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Kohlendioxidemissionen reduzieren - Viele Ideen und Forschungsprojekte für den Turnaround

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 29.04.2019


Kohlendioxid als das mit Abstand schädlichste Treibhausgas

Gemäß Weltklimarat sind die menschlichen Aktivitäten der vergangenen 50 Jahre für den Temperaturanstieg verantwortlich. Dazu zählen im Wesentlichen die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas, die Abholzung von Wäldern und die Intensivierung der Landwirtschaft. Treibhausgase sind Gase in der Erdatmosphäre, die sich wie Glas im Gewächshaus verhalten. Sie absorbieren Sonnenenergie und von der Erdoberfläche abstrahlende Wärme, halten diese in der Atmosphäre und verhindern so das Entweichen ins Weltall. Das mit Abstand schädlichste Treibhausgas ist das Kohlendioxid. Andere Treibhausgase wie Methan, Distickstoffoxid/Lachgas und Fluorkohlenwasserstoffe werden mengenmäßig in weit geringerem Umfang ausgestoßen und halten die energiereiche Sonnenstrahlung teilweise tausendfach wirksamer zurück als Kohlendioxid (CO2). Methan wird hauptsächlich bei der Kohleförderung als Grubengas freigesetzt. Energiebedingte Lachgas-Emissionen entstehen durch Verbrennungsprozesse. Neben der globalen Erwärmung gehen die Erhöhung von Feinstaub, Staub, Kohlenmonoxid, die Versauerung durch Schwefeldioxid, Stickstoffoxide und Ammoniak sowie bodennahes Ozon auf das Konto der energiebedingten Emissionen.


Deutschland ist größter CO2-Emittent in der EU

Die Top Kohlendioxidemittenten in der EU sind Deutschland mit großem Abstand vor Großbritannien, Frankreich, Italien, Polen und Spanien. Weltweit sind China, die USA, die EU, Indien, Brasilien und Russland die Hauptverursacher.


Wirtschaftssektoren mit hoher CO2-Emission

Welche Wirtschaftssektoren verursachen in der EU den meisten Schadstoffausstoß?
Der Energiesektor steht in der EU mit fast 80 Prozent der Treibhausgasemissionen an vorderster Front. Rund ein Drittel geht zu Lasten des Transportsektors, über zehn Prozent resultiert aus der Landwirtschaft. Auf industrielle Prozesse sowie Produktnutzung entfallen 8,7 Prozent der Emissionen. Der Anteil der Abfallwirtschaft liegt bei 3,7 Prozent.
Für Deutschland nennt das Umweltbundesamt die Energiewirtschaft, also die öffentliche Strom- und Wärmeerzeugung, Raffinerien sowie Erzeuger von Festbrennstoffen, als zur Hälfte verantwortlich für die energiebedingten Treibhausgas-Emissionen. Danach folgen die Sektoren Verkehr mit ungefähren Anteilen von 20 Prozent, Industrie 15 Prozent, private Haushalte zehn Prozent und der Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor mit fünf Prozent. Zu den Industriebranchen mit hohen Kohlendioxidausstoß zählen Metalle, Glas und die Chemie. [Abb. 1], (13)


Stromerzeugung mit rückläufigem CO2-Ausstoß

Die Kohlendioxid-Emissionen aus der deutschen Stromerzeugung gingen seit dem Jahr 1990 im Trend zurück. Einige emissionsintensive Braunkohlewerke wurden in den 90er Jahren stillgelegt und durch effizientere Kraftwerke ersetzt. Die erneuerbaren Energien schreiten ebenso voran wie der Wechsel zum emissionsärmeren Brennstoff Erdgas. Doch unterm Strich wird nach wie vor zu viel Energie aus Kohle erzeugt und auch das hauptsächlich aus Methan bestehende fossile Erdgas erzeugt bei der Verbrennung noch klimaschädliche Kohlendioxidemissionen. Aufgrund der höheren Preise für Erdgas im Vergleich zu Braun- und Steinkohle und der niedrigen Preise pro emittierter Tonne Kohlendioxid ist laut Umweltbundesamt auch kein Wechsel hin zum kohlenstoffärmeren Gas in der fossilen Stromerzeugung zu verzeichnen. In Folge wurde stetig mehr Strom erzeugt als verbraucht, und mehr exportiert als importiert, was zu einem bedeutenden Anstieg des Stromhandelssaldos führte. Nun ist der Kohleausstieg mehr oder weniger beschlossene Sache, doch auch er braucht seine Zeit, bis er vollzogen ist. [Abb. 2] (1)


Es wird höchste Zeit zu handeln!

