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New Work - neue Herausforderungen an die Motivation

PERSONAL | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 03 vom 22.03.2019


New Work braucht motivierte Mitarbeiter

Fachautoren und Experten sind sich einig: Das Wirtschaften in einer volatilen und komplex gewordenen Welt verlangt eine neue Form der Mitarbeiterführung. Führung 4.0 gewährt Freiheiten, fördert Eigenverantwortung und ersetzt - dies allerdings noch als Fernziel - die autoritäre Führung früherer Zeiten durch Demokratie und Gleichberechtigung.

Über diese Dinge wird derzeit viel geschrieben und geforscht. Doch während man sich über den notwendigen Wandel der Führung bereits heute weitgehend einig ist, bleiben die Auswirkungen dieses Wandels auf die Mitarbeiter noch im Nebel. Das allerdings darf so nicht bleiben, denn um neue Formen der Führung zu denken und auszuprobieren, müssen die Geführten notwendigerweise mitgedacht werden.

So ist beispielsweise die Frage offen, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es überhaupt zu schätzen wissen, wenn man ihnen mehr Freiheiten und Verantwortung überträgt. Aktuelle Studien zeigen zwar, dass sich viele Menschen in abhängiger Beschäftigung durchaus wünschen, mehr in Entscheidungen eingebunden zu werden und gleichzeitig eigenverantwortlicher zu arbeiten. Allerdings bieten geäußerte Wünsche alleine noch keinen Beweis dafür, dass ein höheres Wohlbefinden und höhere Motivation die tatsächliche Folge wären. Die Psychologie des Personals rückt dann in den Vordergrund, und es ist nicht davon auszugehen, dass jeder Mitarbeiter durch eine neue Arbeitsorganisation per se mehr Arbeitsfreude empfindet.

Auch liegen noch wenige Erfahrungswerte darüber vor, wie sich beispielsweise der Wegfall von Hierarchien auf das Verhalten der Kollegen auswirkt. Immerhin darf befürchtet werden, dass nicht jeder Mitarbeiter mit dem Freiheitszuwachs verantwortungsvoll umgeht. Vielmehr dürfte es einige geben, die das neue Miteinander als Machtvakuum interpretieren und dann selbst nach Macht streben.

An diese Gedanken schließt sich die Frage an, wie sich Partizipation und Eigenverantwortung auf die Motivation von solchen Mitarbeitern niederschlagen, die bisher zufrieden damit waren, feste Weisungen zu erhalten und Arbeitsaufträge ohne Eigenkreativität abzuarbeiten. Dieser Typus von Mitarbeitern könnte eine gewandelte Arbeitswelt leicht als Überforderung erleben und mit den neuen Freiheiten möglicherweise schlicht nichts anfangen.

Ohne das richtige Personal ist eine Neuausrichtung der Arbeitsorganisation folglich nicht zu leisten. Noch mehr als ohnehin sind jetzt Mitarbeiter gefragt, die aus gewährten Freiheiten und höherer Verantwortung Motivation ziehen. Zum anderen müssen sie neue Fertigkeiten mitbringen, die sich aus ihrer gewandelten Rolle ergeben: Mitarbeiter, die im Kosmos von New Work bestehen wollen, müssen selbstbewusst sein, sich einbringen wollen und entschlussfreudig sein. Besondere Talente sind zudem für das tägliche Miteinander gefragt. Teamfähigkeit und soziale Intelligenz werden besonders wichtig, wenn Hierarchien wegfallen und das Personal gefordert ist, auch das Miteinander eigenverantwortlich zu gestalten.

Viele Kompetenzen, die für die neue Art der Arbeit nötig werden, sind also anfangs nicht vorhanden und müssen daher erarbeitet werden. Hieraus resultiert die Forderung nach besonders motivierten Mitarbeitern, die den Wandel positiv aufnehmen und die sich notwendige neue Skills aneignen. Die intrinsische Motivation - also der Antrieb aus sich selbst heraus - muss wegen dieser vielfältigen neuen Anforderungen besonders hoch sein. Intrinsische Motivation ist allerdings nicht erst infolge der neuen New-Work-Ideen ein überaus wichtiges Thema. Manche Unternehmen versuchen daher, die Motivation ihrer Kandidaten auch mithilfe psychologischer Tests zu ermitteln. Ein häufig eingesetztes Tool für die Motivationsmessung ist die MotivStrukturAnalyse der Lemgoer MSA GmbH.

