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Baukonzerne in der Finanzkrise - Eigentümer geraten in Schieflage

BAU & IMMOBILIEN | GENIOS BranchenWissen Nr. 11/2008 vom 27.11.2008

Beitrag

Die Finanzkrise hat inzwischen auch bei den Baukonzernen ihre Schleifspuren hinterlassen. Während bei dem deutschen Branchenführer Hochtief der Aktionärskreis ins Rotieren gekommen ist, hat sich beim größten Baustoffproduzenten HeidelbergCement der Großaktionär Adolf Merckle verzockt und damit gleich den ganzen Konzern in Bedrängnis gebracht. Auf europäischer Ebene haben die Bauzulieferer Holcim und Wienerberger die Krise zu spüren bekommen. Dagegen blieb die deutsche Nummer zwei, Bilfinger Berger, bislang noch weitgehend verschont.


Aktionärskreis bei Hochtief gerät ins Rotieren

Bei dem größten deutschen Baukonzern, der Essener Hochtief, ist infolge der Finanzkrise der Aktionärskreis durcheinander geraten. Der russische Milliardär und Oligarch, Oleg Deripaska, musste aufgrund von Liquiditätsengpässen seinen Anteil von knapp zehn Prozent an die Commerzbank veräußern. Das Institut hatte die Aktien für Deripaska finanziert und als Sicherheit gehalten. Auch über den Verkauf von Deripaskas Beteiligung an dem österreichischen Baukonzern Strabag war spekuliert worden. Inzwischen hat die Commerzbank ihren Anteil an Hochtief von 12,5 Prozent auf gut 2,5 Prozent verringert. Die Aktien hat das Institut breit gestreut verkauft. (1)

Einzig verbliebener Großaktionär von Hochtief ist nun der spanische Baukonzern ACS, der direkt eine Sperrminorität von 25,1 Prozent hält sowie Kaufoptionen für weitere 4,9 Prozent. Bei Überschreiten der Schwelle von 30 Prozent müsste ACS ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre machen. Die Spanier haben diesen Schritt aber ausgeschlossen. Weitere knapp drei Prozent halten Hochtief selbst und der Pensionsfonds des Konzerns. Derweil haben die Essener angekündigt, bis zu zehn Prozent der eigenen Aktien für knapp 280 Millionen Euro zurückkaufen zu wollen. Angesichts des deutlich gesunkenen Aktienkurses und der breiten Streuung der Titel fürchtet Hochtief nun zu einem Übernahmekandidaten zu werden. Im operativen Geschäft spürt Hochtief die Finanzkrise bislang kaum. Der Baukonzern hob sogar die Prognose für Auftragseingang und Auftragsbestand im Gesamtjahr an. (2), (6), [Abb.1]


Großaktionär Merckle beschert HeidelbergCement Unannehmlichkeiten

In Schwierigkeiten ist auch Deutschlands größter Baustoffproduzent HeidelbergCement geraten. Großaktionär Adolf Merckle, der 80 Prozent an den Heidelbergern hält, hatte sich mit VW-Aktien spekuliert. Dadurch ist die VEM Vermögensverwaltung GmbH, das Investmentvehikel Merckles, in Schieflage geraten. Nachdem die Probleme bei Merckle bekannt geworden sind, ist die Aktie von HeidelbergCement eingebrochen. Zudem haben sich am Fremdkapitalmarkt die Konditionen für das Unternehmen nochmals dramatisch verschlechtert. Dabei ist HeidelbergCement nach der Übernahme der britischen Hanson im vergangenen Jahr hochverschuldet und muss am Kreditmarkt ohnehin schon hohe Zinsen zahlen. Am Fremdkapitalmarkt wurden dem Konzern gar existenzielle Probleme unterstellt. Derweil hat HeidelbergCement betont, von der VEM Vermögensverwaltung GmbH unabhängig zu sein. Die VEM halte zwar eine Minderheitsbeteiligung von 25,19 Prozent. Von der "aktuellen Situation" der VEM sei der Konzern aber operativ nicht betroffen. (3)


