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Kreuzfahrten - Flussanbieter machen sich auf den Meeren breit

TOURISMUS | GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 01.04.2019


Hochseereedereien leiden unter einem Mangel an Schiffen

Immer mehr Deutsche machen Urlaub auf dem Meer. Die Zahl der Passagiere auf den Hochseeschiffen erhöhte sich 2018 nach Schätzungen der Cruise Lines International Association (CLIA) Deutschland auf 2,26 Millionen. Dennoch ist die Freude der Reedereien getrübt, da sich die Wachstumskurve abflachte. Belief sich das Passagierplus 2017 noch auf 8,4 Prozent, waren es 2018 nur 3,5 Prozent. Diese Delle soll laut CLIA allerdings daran liegen, dass viele neue Schiffe erst gegen Ende des vergangenen Jahres von Stapel liefen, so dass diese keinen großen Beitrag zum Wachstum leisten konnten. Für 2019 wird wieder ein Schub erwartet.

Die Passagiere blieben auch länger auf den Schiffen, die durchschnittliche Reisedauer stieg um 1,7 Prozent auf neun Tage. Beliebtestes Zielgebiet der Kreuzfahrturlauber aus Deutschland war mit 28 Prozent Nordeuropa. Dahinter folgt das westliche Mittelmeer mit 24 Prozent. Zu den Kanarischen Inseln zieht es elf Prozent der Urlauber, in die Karibik zehn Prozent, in das östliche Mittelmeer neun Prozent und in die Ostsee fünf Prozent.

Deutsche Urlauber buchen ihre Kreuzfahrt vor allem in einem der rund 11 000 Reisebüros. Für diese ist die Vermittlung von Kreuzfahrten eine wichtige Einnahmequelle. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) erwirtschaften die Agenturen rund 13 Prozent ihrer Umsätze mit Buchungen von Schiffsreisen. Die Reisebüros sind wichtige Anlaufstellen für Reisewillige, da viele von ihnen bei der Auswahl der richtigen Kreuzfahrt überfordert sind. Neben der Zielwahl spielt das Urlaubskonzept der Anbieter eine wichtige Rolle. Dieses reicht vom Expeditionsschiff etwa von Hurtigruten oder Hapag-Lloyd über Unterhaltungsanbieter wie AIDA oder TUI Cruises bis hin zu Luxuslinern von Cunard. Der angesichts dieser Komplexität hohe Beratungsbedarf macht es Onlineanbietern wie Holidaycheck, Expedia oder weg.de schwer, in diesem Reisesegment Fuß zu fassen. (1), (2)


Wenige Reedereien beherrschen den weltweiten Hochseekreuzfahrtmarkt

Auch weltweit wächst der Kreuzfahrtmarkt ungebrochen. CLIA rechnet für 2019 mit rund 30 Millionen Passagieren, nach geschätzt 28,2 Millionen im vergangenen Jahr und 26,7 Millionen in 2017. Nur sechs Kreuzfahrtanbieter machen den Löwenanteil des weltweiten Marktes unter sich aus. Die Nummer eins Carnival Corporation wiederum ist eine Größe für sich. Laut Cruise Market Watch kam die Reederei 2018 mit Marken wie AIDA oder Costa Cruises mit 12,3 Millionen Passagieren auf einen Marktanteil von 47,4 Prozent. Die Nummer zwei Royal Carribean zählte 5,98 Millionen Gäste auf ihren Schiffen, was einem Marktanteil von 23 Prozent entspricht. Norwegian Cruise Line mit ihren Töchtern Regent Seven Seas und Oceania Cruises kam mit 2,27 Millionen Gästen auf einen Marktanteil von 9,5 Prozent. Zu den weiteren größeren Anbietern zählen noch MSC Cruises, Disney Cruises und die TUI Group. Alle anderen Reedereien kommen auf einen Marktanteil von jeweils weit unter ein Prozent.

Der Kreuzfahrtboom führt dazu, dass immer mehr Schiffe auf den Meeren kreuzen. 2019 sollen 25 weitere Schiffe von Stapel laufen, die das erwartete Passagierwachstum auffangen sollen. Die weltweite Flotte wird damit auf 339 Schiffe mit einer Kapazität von über 580 000 Gästen anwachsen. Allein Markführer Carnival sorgt mit den vier Schiffen Costa Smeralda, Costa Venezia, Carnival Panorama und Sky Princess für eine Kapazitätserweiterung von zusammen 18 000 Passagieren. MSC Cruises ergänzt ihre Flotte mit der Bellissima und der Grandiosa, die zusammen rund 10 000 Passagiere aufnehmen können. Für 2020 sind bereits jetzt schon 21 Neubauten angekündigt.

