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Made in China 2025 - Das Reich der Mitte kämpft gegen die USA um die Vorherrschaft in der Welt

STRATEGIE | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 07 vom 17.07.2019


Ein Gespenst geht um in der Welt &

"Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus", hieß es im Manifest der Kommunistischen Partei, das Karl Marx und Friedrich Engels verfasst haben. Heute könnte man den Satz folgendermaßen umschreiben: Ein Gespenst geht um in der Welt, das Gespenst des chinesischen Staatskapitalismus. Und in der Tat betrachten Nicht-Chinesen mit Staunen, welchen Aufschwung das Land, das vor gar nicht so langer Zeit noch als verlängerte Werkbank des Westens gegolten hatte, mittlerweile genommen hat.


Kampf der Systeme

Das mulmige Gefühl, das sich in den westlichen Industrienationen breitmacht, hat auch die USA befallen. Die Weltmacht sieht sich mit einem neuen Gegner konfrontiert, nachdem der einstige Antagonist, die Sowjetunion, an seiner ineffizienten Planwirtschaft kollabiert ist. Der Handelsstreit, den Präsident Donald Trump mit China vom Zaun gebrochen hat, ist nicht nur ein Kampf zweier konkurrierender Wirtschaftssysteme, sondern eine Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in der Welt. Dabei spielen neben der Ökonomie auch noch militärische und ideologische Aspekte eine Rolle. (1)


Das Ziel ist, den Westen hinter sich zu lassen

Welche Ambitionen das Reich der Mitte hat, hat die Staatsführung in ihrer sogenannten Made-in-China-2025-Strategie schon angedeutet. In sechs Jahren wollen die Chinesen in zehn Schlüsseltechnologien wie zum Beispiel der Automatisierungstechnik, der Elektromobilität sowie der Material- und Medizintechnik ganz vorne in der Welt mitmischen. Für deutsche Unternehmen mögen sich dadurch Chancen ergeben, indem sie als Zulieferer das nötige Material bereitstellen, um China technisch hochzurüsten. Allerdings ist dies ein zweischneidiges Schwert; denn letztendlich ist das Ziel der Asiaten, die USA und den Rest des Westens hinter sich zu lassen. (2), (3)


Chinas erfolgreicher antidemokratische Staatskapitalismus

Das Faszinierende dabei ist, dass China dabei nicht nur auf einem guten Wege ist, sondern dass es ihm auch auf eine Art und Weise zu gelingen scheint, die Verfechter der Idee, der Kapitalismus könne nur in einem freiheitlich-demokratischen System gedeihen, Lügen straft. Chinas kapitalistische Spielart verträgt sich nämlich hervorragend mit einem autoritären System, das dank der modernen Entwicklungen in der Informationstechnologie dabei ist, sogar noch restriktiver zu werden. Man denke nur an die beabsichtigte Einführung des für westliche Beobachter als pervers empfundenen Social-Scoring-Systems, das die Bürger des Reiches der Mitte einer rigorosen Überwachung unterwirft und ihnen anhand erzielter oder nicht erreichter Punkte bestimmte Privilegien zugesteht oder eben auch nicht. (4), (5)


Peter Altmaiers Faible für China

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat zwar nicht vor, Deutschland in einen autoritären Staat zu verwandeln, das chinesische staatskapitalistische Erfolgsmodell hat es ihm aber angetan. Und zwar so sehr, dass er eine eigene Strategie ("Nationale Industriestrategie 2030") ausgearbeitet hat, welche die Rolle des Staates deutlich mehr in den Vordergrund rücken soll als in der Vergangenheit. Um der Herausforderung der chinesischen Wirtschaftsmaschine zu begegnen, will der Minister in der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten kompetitive Konzerne heranzüchten, die den staatlich geförderten Großunternehmen aus China Paroli bieten können. Vor allem beim Mittelstand ist Altmaiers Vorstoß aber nicht auf gnädige Ohren gestoßen. Seine Vertreter haben darauf hingewiesen, dass mittelständische Firmen das eigentliche Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden und keineswegs die sogenannten "systemrelevanten Unternehmen", die angeblich gefördert werden müssen. (6), (8)



