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Altkleider - was tun mit gebrauchter Mode

TEXTIL | GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 01.02.2018


Fast Fashion führt weltweit zu mehr Modemüll

Fast Fashion hat die Modewelt erobert, mit all ihren Nachteilen. Die steigende Zahl von Kollektionen pro Jahr und die günstigen Preise animieren die Verbraucher zu immer neuen Käufen. Der Erfolg von Fast-Fashion-Anbietern wie Zara oder H&M hat zu einer wachsenden Warenmenge geführt, von 2000 bis 2014 hat sich die weltweite, jährliche Bekleidungsproduktion auf 100 Milliarden Teile verdoppelt. Dies geht aus dem Bericht Der Aufstieg von Fast Fashion von Greenpeace hervor. Entsprechend wachsen die Müllberge. Die Studie Pulse of Fashion der Boston Consulting Group (BCG) kommt zu dem Ergebnis, dass 2015 weltweit rund 92 Millionen Tonnen Modemüll anfielen. Diese Zahl bezieht sich auf den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, von der Produktion bis zur Entsorgung. Bis 2030 soll dieser um 60 Prozent auf etwa 148 Millionen Tonnen ansteigen.

Auch die Deutschen machen mit. Jeder Bundesbürger kauft jährlich im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke, dabei haben sie rund 5,2 Milliarden Teile in ihren Schränken. 40 Prozent davon werden laut FairWertung, dem Dachverband gemeinnütziger, Altkleider sammelnden Organisationen, selten oder nie angezogen. Auch die Nutzungsdauer hat sich reduziert. Wurde nach Angaben des Fachverbands Textilrecycling eine Jeans 1998 noch durchschnittlich drei Jahre getragen, waren es 2005 nur noch zwei Jahre. Bei Pullovern schrumpfte die Nutzungsdauer von vier auf zweieinhalb Jahre.

Die gebrauchte Kleidung, auch wenn sie ohne Fehler ist, wird entsorgt. Um Platz in ihren Schränken zu machen, geben die Deutschen nach Schätzungen von FairWertung jährlich mehr als eine Million Tonnen Textilien in Altkleidersammlungen. Die Gemeinschaft für textile Zukunft geht sogar von rund 1,35 Millionen Tonnen Alttextilien aus. Von sämtlichen Altkleidern, die die Deutschen in den Sammelstellen abgeben, eignet sich laut FairWertung rund die Hälfte für den Weiterverkauf. BCG geht sogar von einer Weiternutzungsquote von nur 20 Prozent aus. Die nicht verkaufsfähige Ware muss entsorgt oder recycelt werden. (1), (2), (3), [Abb. 1]


Recycling stellt Modehersteller vor großen Herausforderungen

Angesichts der wachsenden Bedeutung des Nachhaltigkeitsprinzips für ihre Kunden machen immer mehr Modehersteller und -händler beim Sammeln von Altkleidern mit. C&A, Esprit, Adler, Vaude, Mango, Zara oder Eterna haben Boxen in ihren Läden aufgestellt, in denen die Kunden gebrauchte Textilien entsorgen können. Bei H&M kamen so von 2013 bis 2017 insgesamt rund 39 000 Tonnen Altkleider zusammen, bis 2020 sollen es jährlich 25 000 Tonnen sein.

Die Altkleider werden jedoch nicht nur gesammelt, sondern auch wiederverwertet. Die Hersteller entwerfen Kollektionen, in denen Teile des Stoffes aus recycelten Materialien bestehen. Bei H&M heißt die Linie Conscious, bei Mango Committed, bei Zara Join Life. Doch die Entwicklung hat gerade erst begonnen, Recyclingmode steckt in den Kinderschuhen. Bei H&M lag der Anteil an recycelten Fasern in den Kollektionen von 2016 eigenen Angaben zufolge bei nur 0,7 Prozent, obwohl die Schweden zu den größten Abnehmern von recycelten Polyesterfasern zählen.

Ein großes Problem des Recyclings ist, dass bei vielen Kleidungsstücken ein nicht mehr bestimmbarer Materialmix verwendet wird. Etiketten, Knöpfe oder Reißverschlüsse erschweren die Wiederverwertung zusätzlich. Laut FairWertung müssen bis zu 200 verschiedene Artikel und Materialien unterschieden werden. Außerdem sind die bei der ursprünglichen Produktion verwendeten Chemikalien unbekannt, was eine Zertifizierung der neuen Teile erschwert. Um das Recycling zu vereinfachen, sollte das Kleidungstück bereits beim Design auf eine Wiederverwendbarkeit gestaltet werden. Im Idealfall besteht ein Bekleidungsstück aus nur einem einzigen Material.

