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EU-Urheberrecht - die Auswirkungen der Reform auf die Digital- und Medienwirtschaft

WIRTSCHAFTSRECHT UND -POLITIK | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 04 vom 18.04.2019


EU-Urheberrechtsreform sorgt für Kontroversen

Das EU-Parlament hat Ende März für die EU-Urheberrechtsreform gestimmt, inklusive des umstrittenen Leistungsschutzrechts und der von Internetaktivisten scharf kritisierten Upload-Filter. Die Reform ist umstritten wie kaum eine andere in der Geschichte der EU. Netzaktivisten sammelten fast fünf Millionen Unterschriften gegen das EU-Copyright, darunter rund 1,3 Millionen aus Deutschland. Die EU hingegen will das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen. Zuletzt wurde die EU-Urheberrechtsrichtlinie 2001 geändert. Kontrovers diskutiert wurden vor allem die Artikel 11 und 13 des neuen Rechts. (2), (3), (6)


Artikel 11 enthält das Leistungsschutzrecht

Das Leistungsschutzrecht ist nun in Artikel 11 des reformierten Urheberrechts verankert. Dieses soll verhindern, dass Suchmaschinen kleinere Ausschnitte und Textfragmente aus Zeitungs- beziehungsweise Pressemeldungen als Vorschau auf die eigentliche Publikation unentgeltlich veröffentlichen. Die Verlage und Medienunternehmen hoffen nun darauf, von den Milliardeneinnahmen von Google und Facebook ein Stück abzubekommen. Ausgenommen von der Regelung sind Hyperlinks sowie die private und nicht-kommerzielle Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Kommerziell erlaubt bleibt die Verwendung "einzelner Wörter" oder "sehr kurze Auszüge aus einer Presseveröffentlichung". (1), (2), (5)


Artikel 13 verlangt Vorabprüfung der hochzuladenden Inhalte

Um die Kreativwirtschaft zu schützen, verlangt Artikel 13, dass die hochzuladenden Inhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung überprüft werden. Die Politik nimmt hier vor allem die Plattformen in die Pflicht: Konzerne wie Google und Facebook, deren Geschäftsmodelle auf der Verbreitung fremder Inhalte basieren, sollen künftig für Urheberrechtsverletzungen haften. Der Entwurf sieht allerdings Ausnahmen vor. So sollen kleine Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind, einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro und unter fünf Millionen Nutzer im Monat haben, von Artikel 13 ausgenommen werden. (1), (2), (5)


Die umstrittenen Upload-Filter

Der Begriff "Upload-Filter" wird in dem Gesetzentwurf zwar vermieden, Internetexperten gehen aber davon aus, dass Plattformbetreiber nicht um den Einsatz automatischer Filter herumkommen, wenn sie sich künftig rechtskonform verhalten wollen. Diese Filter überprüfen Bilder, Videos, Musik und Texte bereits vor ihrem Hochladen im Internet nach unzulässigen Inhalten - und stoppen den Prozess im Zweifel. Dadurch werden die Inhalte erst gar nicht publiziert. Das Problem dabei ist, dass es eine technische Lösung, die fehlerfrei funktioniert, bislang noch gar nicht gibt. Da es vor allem in Deutschland heftige Proteste gab, betonte die Bundesregierung, Upload-Filter sollten bei der Umsetzung weitgehend vermieden werden. (5), (6)



Trends

Die Verlage versprechen sich von der Urheberrechtsreform zusätzliche Einnahmen. Ob dies tatsächlich so kommt, ist fraglich. In Deutschland etwa ist das 2013 eingeführte Leistungsschutzrecht de facto gescheitert. Google verlangte von den Verlegern eine Zustimmung (Opt-in) für die Nutzung der sogenannten Snippets, also kurzer Textauszüge in seinen Suchergebnissen. Die meisten Verlage willigten ein, um ihre Reichweiten im Internet nicht zu gefährden - mit der Folge, dass das Leistungsschutzrecht wirkungslos verpuffte. (1)

