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Lebensmitteleinzelhandel - etablierte Unternehmen müssen Amazon fürchten

LEBENSMITTEL | GENIOS BranchenWissen Nr. 07 vom 03.07.2017


Lebensmitteleinzelhändler profitieren von positiver Konsumstimmung

In Deutschland erzielten die 30 größten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels inklusive Non-Food einen Gesamtumsatz in Höhe von über 255 Milliarden Euro in 2016. Dies entspricht einer Steigerung von 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies zeigen Recherchen von LZ Retailytics, der Analyseplattform der Fachzeitschrift Lebensmittel Zeitung. Dabei beherrschen die vier größten Händler Edeka, Rewe, Schwarz und Aldi mit einem Anteil von 61 Prozent über die Hälfte des Marktes.

Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Die GfK erwartet, dass im laufenden Jahr die Ausgaben für Lebensmittel um zwei Prozent auf 179,5 Milliarden Umsatz zulegen werden. Ursachen seien die zunehmende Zahl der Haushalte, auch eine Folge der verstärkten Flüchtlingszuwanderung, und eine positive Konsumstimmung. Im Gegensatz dazu sehen die Marktforscher bei Textilien und Unterhaltungselektronik Zeichen für eine Marktsättigung. (1), (2), [Abb. 1]


Rewe holt im Ranking auf

Edeka bleibt der mit Abstand größte Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. Die Genossenschaft erwirtschaftete 2016 laut LZ Retailytics einen Gesamtumsatz von rund 53,81 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Wachstum von 2,5 Prozent gegenüber 2015. Die Discounttochter Netto trug 13,94 Milliarden Euro dazu bei. Die Schwarz Gruppe, die Nummer zwei, wuchs mit 2,2 Prozent ähnlich stark. Der Gesamtumsatz belief sich auf 37,76 Milliarden Euro, wobei auf den Discounter Lidl 21,99 Milliarden Euro entfielen und auf die Großflächentochter Kaufland der Rest.

Am erfolgreichsten unter den großen Vier agierte im vergangenen Jahr die Rewe Gruppe. Das Unternehmen verringerte den Abstand zu den beiden Spitzenreitern. Der Umsatz erhöhte sich um 4,2 Prozent auf 35,77 Milliarden Euro. Zu verdanken hat Rewe diesen Erfolg vor allen den Supermärkten, deren Erlöse um 5,1 Prozent zulegten. Ursachen hierfür sind längere Öffnungszeiten, viele Standorte in großen Metropolen, die Expansionspolitik sowie die offensive Vermarktung der Payback-Karte. Auch beim Onlinehandel mit Lebensmitteln ist Rewe erfolgreich, in diesem Segment erwirtschaftete das Unternehmen laut LZ Retailytics einen Umsatz von 120 Millionen Euro.

Aldi, die Nummer vier, legte beim Umsatz nur um 1,5 Prozent auf knapp 28,32 Milliarden Euro zu. Auf Aldi Süd entfielen dabei rund 15,66 Milliarden Euro. Die Metro Gruppe wies als einziges Unternehmen in den Top Ten ein Minus aus, der Umsatz reduzierte sich um elf Prozent auf rund 26,27 Milliarden Euro.

Am dynamischsten entwickelte sich Amazon, der Onlinehändler kam auf ein Plus von fast 20 Prozent. 10,40 Milliarden Euro Gesamtumsatz bedeuten Platz sechs im Ranking. Allerdings erwirtschaftet Amazon seine Erlöse vor allem im Nonfood-Bereich. Doch durch den Einstieg in das Geschäft mit der Lieferung von frischen Lebensmitteln könnte sich dies bald ändern. Auch die führenden Drogeriemärkte wuchsen rasant. dm erhöhte den Umsatz um 6,6 Prozent auf 7,50 Milliarden Euro, Rossmann um 5,4 Prozent auf 6,10 Milliarden Euro, was Platz neun und zehn im Ranking bedeuten. (3), (4), [Abb. 2]


Lidl nimmt in den USA den Kampf mit Aldi auf

Die beiden großen Discounter Aldi und Lidl sind nicht nur im Heimatmarkt große Rivalen, sondern auch im Ausland. Der Konkurrenzkampf wird nun auch in den Vereinigten Staaten ausgetragen, wo Lidl am 15. Juni die erste US-Filiale eröffnete. Insgesamt 20 Läden sollen 2017 hinzukommen, im nächsten Jahr 80 weitere. Die Filialen sind mit rund 2 000 Quadratmetern etwas größer als in Europa, aber für amerikanische Verhältnisse klein. Die Anfangsinvestitionen sollen sich auf rund eine Milliarde Euro belaufen, zusätzlich sind operative Anlaufverluste von bis zu 150 Millionen Euro jährlich einkalkuliert. Nach Schätzungen der Marktforscher von Planet Retail wird der Discounter in den USA bis 2022 mit 550 Filialen auf einen Umsatz von 5,2 Milliarden Euro kommen.

