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Rohstoffe - Fallende Preise, sinkende Aktienkurse, wachsender Druck auf Kohle

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 12 vom 15.12.2015


Überangebot und sinkende Preise kennzeichnen die Rohstoffmärkte

Die Preise der wichtigsten Rohstoffe im Großhandel und an den Spotmärkten sanken in den vergangenen zwölf Monaten unaufhaltsam. Der Ölpreis ist seit dem Sommer 2014 um mehr als die Hälfte eingebrochen. Kupfer verzeichnete ein Minus von rund 30 Prozent. Der Aluminiumpreis ist im Sinkflug. Eisenerz ist im asiatischen Handel gefallen, Stahl ebenso. Auf vielen Rohstoffmärkten herrscht ein Überangebot. Hinzu kommt ein nachlassendes weltweites Wirtschaftswachstum. Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) senkte ihre Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft von über drei auf 2,8 Prozent.
Diese Entwicklungen bekommen die internationalen Bergbau- und Stahlkonzerne zu spüren. Ihre Aktienkurse sind deutlich gesunken. Der Wert der BHP Billiton-Aktie hat sich seit 2011 in etwa halbiert; BHP Billiton ist der nach Marktkapitalisierung weltgrößte Minenkonzern mit Sitz in London und Australien. Zu seinen Rivalen zählen die ebenfalls britisch-australische Rio Tinto, die schweizerisch-britische Glencore Xstrata, der südafrikanisch-britische Rohstoffkonzern Anglo American und die brasilianische Vale. Glencore hat seit seinem Börsengang im Jahr 2011 drei Viertel seines Unternehmenswertes verloren. Der Aktienkurs von Anglo American fiel kürzlich auf den niedrigsten Wert seit seinem Börsengang im Jahr 1999. (1), (2)
Woran liegt diese Entwicklung? Einfluss haben unter anderem der nachlassende Rohstoffbedarf Chinas und das Gebaren der OPEC.


China importiert weniger Rohstoffe

Eine wichtige Rolle im globalen Rohstoffgeschehen spielt China. Vor ein paar Jahren erschien der Rohstoffhunger des Reichs unstillbar. Vor allem Öl und Metalle kaufte das Land in riesigen Mengen. Das Angebot wurde knapper, die Preise stiegen, der Rohstoffboom war im Gange. Mittlerweile sind die chinesischen Rohstoffkäufer nicht mehr ganz so gierig. Das Wirtschaftswachstum hat sich deutlich abgeschwächt. Im Jahr 2007 lag es noch bei 14 Prozent, Ende 2015 werden es voraussichtlich noch 6,8 Prozent sein. Unter dem langsameren Wachstum Chinas leiden vor allem diejenigen Länder, deren Export stark abhängig ist von der chinesischen Nachfrage, also beispielsweise Australien und Kanada. (2), (3)
Beispiel Stahl: Einen Großteil seines Bedarfs an Stahl kann China selbst decken, denn rund die Hälfte der weltweiten Stahlproduktion stammt aus China. Die chinesischen Stahlproduzenten haben technologisch aufgeholt, bieten immer mehr neue Stahlsorten an, haben Überkapazitäten aufgebaut und überschwemmen den europäischen Markt. Entsprechend hoch ist der Preisdruck für die anderen Stahlhersteller wie Arcelor Mittal, Tata Steel, Thyssen-Krupp oder Salzgitter. Die Sparmöglichkeiten sind bald ausgeschöpft. Nun hoffen sie darauf, dass die Politik Anti-Dumping-Maßnahmen ergreift. (4)
Es gibt in der Tat immer mehr Handelsbeschränkungen. Weltweit haben Instrumente wie Zölle oder Exportreglementierungen stark zugenommen, allen voran durch Russland, China und Indien. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert von der deutschen Bundesregierung und der EU-Kommission mehr Unterstützung gegen Handelsbeschränkungen für Rohstoffe. (5)


