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Kernenergie - Global bleibt Anteil an Stromerzeugung trotz Ausbauplänen stabil

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 22.09.2014


Deutschland: Atomkraft bei Primärenergie und Stromerzeugung weiter sinkend

Die Atomkraft trug im Jahr 2013 in Deutschland 7,6 Prozent zur Deckung des Primärenergiebedarfs bei. Mit etwa einem Drittel ist das Öl noch immer der wichtigste Energieträger (33,4 Prozent). Es folgen Kohle mit knapp 25 Prozent (Steinkohle 12,8, Braunkohle 11,7), Erdgas mit 22,3 Prozent und Erneuerbare mit 11,5 Prozent. Ihr Anteil an der Brutto-Stromerzeugung sinkt weiter auf jetzt 15,4 Prozent (zum Vergleich: im Jahr 2010 waren es noch 22 Prozent). Wichtigster Energieträger bei der Brutto-Stromerzeugung ist Braunkohle mit 25,6 Prozent. (1), (2)


Rohstoff Uran wird teurer

Uranvorkommen sind zwar üppig, aber dennoch endlich und beim bisherigen Stand der Technik in absehbarer Zeit verbraucht. Knappe Güter sind bekanntlich teuer. In der Tat schnellte in den Jahren von 2005 bis 2008 der Uranpreis kräftig nach oben. Danach ging es abwärts, wobei der Unfall von Fukushima die Talfahrt beschleunigte. Die Nachfrage nach Uran ist dennoch groß. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe geht davon aus, dass sie in Asien und im Nahen Osten signifikant ansteigen werde, insbesondere dann, wenn Japan seine Kernkraftwerke wieder hochfährt. Auch die politische Ukraine-Krise und die damit einhergehenden Spannungen zwischen den USA, der EU und Russland zeigen Auswirkungen auf dem Markt für Uran. Seit einigen Wochen steigt der Uranpreis deutlich an. Das macht auch den USA zu schaffen. Mit dem russischen Uran wurden in den vergangenen 15 Jahren fast zehn Prozent des US-Stroms erzeugt. Zwar haben die Amerikaner seit dem Schiefergasboom an Unabhängigkeit bei ihrer Energieversorgung gewonnen, doch beim Uranerz bestehen nach wie vor große Abhängigkeiten von Russland. Russland hat Uranerz und liefert Uranbrennstäbe. Den amerikanischen Reaktorbetreibern wie beispielsweise Duke Energy und Tennessee Valley Authority haben sich auf dem Spotmarkt mit Uran versorgt, doch die Frage, wer es aufbereiten kann, ist ungelöst. Auch China sucht nach Alternativen zum russischen Uran. Der Blick geht nach Afrika. Namibia und der Niger zählen zu den sechs größten Förderländern der Welt. Große Förderländer sind Australien, Kanada, Russland, Niger, Namibia, Kasachstan, Usbekistan, Südafrika und die USA. Uranproduzenten sind beispielsweise KazAtomPro, Cameco, Areva, ARMZ-Uranium One, Rio Tinto, BHP Billiton, Paladin, Navoi, auch Fission Uranium, Uranium Energy und Uranium Participation. (3), (4), (5), (6)


Zwölf Prozent Atomstrom weltweit

Der Anteil des mit Kernenergie erzeugten Stroms liegt weltweit bei rund zwölf Prozent. In den OECD-Ländern beträgt der Anteil mehr als 20 Prozent. Am meisten wird in den USA erzeugt, hier gibt es 104 Kraftwerke. Es folgen Frankreich und Russland. Derzeit sind weltweit 72 Kernkraftwerke im Bau, der Großteil in Asien (Russland, China, Indien). In Japan will man zudem wieder Atomkraftwerke hochfahren. In Europa haben sich Deutschland, Belgien und die Schweiz zum Atomausstieg bekannt, Frankreich, Großbritannien und Polen hingegen wollen kerntechnisch aufrüsten. In Europa befinden sich derzeit zwei Anlagen im Bau, eine in Finnland, die andere in Frankreich. (3)

