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Schlecht für den Geldbeutel, gut fürs Klima - Neues Emissionshandelsgesetz macht Heizen und Autofahren teurer

UMWELTMANAGEMENT | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 01 vom 25.01.2021


Ein weiterer Mosaikstein für die Klimarettung

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das BEHG in Kraft. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz, wie das Akronym mit vollem Namen heißt, hat unmittelbare Auswirkungen auf den Geldbeutel des Verbrauchers: Heizen und Autofahren werden teurer. Abgesehen davon ist das Gesetz ein weiterer Mosaikstein zur Erfüllung der ehrgeizigen Klimaziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat. Deutschland will bis zum Jahr 2030 seine CO2-Emissionen um 38 Prozent verglichen mit dem Ausstoß im Jahr 2005 vermindern.

Dieser Vorsatz ist wiederum innerhalb des weiteren Kontextes der Klimaneutralität zu sehen, die die Europäische Union bis zum Jahr 2050 anstrebt; und diese soll schließlich dazu beitragen, die globale Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Festgelegt haben sich darauf die teilnehmenden Nationen während der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015. (1)


CO2-Zertifikate werden sukzessive teurer

Im Detail beinhaltet das BEHG Folgendes: Die Händler von Heizöl, Flüssig- und Erdgas, Kohle, Benzin und Diesel werden seit Anfang des Jahres für jede Tonne Kohlendioxid mit 25 Euro zur Kasse gebeten. Bis zum Jahr 2025 klettert der Preis sukzessive auf 55 Euro pro Tonne. Ab 2026 werden die CO2-Zertifikate als Basis des Emissionshandels versteigert und unterliegen dann den Marktgesetzen, wobei im Jahr 2026 noch ein Preisspektrum von 55 bis 65 Euro festgeschrieben ist. Dass die Händler die Mehrkosten, die auf sie zukommen, nicht selbst tragen, liegt auf der Hand. Sie werden sie an die Verbraucher weitergegeben. Das ist schon jetzt an den Tankstellen zu spüren. Im Vergleich zum vergangenen Jahr, in dem Besitzer von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren vergleichsweise günstig tanken konnten, sind die Spritpreise gewaltig in die Höhe geschossen. (1), (2)


Noch ist nicht alles "festgezurrt"

Mit dieser Maßnahme will die Bundesregierung Strom aus regenerativen Energiequellen weiter fördern und fossile Brennstoffe zunehmend unattraktiver machen. Um Härten für Menschen mit geringem Einkommen abzumildern, hat die Koalition beschlossen, das Wohngeld zu erhöhen. Ein Streitpunkt ist allerdings noch, wer für die höheren Heizkosten in Mietwohnungen aufkommen soll. Nach aktuellem Stand wären die Mieter in der Pflicht. Die SPD argumentiert allerdings, dass diese kein Mitspracherecht hätten, wenn es um die Wahl der Heizung geht. Vermieter sollten daher die Hälfte der Mehrkosten übernehmen, lautete die Empfehlung der von der SPD geführten Ministerien für Finanzen, Umwelt und Justiz noch im vergangenen Jahr. Jetzt plädiert die SPD-Bundesfraktion sogar dafür, dass die Vermieter die Kosten ganz übernehmen sollen.

Noch nicht ganz "festgezurrt" ist außerdem, wie mit Unternehmen verfahren werden soll, die verpflichtet sind, am europäischen Emissionshandel teilzunehmen und die jetzt auch noch durch den nationalen Handel zur Kasse gebeten werden. Es wird befürchtet, dass sie durch diese Doppelbelastung ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren. Der Plan ist daher, sie zu entschädigen, und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2021. Detailfragen sind allerdings noch offen. (2), (5)



Trends


Speditionen und Taxibranche unter Druck

Viele Autofahrer werden die Erhöhung der Spritpreise mit einem Achselzucken abtun. Sie sind das Auf und Ab an den Tankstellen mittlerweile gewohnt. Belastender könnte sich die Verteuerung auf Dauer allerdings auf Speditionsunternehmen auswirken. Sie stehen im Wettbewerb mit der europäischen Konkurrenz und können aufgrund der sukzessiven Preisanhebung mit dieser vielleicht bald nicht mehr mithalten. Schwer wird es auch für die Taxibranche werden, die zurzeit ohnehin schwer unter der Coronakrise zu leiden hat. Dass sie jetzt auch noch mehr fürs Tanken zahlen muss, erzeugt zusätzlichen Druck. (8), (9)


