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Ökologischer Fußabdruck (Carbon Footprint) - Wie viel Klimawandel verursacht der Konsum

UMWELTMANAGEMENT | GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 06/2008 vom 11.06.2008

Beitrag

Soll der Klimawandel aufgehalten werden, so darf kein Mensch auf der Welt mehr als 3 000 kg Kohlendioxidemissionen pro Jahr verursachen. Dabei bringt es ein Flug nach Mallorca und zurück bereits auf 680 kg CO2, ein Jahr Autofahren auf 2 000 kg. Aber auch der jährliche Milch- und Joghurtverbrauch eines Durchschnittsbürgers schlägt mit 970 kg Emissionen zu Buche. Der ökologische Fußabdruck soll künftig Auskunft geben, wie viel ein Produkt zum Klimawandel beiträgt. (1)



Jedes Produkt verursacht CO2-Emissionen

Durch den allgemeinen Konsum verursacht jeder Durchschnittsdeutsche rund 11 900 kg Kohlendioxid-Emissionen jährlich. Laut Atmosfair liegt das klimaverträgliche Jahresbudget aber nur bei 3 000 kg pro Jahr und Person. Viel ist diskutiert worden in letzter Zeit über Autos und Flugzeuge, über Energieproduzenten und Industrie als Hauptverursacher des Klimawandels. Das ist sicher richtig und doch wurde dabei bisher übersehen, dass jedes Produkt, das der Einzelne kauft, seinen Anteil am CO2-Ausstoß beiträgt. Jeder Mensch kann also durch sein Konsumverhalten den Klimawandel beschleunigen oder verlangsamen. Der ökologische Fußabdruck soll helfen, klimafreundliche Kaufentscheidungen zu treffen. (1), (2)

Für jedes Produkt und für jede Dienstleistung lässt sich der sogenannte ökologische Fußabdruck oder neudeutsch Carbon Footprint errechnen. Jeder Energieverbrauch bei Anbau oder Produktion, jeder Rohstoff und jedes Zulieferteil, jede Verpackung, jeder Transport, der Verbrauch und oft die Entsorgung verursachen Klimagase, das in China produzierte T-Shirt genau so wie der Joghurt aus der Molkerei um die Ecke. Laut Umweltbundesamt werden rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen von Ernährung und Konsum verursacht. (1), (3)

Die Idee hinter dem ökologischen Fußabdruck ist, die Menge an CO2, die ein Produkt verursacht, über eine Kennzeichnung sichtbar zu machen. Dies soll dem Verbraucher die Möglichkeit geben, das ökologisch vorteilhaftere Produkt zu wählen und so seinen Beitrag zur Klimaerwärmung zu senken. Am weitesten fortgeschritten ist Großbritannien mit diesem Konzept. Dort wurde bereits vor einem Jahr ein Pilotprojekt zum Product Carbon Footprint (PCF) gestartet, an dem namhafte britische Unternehmen teilnahmen. Deshalb kann man dort in manchen Supermärkten bereits Waschmittel kaufen mit einem Etikett, das nicht nur die 850 g Treibhausgase pro Waschtablette nennt, sondern außerdem eine Empfehlung zum Kauf von Flüssigwaschmittel abgibt, da dieses rund 150 g weniger CO2 pro Waschladung verursacht. (1), (2)



Belastbare Messmethoden fehlen

Das britische Projekt der Carbon Trust Agentur findet aber nicht nur Befürworter. Hauptkritikpunkt sind die Methoden, mit denen der Footprint dort errechnet wird. Für zu ungenau wird die dortige Berechnung gehalten. Denn noch fehlen internationale Standards und wirklich belastbare Methoden zur Datenermittlung. Betrachtet man allein die verschiedenen Transporte eines Gutes, so können sich je nach Nutzung eines Fahrzeugtyps erhebliche Unterschiede ergeben. Wird ein LKW der EURO-3-Klasse eingesetzt, so entstehen mehr Klimagase als bei Nutzung eines Transporters der Klasse Euro-5. Kommt ein Güterzug zum Einsatz, muss nicht nur berücksichtigt werden, ob eine Diesel- oder Elektrolok eingesetzt wird, sondern auch, woraus der genutzte Strom für die E-Lok produziert wurde. Ähnlich komplex ist die Situation bei den Lebensmitteln. Ein Rindersteak von einer Kuh die sich ihr Leben lang vom heimischen Grünfutter auf der Weide ernährte, hat weniger negativen Einfluss als das Steak, dass mithilfe von Soja-Kraftfutter erzeugt wurde, für welches ein Urwaldgebiet in Amazonien abgeholzt wurde. Will man untersuchen, wie groß der ökologische Fußabdruck eines Schokoriegels ist, muss man die Werte für dessen Inhaltsstoffe wie Milch, Kakao, Nüsse usw. aufaddieren. (2), (4), (5), (6), (10)

Deutsche Wissenschaftler wollen nun in einem Pilotprojekt bessere und exaktere CO2-Mess- und Berechnungsmethoden entwickeln und testen. Im April 2008 haben sich zu diesem Zweck das Öko-Institut, der WWF, das Potsdam-Institut für Klimaforschung, die Agentur Thema1 sowie die Pilotunternehmen DM Drogerie Markt, Frosta, Henkel, Tchibo, T-Home und Tetra-Pak zusammengeschlossen. Innerhalb eines Jahres will man erste Ergebnisse vorstellen sowie ein entsprechendes Etikett, das dem Verbraucher die Kaufentscheidung hinsichtlich Klimaschädlichkeit erleichtern soll. Ob dafür eine Ampel, eine Skala oder nur ein Wert verwendet wird, muss erst noch entschieden werden. Begrüßenswert wäre natürlich ein einheitliches Label für ganz Europa. (1), (2), (3), (4), (5), (7)