Fest steht: Die Klimaziele für 2020 können nicht mehr erreicht werden. Geplant waren 40 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase als 1990, es werden wohl nur 32 Prozent sein. Der Umbau der Energieversorgung und die Gestaltung einer kohlendioxidarmen Wirtschaft der Zukunft brauchen freilich Zeit. Immerhin resümiert die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, dass sich die Gesamtemissionen an Treibhausgasen im Zeitraum von 1990 bis 2018 um rund 31 Prozent vermindert haben. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland insgesamt 868,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt, berechnete das Umweltbundesamt (UBA). Das waren rund 38 Millionen Tonnen oder 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Deutliche Emissionsrückgänge gab es bei der Energiewirtschaft und den Haushalten. Sogar im Verkehrssektor gingen die Emissionen leicht zurück. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nahm zu, Steinkohle-Kraftwerke wurden stillgelegt, die Witterung war mild und damit der Brennstoffbedarf geringer.
Doch die Lage bleibt sehr ernst! Nicht zuletzt durch die Schülerproteste aufgeschreckt, hat die deutsche Bundesregierung das Thema Klima jetzt nach oben auf die Tagesordnung gesetzt. Das Klimakabinett unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) tagte erstmals. Bis Ende Mai 2019 sollen die Ministerien Vorschläge liefern, wie die Klimaziele bis 2030 erreicht werden können. Im Herbst soll ein Gesamtkonzept stehen, Gesetze bis zum Jahresende auf den Weg gebracht werden. Konkret geht es um Verbesserungen beim Verkehr, der Energiewirtschaft, der Landwirtschaft sowie beim Bau von Gebäuden. (2), (3)


Mehr CO2-Ausstoß trotz mehr Pkw mit alternativen Antrieben

Im Verkehr gibt es viele Ansätze, um den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Stichworte sind beispielsweise die Elektromobilität, Biofuels, E-Fuels und die Stärkung der Schiene für den Güter- und Personenverkehr. Der Markt für Pkw mit alternativen Antrieben wächst inzwischen. In den ersten drei Quartalen 2018 erhöhte sich die Zahl der Neuzulassungen von Elektro-, Hybrid-, Flüssiggas- und Erdgasantrieben um 60,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 135 278 Pkws. Das hört sich gut an. Aber: Die Kohlendioxidemissionen der Neuzulassungen in Deutschland stiegen weiter! Wurden 2017 im Durchschnitt 127,9 g CO2/km ausgestoßen, waren es in den ersten drei Quartalen 2018 bereits 130,2 g CO2/km. Zu viele Bürger bevorzugen SUVs und Geländefahrzeuge; Fahrzeuge mit höheren Motorleistungen liegen im Trend. Die Emissionen der in Deutschland neu zugelassenen Pkw sind deutlich höher als der europäische Durchschnitt. Die deutschen Autofahrer müssten bescheidener werden! (4)


Dekarbonisierung mit Flüssigmetalltechnologien?

Alle Wirtschaftsbereiche sind aufgerufen, sich noch stärker um eine Reduktion ihres Kohlendioxidausstoßes zu bemühen. Aus der Forschung kommen erstaunliche Ideen und Forschungsansätze für eine kohlendioxidarme Wirtschaft der Zukunft - bleibt abzuwarten, was realisiert werden kann.
Das Karlsruher Institut für Technologie setzt beispielsweise Hoffnung darin, mit Flüssigmetalltechnologien die notwendige Dekarbonisierung des Energiesystems zu beschleunigen. Kohlekraftwerke lassen sich in thermische Energiespeicherkraftwerke umrüsten, der thermische Speicher und die Rückverstromung mit flüssigen Metallen sehr effizient betreiben. Auch die direkte Speicherung elektrischer Energie in Flüssigmetallbatterien ist Teil der Forschung zu innovativen Energiespeichern mit großer Kapazität. Ein anderer Ansatzpunkt ist die Sonne. Mit Flüssigmetallen lässt sich die Wirtschaftlichkeit von Concentrated Solar Power-Kraftwerken gegenüber der aktuellen, auf Salzschmelzen beruhenden Technologie steigern, so die KIT-Forscher. (5)