OPEC lässt Ölpreis rutschen

Auf den globalen Ölmärkten herrscht ein Überangebot. Die Lagerbestände sind hoch. Es wird mehr gefördert als verbraucht wird. Jetzt kommen auch noch Indonesien und Iran als Anbieter hinzu. Das Angebot an Öl ist so groß, dass sogar die aktuellen politischen Krisen und Brandherde keinen Einfluss auf den Ölpreis haben. Die OPEC hätte es in der Hand, das Angebot von Öl auf den Rohstoffmärkten zu reduzieren und das Öl zu verteuern. Doch deren Strategie ist eine ganz andere. Ihr geht es darum, die unliebsame Konkurrenz in die Knie zu zwingen. Gemeint sind damit vor allem die mittels Fracking Schieferöl und Schiefergas fördernden Unternehmen in den Vereinigten Staaten. Die USA sind zum drittgrößten Ölförderer hinter Russland und Saudi-Arabien aufgestiegen. Die OPEC unter der Führung Saudi-Arabiens hält die Ölförderquoten stabil, nimmt ein Überangebot in Kauf und lässt so ganz bewusst den Ölpreis in den Keller rutschen, um möglichst viele Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Innerhalb eines Jahres hat sich der Ölpreis halbiert. Die Strategie zeigt Wirkung. Die Förderung von Schieferöl geht zurück, Anlagen werden abgebaut, eine Marktbereinigung unter den Anbietern ist im Gange, die großen Ölkonzerne wie BP, Shell, Chevron und die norwegische Statoil investieren weniger oder bauen sogar Stellen ab. Die OPEC könnte also den Ölpreis bald auch wieder ansteigen lassen. Das käme den stark ölabhängigen Staaten wie Russland, Venezuela, Nigeria oder Algerien sehr gelegen, denn deren Volkswirtschaften sind durch den niedrigen Ölpreis bereits extrem belastet. [Abb. 1], (6), (2), (7)
Auch bei den Industriemetallen gibt es Anzeichen, dass die niedrigen Preise dazu führen, dass Minen nicht mehr kostendeckend arbeiten können und schließen müssen. Wenn das Angebot auf den Rohstoffmärkten sinkt, kann Hoffnung geschöpft werden auf demnächst wieder etwas anziehende Preise. (8)


Dekarbonisierung bis Ende des Jahrhunderts?

Auf dem Klimagipfel in Paris wird daran gearbeitet, die Erderwärmung zu begrenzen, den CO2-Ausstoß zu senken und global den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen voranzubringen. Die deutsche Bundeskanzlerin sprach sich unter anderem für die weltweite Dekarbonisierung der Wirtschaft aus. Auf Kohle, Öl und Gas solle die Weltwirtschaft bis zum Ende dieses Jahrhunderts verzichten, um die Erderwärmung aufzuhalten, so lautete ihr Appell. (9)
Einen Konsens zum Ausstieg aus der Kohle gibt es bisher weder auf internationaler noch auf nationaler Ebene. Die Kohle spielt im deutschen Energiemix eine erhebliche Rolle. Sie ist der wichtigste Energieträger für die deutsche Stromerzeugung. Die Steinkohle hat an der Bruttostromerzeugung einen Anteil von etwa 20 Prozent, die Braunkohle liegt bei rund 25 Prozent. Um die Klimaziele für 2020 erreichbar zu machen, hat die Bundesregierung mit den Braunkohlekraftwerksbetreibern RWE, Mibrag und Vattenfall eine Stilllegung alter Kraftwerksblöcke ausgehandelt. Acht von 22 Braunkohlekraftwerksblöcken sollen zwischen 2016 und 2019 vom Netz gehen, für vier Jahre betriebsbereit gehalten und danach endgültig stillgelegt werden. (10)


