Wasserversorgung - Nur ein Punkt auf der heutigen Agenda von Versorgern
ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 07 vom 10.07.2019
Trinkwasserverordnung regelt Trinkwassergüte
Für die öffentliche Trinkwasser- und Abwasserversorgung sind in Deutschland die Gemeinden zuständig. Jede Kommune kann die Wasserversorgung durch einen eigenen Betrieb erbringen, einen Zweckverband gründen oder eine Konzession vergeben. Im letzteren Fall kann eine Ausschreibung erforderlich sein.
Die Qualität des Trinkwassers ist in der Trinkwasserverordnung vorgegeben. Am 9. Januar 2018 ist die letzte Aktualisierung in Kraft getreten, mit der die europäische Trinkwasserrichtlinie aus dem Jahr 2015 in nationales Recht umgesetzt wurde. Die Vorschriften und die Qualitätskontrollen sind hierzulande streng. Zahlreiche Analysen gehören zu den Kontrollroutinen. Das Trinkwasser wird von der Gewinnung (Brunnen) bis zu den Zapfstellen jährlich rund 360mal auf bis zu 67 Parameter untersucht. Das Trinkwasser in Deutschland muss so gut sein, dass wir es nach heutigem medizinischem Wissen in unbegrenzter Menge ein Leben lang trinken können. Rund 123 Liter Wasser verbraucht jeder Bundesbürger täglich (Stand: Ende 2017). Damit verbrauchen wir im europäischen Vergleich mit am wenigsten Wasser. Noch weniger verbrauchen unter anderem Luxemburg, die Slowakei und Dänemark. (1)
Klimawandel gefährdet sichere Trinkwasserversorgung
Hahn auf, Wasser marsch - das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Der Frühling und der Sommer 2018 stimmten dennoch nachdenklich. Wochenlang herrschten Hitze und Trockenheit, vor allem in Nord- und Ostdeutschland. Zwar traten keine Fälle von Knappheit des Wassers an sich auf, aber es gab zahlreiche Probleme. In der Landwirtschaft kam es zu Ernteausfällen bei Ackerfrüchten, die Feuerwehren hatten zahlreiche Waldbrände zu löschen und die Wasserstände sanken sehr deutlich. Binnenschiffe konnten weniger Fracht transportieren. In Hamburg erstickten Fische in Teichen, Fleeten und Bächen, weil ihnen der Sauerstoff fehlte; Frischwasser musste hinzugepumpt werden. Die Versorgungsnetze gerieten an ihre Grenzen. Im norddeutschen Stade beispielsweise kamen aufgrund des geringen Leitungsdrucks zeitweise nur noch Tropfen aus den Leitungen. Um die Fließgeschwindigkeiten zu regulieren, verbot der zuständige Wasserverband den Rasen zu sprengen, das Auto zu waschen oder das Schwimmbecken im Garten zu füllen.
Derartige Extremwetterereignisse und der Klimawandel gefährden die Trinkwasserversorgung von morgen, stellte der DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) vor kurzem fest. Die Versorger sollten rechtzeitig wirksame Versorgungs-, Vorsorge- und Krisenkonzepte erarbeiten. (2)
Global erhebliche Wasserverschwendung
Der Wasserverbrauch der deutschen Bevölkerung ist seit Jahren rückläufig. Global gesehen ist das anders. Die wachsende Erdbevölkerung muss ernährt werden, der Wasserbedarf steigt an. Die größten Mengen benötigt die Landwirtschaft, insbesondere dann, wenn künstlich bewässert werden muss, gefolgt von Industrie und Energiewirtschaft. Der Verbrauch von Trink- und Sanitärwasser ist vergleichsweise gering. Hohen beziehungsweise stark wachsenden Wasserbedarf haben der Südwesten der USA, Mexiko-Stadt, Indien, China, Pakistan und der Jemen. Der Aralsee in Zentralasien war einst der viertgrößte See der Erde. Seit den 1930er werden seinen Zuflüssen große Wassermengen entnommen, um die Baumwollfelder in Usbekistan und Kasachstan zu bewässern. Heute ist der Aralsee versalzen, von Pestiziden belastet und stark geschrumpft. Mallorca wird in sehr trockenen Sommern mit Wasser von Tankschiffen vom Festland zusätzlich versorgt. Die Wasserreserven der Alpen werden durch Schneekanonen angegriffen. Eine leistungsfähige Abwasseraufbereitung ist in Schwellen- und Entwicklungsländern noch nicht vorhanden, Meerwasserentsalzungsanlagen kosten nach wie vor viel Geld, das alte Wissen um Wasserspeicherung in Zisternen wird nicht mehr genutzt, ein globaler Wasseraustausch über Pipelines findet nicht statt. So wird weltweit gesehen Wasser einerseits in erheblich größeren Mengen benötigt und andererseits nach wie vor verschwendet.