Trends


Drei Schritte auf dem Weg nach oben

Die Made-in-China-2025-Strategie ist nach Ansicht von Fachleuten nur der erste Schritt auf dem Weg Chinas an die Spitze der Welt. Die Experten glauben, dass die Route zu diesem Ziel in insgesamt drei Teilabschnitte aufgegliedert ist. Spätestens 2049, wenn das Reich der Mitte das 100-jährige Bestehen der Volksrepublik feiert, soll es erreicht sein. (1)


China macht Amerika nervös

Wie nervös die Amerikaner mittlerweile sind, verdeutlicht auch folgende Tatsache: Das Verteidigungsministerium will im kommenden Jahr 100 Milliarden US-Dollar investieren, um neue militärische Technologien zu entwickeln. Im Vergleich zum Jahr 2016 bedeutet dies eine Erhöhung der Mittel um rund 50 Prozent. (1)


Chinas ehrgeizige KI-Strategie

Schon jetzt zählt China auf dem Gebiet der Digitalisierung zu den führenden Ländern der Welt. Seine 2017 formulierte KI-Strategie (Next Generation AI Development Plan) zielt darauf ab, mit der USA im nächsten Jahr in dieser Technologie aufzuschließen, sie bis 2025 zu übertrumpfen, um dann 2030 endgültig die Weltführerschaft zu übernehmen. (4)



Fallbeispiele


China schreckt auch vor unlauteren Methoden nicht zurück

Um seine Made-in-China-2025-Strategie erfolgreich umzusetzen, schreckt das Reich der Mitte auch von unlauteren Mitteln nicht zurück. Hier ist ein Beispiel aus der Biotech-Branche, die ebenfalls zu den Schlüsselindustrien gehört, in denen die Chinesen zur Weltspitze aufsteigen wollen: Ein chinesischer Wissenschaftler, der am Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research in Basel beschäftigt war, übermittelte seiner Schwester nicht-öffentliche E-Mails und nutzte widerrechtlich die Forschungseinrichtung des Labors, um im Auftrag eines Start-ups, das vom chinesischen Staat mit Geldern unterstützt wird, Tests durchzuführen. Diese Art von Ideenklau ist für China nahezu notwendig, will es seine Ziele erreichen, da das Land in der pharmazeutischen Forschung vor allem im Vergleich mit den USA abgeschlagen hinterherhinkt. Die Amerikaner halten die Gefahr jedenfalls für so groß, dass chinesische Staatsbürger von den National Institutes of Health keine Stipendien mehr erhalten. (7), (9)


Chinas Belt and Road Initiative

China hat mehrere Strategiepläne entwickelt, um seine Ziele zu erreichen. Dazu zählt die sogenannte Belt and Road Initiative (BRI), die auch unter dem Namen Neues-Seidenstraßen-Projekt bekannt geworden ist. Angeblich sollen durch ein weitgespanntes Handelsnetz rund 60 Nationen in Afrika, Asien und Europa davon profitieren. Kritiker befürchten allerdings, dass die Volksrepublik damit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch militärstrategische Ziele verfolgt. (10)



Weiterführende Literatur:

(1.) Kampf um die Weltherrschaft
aus NZZ am Sonntag vom 09.06.2019 Seite 33

(2.) "China hat sich zu einem Leitmarkt entwickelt"
aus Absatzwirtschaft Nr. 07/08 vom 28.06.2019 Seite 028

(3.) Wenn Made in Germany zu Made in China wird
aus Der Tagesspiegel vom 04.07.2019, Seite 16

(4.) Kapitalismus geht auch ohne Demokratie
aus Zeit online vom 07.06.2019, Nr. 17

(5.) "Bewertungssysteme schließen Lücken"
aus Technology Review Heft 7/2019 S. 102

(6.) Doppelte Mission
aus taz.die tageszeitung vom 21.06.2019, Seite 8

(7.) Die neue rote Gefahr
aus Handelszeitung Nr. 28 vom 11.07.2019 Seite 16

(8.) Unter Beschuss - Bundeswirtschaftsminister Altmaiers Strategiedebakel
aus GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 05 vom 20.05.2019

(9.) Haftbefehl gegen chinesischen Forscher
aus Neue Zürcher Zeitung vom 10.07.2019 Seite 22

(10.) One Belt, One Road - Chinas neues Superprojekt macht den Rest der Welt nervös
aus GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 01 vom 29.01.2019

Harald Reil

Metainformationen

Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 07 vom 17.07.2019
Dokument-ID: c_strategie_20190717

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