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Schienengüterverkehr - die Deutsche Bahn steckt tief in der Krise

TRANSPORT & LOGISTIK | GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 13.02.2019


Logistik wächst überdurchschnittlich

Die deutsche Logistikbranche legt seit vielen Jahren verlässlich zu und wächst in Teilbereichen häufig schneller als die Gesamtwirtschaft. Im vergangenen Jahr sind die Umsätze erneut gestiegen, und zwar, nach vorläufigen Berechnungen, von 267 Milliarden Euro 2017 auf 274 Milliarden Euro. Der Umsatzanstieg liegt damit bei rund 2,6 Prozent. Die deutsche Gesamtwirtschaft wuchs im gleichen Zeitraum um etwa 1,5 Prozent.

Ihren Weg an die Spitze der wichtigsten Wirtschaftsbereiche in Deutschland behält die Logistik damit bei. Schon heute liegt sie hinter der Automobilindustrie und dem Handel auf Platz drei der größten Wirtschaftsbranchen. Insgesamt arbeiten drei Millionen Menschen in der Logistik und im Transport. Das sind drei Mal so viele wie beispielweise im Maschinenbau.

Auch der Güterverkehr hat 2018 nach vorläufigen Berechnungen deutlich zugelegt. Prognostiziert ist ein Plus von zwei Prozent beim Transportaufkommen. Die Verkehrsleistung, bei der die transportierte Menge ins Verhältnis zur zurückgelegten Wegstrecke gesetzt wird, soll sogar um 2,8 Prozent zugenommen haben.

Auf die einzelnen Verkehrsträger verteilen sich die Zuwächse wie gewohnt uneinheitlich. Zwar liegen auch hierfür noch keine abschließenden Zahlen vor, jedoch wird geschätzt, dass der Straßengüterverkehr 2018 um 2,2 Prozent mehr Tonnage bewegt hat. Die Schiene kommt auf einen mikrobischen Zuwachs von 0,7 Prozent; der Seeverkehr hat 1,1 Prozent verloren. Die Binnenschifffahrt hat stärker zugelegt als die Schiene, kommt aber an die Zuwächse des LKW-Verkehrs auch nicht heran. (1), (2)


Güterbahn stagniert

Der Schienengüterverkehr bleibt damit ein Sorgenkind des deutschen Transportwesens. Trotz einiger politischer Maßnahmen wie der Verkündung von Masterplänen gelingt es kaum, Güter vom LKW auf die umweltfreundlichere Schiene umzulegen. Auch 2017 war der Schienengüterverkehr mit nur 0,5 Prozent deutlich geringer gewachsen als der Straßengüterverkehr. 2016 lag der Marktanteil der Güterbahn am Gesamttransportaufkommen bei 17,8 Prozent, 2017 nur noch bei 16,9 Prozent. Den höchsten Anteil hatte die Güterbahn 2011 erreicht, als sie auf 18,1 Prozent kam. Das erklärte Ziel, ihre Bedeutung gegenüber den anderen Verkehrsträgern zu steigern, wird also nicht erreicht.

Dass es anders geht, zeigen europäische Nachbarländer. So hat die Güterbahn in der Schweiz einen Anteil am Transportaufkommen von 42 Prozent. In Österreich werden 30 Prozent der Gütertransporte über die Schiene abgewickelt. Ein Zufall ist das nicht: Verkehrsexperten sehen die Negativentwicklung in Deutschland als Folge einer verfehlten Verkehrspolitik. Trotz politischer Willensbekundungen werde der LKW immer noch durch den Bau neuer Straßen bevorzugt, so die Kritik. (1), (2)


Die Deutsche Bahn ist in der Krise

Marktführer bei den in Deutschland tätigen Güterbahnbetreibern ist die Deutsche Bahn. 2017 verfügte der Logistik-Riese über einen Marktanteil im Schienengüterverkehr von 52 Prozent. Die restlichen 41 Prozent teilten sich 162 konkurrierende Güterbahnen.

Die Schienengütersparte der Deutschen Bahn firmiert seit 2016 als DB Cargo (vorher DB Schenker Rail). Das Unternehmen produziert seit Jahren hohe Verluste, die aber nicht durch die Entwicklung der Güterbahn erklärt werden können. Immerhin ist der Schienengüterverkehr in den letzten Jahren leicht gewachsen und hat 2017 mit über 400 Millionen Tonnen transportierter Güter einen neuen Rekordwert erreicht. Trotzdem zahlt der Bahnkonzern auf seine Güterbahn jedes Jahr viele Millionen Euro drauf.