HeidelbergCement verordnet sich Sparkurs

Im operativen Geschäft hat sich HeidelbergCement einen Sparkurs auferlegt. Die Kosten sollen um jährlich 250 Millionen Euro fallen. Grund dafür sind die einbrechende Nachfrage in den USA und Großbritannien, wo neben der Finanzkrise auch noch eine Immobilienkrise wütet. Im dritten Quartal ist das operative Ergebnis bei den Heidelbergern trotz der Neukonsolidierung von Hanson um sieben Prozent auf 664 Millionen Euro gesunken. Nach neun Monaten kletterten die Erlöse um 49 Prozent auf 10,8 Milliarden Euro. Das Ergebnis wuchs um 15,6 Prozent auf 1,55 Milliarden Euro - auf vergleichbarer Basis wären es nur 2,7 Prozent Wachstum gewesen. Das operative Ergebnis in Nordamerika ist um ein Viertel auf 286 Millionen Euro eingebrochen, auf vergleichbarer Basis um mehr als ein Drittel. Gleichwohl hält der Vorstand an den Zielen für 2008 fest. Der Umsatz soll von 10,7 Milliarden auf 14 Milliarden Euro steigen, das operative Ergebnis werde zweistellig zulegen. 2007 lag es bei 1,8 Milliarden Euro. Einen Ausblick wollte das Unternehmen bei der angespannten Lage nicht geben. (4), [Abb.2]



Fallbeispiele



Die Finanzkrise hat aber noch weitere Branchengrößen infiziert. So hat auch schweizerische Holcim ihre Prognosen kassiert. Dem zweitgrößten Zementhersteller der Welt bricht die Nachfrage weg, vor allem in den USA, Spanien und Großbritannien. Im dritten Quartal schrumpfte der Konzerngewinn um 23 Prozent auf 769 Millionen Schweizer Franken. Bisher hatten die Wachstumsmärkte in den Schwellenländern das Geschäft der Baustoffproduzenten gestützt, doch auch dort sind die Aussichten trübe. Dies bekommt auch der weltgrößte Ziegelhersteller Wienerberger zu spüren: Die Österreicher sind besonders in Osteuropa aktiv, wo sich die Märkte ebenfalls abschwächen. Bei Wienerberger fiel im dritten Quartal das operative Ergebnis um 36 Prozent auf 181,6 Millionen Euro. 2008 will man noch 27 Werke dichtmachen, 16 Standorte sind bereits geschlossen worden. Die Zement-Weltmarktführer Lafarge und Cemex ("Readymix") hatten ebenfalls schwache Zahlen gemeldet. (5)

Der Wiesbadener Zementhersteller Dyckerhoff hält an seiner Jahresprognose fest. Grund ist das starke erste Halbjahr. Im dritten Quartal aber hat sich das Wachstum deutlich abgeschwächt. Vor allem das Geschäft in den USA entwickelt sich stark rückläufig. In den ersten neun Monaten 2008 stieg der Umsatz um 18 Prozent auf knapp 1,55 Milliarden Euro, der Gewinn nahm um 39 Prozent auf 251 Millionen Euro zu. Das Wachstum kam vor allem aus Osteuropa, wo die Erlöse um 38 Prozent auf 736 Millionen Euro hochschnellten. Anders als HeidelbergCement, die auf die heraufziehende Krise mit Einsparungen reagieren will, plant Dyckerhoff keinerlei Einschnitte. 2007 hatte das Unternehmen bei einem Umsatz von 1,8 Milliarden Euro insgesamt 286 Millionen Euro verdient. Dyckerhoff wird zu knapp 90 Prozent von der italienischen Buci-Unicem kontrolliert. (7)

