GENIOS WirtschaftsWissen > WIRTSCHAFTSRECHT UND -POLITIK
Logo GENIOS WirtschaftsWissen

Steuerpolitik - kommt die Digitalsteuer für Google und Co

WIRTSCHAFTSRECHT UND -POLITIK | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 10 vom 17.10.2018


Die EU will die Digitalkonzerne stärker besteuern

Die Europäische Union (EU) will eine Digitalsteuer einführen. Die EU-Kommission und auch eine Reihe von Mitgliedsstaaten stoßen sich daran, dass Digitalkonzerne nur wenig Steuern zahlen. Die durchschnittliche Steuerlast traditioneller Unternehmen beträgt in Europa effektiv 23,2 Prozent, bei Digitalkonzernen sind es nur 9,5 Prozent. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Digitalkonzerne in den meisten Ländern keine Betriebsstätten unterhalten. Deswegen soll eine "signifikante digitale Präsenz" in einem Mitgliedsstaat langfristig genauso behandelt werden wie eine physische Betriebsstätte. (1), (5), (6), (8)


Der Gesetzentwurf der EU-Kommission

Mitte März hatte die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vorgelegt. Demnach sollen die Digitalkonzerne künftig eine pauschale Steuer von drei Prozent auf den Umsatz zahlen, sofern ihr Jahresumsatz weltweit 750 Millionen Euro und in der EU 50 Millionen Euro übersteigt. Dies könnte den EU-Ländern etwa fünf Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bringen. Die Steuer soll nur übergangsweise eingeführt werden, bis die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine übergreifende Lösung gefunden hat. Die EU-Staaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen, damit er Gesetz werden kann. Betroffen von der Digitalsteuer wären in erster Linie die großen Online-Konzerne Google, Apple, Facebook und Amazon (kurz Gafa genannt). (1), (5), (6), (8)


Haltung der Bundesregierung ist ambivalent

Im Koalitionsvertrag von SPD und Union steht, dass die Bundesregierung "eine gerechte Besteuerung großer Konzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon" unterstützt. Ferner heißt es in einem Positionspapier des Bundesfinanzministeriums, dass die Digitalkonzerne einen "fairen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Güter" leisten sollten. Allerdings sei eine "Nutzungsbesteuerung", wie von der Kommission geplant, "nicht zielführend". Der Grund für die Zurückhaltung: Als Exportnation profitiert Deutschland vom geltenden Grundsatz, wonach die Gewinne dort besteuert werden, wo sie entstehen. (1), (5)



Trends

Von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stammt die Idee, nicht länger auf eine Lösung des Problems im Rahmen der OECD zu warten, sondern die Besteuerung von analogen und digitalen Unternehmen durch eine europäische Digitalsteuer aneinander anzugleichen. Auf der EU-Ebene hat zuerst der zuständige Kommissar Pierre Moscovici die Idee aufgegriffen. Im Juni hatten Macron und Bundeskanzlerin Merkel dann gemeinsam erklärt, sich für die Steuer einsetzen zu wollen. Widerstand kam von Großbritannien und den Steueroasen Malta, Irland und Luxemburg, die von der derzeitigen Praxis profitieren. (5)

Die Einführung einer Digitalsteuer soll auch der Tatsache Rechnung tragen, dass sich die Unternehmenswelt im digitalen Zeitalter ändert. Bislang knüpft der Fiskus bei der Besteuerung an real existierenden Betriebsstätten an. Bei Unternehmen wie Google und Facebook sucht man diese vergebens. Ihr Geschäft ist der Austausch von Daten und deren Verwertung. Dafür braucht es vor allem Rechnerkapazität, die an einem nahezu beliebigen Ort in der Welt vorhanden sein kann. Das traditionelle Betriebsstättenkonzept greift nicht mehr. Entsprechend soll die europäische Digitalsteuer dort fällig werden, wo die Umsätze entstehen, das heißt dort, wo die Nutzer sitzen. (7)