DB Cargo ist derzeit besonders stark in den Fokus der Berichterstattung geraten, denn die Deutsche Bahn ist auch durch ihre marode Gütersparte in eine alarmierende Schieflage geraten. Publik wurde die Krise des deutschen Vorzeige-Konzerns - der zusammen mit der Deutschen Post immer noch zu den größten Logistikanbietern der Welt gehört - im September des vergangenen Jahres. Bis dahin hatten es die Verantwortlichen immer gut verstanden, die eigentliche Lage des Konzerns hinter hohen Gewinnzielen zu verstecken. Seit Herbst ist klar, dass die Deutsche Bahn so angeschlagen ist, dass man um ihr Fortbestehen fürchten muss.

Die Liste der Baustellen ist erstaunlich lang. Als erstes muss wieder DB Cargo genannt werden; die DB-Güterbahn hat 2018 nach vorläufigen Informationen einen Verlust von 150 bis 200 Millionen Euro eingefahren. 2017 hatte der Verlust bei 90 Millionen Euro gelegen, 2016 waren es minus 81 Millionen Euro. Insgesamt hat die Gütersparte der Deutschen Bahn seit 2015 Verluste in einer Höhe von 555 Millionen Euro produziert.

Hiobsbotschaften kommen aber auch aus dem Personenverkehr. Nur noch 69,8 Prozent der Züge fahren pünktlich, womit die Bahn von ihrem eigenen Ziel, das bei 82 Prozent liegt, meilenweit entfernt ist. Gleichzeitig steigen die Verwaltungskosten stark an.

Alle diese Negativentwicklungen zusammen haben dazu geführt, dass die Deutsche Bahn einen Schuldenstand von 20 Milliarden Euro angehäuft hat. Alleine in den letzten Jahren soll der Schuldenberg um drei Milliarden Euro angewachsen sein. Dies kann sich nun auch der Eigner der Bahn - der Bund - nicht länger ansehen. Der Bund hatte bereits eine Verschuldungsobergrenze von 20,4 Milliarden Euro festgelegt, die deshalb nicht überschritten werden dürfen, weil sonst die Finanzierungskosten explodieren würden. (3)


Wie konnte es so weit kommen?

2016 und 2017 hat die Deutsche Bahn Vorsteuergewinne von 1,46 bzw. 1,69 Milliarden Euro erzielt. Die Rede war von erfolgreichen Jahren und zufriedenen Kunden, woran auch der Verlustbringer DB Cargo nicht viel ändern konnte. Die jetzt virulente Schieflage wirkt da umso überraschender. Allerdings nicht für manche Bahn-Experten, die den Konzern schon lange in einer Abwärtsspirale sehen. Ein Hauptgrund für den Niedergang ist demnach die politische Entscheidung der 2000er-Jahre, die Bahn an die Börse zu bringen (wozu es nicht kam) und sie dafür durch radikale Kostensenkungen attraktiv zu machen. Viele Experten glauben, dass sich der Konzern vom damaligen Sparkurs nie erholt hat, denn durch geschlossene Reparaturwerke und den Stellenabbau ist viel Know-how verloren gegangen. Mit Folgen: 2009 brach die Berliner S-Bahn - die zur Deutschen Bahn gehört - wegen defekter Wagen fast komplett zusammen. 2013 versank der Mainzer Hauptbahnhof im Chaos, weil die Bahn das Stellwerk nicht besetzen konnte. Die Servicequalität stimmt häufig auch nicht mehr: 75 Prozent der ICE-Züge sind heute mit Mängeln unterwegs, repariert wird nur noch, was sicherheitsrelevant ist. Auf funktionierende Toiletten und Klimaanlagen hingegen müssen die Nutzer des High-Tech-Zuges oft verzichten.