Trotz dieser Herausforderungen wollen Textilhersteller wie H&M, Inditex oder C&A einen geschlossenen Textilkreislauf aufbauen. In einem sogenannte Closed Loop werden die Produkte so hergestellt, dass alle benötigten Ressourcen wie Energie, Wasser oder Chemikalien aufbereitet und wieder dem Prozesskreislauf zugeführt werden können. Das Produkt sollte am Ende kompostierbar oder recycelfähig sein. C&A hat es vorgemacht. Im Sommer 2017 brachte der Konzern ein T-Shirt in die Läden, das nach diesem Prinzip produziert und nach dem Cradle-to-Cradle-Standard zertifiziert wurde. Dass dies nicht teuer sein muss zeigt sich am Preis von nur sieben Euro pro Teil. (1), (4)


Im deutschen Markt für Secondhandmode tummeln sich viele Akteure

Wie bereits erwähnt, eignet sich rund die Hälfte der Altkleider für den Wiederverkauf. Über die Größe des Geschäfts mit Mode aus zweiter Hand gibt es für Deutschland keine genauen Angaben. Die Schätzungen reichen von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro. Für Europa wird die Größe des Gebrauchtmarkts auf rund zehn Prozent des gesamten Luxusmarktes geschätzt, was rund zehn Milliarden Euro entsprechen würde. Für die Käufer lohnt sich der Griff zur Gebrauchtmode, sie können Mäntel oder Pullover für zehn bis 20 Prozent des ursprünglichen Preises in ihre Schränke hängen.

Einige Unternehmen haben sich auf den Verkauf von gebrauchter Mode spezialisiert. Die Hamburger Reverse Retail GmbH ist mit zwei Marken im Markt vertreten. Über Buddy+Selly werden gebrauchte Kleidungsstücke angekauft. Der Verkäufer erhält sofort den vereinbarten Betrag, von dem eine Provision abgezogen wird. Über Vite En Vogue erfolgt der Verkauf der Gebrauchtware. Dabei konzentrieren sich die Schwesterunternehmen auf Luxusmode. Auch Rebelle kauft und verkauft gebrauchte Ware aus dem Luxussegment. Das Hamburger Unternehmen will Verkäufer mit Dienstleistungen gewinnen, unter anderem mit einem umfassenden Service, in dessen Rahmen Rebelle den gesamten Verkaufsprozess für den Kunden übernimmt, von den Fotos und dem Verkaufstext bis zu Verpackung, Versand und der Zahlungsabwicklung. Im Gegensatz zu Vite En Vogue ist Rebelle jedoch ein Marktplatzmodell. Der Kunde erhält sein Geld, wenn das Teil verkauft ist. Auch dann erst ist die Provision fällig, die von der Höhe des Verkaufspreises abhängt. Je höher dieser ist, desto geringer ist der Anteil der Provision.

Momox handelt mit gebrauchter Mode aus dem Mittelpreissegment, zum Beispiel mit Teilen von Tommy Hilfiger. Über die Plattform Momox-Fashion.de werden insgesamt 200 Marken und Labels gekauft und verkauft. Nicht genommen werden Billigartikel von Primark oder KiK und Luxusbekleidung von Gucci oder Chanel. Begonnen hat Momox 2004 mit Medien. Bekleidung kam 2013 dazu, sie ist inzwischen die am schnellsten wachsende Kategorie. Wurden 2013 rund 92 000 Kleidungsstücke angekauft, waren es im vergangenen Jahr bereits über 1,1 Millionen. Schon heute erwirtschaftet das Berliner Unternehmen zehn Millionen von insgesamt 150 Millionen Euro Umsatz mit Secondhandmode. Bis 2020 soll Kleidung bei Momox größter Umsatzbringer sein. Der deutsche Gebrauchtmodemarkt zieht auch ausländische Akteure an. Das US-Unternehmen Thredup hat Anfang 2017 ein deutsches Onlineportal eröffnet. Wie Momox konzentriert sich Thredup auf Alltagsmarken wie JCrew oder Banana Republic. In seinem Heimatmarkt, in dem Onlineunternehmen und stationärer Handel 2016 einen Umsatz von 18 Milliarden Dollar mit gebrauchter Mode erzielten, zählt das Unternehmen zu den Schwergewichten. In den vergangenen drei Jahren hat Thredup seinen Umsatz jeweils verdoppelt.