Das Bundesfinanzministerium prüft verschiedene Modelle einer Digitalsteuer. Einen Ansatzpunkt bietet die jüngste Steuerreform in den USA. Diese führt unter anderem eine Steuer auf Global Intangible Low-Taxed Income (GILTI) ein, also auf Einkommen aus globalen, niedrig besteuerten, immateriellen Wirtschaftsgütern. Damit erhält die US-Regierung Zugriff auf Einnahmen von ausländischen Tochtergesellschaften von US-Unternehmen. So können auch Konzerne zur Kasse gebeten werden, die Geschäfte in Steueroasen verlegt haben. Führen andere Staaten etwas Ähnliches ein, könnte daraus eine globale Mindeststeuer für die Digitalfirmen entstehen. (1)



Fallbeispiele

Die wissenschaftlichen Berater im Bundesfinanzministerium haben die Digitalsteuerpläne der EU-Kommission kritisiert. Die ökonomischen Wirkungen stufen sie als "sehr fragwürdig" ein. Demnach würde eine Digitalsteuer von drei Prozent lediglich 195 Millionen Euro Steueraufkommen generieren, dies aber um den Preis vermutlich hoher Verwaltungskosten. Zudem äußern die Berater rechtliche Bedenken. Der Beirat empfiehlt letztlich, "die Vorschläge der EU-Kommission zur Digitalsteuer nicht zu unterstützen". (4)

Auch das Ifo-Institut kommt zu dem Ergebnis, dass eine Digitalsteuer den Fiskus mehr kosten würde, als sie an Zusatzeinnahmen verspricht. Dass Digitalunternehmen weniger Steuern zahlen, habe auch damit zu tun, dass viele EU-Staaten die Digitalwirtschaft steuerlich fördern. Statt eine neue Steuer zu erfinden, sollten die EU-Staaten deshalb ihre Förderinstrumente und vor allem ihre Doppelbesteuerungsabkommen mit Nicht-EU-Staaten aufeinander abstimmen. Einen wesentlichen Grund für die geringen Steuerzahlungen der GAFAs sieht das Ifo darin, dass sie die Regeln der EU-Staaten noch immer gegeneinander ausspielen können. (2)

Eine neue europäische Digitalsteuer auf die Umsätze großer US-Konzerne könnte gravierende Nachteile mit sich bringen. Diese Ansicht vertritt Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs und damit zugleich der höchste Finanzrichter Deutschlands. Wenn das bisherige Prinzip der internationalen Steueraufteilung geändert werde, könnten künftig auch deutsche Konzerne einen Großteil ihrer Umsätze nicht mehr in der Heimat, sondern im Ausland versteuern. Bei einem exportstarken Land wie Deutschland ist es somit gut möglich, dass die Steuereinnahmen unter dem Strich zurückgehen. (3)

Bei den deutschen Vertretern im Europaparlament ist die Idee einer Digitalsteuer im Grunde auf Zustimmung gestoßen. "Wir müssen unser Unternehmenssteuerrecht dringend ins 21. Jahrhundert überführen", sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. "Dass die Kommission dieses Thema nun angeht und nicht auf internationale Lösungen wartet, ist nur vernünftig." Auch die Grünen fordern eine führende EU-Rolle in der Sache. (6)



Weiterführende Literatur:

(1.) Kommt nun eine Digitalsteuer oder vielleicht doch nicht?
aus Die Zeit vom 13.09.2018, Nr. 38, S. 29

(2.) Nur gut gemeint
aus Handelsblatt Nr. 183 vom 21.09.2018 Seite 010

(3.) BFH-Präsident sieht Bumerang-Gefahr bei Digitalsteuer
aus Welt online vom 28.09.2018

(4.) Fachleute warnen vor der Digitalsteuer
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.09.2018, Nr. 226, S. 19

(5.) Die Digitalsteuer ist noch nicht tot - EU-Finanzminister bekräftigen den Willen, die Abgabe bald einführen zu wollen / Deutschland hat aber Vorbehalte
aus Badische Zeitung vom 11.09.2018, Seite 16

(6.) Facebook, Google & Co.: Brüssel plant Digitalsteuer für Internet-Riesen
aus www.lebensmittelzeitung.net vom 19.03.2018

(7.) Schnellschuss verboten
aus Börsen-Zeitung vom 06.09.2018, Nr. 171, S. 1

(8.) Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft - Vorschläge der OECD und EU aus dem März 2018 auf dem Prüfstand
aus FinanzRundschau 10/2018, S. 441-448

Thomas Trares

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 10 vom 17.10.2018
Dokument-ID: c_wipol_20181017

Alle Rechte vorbehalten. © GBI-Genios