Joe Bidens Schritt in die richtige Richtung

Das BEHG setzt sicherlich ein weiteres lobenswertes Zeichen im Kampf gegen den Klimawandel. Die Bestimmungen des Gesetzes sind allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn der Rest der Welt nicht mitzieht. Europa ist insgesamt für rund zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Auf das Konto Chinas gehen 27, auf das der USA 13 Prozent. Indien verursacht sieben Prozent der globalen Emissionen, Russland fünf. Da der Klimawandel eine kollektive Herausforderung ist, sollte die Aufgabe klar sein: Ohne internationale Kooperation lässt sich das Problem nicht lösen.

Vor diesem Hintergrund ist die Hoffnung groß, dass die USA unter der Führung ihres neuen Präsidenten eine Vorreiterrolle übernehmen werden. Den ersten Schritt in diese Richtung hat Joe Biden bereits getan. Er machte den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig, den sein Vorgänger Donald Trump forciert hatte. Auch für China ist die Bekämpfung der Klimakrise eine Top-Priorität. Das Riesenreich will bis 2060 klimaneutral sein. Diese Ankündigung übertrifft sogar die Zusagen, die Peking anlässlich der Pariser Klimakonferenz gemacht hatte. (6), (7), (10)



Fallbeispiele


Preise ziehen an

Schon Ende vergangenen Jahres hatten laut einer Auswertung von Verivox 104 Versorger angekündigt, dass sie aufgrund des Brennstoffemissionshandelsgesetzes ihre Erdgasgrundversorgungspreise erhöhen würden. Nur zwei Unternehmen hatten dem allgemeinen Trend zuwider Preissenkungen angekündigt. Im Schnitt belaufen sich die Kostenzuschläge auf 7,1 Prozent. Überdurchschnittlich viel müssen die Verbraucher in Hessen (+7,5 Prozent), Bayern (+7,7 Prozent), Rheinland-Pfalz (+8,9 Prozent) und Berlin (+9,7 Prozent) zahlen. (3)

Verbraucherzentralen haben berechnet, dass eine Familie, die in einem Einfamilienhaus wohnt und ein Auto mit Verbrennungsmotor ihr Eigen nennt in diesem Jahr mit Mehrkosten in Höhe von rund 200 Euro belastet wird. Der Betrag wird in den kommenden Jahren weiter nach oben klettern. (2)


Kritik von AfD und DIHK

Es gibt wohl kaum Gesetze, die auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Das BEHG ist da keine Ausnahme. Kritik äußert zum Beispiel die AfD, die von "Abzocke" spricht und voraussagt, seine Bestimmungen würden die Autoindustrie in den Abgrund führen. Kritisch äußerte sich auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Vertreter mahnten unter anderem an, die Stromsteuer zu minimieren und an europäische Mindestsätze anzugleichen, ansonsten könnten manche Unternehmen nicht mehr rentabel wirtschaften. (4)



Weiterführende Literatur:

(1.) Ein Preis für den Klimaschutz
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2020, Nr. 274, S. V8

(2.) Der CO2-Preis krempelt den Energiemarkt um
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.2020, Nr. 274, S. V8

(3.) Erdgas wird um 7 Prozent teurer
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.11.2020, Nr. 270, S. 27

(4.) Reform macht Heizen und Autofahren teurer
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.10.2020, Nr. 235, S. 15

(5.) Wer zahlt fürs CO2?
aus Frankfurter Rundschau, v. 07.01.2021, S. 14, Ausgabe: Deutschlandausgabe

(6.) Wirtschaft und klimaneutral. Ein Widerspruch?
aus FOCUS vom 16.01.2021, Nr. 55, Seite 58

(7.) 444 Tage nach Austrittserklärung: Biden leitet Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen ein
aus WirtschaftsWoche online 21.01.2021 um 18:01:21 Uhr

(8.) Der CO2-Preis allein ist noch kein Konzept
aus Handelsblatt online vom 01.01.2021

(9.) Teurer Sprit: Zwischen Aufschrei und Lob
aus Rundschau für den Schwäbischen Wald vom 12.01.2021, Seite 16

(10.) Klima versus Corona
aus Börsen-Zeitung vom 31.12.2020, Nr. 251, S. 37

Harald Reil

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 01 vom 25.01.2021
Dokument-ID: c_umwelt_20210125

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