Neue Herausforderungen jenseits der Wasserversorgung
Energie- und Wasserversorger und Stadtwerke stellen sich den Herausforderungen der modernen Zeit. Sie verbessern intern ihre Organisation und ihre Prozesse, identifizieren künftige Anforderungen der Kunden und bereiten sich darauf vor. Zu den Themen, die sie bewegen, zählen neben der Digitalisierung vor allem die Energieeffizienz, also die Energiesparberatung, der Glasfasernetzausbau, die Smart-City-Infrastruktur, die urbane Wärmewende, die Mobilitätswende und die Reduktion des jährlichen CO2-Ausstoßes. Sie modellieren neue Produkte und Dienstleistungen rund um die Versorgung mit Öko-Strom, Öko-Gas und Wasser, die sie an die Kunden bringen wollen.
Möglicherweise sorgen immer mehr Stadtwerke bald für einen flächendeckenden Ausbau von Ladesäulen für Elektroautos, kümmern sich um die örtliche Ladeinfrastruktur und installieren die Wallboxen für das Laden zu Hause oder für das Car-Sharing.
Nach Angaben des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) wurden in München rund 90 Prozent aller heute installierten Ladesäulen durch die Stadtwerke errichtet. Bis Ende 2019 sollen 550 öffentliche Ladesäulen in München stehen. Die Umstellung auf Elektrobusse ist im Gange. [Abb. 1]
Der städtische Betrieb Hamburg Wasser testet ein neuartiges Abwasserbehandlungskonzept, das ein neues Wohnquartier mit Strom und Wärme versorgen und die Kohlendioxidemissionen reduzieren wird. Der Bund erkennt den Beitrag, den gerade die städtischen Versorger zum Klimaschutz leisten können und unterstützt 30 Modellprojekte von kommunalen Unternehmen mit Fördergeldern in Höhe von 80 Millionen Euro, so beispielsweise die größte solarthermische Anlage Deutschlands, die derzeit von den Stadtwerken Kornwestheim und Ludwigsburg entwickelt wird. (3), (4)
Trends
Wasserkraft erzeugt weniger Strom
Bei den Diskussionen um Erneuerbare Energien wird meist an Sonne und Wind gedacht, doch auch die Wasserkraft ist eine erneuerbare Energiequelle. Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare-Energien-Statistik (AGEE-Stat) zeigen, dass im vergangenen Jahr die Stromerzeugung aus Wasserkraftanlagen im Vergleich zum Vorjahr um etwa 18 Prozent gesunken ist. Generell wird für die Jahre bis 2050 bei der Stromerzeugung durch Wasserkraftanlagen mit einem Rückgang um bis zu vier Prozent gerechnet. 2018 hatten konventionelle Kraftwerke bereits Probleme in der Entnahme von Kühlwasser während der langanhaltenden Niedrigwasserphasen. Beim geplanten Neubau von Wasserkraftanlagen ist zu berücksichtigen, dass sich die Wassermenge gegebenenfalls reduziert, die Energieausbeute sinkt und die Wirtschaftlichkeit damit geringer ist. (5)
Fallbeispiele
München: Im heißen Jahr 2018 konnte das Praterkraftwerk nur halb so viel Strom produzieren wie prognostiziert. Im Sommer mussten die Stadtwerke München den Betrieb der Heizkraftwerke Nord 2 und Süd einschränken, weil der Werkkanal und der Mittlere Isar-Kanal zu warm waren, um zur Kühlung der Heizkraftwerke herangezogen werden zu können. Das Leitzach-Kraftwerk hatte mit erheblichem Seegraswachstum zu kämpfen, weil der Austausch der Pendelwassermenge zu gering war. (5)
Kaunertal: Wird sich der ohnehin umstrittene Ausbau des Kraftwerks Kaunertal lohnen? Der WWF hat ausgerechnet, dass die Energieausbeute in den Jahren 2031 bis 2040 nur 57 Prozent des geplanten Werts aus dem Jahr 2008 sein könnte, sollte sich die Wassermenge bis 2051 tatsächlich halbieren. (5)
Dortmund: Die Stadt treibt die urbane Wärmewende voran. Künftig wird DEW21 deutlich mehr Abwärme von den Deutschen Gasrußwerken nutzen und damit nach und nach die Lieferung gasbasierter Wärme aus dem Kraftwerk Dortmund ablösen. So kann der jährliche CO2-Ausstoß um 45 000 Tonnen gemindert werden. Das entspricht dem jährlichen Ausstoß von etwa 30 000 PKW. (6)
