmen in touristenstarken Urlaubsorten im In- und Ausland neue Geschäfte öffnen. In Deutschland wurden bereits Anfang 2016 auf der Nordseeinsel Norderney und im Ostseebad Scharbeutz zwei von Franchise-Partnern betriebene Läden geöffnet.

Nun stehen Italien und Katar im Mittelpunkt. In Italien, mit 51 Shop-in-Shops einer der größten Exportmärkte von Bugatti, wurden im April in Neapel und auf Ischia die ersten beiden Monolabel-Stores eröffnet. Sie werden ebenfalls von Franchise-Partnern betrieben. In Katar sollen zwei Stores geöffnet werden. Sie ergänzen die Präsenz in der Region, Bugatti ist bereits mit Geschäften in Saudi-Arabien, Kuwait und Oman vertreten. Insgesamt hat Bugatti 27 Stores und 530 Shop-Flächen weltweit. (11)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Frankreich und Polen mit den größten Zuwächsen

Entnommen aus: GermanFashion, Amtliche Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2015, (5)

Weiterführende Literatur:

(1.) Modeindustrie: Weniger China-Importe
aus www.textilwirtschaft.de vom 23.08.2016

(2.) Bekleidungsexporte legen weltweit um 5% zu
aus www.textilwirtschaft.de vom 02.11.2015

(3.) Amtliche Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2015
aus www.textilwirtschaft.de vom 02.11.2015

(4.) Hoffnung Export
aus TextilWirtschaft 34 vom 25.08.2016 Seite 014 bis 017

(5.) Die wichtigsten Exportländer 1. Halbjahr 2016
aus TextilWirtschaft 34 vom 25.08.2016 Seite 014 bis 017

(6.) Britische Modeproduktion stark gestiegen
aus www.textilwirtschaft.de vom 08.08.2016

(7.) Oranje zieht an
aus TextilWirtschaft 38 vom 22.09.2016 Seite 030 bis 031

(8.) Aufbruch West
aus TextilWirtschaft 38 vom 22.09.2016 Seite 032 bis 034

(9.) Swiss Textiles: Frankenkurs drückt Exporte
aus www.textilwirtschaft.de vom 26.04.2016

(10.) Maier Sports expandiert in Großbritannien
aus www.textilwirtschaft.de vom 15.07.2016

(11.) Bugatti expandiert in Urlaubsorten
aus www.textilwirtschaft.de vom 13.05.2016

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 10.10.2016
Dokument-ID: s_tex_20161010

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