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Rohstoffe - Grüne Technologien im Bergbaugeschäft? Auf Kundendruck

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 30.10.2019


Grüne Technologien im Bergbau

Die Bergbauindustrie fördert, verarbeitet und verkauft eine Vielzahl von Metallen, Mineralien und Energieprodukten. Damit liefert sie vielen verschiedenen Wirtschaftssektoren wichtige Rohstoffe, die für ihr Wachstum essentiell sind. Die Stahlindustrie braucht große Mengen an Eisenerz, die Automobil- und Luftfahrtindustrie verwendet viel Aluminium, Kupfer ist entscheidend für die Stromerzeugung. Zu beobachten ist eine Monopolisierung der Rohstoffmärkte durch China. Aus Tradition stark im Rohstoffhandel engagiert ist die Schweiz. (1)
Eigentlich hat die Branche keinen guten Ruf. Das Bergbaugeschäft gilt tendenziell als schmutzig, korrupt, umweltschädigend und menschenrechtsverletzend. Jetzt denken die Giganten des Geschäfts darüber nach, wie sie dies ändern und zunehmend grüne Technologien einsetzen können. Das ist keineswegs selbstlos. Eher rührt es daher, dass grüne Technologie wie Sonnen- und Windenergie mittlerweile preislich so günstig sind, dass sie zu tragfähigen Alternativen für Rohstoffproduzenten werden, die riesige Mengen Energie benötigen, um Mineralien zu fördern und zu verarbeiten. Hinzu kommt, dass ihre Abnehmer stärker unter Kundendruck geraten und entsprechend ihrerseits Druck machen. Der Schweizer Nahrungsmittelriese Nestlé will ab 2020 das Aluminium für seine Nespresso-Kapseln nur noch aus nachhaltiger Herstellung beziehen. Der US-Technologiekonzern Apple will in seinen Smartphones nur noch nachhaltig produziertes Aluminium verwenden.
Die Bergbaukonzerne beginnen zu reagieren. Der Schweizer Konzern Glencore verwendet in der Raglan-Nickelmine in Quebec Windturbinen zur Energieproduktion. Elektrofahrzeuge erschließen im Nickelabbau- und -verarbeitungswerk Sudbury in Kanada Lagerstätten in 2 600 Metern Tiefe; ab 2022/23 sollen sie vollständig mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen ausgerüstet werden. Der chilenische Kupferförderer Antofagasta nutzt ab 2020 jährlich 550 Gigawattstunden Elektrizität aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Sonne und Wind. Der US-Goldförderer Newmont Mining hat angefangen, in seiner Akyem-Mine in Ghana mobile Solarzellengruppen einzusetzen.
Manch anderes ist noch Zukunftsmusik. Die amerikanische Alcoa und die britisch-australische Rio Tinto forschen gemeinsam an einer Technologie, die die Aluminiumherstellung frei von dem Treibhausgas CO2 machen soll. Dabei wird beim Schmelzvorgang Sauerstoff statt Kohlendioxid verwendet. In fünf Jahren soll sie marktreif sein. In Schweden bauen der Eisenerzförderer Luossavaara-Kirunavaara, der Stahlhersteller SSAB und der Stromproduzent Vattenfall gemeinsam eine Pilotstahlfabrik, in der Wasserstoff anstelle von Kokskohle eingesetzt werden soll. CO2-freies Stahl soll spätestens 2035 produziert werden.
Bei der Gewinnung von Lithium, das beispielsweise für Batterien und Elektroautos benötigt wird, werden große Mengen Salzlauge aus der Erde gepumpt und verdunstet. Fördert man zu viel, sinkt das Grundwasser. US-Unternehmen wie MGX Minerals oder Pure Energy planen Anlagen, die das Lithium in einem geschlossenen Prozess gewinnen und die Sole komplett zurückpumpen.
Bei den Massenmetallen wie Aluminium oder Kupfer wird schon heute viel recycelt. Bei Seltenen Erden und anderen Hightech-Metallen sind die bisherigen Verfahren technisch und ökonomisch schwierig. (2), (3), (4)


