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Strafzölle ja oder nein - Washington im Zick-Zack-Kurs

VOLKSWIRTSCHAFT | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 03 vom 23.03.2018


Handelskrieg am Horizont

Beklemmendes Hauptthema der globalen Wirtschaft ist in diesen Tagen der von US-Präsident Donald Trump riskierte Handelskrieg. Ausgangspunkt sind die angekündigten Strafzölle auf in die USA exportierten Stahl und Aluminium. 25 Prozent soll der Strafzoll auf Stahlprodukte betragen, zehn Prozent werden für Aluminium fällig. Zwar ist Trump am vergangenen Donnerstag überraschend von seiner Ankündigung zurückgerudert und hat die Europäer von den Strafzöllen wieder ausgenommen. Sicher kann man sich aber nicht sein, ob es sich hierbei um eine Aufhebung oder doch nur um einen Aufschub handelt. Möglicherweise will Trump nun doch erst einmal die Verhandlungen mit den Europäern abwarten.

Mit seinem Protektionskurs - an dem Trump trotz der Kehrtwende prinzipiell festhalten wird - verfolgt der US-Präsident zwei Ziele. Zum einen stört sich der Präsident am hohen Handelsdefizit der USA - das auch durch Stahlimporte zustande kommt. Zum anderen hat die US-Stahlindustrie einen einzigartigen Niedergang hinter sich, der in der Logik Trumps die Folge von Dumpingangeboten ist. So ist die Stahlproduktion weltweit seit dem Jahr 2000 um 127 Prozent gestiegen; im selben Zeitraum mussten jedoch zehn US-Stahlwerke geschlossen werden. Infolge der billigeren Importe aus dem Ausland verzeichnen US-Stahlhersteller trotz der hohen Zahl geschlossener Werke nur eine Kapazitätsauslastung von 73 Prozent; Aluminiumhütten kommen sogar auf nur 48 Prozent. Die Strafzölle haben nun explizit das Ziel, der Kapazitätsauslastung der US-Werke auf 80 Prozent nach oben zu bringen.

Die Europäische Union, China und alle anderen betroffenen Exportländer haben bereits angekündigt, die US-Zölle mit eigenen Strafzöllen zu beantworten, was dann einen Handelskrieg bedeuten würde. Angedroht sind Zölle auf US-Exportschlager wie Harley-Davidson-Motorräder, Jeans und Bourbon-Whiskey. Handfeste Reaktionen stehen allerdings noch aus, auch aus Kanada, Brasilien und Mexiko.

Volkswirte sind derzeit dabei, die möglichen Folgen der Stahlsanktionen für die globale Wirtschaft abzuschätzen. Nach Informationen der Commerzbank ist Kanada das Land, das am stärksten unter den Strafzöllen leiden würde, denn 2017 war das Land der Hauptexporteur von Stahlprodukten in die USA. Das Volumen lag bei 5,2 Milliarden US-Dollar, das sind 18 Prozent aller US-Stahlimporte.

Deutschland exportierte im vergangenen Stahl im Wert von zwei Milliarden US-Dollar in die USA und lag damit auf Platz fünf der wichtigsten Lieferländer. China, das so oft im Fokus der US-Kritik an unfairen Handelspraktiken steht, spielt - erstaunlich genug - bei den US-Stahlimporten keine Rolle. Insgesamt machen Stahlimporte gerade einmal zwei Prozent der US-Gesamteinfuhren aus. 2017 importierten die USA Stahl im Wert von 29 Milliarden US-Dollar und somit 30 Prozent mehr als im Jahr davor.

Die wichtigsten Stahllieferanten hinter Kanada sind Südkorea und Mexiko. Mit Kanada und Mexiko haben die USA das Freihandelsabkommen NAFTA abgeschlossen, die Strafzölle sind somit Verstöße gegen geltendes Handelsrecht. Allerdings ist noch gar nicht klar, ob Trumps Sanktionen auch für die beiden NAFTA-Partner gelten werden.

Bei Aluminium sieht die Lage noch einmal anders aus. Hier erreichten die US-Importe 2017 ein Volumen von 17 Milliarden US-Dollar. Hauptlieferant war wieder Kanada, hier mit über 40 Prozent der Lieferungen. Auf Platz zwei und drei folgen mit großem Abstand China und Russland, während EU-Länder bei Aluminiumexporten in die USA fast gar keine Rolle spielen.

International ist man sich darüber einig, dass ein Handelskrieg allen Beteiligten nur schaden kann. Auch die US-Regierung müsste dies eigentlich wissen, denn Trumps Protektionskurs ist nicht der erste Fall, in dem sich die USA abzuschotten versuchen. Schon George W. Bush hatte 2002 Strafzölle zum Schutz der US-Stahlindustrie erlassen, diese aber nach anderthalb Jahren wieder kassiert. Grund: Gebracht hatten die Zölle gar nichts, zudem hatte die Welthandelsorganisation WTO mit empfindlichen Strafen gedroht. Zudem sind die tatsächlichen Folgen solcher Sanktionen gar nicht absehbar. So würden ausbleibende oder verteuerte Stahlimporte dazu führen, dass in den USA die Inflation steigt und dort hergestellte Automobile und Maschinen teurer werden. Die bei der Stahlindustrie protegierten Arbeitsplätze würden dann möglicherweise an anderer Stelle wegfallen. (1), (2)


Enormes Staatsdefizit

Gleichwohl ist es verständlich, dass die USA nach Wegen suchen, ihr enormes Handelsdefizit zu minimieren. 2017 haben die Vereinigten Staaten im Warenhandel ohne Dienstleistungen ein Defizit von 566 Milliarden US-Dollar verzeichnet. Der größte Teil der negativen Saldos entstand im Handel mit China und lag bei 375 Milliarden US-Dollar.