Aldi Süd, der Discounter hat 30 Jahre gebraucht, um in den USA auf diesen Umsatz zu kommen, lässt die Herausforderung nicht unbeantwortet. Das Unternehmen will in den kommenden fünf Jahren für 3,4 Milliarden Dollar das Filialnetz von 1 600 auf 2 500 Märkte ausbauen. Damit würde Aldi Süd eigenen Angaben zufolge nach Marktzahl zum drittgrößten US-Lebensmittelfilialisten hinter Walmart und Kroger aufsteigen. Zudem sollen 1,6 Milliarden Dollar in die Modernisierung der Märkte gesteckt werden.

Um bei Verbrauchern zu punkten, setzt Lidl vor allem auf günstige Preise, beim US-Start sollen die Kunden bis zu 50 Prozent bei den Produkten sparen können. Die Kunden werden auf breiter Front davon profitieren, denn Aldi Süd will seine Preise entsprechend anpassen. Das kann der Marktführer nicht auf sich sitzen lassen. Walmart will sechs Milliarden Dollar in die Hand nehmen, um seine Preisführerschaft zurückzugewinnen. (5), (6)


Lebensmitteleinzelhändler mobilisieren gegen Amazon Fresh

Anfang Mai diesen Jahres ging Amazon Fresh, ein Lieferdienst für Lebensmittel, in Berlin und Potsdam an den Start. Die Prime-Kunden des Onlineriesen haben die Wahl zwischen 85 000 Produkten, die sowohl aus dem eigenen Sortiment als auch von Einzelhändlern stammen. Der Mindestbestellwert liegt bei 40 Euro, pro Monat wird eine zusätzliche Gebühr von 9,99 Euro fällig. Der Kunde soll davon profitieren, dass bis mittags bestellte Ware noch am gleichen Abend ausgeliefert wird. Bestellungen vor 23 Uhr sollen am Folgetag ausgeliefert werden, innerhalb eines Zwei-Stunden-Zeitfensters zwischen fünf und 22 Uhr. Amazon plant, das Angebot auf weitere Regionen auszudehnen, wozu auch München gehören dürfte.

Die etablierten Lebensmitteleinzelhändler müssen darauf reagieren. Ein Weg ist der Aufbau eines Click&Collect-Services. Kaufland hat im Berliner Ortsteil Niederschöneweide seine bundesweit erste Pick-up-Station eröffnet. Weitere Standorte in der Hauptstadt sollen folgen. Diese ergänzen damit die Heimlieferung, die Kaufland im vergangenen Herbst in Berlin gestartet hat. Auch Rewe ist mit seinen Click&Collect-Stationen wieder auf Expansionskurs. Bislang betrieb Rewe unter dem Namen Drive bundesweit rund zehn Abholstandorte, vor allem in Großstädten. In diesem Jahr sollen weitere hinzukommen. Doch beide Händler fahren unterschiedliche Strategien. Während Kaufland eine gekühlte, automatische Station des Start-ups Emmas Box mehrmals täglich aus seinem zentralen Online-Logistikzentrum beliefert, dienen Rewe die eigenen Märkte als Abholstationen.

Edeka setzt auf einen Lieferservice für online bestellte Ware. Dazu hat das Unternehmen Anfang des Jahres den Onlinesupermarkt Bringmeister übernommen. Kunden in Berlin und München können unter 13 000 Produkten auswählen, darunter die vollständige Palette der beiden Eigenmarken Edeka und Gut & Günstig. (7), (8), (9)





Fallbeispiele


Amazon: kauft stationären Lebensmittelhändler

Amazon steigt in den USA in das stationäre Lebensmittelgeschäft ein. Der Onlineriese erwarb für 13,7 Milliarden Dollar den Biohändler Whole Foods Market. Im zweiten Halbjahr 2017 soll die Transaktion abgeschlossen sein. Voraussetzung hierfür ist die Zustimmung der Anteilseigner von Whole Foods und der Wettbewerbshüter. Die 461 Märkte in den USA, Kanada und Großbritannien sollen unter der Marke Whole Foods fortgeführt werden.

