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Kreuzfahrten - Bundesbürger reisen bevorzugt auf deutschen Schiffen

TOURISMUS | GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 04.04.2018


Ausländische Anbieter profitieren nicht vom Hochseekreuzfahrtboom in Deutschland

Immer mehr Deutsche machen Urlaub auf dem Meer. 2017 gingen laut dem Branchenverband Cruise Lines International Association (CLIA) 2,19 Millionen Bundesbürger auf eine Hochseekreuzfahrt. Das waren 8,4 Prozent mehr als 2016. Die Zahlen basieren auf den Angaben von insgesamt 38 deutschen und internationalen Anbietern. Und der Trend soll auch in Zukunft anhalten. Branchenkenner erwarten, dass 2020 rund drei Millionen Deutsche eine Hochseekreuzfahrt machen werden. Mit 28,1 Prozent war Nordeuropa im vergangenen Jahr das beliebteste Zielgebiet, gefolgt vom Mittelmeerraum mit 25,7 Prozent. Gefragt sind auch Fahrten durch die Karibik, zu den Kanaren und durch die Ostsee. Reisen nach Afrika, in den Nahen/Mittleren Osten und Asien fanden die Bundesbürger dagegen weniger attraktiv.

Die Deutschen bevorzugen bei der Buchung von Hochseekreuzfahrten heimische Anbieter. Diese kamen im vergangenen Jahr auf 1,64 Millionen Passagiere. Internationale Reedereien dagegen können vom Boom nicht profitieren, die Zahl der deutschen Gäste auf ihren Schiffen ging auf 547 000 zurück. 2014 zählten sie noch 42 500 Passagiere mehr. Als Ursache für diese Entwicklung nennen die internationalen Reedereien die Tatsache, dass ihre Schiffe primär für andere Quellmärkte eingesetzt werden.

Zu den Umsätzen macht CLIA, anders als in den vergangenen Jahren, keine Angaben. Die US-Kreuzfahrtkonzerne sollen für die Entscheidung verantwortlich sein, nur die Passagierzahlen zu publizieren. Experten sind der Ansicht, dass diese eine Veröffentlichung ihrer Wachstumszahlen in Europa scheuen. Immerhin gibt es die Aussage, dass die Umsätze stärker stiegen als das Passagiervolumen. In Deutschland wird von einem Umsatzplus von 15 Prozent in 2017 ausgegangen. 2016 lagen die Umsätze der Kreuzfahrtanbieter hierzulande bei 3,4 Milliarden Euro.

Auch weltweit steigen die Passagierzahlen. Für 2017 rechnet CLIA mit einem Anstieg der Schiffsreisenden um gut vier Prozent auf 25,8 Millionen. Für das laufende Jahr wird ein Zuwachs um über fünf Prozent auf 27,2 Millionen prognostiziert. (1), (2), (3), [Abb. 1]


Durchschnittliche Tagespreise von Flussreisen erreichen Rekordwert

Weiterhin im Aufwärtstrend ist auch die Flusskreuzfahrt. Rund 470 400 Deutsche machten laut dem Branchenverband IG River Cruise Urlaub auf einem Fluss, ein Wachstum von acht Prozent. Der Tagespreis einer Flusskreuzfahrt erreichte mit durchschnittlich 156 Euro einen neuen Rekordwert. Aufgrund dieser Entwicklungen stiegen die Umsätze der Reedereien sogar um 11,6 Prozent auf über eine halbe Milliarde Euro. Das beliebteste Ziel war mit 38 Prozent die Donau, gefolgt vom Rhein mit seinen Nebenflüssen mit 31,5 Prozent.