Die Beurteilung der Lage bei der weltweiten Zukunft der Stromerzeugung mit Kernenergie ist different. Die einen sprechen von einer Renaissance des Atomstroms, die anderen sehen keine wachsende globale Bedeutung der Kernenergie. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sieht global eine nachlassende Bedeutung der Kernenergie. Zwar gibt es Ausbaupläne, doch tatsächlich würden derzeit nur wenige Atomkraftwerke gebaut. Nennenswert investieren würde nur China. Die Chinesen sind gierig darauf, in Europa Kernkraftwerke zu bauen oder zu finanzieren. Sie drängen immer stärker in den europäischen Kraftwerksmarkt, hätten nur allzu gerne eine Referenzanlage im guten alten Europa. Außerdem seien weltweit viele Reaktoren mittlerweile in einem stattlichen Alter. Die 131 Reaktoren in den 28 EU-Ländern sind im Schnitt 30 Jahre alt, über 80 Prozent sind älter als 20 Jahre. Allein infolge längerer Wartungen und häufigeren Stillständen wegen Reparaturen sinkt der Anteil der Kernenergie in der EU bereits heute. Lange Genehmigungsprozesse, Kernkraft-Gegner, lange Bauzeiten und vor allem die hohen Kosten erschweren den Neubau von Kernkraftwerken in Europa. Ohne staatliche Subventionen geht es gar nicht, Unternehmen handeln sich gewaltige Verluste ein. Beispielsweise erhält ein geplanter Neubau in Großbritannien erhebliche Subventionen, beim derzeitigen Bau neuer Reaktoren in Finnland und Frankreich sind die Kosten explodiert. Auch die Kerntechnik macht nicht allzu große Fortschritte. Zwar gibt es sicherheitsrelevante Verbesserungen, doch die Meiler bleiben ein Risiko. Neue Reaktortypen werden nicht ausprobiert. Dafür ist der politische und gesellschaftliche Gegenwind derzeit zu hoch. Im Trend liegen die bekannten Leichtwasserreaktoren mit immer größeren Blöcken. (7), (8), (9), (10)



Trends

Der weltweite Bedarf an Kraftwerken aller Art ist groß. Doch nicht alle Baupläne für Biomasse-, Gas-, Kohle- und Kernkraftwerke können umgesetzt werden. In vielen Ländern mangelt es am Geld, und die Energieversorger investieren nicht mehr so viel wie noch vor ein paar Jahren.

Auf dem Markt der Kraftwerks- und Turbinenbauer ist eine Konsolidierung im Gange.

Die Internationale Energie Agentur (IEA) schätzt, dass in den nächsten zwei Dekaden bis 2030 weltweit nahezu die Hälfte aller Investitionen in die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien fließen wird, allen voran Wind- gefolgt von Solar-, Wasser- und Biokraftwerken. Im Schlepptau werden die Gasturbinen profitieren, dank deren Flexibilität die Schwankungen der erneuerbaren Stromerzeugung abgefedert werden kann. (11)



Fallbeispiele

Finnland baut den Europäischen Druckwasserreaktor EPR, eine Leichtwasserreaktor-Anlage, mit einer hohen Leistung von 1 600 Megawatt. Das in Bau befindliche Atomkraftwerk Olkiluoto 3 in Finnland soll nicht 2016, sondern erst ab 2018 Strom liefern. Das teilte das Konsortium von Areva und Siemens mit, das mit dem Bau der Anlage beauftragt ist. Das Kernkraftwerk beschert den beiden Herstellern bisher hohe Verluste. (12)

Frankreich hat 58 Kernkraftwerke, sie liefern 75 Prozent des Stroms, Frankreich ist damit führend in der EU. Kann der staatliche Betreiber EDF keine Laufzeitverlängerung von 30 auf 50 Jahre durchsetzen, muss Frankreich 2018 oder 2019 die ersten Kernkraftwerke abschalten.

Großbritannien präsentiert sich als Befürworter der Kernenergie und zeigt sich investitionsbereit. Der Neubau im südwestenglichen Hinkley Point wurde im vergangenen Herbst besiegelt. 2023 soll das Atomkraftwerk Strom liefern. Die Technik kommt aus Frankreich (Areva, Alstom), das Geld aus China. 19,2 Milliarden Euro sind veranschlagt. Derzeit liegt ein Finanzierungskonzept in Brüssel vor und wartet auf grünes Licht. Der älteste britische Reaktor ist Wylfa in Wales, er hat 43 Jahre auf dem Buckel und muss jetzt stillgelegt werden. EDF Energy hat in Großbritannien insgesamt drei Reaktoren in den Kraftwerken Heysham und Hartlepool für eine Sicherheitsprüfung der Boiler vom Netz genommen. Die Chinesen wollen noch weiter investieren und zwar in Bradwell in Essex, nah der ostenglischen Nordseeküste. (10)

Japan importiert derzeit große Mengen an Erdgas, es erreicht das Land flüssig und per Schiff. Das ist teuer. Die Preise liegen fünfmal so hoch wie in den USA. Das erklärt, weshalb in Japan trotz Fukushima Politik und Wirtschaft auf einen Neustart der Kernkraftwerke drängen. Viele Bürger wehren sich dagegen.