Größte Baustelle ist jedoch in der Tat die DB-Güterbahn. Das Unternehmen hatte im Jahr 2008 einen Marktanteil in Deutschland von 79 Prozent, 2017 waren es nur noch 52 Prozent. Der Umsatz sank von 4,8 Milliarden Euro 2013 auf zuletzt 4,5 Milliarden Euro. Alleine seit 2008 wurden sechs Sanierungskonzepte angestoßen, die den Niedergang aber nicht aufhalten konnten. Auch bei DB Cargo regiert seit vielen Jahren der Rotstift. 4 000 Stellen wurden gestrichen, Loks wurden verkauft und Verladestellen aufgegeben. Die Bahn selbst räumt ein, dass die schlechte Servicequalität ihrer Güterbahn durch Ressourcenmangel verursacht wird - also durch ausbleibende Investitionen. Kaum glaublich aber doch wahr: Alleine in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres kamen 3 000 Zugtransporte nicht zustanden, weil Lokführer fehlten.

Die Deutsche Bahn will nun wieder einmal das Ruder herumreißen. Berichtet wird, dass bis 2023 2,1 Milliarden Euro in DB Cargo investiert werden sollen. Genannt wird der Kauf von 100 neuen Loks und 4000 Güterwagen. Zudem sollen alleine 2019 rund 20 000 neue Mitarbeiter eingestellt werden. 2023 will die Güterbahn wieder Gewinne einfahren, anvisiert ist ein Plus von 340 Millionen Euro. Auch in der Diskussion steht der Verkauf der Bahntochter Arriva, die auf einen Wert von 4,5 Milliarden Euro taxiert wird. Ob die Rosskur so kommt und ob sie DB Cargo tatsächlich in die Gewinnzone zurück bugsieren kann, ist allerdings offen. (3), (4), (5), (6)





Fallbeispiele


Bahn-Spitze muss zum Rapport

Schon dreimal mussten die Bahn-Verantwortlichen in den letzten Wochen im Bundesverkehrsministerium zum Rapport antreten. Besprochen wird, wie die Bahn künftig finanziert werden soll, allerdings noch ohne Ergebnis. Das Unternehmen braucht neben den gut zwei Milliarden Euro für die Sanierung der Güterbahn wohl weitere vier bis fünf Milliarden Euro, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter plädiert dafür, hierfür Einnahmen aus der Maut zu nutzen. (7), (8)



Zahlen & Fakten


Die Deutsche Bahn scheint ernst zu machen: Wie kürzlich bekannt wurde, hat der Konzern beim spanischen Zughersteller Talgo 100 neue Elektrolokomotiven und Reisezugwagen in Auftrag gegeben. Das Auftragsvolumen liegt bei 550 Millionen Euro. (9)

Die krisengeschüttelte DB Cargo geht davon aus, dass die Verkehrsleistung der europäischen Güterbahnen bis 2030 um 135 Milliarden Tonnenkilometer zunehmen wird. Insgesamt wird der europäische Güterverkehr in den nächsten elf Jahren um 30 Prozent wachsen. (10)



Weiterführende Literatur:

(1.) Logistikmärkte in Deutschland - eine Bestandsaufnahme
aus DVZ Online vom 29.01.2019

(2.) Güterverkehr wächst solide weiter
aus DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung, Heft 41/2018, S. 12

(3.) Vollbremsung bei der Bahn
aus Handelsblatt Nr. 174 vom 10.09.2018 Seite 004

(4.) DB Cargo: Fast 200 Millionen Euro Verlust
aus Allgemeine Zeitung Mainz vom 18.01.2019 Seite 23

(5.) Auf dem falschen Gleis
aus Der Tagesspiegel vom 28.01.2019, Seite 13

(6.) Bahn will mit mehr Personal aus der Krise fahren
aus manager-magazin.de vom 17.01.2019

(7.) Bundesrechnungshof: Bund muss für die Bahn mehr Verantwortung übernehmen
aus DVZ Online vom 17.01.2019

(8.) Für die Bahn geht es um Milliarden / Auch beim dritten Spitzentreffen zwischen Politik und Konzern bleibt offen, wer für Investitionen zahlen soll
aus Rhein-Zeitung vom 31.01.2019, Seite 7

(9.)Deutsche Bahn kauft in Spanien
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 32 vom 07.02.2019, Seite 19

(10.)30 % Wachstum im Güterverkehrsmarkt bis 2030 - Chancen und Herausforderungen für den Schienengüterverkehr
aus Rail Business Nr. 6/2019, Seite 15

Robert Reuter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 13.02.2019
Dokument-ID: s_tra_20190213

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