Damit setzt Amazon den stationären Handel in einem weiteren Segment weiter unter Druck. Der Internethändler betreibt in den USA bereits eigene Buchläden und Techniksupermärkte. (10)


Edeka: will gemeinsam mit Budnikowsky das Drogeriegeschäft stärken

Edeka will den deutschen Drogeriemarkt aufmischen. Dazu soll mit der regionalen Drogeriemarktkette Budnikowsky ein Joint Venture gegründet werden, über das eine gemeinsame Beschaffung, IT, E-Commerce, Verwaltung und Logistik laufen soll. Das Ziel ist der Aufbau eines bundesweit agierenden Drogeriemarktfilialisten. Das Bundeskartellamt hat dem ohne Auflagen zugestimmt, da beide Unternehmen bei der Beschaffung von Drogeriemarktartikeln in Deutschland auf einen Marktanteil von unter 15 Prozent kommen.

Für Budnikowsky könnte das die Rettung sein. Das Unternehmen kommt in Hamburg zwar auf einen Marktanteil von 30 bis 35 Prozent, steht aber durch die Expansion der beiden Marktführer dm und Rossmann stark unter Druck. Das Gemeinschaftsunternehmen soll spätestens im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen. Der gemeinsame Einkauf von Drogeriewaren könnte aber bereits in diesem Jahr starten. In der Heimatregion Hamburg wird Budnikowsky sein Drogeriemarktgeschäft weiterhin selbstständig führen. (11)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Wenige beherrschen den Markt

Entnommen aus: pv digest, Heft 04/2017, S. 19, (1)
Abbildung 2: Edeka bleibt Spitze
Die zehn größten Lebensmittelhändler
RangUnternehmenUmsatz 2016 in Mio. Euro*Veränderung zu 2015 Markt- anteil
1Edeka53 8062,5%20,1%
2Schwarz Gruppe37 7642,2%14,1%
3Rewe Group35 7744,2%13,3%
4Aldi28 3151,5%10,6%
5Metro Group26 268-11,0%9,8%
6Amazon10 40119,7%3,9%
7Lekkerland9 2652,3%3,5%
8Tengelmann7 5740,3%2,8%
9dm7 4966,6%2,8%
10Rossmann6 1005,4%2,3%
* inklusive Nonfood-Umsätze
Quelle: LZ Retailytics

Entnommen aus: afz - allgemeine fleischer zeitung, 16/2017, S. 4, (4)

Weiterführende Literatur:

(1.) Analysen und Daten / Marktanteile im deutschen Lebensmittelhandel
aus pv digest, Heft 04/2017, S. 19

(2.) GfK-Zahlen: Rewe legt 2016 am stärksten zu
aus www.lebensmittelzeitung.net vom 13.02.2017

(3.) Rewe rückt näher an die Spitze heran
aus Lebensmittel Zeitung 13 vom 31.03.2017 Seite 054 bis 055

(4.) Rewe holt sichtbar auf
aus afz - allgemeine fleischer zeitung 16 vom 19.04.2017 Seite 004

(5.) Kulturschock für die Shopping-Nation
aus Handelsblatt Nr. 096 vom 18.05.2017 Seite 016

(6.) US-Geschäft: Aldi Süd nimmt 2500 Filialen ins Visier
aus www.lebensmittelzeitung.net vom 12.06.2017

(7.) Lieferservice Fresh gestartet
aus gv praxis Nr. 6 vom 07.06.2017 Seite 008

(8.) Branche beschert Click&Collect ein Comeback
aus Lebensmittel Zeitung 4 vom 27.01.2017 Seite 006

(9.) Edeka treibt Bringmeister voran
aus afz - allgemeine fleischer zeitung 23 vom 07.06.2017 Seite 005

(10.) Bio-Lebensmittelhandel: Amazon kauft Whole Foods
aus www.lebensmittelzeitung.net vom 16.06.2017

(11.) Kooperation: Kartellamt genehmigt Edeka-Budni-Bündnis
aus www.lebensmittelzeitung.net vom 19.05.2017

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 07 vom 03.07.2017
Dokument-ID: s_leb_20170703

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