Chemie 4.0

Die Branche Chemie und Pharma verbraucht sehr viele Ressourcen und nutzt rund zehn Prozent der gesamten Primärenergie Deutschlands. Rund 2,7 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen stammten aus der Herstellung chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse. Unter dem Konzept Chemie 4.0 hat sie sich vorgenommen, unter anderem auch das zu ändern. Nachwachsende Rohstoffe sollen verstärkt eingesetzt werden, Basischemikalien sollen in Bioraffinerien gewonnen werden, Abfälle als Rohstoff (Waste to Chemicals), Stromüberschüsse zur Herstellung von Chemikalien (Power to X) und Kohlendioxid als Rohstoff genutzt werden. Noch scheitert die konsequente Umsetzung an den hohen Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Vorgehensweisen. (6)


Hafen mit grünem Wasserstoff

Im maritimen Bereich werden große Energiemengen gebraucht und damit Emissionen verursacht, die durch die Nutzung erneuerbarer Energien reduziert werden können. Das Forschungs- und Förderprojekts WASh2Emden untersucht die Möglichkeiten, überschüssigen Windstrom in Form von "grünem" Wasserstoff zu speichern und in unterschiedlichen Anwendungsfeldern im Hafenbetrieb, in der Logistik und den im Hafen liegenden Schiffen nutzbar zu machen. (7)


Mit Super-Batterien betriebene Flugzeuge

Der Flugverkehr verursacht etwa 2,5 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen. Alternative Treibstoffe werden kaum genutzt. Die Kapazität von Batterien reicht für ein Flugzeug noch nicht aus. Forschungsansätze gibt es freilich auch in diesem Bereich. Airbus und Boeing forschen bereits seit einigen Jahren daran, kleine Flugzeuge zu elektrifizieren. Zahlreiche Start-ups entwickeln vertikal startende Flugzeuge, die autonom fliegen und Staus auf den Straßen abbauen sollen. Ein Forscherteam will Lithium-Ionen-Batterien leistungsfähiger machen und einen Super-Akku entwickeln, der ein 12-Personen-Flugzeug mit einer Reichweite von 644 Kilometern antreiben könnte. Später sollen es dann 50 Personen sein, die über diese Distanz transportiert werden. (8)


Bau

Die alten Römer mischten vor 2000 Jahren ihrem Beton Vulkanasche unter und bauten daraus das Pantheon in Rom. Ein Wink mit dem Zaunpfahl für ein Team internationaler Wissenschaftler. Sie wollen Vulkanasche mit Beton vermischen und für den Bau von Gebäuden nutzbar machen. Die Herstellung von Beton verursacht hohe CO2-Emissionen. Die weltweite Produktion von Beton sorgt für etwa fünf Prozent aller Kohlendioxidemissionen. Nach Berechnungen der Forscher käme man durch die Beimischung von Vulkanasche mit 16 Prozent weniger Energie bei der Betonproduktion aus. Die konsequente energetische Gebäudesanierung, moderne Heizanlagen, moderne Kühlsysteme und synthetische Brennstoffe aus erneuerbaren Energien, die mittelfristig schrittweise die fossilen Brennstoffe ersetzen können, all das sind weitere Ansätze, um die Klimaschutzziele im Gebäudebereich erreichbar zu machen. (9), (10)





Fallbeispiele

Schweden treibt die Elektromobilität voran und elektrifiziert den Straßenverkehr durch elektrifizierte Straßen, die die Fahrzeuge direkt mit Energie versorgen können. Pilotprojekte gibt es. So wurde in der Nähe des Stockholmer Flughafens Arlanda in diesem Frühjahr eine erste öffentliche Versuchsstrecke einer E-Road in Betrieb genommen. Rund 140 Kilometer nördlich von Stockholm gibt es seit zweieinhalb Jahren ein ERS-Konzept. Auf einem Teilabschnitt der E16 bei Sandviken hat der Siemens-Konzern eine Oberleitung aufgestellt, über die elektrische Hybrid-Lkw Strom für den Fahrantrieb beziehen und den Verbrennungsmotor abschalten können. (11)

