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Bankenregulierung - härtere Regeln für Eigenkapital und Boni - der richtige Weg

BANKEN | GENIOS BranchenWissen Nr. 04/2010 vom 21.04.2010

Die Finanz- und Bankenkrise hat deutliche Schwachstellen in der Bankenregulierung aufgezeigt; als das gesamte weltweite Finanzsystem in Schieflage geriet mussten in vielen Ländern Banken mit Staatsgeldern gerettet werden. [Abb. 1]
Die Rechnung bezahlte letzten Endes der Steuerzahler.
Auf der anderen Seite verwenden die Banken die Hilfsmilliarden nicht immer völlig im Sinne des Steuerzahlers. Statt Kredite an den Mittelstand zu vergeben und dadurch Arbeitsplätze zu sichern, verteilen viele Banken an ihre Mitarbeiter satte Boni.
Diese Umverteilung von Staatsgeldern stößt auf extrem wenig Gegenliebe in der Bevölkerung. Mittlerweile tritt die Politik auf den Plan, und fordert eine stärkere Regulierung und sogar eine Regelung zur Begrenzung von Bonus-Zahlungen.


EU will Banken scharf regulieren

Nationale Alleingänge bei der Regulierung machen anfällig für "Regulierungsarbitrage". Denn Wettbewerbsnachteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz zwingen international tätige Banken dazu, nach Auswegen aus der strengeren Regulierung im Heimatmarkt zu suchen. Dadurch werden die Geschäfte der Institute aber intransparenter und ihre Kontrolle unmöglich. Deshalb ergibt nur ein international verbindliches Regelwerk wirklich einen Sinn.
Auch der designierte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will mit einer lückenlosen Neuregulierung der Finanzmärkte das Vertrauen der Marktteilnehmer zurückgewinnen. Im Visier hat er dabei die Derivatemärkte und eine weitere Überarbeitung der Eigenkapital- und Bonusregeln für Banken. Auch eine europäische Einlagensicherung und einen Abwicklungsfonds für Banken sind in der Diskussion. (5)


Mehr Eigenkapital, weniger Boni

Es ist nachvollziehbar, dass sich die Länder rund um den Globus nicht mehr von ihren eigenen Banken erpressen lassen wollen. Nach dem Motto "too big to fail" müssen einzelne systemrelevante Banken quasi gerettet werden, weil sie sonst das gesamte Land in den Abgrund reißen. Um dem entgegenzuwirken, sollen die Banken deshalb an den Kosten der Rettungsaktionen beteiligt werden. Hierfür ist grundsätzlich eine höhere Eigenkapitalausstattung notwendig. Denn nur dadurch werden die Banken widerstandsfähiger gegenüber Risiken. (3)
Die Institute ihrerseits können dazu beitragen, indem sie weniger üppige Boni auszahlen und stattdessen höherer Rücklagen bilden. [Abb. 2]


Strenge Regeln für Boni

Die Orientierung von variablen Prämien am kurzfristigen Erfolg wird als eine Ursache für die Finanzkrise betrachtet, weil sie Investmentbanker dazu veranlasste, zu hohe Risiken einzugehen. Dies soll künftig vermieden werden, indem die Boni am nachhaltigen Erfolg ausgerichtet werden. Die Alternativen sind zum Einen eine zeitlich verzögerte Auszahlung der Boni sowie zum Anderen die Verrechnung mit später auftretenden Verlusten. (7)


Noch keine gute Idee für antizyklische Puffer

Banken wird nachgesagt, dass sie ausgerechnet in schwierigen wirtschaftlichen Phasen, wenn die Unternehmen besonders dringend Kredit brauchen, ihr Kreditangebot reduzieren und, dass dieses Verhalten durch die bisherigen Kapitalregeln verstärkt wird. Um diese Zyklizität zu verhindern, sind verschiedene Vorschläge in der Diskussion, die aber allesamt nicht überzeugen können.
Viele Experten behaupten, dass es ohnehin fraglich sei, ob es dieses Phänomen tatsächlich gibt. Falls es jedoch existiert, sei es schwierig, dieses ohne schädliche Folgen für das Finanzsystem zu neutralisieren. Niemand wird nämlich riskieren wollen, durch neue Regelungen eine weltweite Kreditklemme auszulösen. (4)


Begrenzung des Kreditrisikos durch eine "Leverage Ratio"