Großinvestoren steigen aus Kohlefinanzierung aus

Interessanterweise kommt Unterstützung von den großen Akteuren des Kapitalmarkts, die sich seit kurzem quasi als Weltklimaretter präsentieren. Mittlerweile gibt es nämlich eine Reihe von institutionellen Kapitalanlegern, die aus Engagements für Kohle aussteigen wollen. Getrieben werden sie aber nicht von Gedanken, die Welt retten zu wollen, sondern von Überlegungen zum strategischen Risikomanagement der eigenen Unternehmen. Die Klimapolitik birgt Stabilitätsgefahren für die Weltfinanzmärkte. Die Risiken bei Kapitalanlagen in Unternehmen und Rohstoffen im Bereich fossiler Energien werden zunehmend höher eingeschätzt. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass weltweit mehr bekannte Reserven an Öl und Gas bestehen als verbrannt werden können, ohne eine erhebliche Klimaerwärmung zu riskieren. Gelingt es der Politik, eine deutliche Einschränkung der Kohlendioxidemissionen durchzusetzen, könnte dies zur Folge haben, dass sich fossile Assets nicht mehr verkaufen lassen und daher abgeschrieben werden müssen. Die Akteure sprechen von Stranded Assets. Einige institutionelle Kapitalanleger haben sich zur Portfolio Decarbonization Coalition zusammengeschlossen. Das ist eine Multi-Anleger-Initiative, die die Reduktion von Emissionen vorantreibt, indem sie institutionelle Investoren dazu verpflichtet, ihre Portfolios nach und nach von fossilen Assets zu befreien. 94 Milliarden Dollar wollen sie aus CO2-intensiven Branchen abziehen (www.unepfi.org). Auch deutsche Kapitalmarktakteure kehren der Kohlefinanzierung den Rücken zu, darunter beispielsweise die Allianz, Axa und die Ing Bank. (11)
Auch von einer anderen Seite bläst der Kohle der Gegenwind ins Gesicht. Vor kurzem einigten sich die in der OECD zusammengeschlossenen Industriestaaten darauf, die Vergabe von Exportkrediten für den Bau von Kohlekraftwerken deutlich einzuschränken. (12)





Fallbeispiele

Dekarbonisierung: Die Initiative Portfolio Decarbonization Coalition wird angeführt von dem größten europäischen Fondsmanager Amundi und dem schwedischen Pensionsfonds AP4. Der norwegische Ölfonds will Anteile an Bergbauunternehmen verkaufen, wenn das Kohlegeschäft mehr als 30 Prozent des Umsatzes ausmacht. Der niederländische Pensionsfonds ABP will keine Firmen mit hohem CO2-Ausstoß mehr kaufen, dafür mehr in Anlagen investieren, die auf eine saubere Zukunft ausgerichtet sind. Der französische Versicherungskonzern Axa will sich aus der Kohle zurückziehen. Die Rockefeller-Stiftung fühlt sich zu einem Engagement gegen den Klimawandel moralisch verpflichtet und will besonders umweltschädliche Projekte nicht mehr unterstützen. Mittlerweile haben nahezu 500 Großanleger mit einem Gesamtvermögen von rund 2,6 Billionen Dollar Divestment-Pläne vorgelegt. In Deutschland ist die Allianz mit ihrem Engagement bislang allein. Die Allianz, Deutschlands größter Versicherer, sagte im ZDF-Magazin Frontal 21, dass der Konzern aus der Kohle aussteigen werde. Man wolle die Verhandlungen auf dem Klimagipfel in Paris im Dezember unterstützen, aber auch ein Zeichen setzen an unsere Branche und an die Kapitalmärkte." (11)

Umweltschützer nutzten die Hauptversammlung von BHP Billiton, um gegen die Förderung von Koks- und Kraftwerkskohle zu protestieren. Auch bei Shell und BP hagelte es Proteste, die Wirkung zeigten. Auf der BP-Hauptversammlung erzielten die Aktionäre einen Beschluss, dass der Konzern überprüfen lassen muss, welche der Aktivitäten bei stärkeren Klimaschutz-Auflagen scheitern könnten. (13)