Das ungebremste Wachstum der Kreuzfahrtbranche zieht Kritik auf sich. Vor allem die Umweltverschmutzung durch die Schiffsantriebe wird bemängelt. Die Reedereien reagieren darauf, indem sie sauberere Schiffe bauen lassen beziehungsweise ältere Schiffe entsprechend umrüsten. Dies geschieht im Wesentlichen durch die Nutzung von schwefelärmeren Brennstoffen oder den Einsatz von Abgasfiltersystemen, so genannten Scrubbern. Am umweltverträglichsten ist jedoch ein Flüssiggasantrieb ( LNG). AIDA setzt auf diese Antriebsform, von 2023 an sollen 60 Prozent aller Gäste mit Flüssigerdgas befördert werden. Die übrigen Schiffe werden mit Filtersystemen ausgerüstet oder nutzen schwefelärmere Brennstoffe. Auch Costa Cruises setzt auf den LNG-Antrieb, der im Neubau Costa Smeralda zum Einsatz kommen soll. Bei TUI Cruises dagegen hat man sich bei den Neubauten für den Einsatz von Hybrid-Scrubbern entschieden. (3), (4), (5), (6), [Abb. 1]


Passagiere von Flusskreuzfahrten werden jünger

Auch das Geschäft der deutschen Anbieter von Flusskreuzfahrten läuft blendend. Laut IG River Cruise erhöhte sich 2018 ihr Umsatz um 18 Prozent auf 591 Millionen Euro. Ein Grund für das hohe Wachstum ist, dass die Passagierzahl um 5,5 Prozent auf 496 270 stieg. Da mehr im Premium- und Luxussegment gebucht wurde, stieg der Durchschnittpreis pro Reise um über 15 Prozent auf 1 191 Euro. Zum Umsatzplus trug auch bei, dass sich die durchschnittliche Reisedauer um 3,2 Prozent auf 7,1 Nächte erhöhte. Der beliebteste Fluss war der Rhein, auf dem 35,9 Prozent der Passagiere urlaubten. Knapp geschlagen folgt die Donau mit 35,2 Prozent.

Bisher galt eine Flusskreuzfahrt als ein Urlaub für die Rentnergeneration. Doch im vergangenen Jahr zeichnete sich ein überraschender Trend ab, das durchschnittliche Alter der Passagiere sank deutlich. Zwar blieben die 66- bis 75-Jährigen die größte Altersgruppe, doch deren Anteil reduzierte sich im Vergleich zu 2017 von 39 auf 31 Prozent. Deutliche Zuwächse gab es bei den 41- bis 55-Jährigen, deren Anteil sich von 11,8 auf 18,3 Prozent erhöhte. Auch immer mehr 26- bis 40-Jährige gehen auf die Kreuzfahrtschiffe, deren Anteil wuchs von zwei auf 8,3 Prozent.

Der Boom auf den Flüssen zeigt aber auch Schattenseiten. In den Städten werden Liegeplätze in zentraler Lage knapp, so dass die Schiffe nebeneinanderliegen oder auf andere, weniger attraktive Regionen ausweichen müssen. Unabhängig davon machen veraltete Schleusentechnik und die damit verbundenen langen Wartezeiten den Reedereien zu schaffen. Zudem gibt es oftmals eine unzureichende Landstromversorgung, die die Lärmbelästigung der Anwohner durch die Schiffsdiesel in Grenzen hält. Ein Risikofaktor ist zudem der Klimawandel. Dieser führt zu sinkenden Pegelständen auf den Flüssen, so dass die Schiffe nicht mehr fahren können.

Ein Ausweg für die Anbieter ist das Ausweichen auf die Hochsee. Viking River Cruises, Scenic Cruises, Nicko Cruises, Phoenix Reisen und Scylla machen es vor. Der US-Anbieter Viking betreibt zusätzlich zu seinen 60 Flusskreuzern fünf Hochseeschiffe. Bis 2027 sollen elf weitere Neubauten auf den Meeren kreuzen. Phoenix Reisen hat in seiner Flotte neben 40 Flusskreuzern ebenfalls fünf Hochseeschiffe. Die portugiesische Holding Mystic Invest wird in diesem Jahr das neue Expeditionsschiff World Explorer und 2020 die World Voyager auf die Meere schicken. Beide Kreuzer werden von der deutschen Flusstochter Nicko Cruises exklusiv vertrieben. Scylla wird 2021 von Hapag-Lloyd Cruises das Expeditionsschiff Bremen kaufen. Die Schweizer Reederei ist bisher Betreiberin von rund 30 Flussschiffen, die sie überwiegend an Veranstalter wie Phoenix Reisen oder Nicko Cruises verchartert. Scenic Cruises, die in Europa und Asien aktiv ist, will mit dem Luxusschiff Scenic Eclipse das Meer erobern. Zielgruppe des australischen Anbieters von Flusskreuzfahrten sind allerdings Gäste aus englischsprachigen Märkten. (1), (7), (8)



Trends


Schiffe nur für Erwachsene

In der Hotellerie gibt es bereits einen umstrittenen Trend, der sich nun auch auf den Meeren und Flüssen breitmacht: Urlaub ohne Kinder. Der Vorteil für die Anbieter ist, dass sie eine klar definierte Zielgruppe ansprechen. Dabei handelt es sich um Erwachsene, die Ruhe und Erholung suchen und unter sich sein wollen.