China investiert derzeit in alles, was Energie liefert, also in Kohle, in Sonne, Wind und in Atomkraft. Vor allem die infolge der vielen Kohle dreckige Luft ist ein Problem, das die saubere Kernenergie lösen soll. Laut der World Nuclear Association waren Mitte 2014 in China 20 Kernkraftwerke in Betrieb, 29 in Bau und weitere 57 in Planung. Im Jahr 2030 sollen nach Auskunft der staatlichen China National Nuclear Corporation (CNNC) in China insgesamt 150 Kernkraftwerke Strom produzieren.

Auch in anderen Ländern, in denen Wirtschaft und Energiebedarf schnell wachsen, wie Indien, Korea, Vietnam, den Golfstaaten, Russland, Ungarn oder der Slowakei ist die Kernspaltung eine wichtige Option, damit künftig nicht die Lichter ausgehen.

Zu den Playern im weltweiten Geschäft mit der Atomenergie zählen der französische Kerntechnikspezialist Areva, die japanische Toshiba seit der Übernahme von Westinghouse, die kanadische Cameco als führender Uranförderer. (4), (10), (11)

In den USA werden derzeit fünf neue Kernkraftwerke geplant. Infolge eines Erdbebens im kalifornischen Norden und der Forderung nach Abschaltung des letzten kalifornischen Kernkraftwerks Diablo Canyon wird die Frage nach der Erdbebensicherheit der Kernkraftwerke erneut auf höchster Ebene diskutiert. Die gefährdeten Anlagen in Watts Bar und Vogtle werden derzeit kräftig ausgebaut. (13)



Zahlen & Fakten


Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris beziffert den notwendigen Finanzbedarf zum Ausbau der weltweiten Energieerzeugung bis 2035 auf 40 Billionen Dollar.
Pro Jahr sind das rund 1,4 Billionen Euro - das entspricht in etwa der gesamten Wirtschaftsleistung Italiens in einem Jahr.
Die IEA erwartet, dass der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromerzeugung mit zwölf Prozent stabil bleibt.

Die Daten der Weltatomvereinigung untermauern das: Global wird aktuell an 72 neuen Reaktoren gebaut, 173 durchlaufen die Planungsphase. (4)



Weiterführende Literatur:

(1.)Primärenergieverbrauch, Jahr 2013
aus Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. (AGEB) vom 18.03.2014

(2.)Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2013
aus Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. (AGEB) von 2014

(3.) Strahlendes Comeback erwartet
aus "Börsen-Kurier" Nr. 34/2014 vom 21.08.2014 Seite 1

(4.) Atomenergie. Das Comeback der Meiler
aus EURO, 20.08.2014, Nr. 9, S. 78 - 81

(5.) Uran: Interesse nimmt allgemein zu
aus "Börsen-Kurier" Nr. 37/2014 vom 11.09.2014 Seite 14

(6.) Marktanteile der größten Produzenten von Uran weltweit im Jahr 2013
aus "Börsen-Kurier" Nr. 37/2014 vom 11.09.2014 Seite 14

(7.) DIW: Kernkraft ist teuer und hat keine Zukunft
aus www.powernews.org Meldung vom 26.03.2014 - 13:11

(8.) DIW: Kernkraft zu teuer
aus energate vom 26.03.2014

(9.) China investiert in Großbritannien
aus www.powernews.org Meldung vom 28.08.2014 - 10:04

(10.) Interview. "Rational lässt sich der Bau neuer Kernkraftwerke nicht begründen" ...sagt der Physiker und ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft für Reaktorsicherheit Lothar Hahn.
aus www.powernews.org Meldung vom 28.08.2014 - 10:04

(11.) Kraftwerksbauer unter Druck
aus www.powernews.org Meldung vom 14.08.2014 - 11:51

(12.) Finnisches AKW soll nun 2018 ans Netz
aus energate vom 02.09.2014

(13.) US-Erdbeben heizt Kernkraftdiskussion neu an
aus VDI NR. 36 VOM 05.09.2014 SEITE 3

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 22.09.2014
Dokument-ID: s_ene_20140922

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