Kupfer: Dieses Metall (benötigt für Kabel, Autos, Computerchips) hat sich besonders schwach entwickelt und erreicht derzeit sein Sechs-Jahres-Tief von 4 800 Dollar pro Tonne. Anfang 2011 kostete sie noch über 10 000 Dollar. (2)
Aluminium: Der Preis dieses Metalls hat sich seit 2011 auf heute 1 500 Dollar pro Tonne nahezu halbiert. (2)
Eisenerz: Ein neuer Tiefpunkt wurde Anfang November in Singapur erreicht, als eine Tonne Eisenerz zur Lieferung nach China nur noch 42,80 Dollar kostete. (4)
Kali: Bei Kali sorgt weniger China, sondern Brasilien für den Preisdruck. Die Hersteller reduzieren ihre Umsatz- und Gewinnprognosen. Der kanadische Hersteller Potash hat die Übernahmepläne für den Kasseler Salz- und Düngemittelhersteller K+S aufgegeben. (14)



Zahlen & Fakten


Die Top 5 StahlherstellerDer größte Stahlhersteller der Welt ist Arcelor-Mittal. Der Konzern mit europäischen und indischen Wurzeln stellte 2014 gut 98 Millionen Tonnen Stahl her. Auf Platz 2 liegt der japanische Hersteller Nippon Steel & Sumitomo Metal. Der drittgrößte Hersteller ist die chinesische Hebei Group, auf Rang 4 folgt die chinesische Baosteel Group. Die Top 5 beschließt der südkoreanische Anbieter Posco. Der größte deutsche Stahlproduzent Thyssen-Krupp liegt nur auf Rang 19. Er stellte 2014 16,3 Millionen Tonnen Stahl her und liegt damit in einer ähnlichen Größenordnung wie die russischen Konkurrenten NLMK (16,1) und Evraz Group(15,5). (4)
Abbildung 1: Die OPEC-Staaten gehören zu den großen Ölförderern
in Millionen Fass* am TagWeltanteil
(Stand: 02.04.2015)
Russland10,012,5%
Saudi-Arabien9,912,4%
USA9,712,1%
China4,35,3%
Kanada3,94,9%
Irak3,94,8%
Iran3,44,2%
VAE2,83,5%
Kuweit2,73,3%
Nigeria2,53,1%
* rund 159 Liter

Quelle: Bloomberg, OPEC, EIA, BP Entnommen aus: FAZ, 03.12.2015, Nr. 281, S. 20 (6)

Weiterführende Literatur:

(1.) Unter Wasser
aus "profil" Nr. 47/2015 vom 16.11.2015 Seite: 50

(2.) Chaos an den Rohstoffmärkten
aus Handelsblatt online vom 13.11.2015

(3.) Renaissance im Reich der Mitte
aus "WirtschaftsBlatt" Nr. 4988/2015 vom 02.12.2015 Seite 13

(4.) Für Erz und Stahl geht es abwärts
aus Handelsblatt online vom 01.12.2015

(5.) BDI will Hilfe von Regierung
aus WirtschaftsWoche NR. 048 vom 20.11.2015 Seite 012

(6.) Der lange Atem des Ölkartells. Die Opec drückt den Preis, und Iran wird nach dem Ende der Sanktionen die Überproduktion noch anheizen. Der Plan geht auf: Die Fracking-Konkurrenz leidet.
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.12.2015, Nr. 281, S. 20

(7.) Opec entscheidet nicht über Förderquote
aus energate vom 07.12.2015

(8.) Neue Hoffnung
aus Handelsblatt Nr. 229 vom 26.11.2015 Seite 052

(9.) Berliner Woche (KW 49)
aus energate vom 04.12.2015

(10.) Koalition lässt Antrag zum Kohleausstieg durchfallen
aus energate vom 03.12.2015

(11.) Klimawandel unter Anlegern
aus Handelsblatt Nr. 227 vom 24.11.2015 Seite 004

(12.) Druck auf Kohle und Öl wächst
aus neue energie, Heft 12/2015, S. 53

(13.) Druck auf Konzernstrategien
aus www.powernews.org Meldung vom 27.05.2015 - 10:39

(14.) Fallende Düngerpreise setzen K+S zu
aus Handelsblatt online vom 11.11.2015

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 12 vom 15.12.2015
Dokument-ID: s_ene_20151215

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