Trotz des Erfolgs hat die Flusskreuzfahrt bei potenziellen Kunden und auch in den Reisebüros, die die Fahrten verkaufen sollen, ein Imageproblem. Diese Reiseform wird oft als ein Urlaub für alte Leute auf unkomfortablen Schiffen auf langweiligen Routen eingestuft. Doch dabei handelt es sich um ein Vorurteil, denn Anbieter wie Arosa, Phoenix oder Nicko haben viel für einen Imagewechsel getan. Das zeigen die Neubauten, die aktuell und in den nächsten Jahren vom Stapel laufen. Die Asara von Phoenix Reisen, die Nicko Vision oder die Vista Star von 1AVista sind modern und komfortabel ausgestattet. Auf der Habenseite steht auch, dass die Flusskreuzfahrt als sichere Urlaubsform wahrgenommen wird. Zudem setzen die Kunden immer mehr auf den Urlaub vor der Haustür. (1), (4), (5)


Gute Gesamtpakete locken aufs Schiff

Warum buchen Urlauber eine Reise auf einem Schiff? Auskunft darüber gibt eine nicht repräsentative Umfrage des Reiseportals Travelzoo unter 2 172 Nutzern der Seite. 46 Prozent der Befragten haben demnach bereits eine Kreuzfahrt unternommen. Von den übrigen 54 Prozent zeigen rund zwei Drittel Interesse für diese Urlaubsform. Überzeugen ließen sich 72 Prozent durch ein gutes Gesamtpaket aus Anreise, Transfer und der eigentlichen Kreuzfahrt. Für 68 Prozent ist eine attraktive Route eine wichtige Voraussetzung. Für 60 Prozent spielen All-Inclusive-Angebote eine wichtige Rolle, für etwa die Hälfte ein günstiger Preis.

Kreuzfahrten schrecken aber auch ab. Von jenen Personen, die nicht an Bord gehen wollen, nennen 60 Prozent der Befragten die große Menschenansammlung als Grund für ihre ablehnende Haltung. Die fehlende Unabhängigkeit und die Umweltbelastung sind ebenfalls von Bedeutung. Nur 14 Prozent äußern Bedenken wegen des Preises. (6)


Reedereien setzen auf unterschiedliche Antriebstechniken

Insgesamt 16 neue Schiffe, die rund 8,7 Milliarden Dollar kosten, werden die Hochseereedereien in diesem Jahr in Betrieb nehmen. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der Schiffe auf den Meeren auf 314, die Kapazität steigt um sieben Prozent auf 537 000 Passagiere. Den Anfang machte im März die 4 000 Passagiere fassende Carnival Horizon. Im Dezember wird die AIDA Nova, die 5 000 Gäste aufnehmen kann, als letztes Schiff vom Stapel laufen. Größtes Schiff ist die Symphony of the Seas von Royal Caribbean International mit einer Kapazität von 5 400 Reisenden. Sie ist mit 1,3 Milliarden US-Dollar auch der teuerste Kreuzer.

Sorge bereitet den Reedereien der Antrieb, für den als gängigster Treibstoff Schweröl benutzt wird, ein Abfallprodukt der Ölraffinierung. Der Grund für den Einsatz ist der günstige Preis, Schiffsdiesel ist rund doppelt so teuer. Auf der Negativseite von Schweröl steht der Schwefelgehalt von 3,5 Prozent, Schiffsdiesel hat nur 0,1 Prozent. Zum Problem wird Schweröl wegen gesetzlicher Vorgaben der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO zum Umweltschutz. Ab 2020 darf auf allen Gewässern nur Treibstoffe mit einem maximalen Schwefelgehalt von 0,5 Prozent einsetzt werden. In deutschen Häfen ist schon seit 2010 nur noch ein Schwefelgehalt von höchstens 0,1 Prozent im Treibstoff erlaubt. In sogenannten Sulphur Emission Control Areas (Seca) wie der Nord- und Ostsee gelten seit zwei Jahren dieselben strengen Grenzwerte.

Die neuen Gesetze lassen den Reedereien die Wahl, entweder das teure Schiffsdiesel zu tanken oder das günstige Schweröl weiter zu nutzen und Abgasreinigungssysteme einzubauen. Deren Nachteile sind jedoch die umfangreichen Aufbauten, die die Leistung der Kreuzer verringern und den Treibstoffverbrauch erhöhen. Hinzu kommen die Investitionen für die Nachrüstung. Beispielsweise kostet ein Scrubber, der den Schwefel mit Wasser auswäscht, im Schnitt zwei bis vier Millionen Euro. Auf diese Technik setzt TUI Cruises. Ein System zur Abgasnachbehandlung ist bereits auf Mein Schiff 3 bis 6 eingebaut, die neuen Mein Schiff 1 und 2 werden 2018 und 2019 damit ausgerüstet sein. Auch Royal Caribbean und Norwegian Cruise Line setzen auf Scrubber.