Die Gebrauchthändler holen auch den stationären Handel mit an Bord und ziehen diesen mit in die Beschaffung ein. Buddy+Selly veranstaltet zweimal im Jahr Events bei Partnern wie der KaDeWe Group oder Breuninger. Die Kunden verkaufen ihre getragene Mode und erhalten entweder Bargeld oder einen Gutschein, den sie gleich wieder zum Einkauf bei dem Händler nutzen können. Bei Rebelle läuft es ähnlich. Das Unternehmen führt Veranstaltungen bei Modehändlern wie Anita Haas, Jades oder dem Quartier 206 durch. Die Kunden verkaufen ihre Gebrauchtmode und füllen den so gewonnen Platz im Kleiderschrank gleich wieder auf. Zudem wurde ein Pop-up-Store am Neuen Wall in Hamburg eröffnet, in dem regelmäßig Events stattfinden, auch mit den Anbietern von passender Neuware wie Hey Honey oder 7 Chic Avenue. (5), (6)





Fallbeispiele


Sympatex Technologies: Funktionsjacke aus PET-Flaschen

Die Sympatex Technologies GmbH hat eine Funktionsjacke entwickelt, die aus 32 recycelten PET-Flaschen besteht. Diese ist jedoch komplett frei von Polytetrafluorethylen (PTFE) und Perfluorcarbonen (PFC). Zudem ist das Kleidungsstück zu 100 Prozent recyclingfähig.

Um den Closed Loop-Prinzip zu verwirklichen, hat sich Sympatex Technologies im Rahmen der Industriekooperation wear2wear mit den Partnern Schoeller Switzerland, Märkische Faser, Dutch Spirit und Glaeser Textil zusammengeschlossen. Jeder der vier Partner ist spezialisiert auf einen anderen Teil der Wertschöpfungskette für die Herstellung von Funktionstextilien. Bis 2020 will Sympatex Technologies ausschließlich komplett schadstofffreie, recycelte und komplett recycelbare Funktionstextilien anbieten. (7)


H&M: Recycling ohne Qualitätsverlust

Die H&M Foundation hat zusammen mit dem Hongkong-Forschungsinstitut für Textilien und Bekleidung (HKRITA) eine Methode zur Verarbeitung gebrauchter Textilien zu neuen Garnen und Stoffen entwickelt. Dabei soll es keinen Qualitätsverlust geben. Grundlage ist ein hydrothermaler Prozess, bei dem sich durch Hitze, Wasser und weniger als fünf Prozent biologisch abbaubarer Chemikalien Baumwoll- und Polyestermischungen von selbst trennen. Die neue Technologie soll weltweit lizenziert und dem breiten Markt zur Verfügung gestellt werden. (8)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Der Modemüllberg wächst

Entnommen aus: TextilWirtschaft, 20/2017, S. 46, (8)

Weiterführende Literatur:

(1.) Gibt es ein Leben nach dem Textil-Tod?
aus TextilWirtschaft 37 vom 14.09.2017 Seite 038 bis 043

(2.) Das zweite Leben
aus TextilWirtschaft 31 vom 04.08.2016 Seite 034 bis 035

(3.) Modebranche nicht besonders nachhaltig
aus TextilWirtschaft 20 vom 18.05.2017 Seite 046

(4.) Nachhaltig, kompostierbar, günstig
aus TextilWirtschaft 14 vom 06.04.2017 Seite 019

(5.) Der luxuriöse Weg ins Internet
aus Handelsblatt Nr. 167 vom 30.08.2017 Seite 022

(6.) Erst geliebt, dann verkauft
aus TextilWirtschaft 9 vom 02.03.2017 Seite 024 bis 025

(7.) 100 % recyclingfähige Funktionstextilien
aus Technische Textilien Nr. 5 vom 11.12.2017 Seite 291

(8.) H&M treibt Recycling-Innovationen voran
aus TextilWirtschaft 38 vom 21.09.2017 Seite 006

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 01.02.2018
Dokument-ID: s_tex_20180201

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