Um die Kreditrisiken einer einzelnen Bank absolut zu begrenzen, wird derzeit die Einführung einer "Leverage Ratio" diskutiert. Sie gibt den Multiplikator wieder, um den die Bilanzsumme das harte Eigenkapital, das sogenannte Kernkapital der Bank übertrifft.
Das Geschäft, das nicht durch eigenes Kapital abgedeckt wird, muss über Schulden finanziert werden. Deshalb wird die Leverage Ratio auch als Schuldenhebel einer Bank verstanden. Eine geringere Leverage Ratio bedeutet einerseits eine Begrenzung des Kreditrisikos, andererseits aber auch eine Begrenzung der Kreditvergabe im Ganzen. Derzeit werden Werte für die Leverage Ratio von 20 bis 25 diskutiert.
Kritisiert wird, dass der Schuldenhebel völlig falsche Anreize setzt. Wenn eine Bank nur noch einen bestimmten Absolutbetrag als Kredit herauslegen darf, dann wird sie nur noch besonders riskante Kredite vergeben, da nur sie hohe Renditen versprechen. Dadurch erhöht sich die Instabilität des Finanzsystems sogar noch, anstatt sie zu verringern. (1)





Fallbeispiele


Deutsche Bank ändert Vergütungssystem

Die Deutsche Bank will ihr Vergütungssystem für führende Mitarbeiter ändern und den Anteil des Fixgehalts zu Lasten der Boni erhöhen. Die Gesamtbezüge sollen gleich bleiben. Während die strengeren Boni-Regeln bereits für die variable Vergütung im zurückliegenden Jahr gelten, tritt die Verschiebung im Gehaltsgefüge mit dem höheren Gewicht des Festgehalts erst 2010 in Kraft. Doch dabei bleibt es nicht: Für die obersten Führungskräfte im Vorstand und dem Group Executive Committee, die im Durchschnitt 80 Prozent ihres Gehalts in Form von Boni verdienen, steht ein neues Vergütungsmodell noch aus. (7)


Innovativer Vorschlag: Regulatorische Hybridpapiere

Ein innovativer Vorschlag zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken stammt von der Squam Lake Working Group on Financial Regulation, einer Expertengruppe im Council on Foreign Relations, einem 1921 gegründeten "Think Tank": Banken sollen in einem bestimmten Umfang, zum Beispiel im Verhältnis zu ihrem Kernkapital, Hybridanleihen ausgeben, die zunächst einmal den üblichen Charakter von Fremdkapitalansprüchen haben. Bei Eintritt eines in den Emissionsbedingungen festgelegten Ereignisses ("Trigger"), zum Beispiel beim Verlust eines bestimmten Teils des Eigenkapitals der Bank, oder bei der "amtlichen" Feststellung einer Krisensituation, soll sich der hybride Fremdkapitalanspruch automatisch in Eigenkapital umwandeln. Es fallen ab da keine Zinszahlungen mehr an, und die vorrangigen Ansprüche an das Vermögen der Bank werden gemindert. Für das Umwandlungsrisiko werden die Zeichner und Inhaber der regulatorischen Hybridpapiere mit einer Risikoprämie in einem höheren Zinsanspruch entschädigt. (6)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Staatliche Kapitalhilfen und Garantien für deutsche Banken
InstitutKapitalGarantie
In Milliarden Euro
Commerzbank18,25,0
IKB Deutsche Industriebank11,010,0
BayernLB10,05,0
Hypo Real Estate6,395,0
HSH Nordbank5,040,0
LBBW5,012,7
WestLB5,05,0
Sachsen LB0,52,8

Quelle: Soffin, eigene Recherchen der WirtschaftsWoche Entnommen aus: aus WirtschaftsWoche Ausgabe 9 vom 01.03.2010 (8)
Abbildung 2: So viel verdienten Bankmanager eine Ebene unterhalb des Vorstands in deutschen Banken 2009

Quelle: Unternehmensberatung Kienbaum Entnommen aus: aus WirtschaftsWoche Ausgabe 14 vom 03.04.2010 (2)

Weiterführende Literatur:

(1.) Leverage Ratio - Was passiert wenn ...
aus Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 08 vom 15.04.2010

(2.)Die 500 000-Euro-Frage / Reichen eine halbe Million Euro Jahresgehalt nicht, um einen guten Banker als Führungskraft zu gewinnen?
aus WirtschaftsWoche Nr. 14 vom 03.04.2010, Seite 54

(3.) Mehr Eigenkapital, weniger Boni
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2010, Nr. 26, S. 9

(4.) Bafin dämpft Erwartungen an Regeln für die Banken
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.01.2010, Nr. 13, S. 12

(5.) EU will Banken scharf regulieren
aus Financial Times Deutschland vom 14.01.2010, Seite 1

(6.) Mehr Aufmerksamkeit für das regulative Hybridkapital
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.03.2010, Nr. 53, S. 24

(7.) Hartes Ringen um neue Bankenregeln
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.01.2010, Nr. 24, S. 23

(8.)Es reicht!
aus WirtschaftsWoche Nr. 9 vom 01.03.2010, Seite 92

G.Dengl

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 04/2010 vom 21.04.2010
Dokument-ID: s_ban_20100421

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