Carnival und deren Tochter Aida dagegen wollen die nächste Schiffsgeneration mit verflüssigtem Erdgas (LNG) antreiben. Dieser Treibstoff vermeidet Feinstaub und Schwefeloxide fast vollständig, zudem soll sich der Ausstoß von Stickoxiden und CO2-Emissionen verringern. Die Schiffe, die noch im Bau sind, sollen Treibstoff für bis zu 16 Tage Fahrt an Bord haben. Durch eine Partnerschaft mit Shell soll die Treibstoffversorgung durch LNG-Versorgungsschiffe auf Hoher See gewährleistet werden. Die bestehende Flotte allerdings lässt Aida mit Srubbern nachrüsten. Auch Konkurrent MSC (Mediterranean Shipping Company) setzt auf den Gasantrieb. (7), (8)





Fallbeispiele


Nicko Cruises: Flussanbieter will das Meer erobern

Der Flussreisen-Anbieter Nicko Cruises geht aufs Meer. In einer Roadshow, die vom 20. Februar bis 1. März bundesweit stattfand, informierte das Unternehmen über das neue Expeditionsschiff World Explorer. Die World Explorer soll ab 2019 in fünf Fahrtgebieten auf 16 Routen zwischen 24 Ländern kreuzen. (9)


P&O Cruises: neue Schiffe erhalten mit LNG-Antrieb

P&O Cruises setzt auf den Flüssiggasantrieb. Die Papenburger Meyer-Werft wurde damit beauftragt, zwei Schiffe zu bauen, die über einen sauberen LNG-Antrieb verfügen. Beide Schiffe, die 2020 beziehungsweise 2022 in See stechen sollen, verfügen über eine Tonnage von 180 000 BRZ (Bruttoraumzahl) und bieten Platz für rund 5 200 Passagiere. (10)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Immer mehr Reisende machen auf dem Meer Urlaub

Entnommen aus: Börsen-Zeitung vom 19.12.2017, Nr. 243, S. 10, (2)

Weiterführende Literatur:

(1.) Verwässerte Kreuzfahrtzahlen
aus fvw 6 vom 16.03.2018 Seite 038 bis 039

(2.) Begehrte Kreuzfahrten
aus Börsen-Zeitung vom 19.12.2017, Nr. 243, S. 10

(3.) Kreuzfahrtanbieter verzeichnen Passagierrekord
aus Hamburger Abendblatt, 09.03.2018, Nr. 58, S. 9

(4.) Kreuzfahrt-Branche auf Rekordniveau
aus Täglicher Hafenbericht, Heft 49/2018, S. 3

(5.) Flusskreuzfahrt braucht Neustart
aus fvw 2 vom 19.01.2018 Seite 006

(6.) Was aufs Schiff lockt - und was nicht
aus fvw 3 vom 02.02.2018 Seite 061

(7.) Von Carnival Horizon bis AIDA Nova "Leinen los" für 16 neue Ozean-Riesen
aus Tourismuswirtschaft Austria & International Nr.2324/2018 vom 23.02.2018"Tourist Austria International" Nr. 2324/2018 vom 23.02.2018 Seite 15

(8.) Schluss mit schmutzig
aus fvw 23 vom 10.11.2017 Seite 018 bis 022

(9.) Nicko Cruises stellt Expeditionsschiff vor
aus fvw 4 vom 16.02.2018 Seite 076

(10.) P&O Cruises-Neubau mit Erdgas-Antrieb
aus Tourismuswirtschaft Austria & International Nr.2323/2018 vom 09.02.2018, Seite ALL Aktuell"Tourist Austria International" Nr. 2323/2018 vom 09.02.2018 Seite 19

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 04.04.2018
Dokument-ID: s_tou_20180404

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