Die EU-Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, die Beschlüsse in nationales Recht umzuwandeln. Eine mögliche Vergütung der Verlage auf Grundlage des EU-Copyrights müsste dann direkt zwischen den Rechteinhabern, also den Verlagen beziehungsweise deren Verwertungsgesellschaft VG Media, und den Plattformbetreibern, also Google & Co., ausgehandelt werden. Ob sich Google auf eine Vergütung für die Verlinkung von Inhalten bei Google News einlässt, ist jedoch fraglich. (1), (2)



Fallbeispiele

Zahlreiche Verbände der Kreativwirtschaft haben die Urheberrechtsreform begrüßt, darunter die Produzentenallianz, die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, der Verband unabhängiger Musikunternehmen, die Verlegerverbände BDZV und VDZ und die Initiative Urheberrecht. Der Verband privater Rundfunkunternehmen Vaunet mahnte zudem eine "Umsetzung mit Augenmaß" an, die ein "Bürokratiemonster" verhindern müsse. (4)

Dagegen hat der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) die Einigung als "tiefen Eingriff in die Mechanismen vieler Systeme" kritisiert. Zwar seien kleine Plattformbetreiber teilweise ausgenommen, allerdings seien diese Ausnahmen viel zu eingeschränkt. Die konkreten Folgen für Plattformbetreiber würden sich noch nicht abschätzen lassen. Ob es zu einer Abmahnwelle komme, könne man auch noch nicht sagen. (1), (2)

Digitalverbände wie der deutsche Bitkom gehen davon aus, dass sich vor allem kleine Start-ups, die Plattformen aufbauen wollen, die benötigten Filter- und Regulierungssysteme nicht leisten können. Deswegen wurde für Start-ups, die unter einer bestimmten Umsatzschwelle liegen die nicht älter als drei Jahre sind, eine Ausnahmeregelung geschaffen. Als Modell für die Absicherung der Plattformen sieht die Richtlinie den Abschluss von Lizenzen mit Verwertungsgesellschaften wie beispielsweise der Gema für Musikrechte vor. (4)

Auch die Google-Tochter Youtube hat vor den möglichen Folgen von Artikel 13 gewarnt: Bei Youtube würden pro Minute mehr als 400 Stunden Videomaterial hochgeladen. Die daraus resultierenden Verbindlichkeiten könnten so groß sein, dass kein Unternehmen ein solches finanzielles Risiko eingehen kann. Als Beispiel nannte die Youtube-Chefin Susan Wojcicki den Youtube-Hit "Despacito", bei dem die Rechtelage so kompliziert ist, dass nicht einmal alle Rechteinhaber bekannt sind. Dies bedeutet, dass Youtube "Videos dieser Art möglicherweise blockieren muss, um eine Haftung nach Artikel 13 zu vermeiden". (2)

Zudem befürchtet man, dass die Unternehmen aus Sorge vor rechtlichen Konsequenzen mehr Inhalte blockieren könnten, als sie tatsächlich müssten. Das könnte die Meinungsfreiheit einschränken. Kritiker bezeichnen Upload-Filter daher als Zensurmaschine. Tim Berners-Lee, Erfinder des World Wide Web, warnte: "Artikel 13 ist ein beispielloser Schritt zur Transformation des Internets von einer offenen Plattform [...] zu einem Werkzeug für automatisierte Überwachung und Kontrolle." (5)



Weiterführende Literatur:

(1.) Copyright-Reform: Was das neue EU-Urheberrecht für Verlage und Plattformbetreiber bedeutet
aus horizont.net vom 15.02.2019

(2.) Zwischen Hoffen und Bangen
aus Horizont 8 vom 21.02.2019 Seite 004

(3.) EU-Urheberrechtsreform: So geht's jetzt weiter & Reaktionen
aus PC-Welt Online, Meldung vom 27.03.2019

(4.) Google will bei der Reform des Urheberrechts kooperieren
aus Welt online vom 27.03.2019

(5.) EU-Urheberrechtsreform. Umstrittener Upload-Filter - Das sind die sieben wichtigsten Fragen und Antworten
aus Handelsblatt online vom 25.02.2019

(6.) Copyright-Reform: Neues EU-Urheberrecht endgültig beschlossen
aus horizont.net vom 15.04.2019

Thomas Trares

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Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 04 vom 18.04.2019
Dokument-ID: c_wipol_20190418

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