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Unterschätzte Branche - Teleshopping glänzt mit Wachstumszahlen

MARKETING UND VERTRIEB | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 06 vom 19.06.2018


Zweiter Platz für QVC

Wer an Home Shopping denkt, denkt vor allem an Amazon und Zalando. Überraschend fiel daher das Ergebnis einer Umfrage des E-Commerce-Beratungsunternehmens ECC aus, das 13 000 Kundenbewertungen analysierte und zu folgendem Ergebnis kam: Keines der beiden Unternehmen gehört in Deutschland zu den Spitzenreitern der beliebtesten Home-Shopping-Firmen. Auf Platz eins landete Zooplus, gefolgt vom Teleshopping-Sender QVC. Vor allem dieser zweite Platz ist überraschend, haftet doch Teleshopping ein etwas, um es vorsichtig zu formulieren, angestaubtes Image an. Die Kombination von TV-, Telefon- und Online-Shopping ist jedoch immens erfolgreich. Einer der Gründe ist, dass sich die Angebote abhängig von der Nachfrage ohne großen Aufwand variieren lassen. Stellt sich heraus, dass ein Produkt sehr stark gekauft wird, bleibt es länger auf Sendung. Im umgekehrten Fall wird ihm weniger Sendezeit eingeräumt. (1)


Teleshopping hat große Zukunft

Dass der Produktvertrieb über das Fernsehgerät hierzulande eine große Zukunft hat, belegen die Verkaufszahlen. Im Jahr 2016 überflügelte die deutsche Teleshopping-Branche den langjährigen Europameister Großbritannien. Fast zwei Milliarden Euro betrug der Umsatz, den die hiesigen Firmen einfuhren. Dazu gehören neben den beiden Platzhirschen QVC und HSE24 15 weitere Sender. Zielgruppe der Teleshopping-Branche sind vorwiegend Frauen der Altersgruppe 50 plus. Sie erwerben hauptsächlich Waren aus den Produktkategorien Haushalt, Kleidung, Fitnesszubehör und Schmuck. Rund 50 Prozent der Kundinnen kaufen mindestens einmal pro Monat ein. Andere gehen sogar mehrmals die Woche auf Shoppingtour. Angst vor fehlenden nachwachsenden Kundenstämmen hat die Branche nicht. Sie geht auch in den Folgejahren von einer Steigerung des Umsatzes zwischen drei und vier Prozent aus. Neben den schon etablierten Teleshopping-Hochburgen Deutschland und Großbritannien sind vor allem Italien und Russland vielversprechende Wachstumsmärkte. (2)


Genügend Geld für irrationale Lustkäufe

Für Nicht-Teleshopper mag es seltsam anmuten, dass die Branche so floriert. Doch die Zielgruppe ist von der Präsentation der Produkte und der versprochenen Qualität offensichtlich so angetan, dass sie Waren kauft, die sich Normalsterbliche entweder gar nicht leisten können, nicht leisten wollen oder die sie schlichtweg für überflüssig halten. Erstaunlich ist jedenfalls, dass es viele Damen in den besten Jahren geben muss, die über genügend finanzielle Mittel verfügen, um sich, sehr häufig zumindest, irrationalen Lustkäufen hinzugeben. Nur so scheint sich zunächst erklären zu lassen, dass Homeshopping-Sender im Monat 40 000 Dyson-Staubsauger für 300 Euro das Stück, 3 000 Brillantringe à 1 000 Euro pro Fingerreif in der Stunde oder ganz einfach nur eine Vielzahl von sogenannten "Magic Hosen" mit Gummizug und Fleckenschutz verkaufen können, von Schlankstütz-Body-Formern ganz zu schweigen. (5)


Hoch professionelle Emotionsmaschinen

Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es sich bei den Teleshopping-Sendern um extrem effiziente, hoch professionelle Unternehmen handelt, die es bestens verstehen, modernste Technologie, mit deren Hilfe sie zum Beispiel minutengenau auf die Reaktionen der Zuschauer reagieren können, und Emotionalität zu verbinden. Letzteres zeigt sich vor allem an der Auswahl der Moderatoren. QVC zum Beispiel hat das Casting und das Training der Präsentatoren im Laufe der Zeit perfektioniert. Der Lohn dieser Vorbereitung lässt sich leicht demonstrieren. Die Moderatoren erhalten Fanpost, schwangere TV-Verkäuferinnen wurden auch schon mal mit selbstgemachter Marmelade oder handgestrickten Socken beglückt. Die meisten Kommentare, die der Sender bekommt, sind daher auch positiv. Auf einer Skala bis 5 liegt der Durchschnittswert bei 4,8. Auf der Grundlage von rund einer Million Meldungen kann sich dieser Wert sehen lassen. (3)