Ist das richtige Personal gefunden, sind alle weiteren Anforderungen an die Einsetzung einer partizipativen Arbeitsorganisation zuallererst mit der Führung verbunden. Um Mitarbeiter zu mitdenkenden Mit-Entscheidern zu machen, sind Führungsqualitäten wie das Talent zur Ermutigung, zur Befähigung und zum Coaching gefragt. Auch die Stärkung der intrinsischen Motivation steht auf der Agenda, wenn berufserfahrene Kollegen für eine neue Form des Arbeitsmiteinanders begeistert werden sollen. Es zeigt sich damit, dass die rein fachliche Führung, wie sie früher betrieben wurde, künftig immer mehr in den Hintergrund tritt, während die psychologische Führung an Bedeutung zunehmen wird. (1), (2), (3), (4), (5)



Trends


Weniger Arbeit bei vollem Lohn

Weder die industrielle noch die digitale Revolution haben bisher dazu geführt, dass Menschen weniger arbeiten müssen. 35 bis 40 Stunden je Woche sind weiterhin obligatorisch. Die These des britischen Ökonomen John Mayard Keynes, der schon 1930 prophezeite, dass der Einsatz von Technik zu mehr Freizeit führen werde, ist damit noch nicht Wahrheit geworden.

Insbesondere das Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) bringt das Thema derzeit wieder auf den Plan, denn wenn Menschen durch Computer komplett ersetzt werden können, müsste sich dies auch auf das Arbeitsaufkommen niederschlagen. Einige Unternehmen auch aus dem deutschen Sprachraum sind daher dabei, neue Modelle auszuprobieren, bei denen eine radikal gekürzte Arbeitszeit mit vollem Lohn ausgeglichen wird. Damit die Sache funktioniert, muss die noch aufgebrachte Arbeitszeit freilich besonders effizient genutzt werden. Die Unternehmen, die derzeit mit dem Fünf-Stunden-Tag und anderen Formen experimentieren, sind allerdings durchweg eher klein. (8)



Fallbeispiele


Transformation im Automobilsektor

Volkswagen hat seit dem vergangenen Jahr einen neuen Personalvorstand und will sein HR-Management auf neue Füße stellen. Der Konzern will bis 2025 zum weltweit führenden Anbieter von Elektro-Automobilen werden und hat sich dafür auch eine passende Personalstrategie zurechtgelegt. Zentrale Bedeutung hat dabei die Weiterbildung, denn der Bau von Elektromobilen verläuft deutlich anders als die Produktion von Autos mit Ottomotoren. Zudem hat VW massiven Bedarf an Menschen mit einer Ausbildung im Bereich IT. Da der Arbeitsmarkt derzeit wie leergefegt dasteht, will VW seine Programmierer und Entwickler künftig selbst ausbilden.

Wie die Digitalisierung wird auch das Elektroauto den zu bewältigenden Arbeitsaufwand mindern. Wie vor wenigen Tagen publik wurde, will VW bis 2023 daher 7 000 Stellen streichen. Hierfür sollen allerdings lediglich frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden, Kündigungen gehören nach jetziger Planung nicht dazu.

Ein beträchtliches Problem hat Volkswagen mit seiner Attraktivität als Arbeitgebermarke. Seit dem Dieselskandal steht das Unternehmen als Betrüger und Umweltsünder am Pranger. Für das Recruiting junger Arbeitskräfte ist dieses Image nicht eben förderlich. Um dies zu ändern, hat VW einen Kulturwandel angestoßen, bei dem das Personalwesen integriert ist.

Die neuen Ideen zur Arbeitsorganisation im Sinne von New Work kommentiert der VW-Personalvorstand zurückhaltend. Der Experte glaubt nicht, dass ein Großkonzern wie Volkswagen ganz ohne Hierarchien auskommt. Demokratische Elemente wie etwa die Möglichkeit, den Vorgesetzten zu wählen, hält er nicht für zielführend. (6)


Vielversprechende HR-Manager im Porträt

Das Fachmagazin Personalwirtschaft hat HR-Manager vorgestellt, von denen in nächster Zeit zu hören sein wird. Zu den porträtierten Personalern gehören Jochen Wallisch, HR-Verantwortlicher bei Siemens, und Oliver Burkhard von ThyssenKrupp. (7)



Weiterführende Literatur:

(1.) Welche Persönlichkeiten braucht "New Work"?
aus witschaft & weiterbildung Heft 3/2019 S. 24-30

(2.) Warum die Motivation der Mitarbeiter immer wichtiger wird
aus marconomy.de vom 26.10.2018

(3.) Wir entscheiden!
aus Personalmagazin, Heft 09/2018, S. 30

(4.) Agilität: warum, wofür, wie viel?
aus Personalmagazin Heft 2/2019 S. 50-53

(5.) Wie kann man die Eigenmotivation und -verantwortung der Mitarbeiter fördern?
aus marconomy.de vom 28.01.2019

(6.) "Wir in HR haben Standing, müssen aber auch liefern."
aus Personalmagazin Heft 01/2019 S. 40-45

(7.) Diese Köpfe sollten Sie im Blick haben
aus Personalwirtschaft, Heft 01/2019, S. 26-32

(8.) Weniger Arbeit bei vollem Lohn ist keine Utopie mehr
aus wirtschaft&weiterbildung, Vol. 30, Heft 11/12/2018, S. 34-37

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 03 vom 22.03.2019
Dokument-ID: c_perso_20190322

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