Tonangebend im Bergbau- und Rohstoffgeschäft

Im Jahr 2018 erwirtschafteten die 40 größten börsennotierten Bergbauunternehmen der Welt einen Umsatz von 683 Milliarden US-Dollar und ein EBITDA von 165 Milliarden US-Dollar. Während die einen ein diversifiziertes Portfolio von Minen betreiben, konzentrieren sich andere stärker auf einen bestimmten Rohstoff. Zu den Weltmarktführern zählen BHP, Rio Tinto, Vale und Glencore.
BHP ist stark auf Eisenerz fokussiert; das ist im Konzern nach wie vor der große Geldbringer. Zweites starkes Standbein ist Kupfer. Rio Tinto fördert ebenfalls sehr viel Eisenerz und hat Aluminium als weitere Säule im weiteren Portfolio. Die brasilianische Vale ist ein großes, diversifiziertes Bergbauunternehmen und gilt als der weltweit größte Hersteller von Eisenerz und Nickel.
Glencore ist eines der größten und diversifiziertesten Unternehmen für Rohstoffe weltweit. Der Schweizer Rohstoffgigant betreibt 150 Bergbau- und Metallurgie-Standorte sowie Öl- und Gasförderanlagen und landwirtschaftliche Einrichtungen. Den größten Teil des Geldes liefert die Kohle. Das größte Kohlebergbauunternehmen der Welt ist China Shenhua Energy.
Das russische Unternehmen MMC Norilsk Nickel ist tonangebend bei der Herstellung von hochwertigem, hochreinem Nickel und liefert rund 40 Prozent des weltweiten Palladiums.
Newmont Goldcorp ist nach Produktionsvolumen das führende Goldbergbauunternehmen der Welt. Es entstand 2019 nach der Fusion der führenden Goldbergbauunternehmen Newmont Mining und Goldcorp. Gold ist mit einem Anteil von über 90 Prozent der überragende Umsatzbringer des Konzerns. Barrick Gold zählt seinerseits zu den Großen im Goldbergbau. Zu Jahresbeginn 2019 war zu lesen, dass der kanadische Bergbaukonzern mit einer feindlichen Übernahme seinen US-Rivalen Newmont Mining schlucken und so zum weltgrößten Goldproduzenten aufsteigen will.
Die britische Anglo American ist ein diversifiziertes Bergbauunternehmen, das Kupfer, Kohle, Diamanten, Eisenerz, Platingruppenmetalle, Nickel und Mangan produziert. Grupo Mexico ist eine diversifizierte Bergbau- und Industrieholding in Mexiko und einer der weltweit größten Kupferproduzenten. An der Börse ist die Kupferschmelze Aurubis der wichtigste deutsche Rohstofftitel. [Abb. 1] (5), (6)


Kritische Rohstoffe

Dass die Vorräte an konventionellem Erdöl, Erdöl aus Schiefersanden und anderen unkonventionellen Lagerstätten irgendwann zu Ende sein werden beziehungsweise die Förderkosten enorm hoch wären, ist bekannt, auch wenn die zeitlichen Schätzungen auseinanderliegen. Dass Kohle zwar reichlich vorhanden, aber der Klimakiller schlechthin ist, bestreitet kaum noch jemand. Es gibt aber noch andere Rohstoffe, bei denen die Menschen auf Herausforderungen treffen werden.
Bei Sand und Kies ist die Situation global gesehen bedenklich, obwohl es einen großen Vorrat gibt. In der Herstellung von Beton werden große Mengen an Sand und Kies benötigt. Wer denkt, Wüstensand gäbe es doch genügend, der weiß nicht, dass dieser ungeeignet ist, da zu fein. Nur die leicht kantigen Sandkörner aus Flüssen und Meeren eignen sich für die Herstellung von Beton, in dem sie etwa 30 Prozent ausmachen. Kies und Sand werden auch in Deutschland in zahlreichen Gruben abgebaut und in der Baubranche dringend benötigt. Die Nachfrage ist regional unterschiedlich. Bundesweit geht sie tendenziell zurück; in Baden-Württemberg beispielsweise könnte mehr gebraucht werden als derzeit gefördert werden darf.
Bedeutend kritischer ist die Lage bei Phosphor. Ohne Phosphor gäbe es kein Getreide, keinen Reis, keinen Mais, keine Hirse mehr. Vielerorts werden die Böden mit phosphorhaltigem Dünger gedüngt. Die natürlichen Phosphordepots aus Guano sind ausgebeutet. Der Phosphor für den Kunstdünger von heute muss deshalb aus Phosphatgestein gewonnen werden.
Palmöl basiert zwar auf einem nachwachsenden Rohstoff, also den Ölpalmen, doch die Gewinnung ist alles andere als umweltschonend. Regenwald muss Plantagen weichen, bei Brandrodungen wird CO2 freigesetzt, aus den Becken der Plantagen, in denen Abfälle aus dem Auspressen der Ölfrüchte lagern, entweicht Methan.
Das Metall Lithium erlebt einen regelrechten Boom, seit es die Lithium-Ionen-Akkus gibt, und mit dem Aufmarsch der Elektroautos wird die Nachfrage weiter explodieren. Im Dreiländereck Chile, Bolivien und Argentinien lagern 70 Prozent der Reserven in riesigen Salzpfannen. Würden jährlich so viele E-Autos produziert wie derzeit Autos mit Verbrennungsmotor, wären die bekannten Vorräte in 16 Jahren aufgebraucht. Kobalt ist eine weitere Herausforderung. Für über 60 Prozent der weltweiten Förderung ist der Kongo verantwortlich. Seit Jahren sind hier Kinderarbeit und Ausbeutung nicht von der Hand zu weisen. Doch der Kobalt-Boom scheint vorbei zu sein.
Bei einigen der Seltenen Erden ist es ähnlich wie bei Lithium. Die Nachfrage nach Neodym und Praseodym hat mit dem Aufschwung der Windkraft deutlich zugenommen. Kritisch ist allerdings nicht die Höhe der Vorräte, sondern nur die eigenverschuldete Produktionsabhängigkeit von China. (7), (8)