Chemiegigant BASF hat es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 kohlendioxidneutral zu wachsen. Dafür optimiert der Konzern kontinuierlich bestehende Prozesse, ersetzt fossile Energiequellen schrittweise durch erneuerbare und entwickelt grundlegend neue emissionsarme Produktionsverfahren. Die größten Kohlendioxidquellen in der chemischen Industrie sind fossile Brennstoffe. In den kommenden fünf Jahren soll deshalb das weltweit erste elektrische Beheizungskonzept für Steamcracker entwickelt werden. Gemeinsam mit Kooperationspartnern entwickelt das Unternehmen eine neue Prozesstechnologie zur Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas. Die Herstellung von Natrium-Acrylat soll auf Ethen und Kohlendioxid umgestellt werden. (12)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Top 9 Industriebranchen nach Kohlendioxidemissionen 2015
Direkte Kohlendioxid-Tätige
Emissionen 2015 *Personen 2017
RangBranchein Millionen TonnenAnzahl
1Metalle42,3241.524
2Glas, Glaswaren, Keramik, verarbeitete
Steine und Erden39,1148.237
3Chemische Erzeugnisse24,9313.699
4Kokerei und Mineralölerzeugnisse22,316.948
5Papier, Pappe und Waren daraus10122.595
6Nahrungs- und Futtermittel, Getränke,
Tabakerzeugung8,8497.044
7Metallerzeugnisse3,6525.561
8Kraftwagen und Kraftwagenteile3,6819.996
9Maschinenbau2,6955.326
* Im Inland.

Quelle: Destatis Entnommen aus: Handelsblatt, 19.10.2018, S. 61 (13)
Abbildung 2: Top 5 Energieträger nach Kohlendioxidemissionen 2017
Kohlendioxidemissionen 2017 *
RangEnergieträgerin Millionen Tonnen
1Braunkohle151
2Steinkohle71
3Erdgas30
4Müllverbrennung10
5Mineralöl5
Sonstige19
Gesamt285
* Rundungsdifferenzen.

Quelle: Quelle: BDEW, Destatis, AGEB, BMWi, ZSW, Statistik der Kohlenwirtschaft Entnommen aus: Handelsblatt, 19.10.2018, S. 58 (1)

Weiterführende Literatur:

(1.) Deutschland: Anteil einzelner Energieträger an der Stromerzeugung und den Kohlendioxidemissionen 2017-2030
aus Handelsblatt, 19.10.2018, S. 58

(2.) Klimabilanz 2018: 4,2 Prozent weniger Treibhausgasemissionen
aus chemie.de News vom 03.04.2019

(3.) Neues Klimakabinett drückt aufs Tempo
aus Thüringer Allgemeine - Sondershausen vom 11.04.2019 Seite 8

(4.) dena: Pkw mit alternativen Antrieben weiter auf Wachstumskurs
aus eot. europe oil telegram Nr. 1/2 / 2019, Seite 14

(5.) KIT: Flüssigmetallforschung - Neue Lösungen für die Energiewende Roadmap zur Cybersicherheitsforschung
aus eot. europe oil telegram Nr. 11/12 / 2019, Seite 8

(6.) Industriepolitik: Chancen von Chemie 4.0 für starken Standort nutzen
aus eot. europe oil telegram Nr. 11/12 / 2019, Seite 8

(7.) Innovative Wasserstoffanwendungen in Häfen - Auftaktveranstaltung in Emden
aus eot. europe oil telegram Nr. 1/2 / 2019, Seite 9

(8.) Batterieguru entwickelt Flugzeug-Akku für 1000 Kilometer
aus Edison online 09.11.2018 um 11:56:53 Uhr

(9.) Energiesparender Beton aus Vulkanasche
aus Edison online 09.11.2018 um 11:56:53 Uhr

(10.) Aus für Gebäudekommission - Schnelles Umschalten wichtig
aus eot. europe oil telegram Nr. 15/16 / 2019, Seite 13

(11.) E-Highways als Grundstein für die Verkehrswende
aus www.powernews.org Meldung vom 24.10.2018 - 11:41

(12.) BASF: Neue Perspektiven für klimaschonende Chemieproduktion
aus eot. europe oil telegram Nr. 03/04 / 2019, Seite 9

(13.) Deutschland: Kohlendioxidemissionen der Industrie 2015
aus Handelsblatt, 19.10.2018, S. 61

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 04 vom 29.04.2019
Dokument-ID: s_ene_20190429

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