Nummer zwei in der Rangliste ist die Europäische Union, die im Handel mit den USA einen Überschuss von 151 Milliarden Euro erreicht. Ein genauer Blick auf die gehandelten Warengruppen zeigt, wo die Unwucht besonders groß ist. Hierzu zählen ausgerechnet Getränke und Tabakwaren. 2016 hat die EU Getränke und Tabak im Wert von 10,2 Milliarden Euro in die USA exportiert, in umgekehrter Richtung wurden Waren für nur 1,6 Milliarden Euro versendet. Zwei zu eins für Europa heißt das Verhältnis beim gegenseitigen Handel mit Nahrungsmitteln. Hier kommt zum Tragen, dass Brüssel Chlorhühnchen und mit Hormonen behandeltes Rindfleisch nicht in den europäischen Binnenmarkt hineinlässt. Einen satten Überschuss von 16,6 Milliarden Euro erwirtschaftet Europa zudem im Handel mit Chemikalien und insbesondere mit Medikamenten. 2016 gingen aus Europa Medikamente im Wert von 48,3 Milliarden Euro in die USA, zurück kamen Medikamente für 31,7 Milliarden Euro. Weitere 12,6 Milliarden Euro betrug der europäische Überschuss beim Export von Chemikalien.

Das mit Abstand größte Ungleichgewicht besteht im Handel mit Autos - mit deren höherer Besteuerung Trump bereits gedroht hat. 2016 gingen aus Europa, angeführt von den deutschen Herstellern, Autos für 46,6 Milliarden Euro über den großen Teich, und dies obwohl Daimler, BMW und Volkswagen eigene Werke in den USA errichtet haben. Nach Europa gingen Autos im Wert von nur 10,3 Milliarden Euro, der Überschuss betrug also 36,3 Milliarden Euro. Da manches nach Europa verschiffte US-Auto aus einer deutschen Fabrik stammte - wie zum Beispiel die Mercedes-SUVs -, ist das Ungleichgewicht in Wahrheit sogar noch größer. Der Zorn der US-Regierung ist daher verständlich - zumal die USA für europäische Autos nur 2,5 Prozent Zoll verlangen, während US-Firmen beim Export nach Europa mit zehn Prozent belastet werden. Als noch über TTIP verhandelt wurde, waren gerade diese Zölle Gegenstand der Debatten und sollten eigentlich ganz abgeschafft werden. Allerdings war es Donald Trump, der die TTIP-Verhandlungen auf Eis legte. (3), (5), (7), (8)



Trends


China wehrt sich

Wie sich Europa verhält, wenn es doch wieder in den Fokus der US-Sanktionen gerät, ist nicht abzuschätzen. So ist es fraglich, ob es tatsächlich zu den albernen Strafzöllen auf Whiskey oder Hosen kommt. Eindeutig kämpferischer gibt sich hingegen China. In den staatlich gelenkten Zeitungen des Landes ist zu lesen, dass man den USA nicht mit Appeasement begegnen wolle. Stattdessen sollten die Amerikaner lernen, härter zu arbeiten. (4)



Fallbeispiele


Seeverkehr fürchtet um Aufträge

Auch deutschen Reedern und Schiffsmaklern bereitet der US-Protektionskurs Sorgen. Vor allem Stahlprodukte sind eine wichtige Basisladung in der Seefracht über den Atlantik. Würden sich die Strafzölle irgendwann doch auch auf europäische Stahlerzeuger richten, könnten die Stahlverschiffungen in die USA um bis zu 30 Prozent zurückgehen, befürchten die Reeder. (6)



Weiterführende Literatur:

(1.) Ein weltumspannender Handelskrieg droht
aus "Börsen-Kurier" Nr. 10/2018 vom 08.03.2018 Seite 25

(2.) Strafzölle. USA riskieren den Handelskrieg
aus Die SparkassenZeitung, 09.03.2018, Nr. 10, S. 3

(3.) Die Europäer sind im Handelsstreit ratlos
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2018, Nr. 63, S. 17

(4.) "Appeasement ist keine Option"
aus manager-magazin.de vom 15.03.2018

(5.) Rüffel für deutsche Musterknaben
aus Reutlinger General-Anzeiger vom 15.03.2018

(6.) Seefracht: Strafzölle sorgen für Unruhe
aus Täglicher Hafenbericht, Heft 53/2018, S. 4

(7.) "Treiben Sie Handel, nicht Krieg"
aus Süddeutsche Zeitung, 15.03.2018, Ausgabe Deutschland, S. 17

(8.) Hier hat der Handel zwischen EU und USA wirklich Schieflage
aus manager-magazin.de vom 08.03.2018

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 03 vom 23.03.2018
Dokument-ID: c_vwl_20180323

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