Rohstoffförderprojekte in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es noch Rohstoffe jenseits der Kohle. Die wichtigsten heimischen Rohstoffe gemessen an ihrer Jahresproduktion sind Kies und Bausand mit rund 270 Millionen Tonnen, Natursteine mit etwa 200 Millionen Tonnen und Braunkohle mit gut 180 Millionen Tonnen.
Im Erzgebirge beispielsweise liegen noch Zinn, Wolfram und Lithium, im Landkreis Görlitz ließe sich Kupfer fördern. Tatsächlich wurden seit dem Jahre 2006 zahlreiche Vorhaben auf Erkundung, Errichtung und Betrieb neuer Bergwerke im Bereich Erz und Spat genehmigt, es gibt jedoch nur ein aktives Bergwerk, nämlich das die seit 1992 aktive Grube Niederschlag nahe Oberwiesenthal. Dort wird Fluss- und Schwerspat abgebaut. Das Unternehmen SME will im Schwarzenberger Ortsteil Pöhla ab 2021 Wolfram und Flussspat fördern; es sollen bis zu 100 Arbeitsplätze entstehen.



Trends

Die Industriegesellschaften wandeln sich zu Wissensgesellschaften. Die Nachfrage nach Rohstoffen steigt mit dem Wachstum nicht mehr im gleichen Ausmaß, denn der technische Fortschritt verändert diesen Zusammenhang. Ein Beispiel: Neue Gebäude sind energieeffizienter als früher.

Fallbeispiele

Kobalt: Die größte Kobaltmine liegt im Kongo, dem Kobaltproduzenten Nr. 1 auf der Welt: 111 713 Tonnen im Jahr 2018 nach Regierungsangaben, bei einer Weltproduktion von 140 000 Tonnen, fast alles davon für China, Förderung und Preise auf höchstem Stand. Jetzt will Glencore die Mine schließen. Was ist passiert? Die Diskussion über Kinderarbeit in Kongos Minen und über unzumutbare Arbeitsbedingungen trug dazu bei, dass sich zertifizierte und damit teurere Handelsketten gebildet haben. Chinas Lager sind mit Kobalt prall gefüllt. Westliche Abnehmer suchten nach Alternativen und wurden in Australien und Marokko fündig. Batterien werden kleiner und leichter. Der Rohstoffbedarf sinkt. (9)