Bislang noch recht unbehelligt von der Finanzkrise zeigt sich Deutschlands zweitgrößter Baukonzern Bilfinger Berger. Das Konzernergebnis werde im Gesamtjahr deutlich über dem des Vorjahres liegen, hieß es bei dem Mannheimer Konzern. Im dritten Quartal stieg die Bauleistung auf 2,9 Milliarden Euro nach 2,45 Milliarden Euro im Vorjahr. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen (Ebita) kletterte von 70 Millionen auf 100 Millionen Euro. Unter dem Strich erhöhte sich der Gewinn von 39 Millionen auf 54 Millionen Euro. Der stärkste Wachstumstreiber war erneut das florierende Dienstleistungsgeschäft. Im deutschen Hochbau hat Bilfinger wie Konkurrent Hochtief schon länger zu kämpfen. 2008 fallen dort Verluste von rund zehn Millionen Euro an. (8)

Zahlen & Fakten

Abbildung 1: Hochtief Konzernzahlen nach IFRS nach neun Monaten



Quelle: Börsen-Zeitung

Entnommen aus: Börsen-Zeitung, 15.11.2008, Nummer 222 (9)



Abbildung 2: HeidelbergCement Konzernzahlen nach IFRS nach neun Monaten



Quelle: Börsen-Zeitung

Entnommen aus: Börsen-Zeitung, 06.11.2008, Nummer 215 (4)

Weiterführende Literatur:

(1.) Bialdiga, Kirsten / Diethelm, Verena / Mai, Christine, Schutzwall um Hochtief bröckelt - Großaktionär Deripaska steigt bei Baukonzern aus - Finanzkrise setzt Oligarchen unter Zugzwang, Financial Times Deutschland vom 13.10.2008, Seite 8
aus Financial Times Deutschland vom 13.10.2008, Seite 8

(2.) O.V., Commerzbank steigt bei Hochtief aus - Anteil von 10 Prozent breit gestreut, Börsen-Zeitung, 05.11.2008, Nummer 214, Seite 10
aus Börsen-Zeitung, 05.11.2008, Nummer 214, Seite 10

(3.) O.V., Landesbürgschaft als "Ultima Ratio" für Merckle - Ministerpräsident Oettinger will in Kürze entscheiden - Heidelberg Cement grenzt sich von klammer VEM ab, Börsen-Zeitung, 19.11.2008, Nummer 224, Seite 11
aus Börsen-Zeitung, 19.11.2008, Nummer 224, Seite 11

(4.) O.V., Heidelberg Cement von Krise erfasst - Hochverschuldeter Baustoffriese meldet trotz Milliardenzukauf sinkenden Gewinn - Sparprogramm läuft, Börsen-Zeitung, 06.11.2008, Nummer 215, Seite 11
aus Börsen-Zeitung, 06.11.2008, Nummer 215, Seite 11

(5.) Gassmann, Michael, Abschwung erfasst Bau-Zulieferer - Zementkonzern Holcim und Ziegel-Marktführer Wienerberger schließen Fabriken - Weniger Nachfrage aus Schwellenländern, Financial Times Deutschland vom 13.11.2008, Seite 8
aus Financial Times Deutschland vom 13.11.2008, Seite 8

(6.) Gassmann, Michael, Kursschwäche alarmiert Hochtief - Niedriger Börsenwert macht Baukonzern attraktiv für Käufer, zumal der Gewinn steigt, Financial Times Deutschland vom 17.11.2008, Seite 7
aus Financial Times Deutschland vom 17.11.2008, Seite 7

(7.) O.V., Dyckerhoff legt zu - Der Zementhersteller sieht zum Sparen keinen Anlass, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.2008, Nr. 264, S. 14
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.2008, Nr. 264, S. 14

(8.) O.V., Bilfinger blickt zuversichtlich auf 2009, Handelsblatt Nr. 219 vom 11.11.08 Seite 14
aus Handelsblatt Nr. 219 vom 11.11.08 Seite 14

(9.) O.V., Hochtief an Thyssen-Industrieservice interessiert - Baukonzern ist von Krise bislang unbeeinträchtigt - Prognose für Auftragseingang angehoben, Börsen-Zeitung, 15.11.2008, Nummer 222, Seite 12
aus Börsen-Zeitung, 15.11.2008, Nummer 222, Seite 12

T.Trares

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 11/2008 vom 27.11.2008
Dokument-ID: s_bau_20081127

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