Trends


Omnichannel als Zukunftsperspektive

Welche Möglichkeiten der Branche innewohnen, zeigt beispielhaft das Unternehmen MediaShop mit Hauptsitz im österreichischen Neunkirchen, einem der Vorreiter des Teleshopping-Geschäfts. MediaShop begann seine Laufbahn mit einem klassischen Direct-Response-TV-Modell. Mittlerweile hat sich die Firma unter der Leitung der charismatischen Geschäftsführerin und Miteigentümerin Katharina Schneider zu einem Omnichannel-Unternehmen gewandelt, das weltweit tätig ist. MediaShop verkauft seine Produkte also nicht nur über das Fernsehen, sondern auch über das Internet und in stationären Läden. (4)


Wachstumstreiber Virtual Reality

Das Marktforschungsinstitut Goldmedia sagt voraus, dass der europäische Teleshopping-Markt bis 2022 eine Umsatzsteigerung von 4,9 Prozent pro Jahr erwarten darf. Wachstumstreiber werden den Marktforschern zufolge innovative Smart-Home-Technologien und vor allem Virtual Reality sein. (7)



Fallbeispiele


Guter Instinkt fürs Geschäft

Eine ähnliche Strategie verfolgt auch Sonja Piller, Chefin des zweitgrößten deutschen Teleshopping-Anbieters, HSE24. Sie versucht, nach Russland und Italien auch auf dem arabischen Markt, genauer gesagt in Dubai, Fuß zu fassen und zusätzlich das E-Commerce-Geschäft voranzutreiben. Dass die Managerin einen guten Instinkt fürs Geschäft hat, beweisen die Zahlen. Im vergangenen Jahr hat HSE24 seinen Umsatz im Vergleich mit dem Vorjahr um neun Prozent auf 821 Millionen Euro gesteigert. (5), (6)


Amazon scheitert mit Teleshopping-Show

Dass sich ein erfolgreicher Teleshopping-Sender nicht über Nacht aus dem Boden stampfen lässt, belegt das Beispiel Amazon. Der Online-Riese gründete im Jahre 2016 ein eigenes Bewegtbild-Shopping-Angebot, das er Style Code Live nannte und auf seiner eigenen Website zeigte. Jeweils 30 Minuten pro Show präsentierten in den USA bekannte Moderatoren Styling-Tipps. Gleichzeitig wiesen sie auf Produkte hin, die interessierte Zuschauer bei Amazon kaufen konnten. Sie wurden während der Show in einem kleinen Fenster eingeblendet. Nach 15 Monaten stellte der Versandhändler das Experiment allerdings wieder ein und zog sich von heute auf morgen aus dem Geschäft zurück. (5), (8)


Brooke Shields präsentiert für QVC

In den USA hat QVC Brooke Shields als Moderatorin gewonnen. Der ehemalige Teenie-Star und die zeitweilige Ehefrau von Ex-Tennis-As Andre Agassi präsentiert dort seit Februar dieses Jahres ihre eigene Kollektion. (9)



Weiterführende Literatur:

(1.) Überraschend: Die beliebtesten Onlinehändler in Deutschland heißen weder Amazon noch Zalando
aus BUSINESS INSIDER (DEUTSCHLAND) vom 16.04.2018, 14:52:27

(2.) Spitzenreiter in Europa. Deutschland ist Teleshopping-Weltmeister
aus Handelsblatt online vom 21.06.2017

(3.) Gib dem Zufall keine Chance
aus brand eins, Heft 3/2018, S. 94-99

(4.) Es spielt alle Stückerln auf allen Kanälen
aus "Medianet" Nr. 2123/2018 vom 11.05.2018 Seite 46,47,48

(5.) Gute Gefühle zum Kaufen
aus Handelsblatt Nr. 080 vom 25.04.2018 Seite 047

(6.) Teleshopping: HSE24 wächst um 9% und expandiert in die Golfregion
aus www.textilwirtschaft.de vom 25.04.2018

(7.) HSE 24 steigert den Umsatz um 9%
aus TextilWirtschaft 18 vom 03.05.2018 Seite 010

(8.) Amazon testet Online-TV-Shopping
aus Lebensmittel Zeitung 10 vom 11.03.2016 Seite 062

(9.) Personen: QVC präsentiert Kollektion mit Brooke Shields
aus www.textilwirtschaft.de vom 31.01.2018

Harald Reil

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 06 vom 19.06.2018
Dokument-ID: c_marketing_20180619

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