Digitalisierung: Die Rohstoffindustrie arbeitet oft noch auf herkömmliche Art und Weise, mit Telefonaten und Faxpapier; man kennt sich halt. Eine Online-Plattform ist dabei, das zu verändern. Open Mineral hat es zumindest schon geschafft, dass sich sehr viele Marktteilnehmer registriert haben, nach eigenen Angaben 40% aller weltweiten Verkäufer und Käufer. Um das in tatsächliches Handelsvolumen zu transferieren, muss sich diese Branche noch sehr stark wandeln und öffnen. Doch vom World Economic Forum gab es zumindest jetzt schon mal eine Auszeichnung als Technology Pioneer, also als Start-up-Unternehmen, das das Potenzial besitzt, die eigene Branche tiefgreifend zu transformieren. (10)

Pöhla: Die Saxony Minerals & Exploration AG (SME) will in den kommenden Jahren bei Pöhla Wolfram, Fluorit und Zinn abbauen und dazu ein Untertage-Bergwerk bauen. (11)

Ampfing: Die bayerische Gemeinde will zu alten Ölförderzeiten zurückkehren. Das Energie- und Rohstoffunternehmen RDG schickt sich an, in den nächsten 20 bis 30 Jahren rund 550 000 Tonnen Erdöl aus einer Sandsteinschicht zu holen. Der Bohrturm steht schon. (12)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Die 10 größten Bergbauaktien
Nach Marktkapitalisierung September 2019

KonzernMarktkapitalisierungProduzierte Rohstoffe
BHP Group129 Milliarden US-DollarKupfer, Eisenerz, Kohle, Nickel, Zink, Öl und Erdgas
Rio Tinto89,2 Milliarden US-DollarAluminium, Eisenerz, Kupfer, Diamanten, Uran und mehrere Mineralien
Vale59,4 Milliarden US-DollarEisenerz, Kupfer, Nickel, Kohle und Mangan
Glencore43,5 Milliarden US-DollarKohle, Kupfer, Nickel und Zink
China Shenhua Energy40,9 Milliarden US-DollarKohle
MMC Norilsk Nickel39,6 Milliarden US-DollarNickel, Palladium, Kupfer, Platin und Rhodium
Newmont Goldcorp 32,7 Milliarden US-DollarGold
Anglo American32,4 Milliarden US-DollarDiamanten, Kupfer, Kohle, Eisenerz, Platingruppenmetalle, Nickel und Mangan
Barrick Gold32,3 Milliarden US-DollarGold und Kupfer
Grupo Mexico18,6 Milliarden US-DollarKupfer

Quelle: PWC, YCharts, Unternehmenswebsites Entnommen aus: www.fool.de (5)

Weiterführende Literatur:

(1.) Handelsnation Schweiz
aus NZZ Geschichte vom 16.05.2019 Seite 39 - 50

(2.) Erste grüne Sprossen im Bergbau International Minenunternehmen verwenden vermehrt saubere Technologien. Sie tun es nicht nur der Umwelt zuliebe.
aus Finanz und Wirtschaft vom 05.01.2019, Seite 11

(3.) Lithium aus Lateinamerika: Umweltfreundlicher als gedacht
aus Edison online 07.03.2019 um 14:23:34 Uhr

(4.) Staat muss bei Rohstoffen vermitteln
aus Freie Presse, 27.08.2019, S. 7

(5.) Die 10 grössten Bergbauaktien
aus Freie Presse, 27.08.2019, S. 7

(6.) Schwieriges Umfeld für Rohstofftitel
aus Börsen-Zeitung vom 20.08.2019, Nr. 158, S. 13

(7.) Wir brauchen dringend neue Kiesabbauflächen
aus Schwäbische Zeitung Friedrichshafen vom 31.08.2019 Seite 28

(8.) Die große Schatzsuche. Rohstoffe haben uns reich gemacht. Machen sie uns jetzt arm?
aus Zeit Wissen vom 15.10.2019, Nr. 6, S. 70

(9.) Weltgrößte Kobaltmine schließt
aus taz.die tageszeitung vom 08.08.2019, Seite 11

(10.) Frischer Wind in einer konservativen Branche
aus Finanz und Wirtschaft vom 03.07.2019, Seite 15

(11.) Bergbaufirma gibt Unternehmensanleihen aus
aus Freie Presse, 15.10.2019, S. 9

(12.) Bayern sucht wieder nach Erdöl
aus Stuttgarter Zeitung, 08.03.2019, S. 18

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 10 vom 30.10.2019
Dokument-ID: s_ene_20191030

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