An Kosten werden den teilnehmenden Unternehmen je ca. 50 000 Euro pro Produkt entstehen. Dafür wird aber nicht nur der CO2-Wert eines Produktes ermittelt, sondern die gesamte Lieferkette unter die Lupe genommen. So erschließen sich für die Unternehmen Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Prozesse, zum Energie sparen oder zur Substitution von klimaschädlichen Bestandteilen durch klimafreundliche. Dadurch kann die gesamte Klima-Bilanz eines Unternehmens deutlich verbessert und Kosten gespart werden. (5), (10)



CO2-Kennzahlen werbewirksam nutzen?

Viele Beratungsunternehmen haben eine CO2-Kennzeichnung als Mittel für steigende Umsätze entdeckt und gehen davon aus, dass vor allem die finanziell potenten Käufer aus der LOHAS-Gruppe (Lifestyle of Health and Sustainability = gesunder und nachhaltiger Lebensstil) darauf anspringen werden. Die Praktiker sind davon allerdings noch nicht überzeugt. Noch halten Sie den Aufwand, um den CO2-Wert eines Produktes zu ermitteln, für viel zu hoch. Ob die Wettbewerbsvorteile die hohen Kosten je wettmachen können, wird bezweifelt. (5), (8), (9)

Der Umwelt könnte es aber schon zugute kommen, wenn bei vergleichbaren Produkten die klimafreundlicheren bevorzugt würden. Von einem stetigen Wettbewerb zur weiteren Verringerung der CO2-Werte pro Produkt könnte man dann ausgehen.



Fallbeispiele



Die Otto-Gruppe ist einer der wenigen Pioniere in Sachen ökologischer Fußabdruck. So ermittelte man einen Wert von 5,7 kg CO2 pro in China produziertem T-Shirt. Die Allianz-Versicherungsgruppe hat begonnen, die Berechnung des Carbon Footprint von Versicherungen, Krediten und Anlageprodukten zu erforschen. Die Handelsgruppe Tesco in Großbritannien verkauft mittlerweile 20 Eigenmarken mit Carbon Label. In Deutschland erstellen die BASF, die Allianz und die Deutsche Telekom bereits umfassende Kohlendioxid-Bilanzen. (2), (3), (11)

Für die CO2-Berechnung von Lieferketten hat die Containerschiff-Reederei Maersk einen Beratungsservice für seine Kunden eingerichtet. Im Carbon Check wird erst die tatsächliche CO2-Transportbilanz des Kunden errechnet, dann werden Alternativen auf Einsparungspotenziale abgeprüft. (12)

Weiterführende Literatur:

(1.) Reich, Ingo, Nur Vegetarier futtern für den Klimaschutz, Handelsblatt Nr. 14, 21.01.2008, S. 14
aus Handelsblatt Nr. 014 vom 21.01.08 Seite 14

(2.) Kranke, Andre, Grüne Supply Chains, Logistik inside, Heft 06/2008, S. 12 18
aus Logistik inside, Heft 06/2008, S. 12-18

(3.) Hochfeld, C., Große Fußabdrücke in den Regalen, Handelsblatt online, 20080310, 14:19:54
aus HANDELSBLATT online 10.03.2008 14:19:54

(4.) Mende, Jan, Pilotprojekt zum CO2-Footprint geht an den Start, Lebensmittel Zeitung Nr. 16, 18.04.2008, S. 17
aus Lebensmittel Zeitung 16 vom 18.04.2008 Seite 017

(5.) Mende, Jan, Al Gore lässt grüßen, Lebensmittel Zeitung Nr. 7, 15.02.2008, S. 36
aus Lebensmittel Zeitung 07 vom 15.02.2008 Seite 036

(6.) Helmke, Björn, Auf der Spur von CO2, DVZ Deutsche Verkehrszeitung, Nr. 63, 24.05.2008
aus DVZ, Nr. 063 vom 24.05.2008

(7.) Bergt, Svenja, Hilfe beim klimabewussten Einkauf, taz, 21.04.2008, S. 8
aus taz, 21.04.2008, S. 8

(8.) Pfannenmüller, Judith, Die neue Macht der Moralisten, Werben und verkaufen Nr. 16, 17.04.2008, S. 12
aus werben und verkaufen Nr. 16 vom 17.04.2008 Seite 012

(9.) Klein, Petra, Kaufkriterium Klimaschutz, Lebensmittel ZeitungNr. 6, 08.02.2008, S. 46
aus Lebensmittel Zeitung 06 vom 08.02.2008 Seite 046

(10.) Dickinson, Paul, Environmental Responsibility, Financial Management, 01.05.2008, S. 42
aus Lebensmittel Zeitung 06 vom 08.02.2008 Seite 046

(11.) Bergius, Susanne, Firmen lassen Zulieferer bei CO2-Bilanz außen vor, Handelsblatt Nr. 86, 05.05.2008, S. 25
aus Handelsblatt Nr. 086 vom 05.05.08 Seite 25

(12.) Kapell, Elisabeth, Maersk bietet CO2-Check, Lebensmittel Zeitung Nr. 21, 23.05.2008, S. 54
aus Lebensmittel Zeitung 21 vom 23.05.2008 Seite 054

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Quelle: GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 06/2008 vom 11.06.2008
Dokument-ID: c_umwelt_20080611

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