Die zu Carnival gehörende britische Reederei P&O verfügt bereits über drei Schiffe, auf denen die Passagiere über 18 Jahre alt sein müssen. Die übrigen vier Schiffe von P&O sind mit Kinderclubs, familientauglichen Restaurants und Landausflügen auf Familien ausgerichtet. Marella Cruises bietet Reisen auf ihrer Explorer 2 ausschließlich für Erwachsene an. Viking Cruises hat im vergangenen Jahr die Altersgrenze für ihre Flusskreuzfahrten auf 18 hochgesetzt. Auch Hapag-Lloyd Cruises hat ein Adults-only-Schiff angekündigt. Die Hanseatic Spirit für 230 Passagiere soll 2021 in Dienst gehen. (9)

Fallbeispiele


MSC Cruises: Neues Konzept für Reisebüros

MSC Cruises verstärkt die Zusammenarbeit mit Reisebüros. Dafür wurde das Co-branded-Store-Konzept entwickelt, das im September 2018 in 50 Agenturen eingeführt wurde. Im Laufe dieses Jahres sollen 50 weitere hinzukommen.

Im Rahmen des Konzepts erhalten die Reisebüros neben spezieller Deko eine Stehle mit einem MSC-Schiffsmodell und einen Schaufensterbildschirm, der von der Reederei direkt mit aktuellen Angeboten bespielt wird. Für die Reiseverkäufer wird zudem ein spezielles Training angeboten, das die Beratungsqualität erhöhen soll. (10)


Costa Cruises: Nimmt chinesischen Markt ins Visier

Dem chinesischen Kreuzfahrtmarkt werden hohe Wachstumsraten vorausgesagt. Derzeit gehen jährlich rund 2,5 Millionen Chinesen auf eine Kreuzfahrt, was weniger als zwei Prozent der Gesamtzahl der chinesischen Auslandsreisenden entspricht. Die italienische Reederei Costa will von diesem Wachstumsmarkt profitieren und stellt mit der Costa Venezia das erste Kreuzfahrtschiff in Dienst, das mit der im Stil der italienischen Lagunenstadt gehaltenen Ausstattung speziell für chinesische Passagiere entwickelt wurde. Die Costa Venezia hat bei einer Bruttotonnage von 135 500 Tonnen und einer Länge von 323 Metern eine Kapazität von über 5 200 Passagieren. (11)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Wenige Riesen beherrschen die Meere

Entnommen aus: Homepage Cruise Market Watch, 2019, (5)

Weiterführende Literatur:

(1.) Kreuzfahrten bei Deutschen so beliebt wie nie
aus SPIEGEL ONLINE

(2.) Tourismusmesse ITB - Kreuzfahrten halten die Reisebüros über Wasser
aus Handelsblatt online vom 07.03.2019

(3.) Kreuzfahrt erwartet neue Passagierrekorde
aus Täglicher Hafenbericht, Heft 10/2019, S. 1

(4.) Kreuzfahrtkuchen wächst weiter Expansion mit Zwergen und Riesen
aus Tourismuswirtschaft Austria & International Nr.2346-2347/2019 vom 10.01.2019, Seite ALL Kreuzfahrten & Fähren"Tourist Austria International" Nr. 2346-2347/2019 vom 10.01.2019Seite 18

(5.) 2018 weltweiter Anteil der Kreuzfahrtanbieter
aus Tourismuswirtschaft Austria & International Nr.2346-2347/2019 vom 10.01.2019, Seite ALL Kreuzfahrten & Fähren"Tourist Austria International" Nr. 2346-2347/2019 vom 10.01.2019Seite 18

(6.) Kreuzfahrt als Vorreiter bei der Abgasreduzierung auf See
aus TravelTalk 3 vom 18.01.2019 Seite 030 bis 031

(7.) Der deutsche Reisemarkt - Zahlen und Fakten 2018
aus TravelTalk 3 vom 18.01.2019 Seite 030 bis 031

(8.) Die hohe See reizt Flusskreuzfahrer
aus fvw 4 vom 15.02.2019 Seite 058 bis 059

(9.) In ruhigen Fahrwassern
aus fvw 3 vom 01.02.2019 Seite 044 bis 045

(10.) MSC zieht's in mehr Büros
aus TravelTalk 3 vom 18.01.2019 Seite 013

(11.) Costa erschließt neuen Markt
aus Täglicher Hafenbericht, Heft 44/2019, S. 16

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 01.04.2019
Dokument-ID: s_tou_20190401

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