Hamburg: Der städtische Betrieb Hamburg Wasser verbindet im neuen Hamburger Wohnquartier im Bezirk Wandsbeck Abwasserreinigung und Energiegewinnung. Mit dem Hamburg Water Cycle hat Hamburg Wasser dort eine Demonstrationsanlage für ein neuartiges Abwasserkonzept errichtet. Fundament der Anlage bildet die Trennung dreier Abwasserströme. Schwarzwasser aus der Toilette, Grauwasser vom Duschen und Waschen sowie Regenwasser werden getrennt gesammelt und behandelt. Das Abwasser aus der Toilette wird über ein Unterdrucknetz zu einem Betriebshof geleitet und dort zusammen mit Co-Substrat zu Biogas vergärt. Ein Blockheizkraftwerk wandelt das Biogas dann in Strom und Wärme um. 225 Haushalte können mit Strom und 70 Haushalte mit Wärme versorgt werden. Das Wohnviertel Jenfelder Au verfügt insgesamt über rund 800 Wohneinheiten. (7)
Heidelberg: Die Stadtwerke Heidelberg wurden für ihr Projekt eines Wärmespeichers mit einem Award ausgezeichnet. Sie entwickelten einen architektonisch außergewöhnlichen Wärmespeicher. Ein Zweizonenspeicher lagert Wasser aus dem Fernwärmenetz ein, das nach Bedarf abgerufen werden kann. Das Heizwasser kann auch bei über 100°C eingelagert werden ohne zu verdampfen, weil - und das ist das Besondere daran - im oberen Teil des Kessels kaltes Wasser für den nötigen Druck sorgt. Das macht das Energiesystem äußerst flexibel und macht Öl und Gas überflüssig, um Kältespitzen zu kompensieren. Ende des Jahres soll der Wärmespeicher in Betrieb gehen. Er ist als Aussichtspunkt für die Öffentlichkeit zugänglich. (8)
Tübingen: Die Stadtwerke Tübingen locken Interessenten mit einem Mietangebot zum Testen eines BMW i3, eines e-up! von Volkswagen oder eines Tesla Model S. (3)
Elektroroller: Seit gut einem Jahr können Bürger einen von 30 Elektrorollern auf den Straßen Tübingens nutzen. Auch andere Stadtwerke wie in Stuttgart, Düsseldorf oder Bruchsal haben eigene Verleihangebote für Elektroroller aufgebaut. In Stuttgart stehen inzwischen 200 blaue E-Roller zur Nutzung bereit. Inzwischen haben sich über 11 000 Nutzer registriert. (3)
In einer Statista-Umfrage von 2017 nannten 85 Prozent der Teilnehmer einen Mangel an Ladestationen als Hauptargument gegen die Anschaffung von E-Autos. (3)
Abbildung 1: Top Betreiber nach Anteil an den Ladesäulen in Städten und Regionen Deutschlands 2018
Betreiber | Stadt, Region | in Prozent |
Innogy | Essen | 96 |
Stromnetz | Hamburg | 92 |
EWE | Weser-Elbe | 90 |
RheinEnergie AG | Köln | 90 |
Stadtwerke München | München | 88 |
Stadtwerke Leipzig GmbH | Leipzig | 87 |
Allego | Berlin | 68 |
Quelle: Bundesnetzagentur, European Alternative Fuels Observatory, Lichtblick, ACEA, Unternehmen, Handelsblatt Entnommen aus: Handelsblatt, 84/2019, S. 24 (9)
Weiterführende Literatur:
(1.) RechtEck: Der Wettbewerb ist eröffnet
aus www.powernews.org Meldung vom 08.04.2019 - 08:46
(2.) Klimawandel trocknet Wasserversorgung aus
aus www.powernews.org Meldung vom 08.05.2019 - 13:44
(3.) Von Haus aus beste Voraussetzungen
aus www.powernews.org Meldung vom 27.06.2019 - 08:40
(4.) Auf die Manufakturen für Lebensqualität warten enorme Herausforderungen
aus ZfK - Zeitung für kommunale Wirtschaft, Heft 04/2019, S. 4
(5.) Kraftlos ohne Wasser
aus ZfK - Zeitung für kommunale Wirtschaft, Heft 04/2019, S. 4
(6.) DEW 21 ist zufrieden mit 2018
aus www.powernews.org Meldung vom 28.06.2019 - 16:13
(7.) Wohnquartier erzeugt Strom aus Abwasser
aus www.powernews.org Meldung vom 18.06.2019 - 15:39
(8.) Stadtwerke Heidelberg gewinnen Stadtwerke Award 2019
aus www.powernews.org Meldung vom 07.05.2019 - 16:57
(9.)D, Europa: Top Kennzahlen zu Elektroautos 2018-2019
aus GENIOS Statistiken vom 24.06.2019
Anja Schneider
Metainformationen
Quelle: | GENIOS BranchenWissen Nr. 07 vom 10.07.2019 |
Dokument-ID: | s_ene_20190710 |
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